Unser Heer 2030 © Bundesheer

Zustandsbericht „Unser Heer 2030“

by Doppeladler
Unser Heer 2030

Am 17.09.2019 veröffentlichte der Verteidigungsminister der Übergangs-/Expertenregierung, Thomas Starlinger, den Bericht „Unser Heer 2030 – Die Antwort auf künftige Bedrohungen“.
Auf 132 Seiten zeichnet der Bericht ein drastisches Bild über den Zustand des Österreichischen Bundesheeres. Wie schon im Positionspapier des Generalstabchefs (März 2019) wird die seit Jahren immer größer werdende Lücke zwischen den Aufgaben des Österreichischen Bundesheeres und den dafür bereitgestellten Mitteln offen gelegt. Das Bild ist allerdings noch drastischer, was der unabhängige Minister Starlinger in der ZIB2 am 17.09.2019 mit der „Schönung“ des ersten Berichts aus „politischen Gründen“ erklärt.

Die zentrale Aussage ist, dass das Bundesheer bereits im Ist-Zustand nicht mehr alle Aufgaben wahrnehmen kann, die zur Bewältigung von aktuellen Bedrohungen erforderlich sind (Systemischer Terrorangriff, Blackout, Cyberangriffe, etc. – siehe Risikobild). Diese kritische Lage wird sich ohne geeignete Gegenmaßnahmen drastisch verschärfen, weil veraltetes Gerät unbrauchbar wird, Pensionierungen den Personalmangel verschärfen und nach 30 Jahren Unterdotierung des Heeresbudgets an allen Ecken und Enden das Geld fehlt. Ziel ist es, die Verteidigungsausgaben schrittweise auf 1% des BIP zu erhöhen.

Abgeleitet von den gesetzlichen Vorgaben und einem aktuellem Risikobild, werden die erforderlichen Fähigkeiten im Zustandsbericht dargestellt. Von der vielzitierten „Panzerschlacht im Marchfeld“ ist dabei nichts zu lesen. Diese war auch zu Zeiten des Kalten Krieges nie ein Szenario, für dass sich das Bundesheer vorbereitet hatte. Im zweiten teil des Berichts werden die Anforderungen an die einzelnen Waffengattungen heruntergebrochen (Infanterie, Luftstreitkräfte, ABC-Truppe, etc.). So ist beispielsweise die Saab 105 Oe Nachfolge längst überfällig. Bei der Liste der erforderlichen Investitionen ist auffällig, dass man sich nicht am oberen Ende bewegt. Es fehlt die Forderung, die Anzahl der Abfangjäger zu erhöhen, um die aktive Luftraumüberwachung auf mehr Stunden auszuweiten. Die Kampfpanzer Leopard 2A4 sollen einer Kampfwerterhaltung zugeführt und nicht gegen Neugerät ersetzt werden usw.

Es ist die Hoffnung Starlingers, dass der Bericht „Unser Heer 2030“ den politischen Verantwortungsträgern der kommenden Legislaturperiode (nach der Wahl Ende September 2019) fundierte Entscheidungsgrundlagen liefert und Anstoß gibt für entsprechende Reformschritte.

Bereits in wenigen Jahren sind unsere Soldatinnen und Soldaten nicht mehr in der Lage bei Naturkatastrophen oder bei Schutzoperationen die Bevölkerung zu schützen. Ich bin aber davon überzeugt, dass der Bericht ‚Unser Heer 2030‘ die Entscheidungsgrundlagen liefert, damit die zukünftige Regierung dem Bundesheer die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt„, erklärte Minister Starlinger.

Verteidigungspolitisches Risikobild

Das aktualisierte verteidigungspolitische Risikobild zeigt die derzeitige Einschätzung, welche Bedrohungen wahrscheinlich sind und wie hoch ihre Auswirkung auf die Sicherheit Österreichs wäre. Methodisch korrekt wird es den Anforderungen an das Bundesheer vorausgestellt.

Notwendige Budgetentwicklung

Die folgende Grafik zur „notwendigen Budgetentwicklung“ vergleicht den derzeitigen Budgetpfad gemäß dem ersten Bundesfinanzrahmengesetz der Regierung Kurz I mit dem laut Verteidigungsministerium erforderlichen Regelbudget sowie dem Zusatzbudget, um den Investitionsrückstau abbauen zu können. Schrittweise soll das Heeresbudget in Richtung 1% des BIP anwachsen.

Minister Starlinger und die mitwirkenden Experten halten für 2020 ein Budget von etwa 3 Mrd. EUR für erforderlich. Über einen Zeitraum von 10 Jahren wäre eine Annäherung an den bereits von der Bundesheer-Reformkommission unter Dr. Helmut Zilk aus 2004 geforderten Zielwert von 1% des BIP ausreichend, um das Heer wieder einsatztauglich zu machen. Im internationalen Vergleich ist dieses 1%-Ziel immer noch gering. Der EU Schnitt liegt mit 1,4% deutlich darüber. Die NATO verordnet ihren Mitgliedern ein 2%-Ziel. Bis etwa 1990 waren Verteidigungsausgaben von 1% des BIP (und mehr) auch in Österreich ganz normal.

16,2 Mrd. EUR

Zumindest aus Kommunikationssicht etwas ungeschickt ist es, diese schrittweise Erhöhung über 10 Jahre ohne Berücksichtigung einer Inflationsanpassung etc. in absolute Zahlen aufzusummieren. Denn es ergibt sich die beeindruckende – um nicht zu sagen abschreckende Zahl von 16,2 Mrd. EUR an Zusatzaufwand. Wie sich dieser Betrag auf die einzelnen Bereiche aufteilt, ist in der Grafik dargestellt.

Optimale Budgetstruktur

Eine Schlüsselgrafik im Bericht ist die Darstellung zur optimalen Budgetstruktur. Das derzeitige Budget wird vom Personalaufwand und dem bereits eingeschränkten Betrieb „aufgefressen“. Ein nachhaltiges Budget benötigt ein gesundes Verhältnis zwischen Personalkosten, Betriebskosten sowie Investitionen. Dieses Verhältnis ist genauso wichtig wie die Höhe selbst. Bei ausreichend Investitionsspielraum kann der Einsatzwert des Bundesheeres erhalten werden. Es entfällt das „Sprung-Vorwärts-Deckung“ von einer Krise in die nächste.

10 notwendige Maßnahmen für unsere Sicherheit

Zusammenfassend erhebt der Zustandsbericht „Unser Heer 2030“ folgende Forderungen an die nächste Bundesregierung:

  1. Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf drei Milliarden Euro in Verbindung mit einer schrittweisen Anhebung auf ein Prozent des BIP bis 2030.
  2. Sukzessiver Abbau des Investitionsrückstaus. Unsere Soldaten, unsere Töchter und Söhne verdienen den bestmöglichen Schutz im Einsatz.
  3. Unverzügliche Entscheidung über die Ausgestaltung der Luftraumüberwachung zur Gewährleistung unserer Souveränität und Neutralität.
  4. Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit unserer Miliz, sie ist Voraussetzung für eine funktionierende militärische Landesverteidigung und Garant für die Durchhaltefähigkeit im Einsatz.
  5. Rückkehr zum Grundwehrdiensts in der Dauer von acht Monaten mit verpflichtenden Milizübungen.
  6. Fokus auf den Schutz gegenüber neuen hybriden Bedrohungen und Cyber-Angriffen.
  7. Fortsetzung der Teilnahme des Bundesheeres an internationalen Friedens- und Stabilisierungseinsätzen auf hohem Niveau entsprechend den Sicherheitsinteressen der Republik Österreich.
  8. Sicherstellung der Einhaltung der eingegangenen EU-Verpflichtungen.
  9. Erhöhung des Personalstandes auf 24.000 Bedienstete und Anpassung der dienstrechtlichen Rahmenbedingungen zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft.
  10. Weiterentwicklung der Umfassenden Landesverteidigung.

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