Verteidigungsminister Darabos

DARABOS‘ PILOTPROJEKTE FÜR BERUFSHEER

by Doppeladler

Verteidigungsminister DarabosMinister Darabos möchte gerne mehr Berufssoldaten beim Heer begrüßen © Bundesheer

Am 29. August 2011 kündigte Verteidigungsminister Norbert Darabos die Durchführung von Pilotprojekten bzw. Pilotversuchen für die Umstellung des Bundesheeres auf ein Berufsheer mit freiwilliger Milizkomponente an.

ÖVP und SPÖ liefern sich bereits in den Wochen zuvor einen neuerlichen Schlagabtausch zur Heeresreform. Die SPÖ propagiert weiterhin die seit Herbst 2010 geltende Parteilinie „Freiwilligenheer mit Milizkomponente“ (Berufsheer) während die ÖVP das Konzept „Österreich-Dienst“ (neue Form der Wehrpflicht) verfolgt. Die Positionen liegen so weit auseinander, dass man anscheinend aus Hilflosigkeit heraus bevorzugt, über einander herzuziehen und zu provozieren anstatt konstruktiv zu verhandeln.

Der Vorstoß zur Durchführung der Pilotprojekte ist dabei vermutlich als eine bewusste Provokation des Koalitionspartners einzustufen. Denn das es gemeinsam mit der ÖVP nicht in Richtung Berufsheer geht, müsste selbst Darabos klar sein. Er möchte deshalb so weit gehen, wie er es als Ressortverantwortlicher alleine gehen kann. Eine Einigung mit der ÖVP zeichne sich ohnehin nicht ab, argumentiert man im Büro des Verteidigungsministers.

Der Minister hat den Generalstab mit der Ausarbeitung von drei Pilotprojekten beauftragt, die ab 2012 verfolgt werden sollen:

1. Pilotprojekt zur Freiwilligenmiliz

„Ziel ist es, die Miliz attraktiver zu gestalten und die Qualität von Milizeinheiten, vornehmlich Pionierkompanien, anhand des Modells eines Freiwilligenheeres, anzuheben. Dabei sollen Einheiten der Miliz – nach regionalen Gesichtspunkten ausgewählt – zu jährlichen Übungen und im Bedarfsfall auch zu Einsätzen herangezogen werden. Als Anreiz ist eine entsprechende Prämie vorgesehen.“

Soweit bekannt sollen ein bis zwei Miliz-Kompanien aufgestellt werden, die für eine Jahresprämie von bis zu 5.000 Euro insgesamt zwei Wochen pro Jahr Truppenübungen durchführen.

2. Pilotprojekt zur Reduktion von Systemerhaltern

„Ziel ist das probeweise Betreiben militärischer Liegenschaften und Einheiten ohne Systemerhalter, um damit eine deutliche Reduktion herbeizuführen. Dabei sind die als Systemerhalter eingesetzten Grundwehrdiener durch entsprechende Maßnahmen zu kompensieren. Betroffen davon sind in erster Linie die Bereiche Küchen, Betreuungseinrichtungen, Wachen und Kraftfahrer. Damit geht auch eine generelle Attraktivierung des Grundwehrdienstes einher.“

Die Leistungen der Systemerhalter sollen zum Teil durch das Kaderpersonal bzw. die Berufssoldaten übernommen werden. Zusätzlich sollen Tätigkeiten an Zivilfirmen vergeben werden.

3. Pilotprojekt zur Professionalisierung von Verbänden

„Ziel ist die Aufstellung vorerst eines „Musterverbandes“, welcher ausschließlich aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen soll. Dabei ist – möglichst an einem Standort – ein Verband für einen geschlossenen Einsatz im In- und Ausland vorgesehen. Durch die Konzentration auf Kernaufgaben soll eine höhere Einsatzbereitschaft und eine raschere bzw. flexiblere Reaktionsfähigkeit auf die verschiedenen Einsatzszenarien erreicht werden.“

Doch welche n e u e n Erkenntnisse sollen diese Pilotvorhaben bringen, die nicht bereits vorliegen oder klar vorherzusehen sind?

Pilotprojekte zur Professionalisierung von Verbänden gibt es bereits

Das österreichische Wehrsystem ist bereits heute ein Mischsystem aus Wehrpflichtigenarmee, Berufsheer und Miliz. Das die Berufsheerkomponente des Bundesheeres grundsätzlich funktioniert ist offensichtlich. In vielen Truppenteilen sind bereits heute keine oder wenige Grundwehrdiener im Einsatz – etwa in der Luftraumüberwachung, beim Jagdkommando, bei der Militärpolizei, etc. In den Kaderpräsenzeinheiten dienen ausschließlich Berufssoldaten. Diese Truppenteile funktionieren aber auf Grundlage des Mischsystems. Die Wehrpflicht ist wichtigstes Rekrutierungsinstrument für die Berufsheerkomponente. Pilotprojekte – insbes. Nummer 3 – liefern daher keine neuen Aussagen, die vom derzeitigen Mischsystem unabhängig sind.

Kaderpräsenzeinheit KPE des Jägerbataillons 25 im Auslandseinsatz
Pilotprojekte gibt es bereits. Hier Berufssoldaten der Kaderpräsenzeinheit des Jägerbataillons 25 im Kosovo © Doppeladler.com

Auch zur Reduktion von Systemerhaltern wird kein Pilotprojekt benötigt. Natürlich kann man die Leistungen von Systemerhaltern von Kaderpersonal durchführen lassen oder am Markt hinzukaufen. Klar ist auch, dass beides teurer ist, als Wehrpflichtige einzusetzen. Solange man zur Kompensation der Mehrkosten anderen Verbänden oder Garnisonen Budgetmittel wegnehmen kann, wird das Pilotprojekt erfolgreich sein. Die Reduktion von Systemerhaltern ist ein ehrenwertes Ziel und Bundesheer-weit möglich, wenn man analysieren würde, ob wirklich alle Systemerhaltungsfunktionen in heutiger Stärke erforderlich sind. In die Frage der Systemerhalter spielt auch die Standortfrage hinein, denn jeder überflüssige Kasernenstandort schafft auch überflüssigen Erhaltungsaufwand.

Auch das Pilotprojekt zur Freiwilligenmiliz wird positive Ergebnisse liefern. In der Miliz gibt es für kleinere Einheiten genug engagierte Soldaten, die gerne bei Katastropheneinsätzen mitwirken würden. Wenn dafür auch noch eine Prämie herausschaut – warum nicht? Diese Vorzeige-Miliz wird dann vielleicht auch – auf Kosten anderer Einheiten – mit modernem Gerät ausgestattet.

Unterm Strich: Diese Pilotprojekte sind durchschaubar. Und nach Wunsch noch dazu steuerbar. Aber man kann daraus keine Erkenntnisse ziehen – sondern nur Zeit für eine echte Beschäftigung vergeuden. Und dann steht immer noch die Meinung des Koalitionspartners dagegen!

Man kann die Umstellung eines Heeressystems nicht „im Kleinen“ untersuchen

Wenn man die Vor- und Nachteile eines Berufsheeres gegenüber dem derzeitigen Mischsystem betrachten will, dann empfiehlt sich ein Blick zu Streitkräften anderer Nationen. Dort gibt es viele Umstellungen zu sehen, die nicht funktionieren und auch einige wenige erfolgreichere Modelle. Dieser Erfahrungsaustausch muss ernst genommen werden und funktioniert nicht im Rahmen eines eintägigen Symposiums.

Was man auch durch Beobachtung lernen kann: Eine erfolgreiche Umstellung auf ein Berufsheer zeigt sich erst viele Jahre nachdem die Wehrpflicht ausgelaufen ist. Denn solange noch Soldaten in den Streitkräften dienen, die sich aufgrund der Wehrpflicht für eine Profi-Karriere beim Heer entschieden haben, solange hat das Berufsheer nicht bewiesen, dass es ohne Wehrpflicht auskommt. Tschechien überlegt in diesen Tagen, die 2004 abgeschaffte Wehrpflicht wieder teilweise einzuführen …

UPDATE 31.10.2011: Laut Medienberichten stuft ein Expertenpapier aus dem Ministerium selbst die Pilotprojekte als „rechtlich und finanziell nicht gedeckt“ ein.  Ein Beispiel: Für Milizprämien stehen dem verarmten Ressort keine Finanzmittel zur Verfügung. Darüber hinaus ist es derzeit rechtlich gar nicht möglich, Milizsoldaten Prämien im Voraus, ohne einem speziellen Anlass, auszubezahlen. Die anderen Pilotprojekte weisen ähnliche Probleme auf.

Weiterführende Links:

Letztes Update: 31.10.2011

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