Pressekonferenz zum Landesverteidigungsbudget am 06.10.2022 © BMLV

Budget 2023 – Zeitenwende auch beim Bundesheer?

by Doppeladler

Die Katze ist aus dem Sack! Am 12. Oktober 2022 präsentierte Finanzminister Brunner das Budget der Republik Österreich für die Jahre 2023 bis 2026. So ein Budget ist „in Zahlen gegossene Politik“ und das gilt natürlich auch für das Verteidigungsbudget. Wie wir wissen, war Österreichs Verteidigungsbudget lange Zeit sichtbarer und spürbarer Ausdruck von der Bedeutungslosigkeit, welche die Regierungen aller Zusammensetzungen über Jahrzehnte der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zugerechnet haben.

Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist am 24. Februar 2022 der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Ein radikaler Einschnitt in der Geschichte Europas – den Begriff „Zeitenwende“ prägte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz.

Der Krieg führte auch in Österreich zu einer Neubewertung und zur späten Einsicht, dass man für konventionelle, hybride und Cyber-Bedrohungen nicht ausreichend gewappnet ist. Die Republik verurteilte zwar das Vorgehen Russlands und beteiligt sich an den EU-Sanktionen, eine konkrete sicherheitspolitische bzw. militärische Reaktion auf die sich stark verschlechtere Sicherheitslage blieb allerdings zunächst aus, während andere EU-Staaten früher mit Programmen zur Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit starteten. Zwischen Februar und Oktober 2022 gab es in Österreich lediglich Ankündigungen bzw. politische Versprechen und diese möchten wir an dieser Stelle den nackten Budgetzahlen gegenüberstellen.

Budgetrede Finanzminister Brunner © BMF
Finanzminister Brunner bei der Budgetrede 2023 © BMF

Die nackten Zahlen

Das Budget für das Bundesheer entspricht der Untergruppe UG14 „Militärische Angelegenheiten“. Darin sind die Kosten des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV), der nachgeordneten Dienststellen und der Truppe zusammengefasst.

Das Bundesfinanzgesetz 2023 und das dazugehörige Bundesfinanzrahmengesetz decken die Jahre 2022 bis 2026 ab (Links am Seitenende). Daraus ist abzulesen, dass 2023 in Summe 3.317,9 Mio. EUR in „Militärische Angelegenheiten“ investiert werden sollen. Das ist um 604,8 Mio. EUR mehr als 2022 – ein Plus von 22,3% – und es entspricht voraussichtlich 0,69% des BIP 2023. Unten den derzeitig schwierigen Rahmenentwicklungen, die sich natürlich auch in den Staatsfinanzen niederschlagen, ist das eine erfreuliche Steigerung und verdient durchaus Anerkennung.

Leider wird ein Teil dieses Zuwachses wieder von der aktuellen Preisentwicklung aufgefressen. Im Oktober wird für das Jahr 2022 mit einer sehr hohen Inflation von 8,4% gerechnet (VPI). Der Dieselpreis ist seit Anfang 2020 um über 70% gestiegen (Heeresgerät ist mit Diesel-Kraftstoff unterwegs). Im Hochbau sind seit Anfang 2020 die Kosten um fast 25% gestiegen (relevant für Kasernenprojekte). Angesichts der stark steigenden Nachfrage an modernen Rüstungsgütern sind auch hier Preissteigerungen zu erwarten.

Da das zuvor beschlossene Budget nur die Jahre bis 2025 abdeckt, beträgt gegenüber der bisher beschlossenen Finanzplanung die „echte Budgeterhöhung“ insgesamt 3.260 Mio. EUR (2023 bis 2025). Für 2026 gab es noch keinen Beschluss. Nimmt man sich das laufende Jahr als Basis, wird das Verteidigungsbudget bis 2026 um 5.065,9 Mio. EUR erhöht.

Wie man an untenstehender Tabelle erkennt, wird in keinem Jahr das Ziel, ein Prozent des BIP für die Landesverteidigung auszugeben auch nur annähernd erreicht. In Summe fehlt 2022 bis 2026 die stolze Summe von 6.370,6 Mio. EUR zur Erreichung dieses Ziels. Dass, wie bis zuletzt angekündigt, das Budget 2027 rund 1,5% des BIP ausmachen soll, muss ebenfalls bezweifelt werden. Es wäre ein zu großer Schritt von nur 0,87% im Jahr 2026.

Budget UG14: Budgetansatz laut Budgetbericht 2023
BIP-Prognose: Prognose des Brutto-Inlands-Produkts laut Budgetbericht 2023
BIP Quote: Anteil Budget UG14 an der BIP-Prognose des jeweiligen Jahres
Erhöhung zu BFRG alt: Vergleich zum bisherigen Bundesfinanzrahmengesetz bis inkl. 2025 (lt. Novelle April 2022)
Erhöhung zu 2022: Steigerung im Vergleich zum geplanten Budget 2022
Fehlbetrag zu 1% Ziel: Welcher Betrag fehlt, damit UG14 etwa 1% des BIP erreicht?

Das 1%-Ziel und die Pensionen

Das Ziel, etwa 1% der Wirtschaftsleistung bzw. des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) in die Landesverteidigung zu investieren, formulierte bereits Wiens Ex-Bürgermeister Helmut Zilk als Vorsitzender der Bundesheer-Reformkommission im Juni 2004 (!). Doch erst nach dem Angriff Russlands wurde von Verteidigungsministerin Tanner und Bundeskanzler Nehammer ein Budget 2023 in dieser Höhe tatsächlich angekündigt. In der Realität wird das Ziel deutlich verfehlt. Wie oben dargestellt, werden anstelle von 1% des BIP im Jahr 2023 nur 0,69% des BIP erreicht.

Die Bundesregierung hat jedoch einen Zahlentrick auf Lager: Sie erklärt, dass ab sofort gemäß internationaler Gepflogenheiten die Bundesheer-Pensionen in die Quote einzurechnen sind (das ist tatsächlich üblich bei SIPRI, NATO, etc.). Sie erklärt weiters, dass das Budget aus UG14 gemeinsam mit den Pensionen (in UG23 bei den Sozialausgaben budgetiert) nun 1% des BIP ausmachen würden. Wie in der obigen Budgettabelle ersichtlich, müssten die Pensionen 2023 beachtliche 1.464,6 Mio. EUR ausmachen, damit diese Rechnung aufgeht. Ob das so ist lässt sich aus den Budgetgesetzen nicht nachvollziehen, da die Bundesheer-Pensionen in UG23 nicht separat ausgewiesen werden. Es ist natürlich sehr auffällig, dass man diese neue Berechnungsmethode ausgerechnet dann einführt, wenn man konkret angekündigte Zielwerte nicht erreichen kann oder möchte.

Noch unwahrscheinlicher ist, dass der dargestellte Budgetpfad für 2027 ein Bundesheer-Budget in der seitens der Regierung angekündigten Höhe von 1,5% des BIP ermöglicht. Dieser Zielwert wurde z.B. noch am 25.10.2022 – d.h. lange nach der Präsentation der Zahlen – in einer ÖVP-Aussendung „bestätigt“. Das Jahr 2027 liegt gerade außerhalb des in den Gesetzen abgebildeten Zeithorizonts, aber der Schritt von 2026 (0,87%) auf 2027 wäre unrealistisch hoch.
In Relation zum 2%-Zielwert für NATO Mitglieder wären diese 1,5% übrigens kein besonders ambitioniertes Ziel, zumal ein neutraler Staat grundsätzlich mehr in seine eigenständige Verteidigung investieren müsste als dies in einem kooperativen Militärbündnis der Fall wäre.

Pressekonferenz zum Landesverteidigungsbudget am 06.10.2022 © BMLV
Nehammer, Tanner und Brunner bei der Pressekonferenz zum Landesverteidigungsbudget am 06.10.2022 © BMLV

Das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz

Das LVFinG soll laut den Vorstellungen Bundesregierung den Finanzrahmen für das Bundesheer langfristig absichern. Schließlich will man einen Aufbauplan Bundesheer 2032 finanzieren. Doch spätestens im Herbst 2024 wird wieder ein neuer Nationalrat mit vielleicht neuen Prioritäten gewählt. Tatsächlich referenziert das Gesetz für die Jahre 2023 bis 2026 lediglich auf die Budgetgesetze. Da das LVFinG entgegen ursprünglicher Vorstellungen kein Verfassungsgesetz ist und mit der gleichen Mehrheit wie die Budgetgesetze geändert werden kann, sichert es auch nichts ab.
Für die Jahre 2027 bis 2032 „bekennt sich die Republik Österreich [im LVFinG] zu weiterhin ansteigenden Budgets der Untergliederung 14“. Eine Verpflichtung zu real steigenden Verteidigungsbudgets ist man jedoch bereits 2017 mit PESCO auf EU-Ebene eingegangen (Permanent Structured Cooperation / Ständige Strukturierte Zusammenarbeit). Beide Ziele sind dann erreicht, wenn pro Jahr geringfügig mehr als die Inflationsrate in das Bundesheer investiert wird. Insofern ist das Gesetz lediglich eine symbolische zusätzliche Willenserklärung der Politik.

Sonderfinanzierung / Der Neutralitätsfonds

Um den gewaltigen Investitionsrückstau beim Bundesheer abzubauen, wurde beispielsweise von ex-Verteidigungsminister Starlinger und ex-Generalstabschef Brieger neben einer Budgeterhöhung auch immer wieder eine Sonderfinanzierung oder Anschubfinanzierung angesprochen. Verteidigungsministerin Tanner wollte hierzu einen 10 Milliarden Euro schweren „Neutralitätsfonds“ einrichten – das hätte im Verhältnis in etwa dem 100 Mrd. EUR Sondervermögen für die Deutsche Bundeswehr entsprochen. Von solchen Sonderfinanzierungstöpfen ist nun nicht mehr die Rede. Große Beschaffungen sind im Gegensatz zur Praxis der letzten Jahre im Regelbudget eingepreist.

Ein Fazit

Schwarz auf Weiß hat der Ukraine-Krieg auch in Österreich dazu geführt, dass die Landesverteidigung wieder stärker in den Fokus der Politik rückt. Mit dem neuen Budgetpfad lasst sich ein großer Teil des Investitionsrückstaus beim Bundesheer abbauen und immer weiter aufklaffende Finanzlöcher stopfen (wir werden berichten). Das ist erfreulich und verdient auch Anerkennung.
Die präsentieren Zahlen klingen eindrucksvoll, sie liegen jedoch deutlich unter den angekündigten Werten (zunächst 1% des BIP, bis 2027 Entwicklung zu 1,5% des BIP) und sorgen daher vielerorts auch für Enttäuschung. Die Summen zeigen auf, dass man weiterhin die Abwehr hybrider Bedrohungen in den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen stellt und nicht die Abwehr konventioneller militärischer Bedrohungen (Fokus auf die „Eintrittswahrscheinlichkeit“). Für letzteres sind ganz andere Beträge erforderlich. Wenn die Bundesregierung in den Medien nun die Wiedereinführung der militärischen Landesverteidigung (im Sinne einer territorialen Verteidigung gegen einen konventionellen Aggressor) verbreitet, dann passen – auf einem nun höheren Budgetlevel – wiederum Anspruch und Wirklichkeit nicht zusammen. Doch gerade diese Schere könnte die Regierung nun im Sinne der Glaubwürdigkeit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik schließen.
Und ja – Budgetmittel alleine sind noch keine Heeresreform – es braucht auch andere Weichenstellungen wie etwa die Stärkung der Milizkomponente. Aber bisher scheiterten alle Reformversuche am Budget, weil man das zu spät oder gar nicht thematisierte. Andere Reformen waren tatsächlich Sparparkete. Der umgekehrte Weg ist erfrischend anders und der neue Budgetpfad sollte als Startschuss für weiterführende Reformen gesehen werden.

Weiterführende Links:

Titelbild: Martialische Inszenierung der Pressekonferenz zum Landesverteidigungsbudget am 06.10.2022 © BMLV

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