FOR SALE – UNSER HEER SCHRUMPFT

by Doppeladler


Die Schützenpanzer SPz A1 sollen aus dem aktiven Dienst ausscheiden © Bundesheer

Am 12.12.2010 wurde ein bislang beispielloses “Mech-Sparpaket” präsentiert. Über 500 Panzer werden verkauft oder verschrottet.
Laut Verteidigungsministerium würden Bedrohungsanalysen zeigen, dass ein Panzerkrieg äußerst unwahrscheinlich geworden ist. Eine autonome herkömmliche Territorialverteidigung ist auf Grund der geänderten Sicherheitslage nicht mehr notwendig. “Wir können daher beim schwerem Gerät stark zurückfahren – denn teilweise handelt es sich dabei noch um Relikte aus dem Kalten Krieg, die entweder gar nicht mehr oder nicht mehr in der derzeitigen Anzahl für die heutigen und zukünftigen Aufgaben benötigt werden”, machte Verteidigungsminister Darabos bei der Präsentation der Kürzungen deutlich.

Verkauft oder verschrottet werden:

  • Alle Jagdpanzer Kürassier A1 und A2 (davon etwa 120 Stück A2) – der Jagdpanzer Kürassier A2 aus der „Saurer-Familie“ ist ein luftbeweglicher Panzer mit schnellfeuernder 105 mm Panzerkanone und top-modernen Feuerleitsystem. Viele Länder sind an der Entwicklung ähnlich erfolgreicher Waffensysteme gescheitert. Die Version A1 ist bereits seit Jahren stillgelegt und eingelagert.
  • Alle Schützenpanzer SPz A1 „Saurer“ (rund 400 Stück) – auch nach vielen Jahrzehnten steht die heimische Saurer-Schützenpanzerfamilie immer noch in zahlreichen Varianten im Einsatz – als Schützenpanzer mit 20mm Maschinenkanone, mit 12,7 mm MG, als Granatwerfer-Panzer, Sanitäts-Panzer, Artillerie-Beobachtungspanzer, usw. Unklar ist, was mit den Spezialversionen Bergepanzer Greif und Pionierpanzer A1 geschehen soll.
  • 48 Stück Kampfpanzer Leopard 2A4 – der harte Kern der mechanisierten Truppe wird auf 66 Panzer reduziert. Davon sollen gerüchteweise jedoch nur wenige Fahrzeuge auch wirklich noch bewegt werden. Klüger als das Gerät abzustoßen wäre es, wenige Fahrzeuge zu Berge- und Pionierpanzern umzubauen oder sie als „Ersatzteillager“ aufzubewahren. Eine professionelle Einlagerung, sodass das Gerät bei Bedarf wieder flott gemacht werden kann, wurde aus Kostengründen abgelehnt.
    Update 06.10.2010: Jüngere Quellen sprechen von 40 Stück, die zum Verkauf stehen.
  • 100 Stück Panzerhaubitzen M-109 – Zurück bleiben nur etwa 40 bis 50 Haubitzen der modernsten Version M109 A5Ö. Auch wenn nicht offiziell verlautbart, werden der Bergepanzer M578 der M-109 Familie und die Rechenstellenpanzer M-109 vermutlich ebenfalls reduziert.
  • Schützenpanzer Ulan – Gerüchteweise ist zu hören, dass einige dieser modernen Fahrzeuge aus der regelmäßigen Nutzung gestellt werden sollen.
  • Kilometerbeschränkung – strenge km-Begrenzungen sollen die Betriebskosten der verbliebenen Fahrzeuge senken. Das hat insbesondere Auswirkungen auf die Übungstätigkeit.
  • Richtsplitterladung leicht – wird entsorgt bzw. vernichtet

Reduziert werden weiters die Stückzahlen folgender Waffensysteme:

  • Panzerabwehrlenkwaffe 2000 – nach der Außerdienststellung des Raketenjagdpanzers Jaguar 1 ist die RBS-56 BILL 2 derzeit die leistungsfähigste Panzerabwehrlenkwaffe beim Bundesheer. 378 Werfer sind beschafft worden. Unklar ist, ob nur der Lenkwaffen-Vorrat oder auch die Werfereinheiten reduziert werden sollen.
  • mittlerer Granatwerfer mGrW 82 im Kaliber 81 mm und
  • schwerer Granatwerfer sGrW 86 im Kaliber 120 mm
  • 20 mm Fliegerabwehrkanone 65/68 – die Oerlikon Contraves GAI-B01 war ohnehin bereits zur Gänze eingelagert und nicht mehr in aktiver Verwendung. Jetzt werden die Waffen abgestoßen und die Munition vernichtet.
  • 35 mm Zwillingsfliegerabwehrkanone 85 – die Oerlikon Contraves GDF-005 hat erst kürzlich in einer beeindruckenden Schießbung an der deutschen Ostseeküste bewiesen, dass sie längst nicht zum alten Eisen gehört. 32 Stück werden verkauft.
  • leichte Fliegerabwehrlenkwaffe Mistral (Matra Mistral) – im die Mistral 1 werden nach Ablauf ihrer Lebensdauer durch weniger Lenkwaffen Mistral 2 ersetzt. 76 Starter sind beschafft worden. Unklar ist, ob nur der Lenkwaffen-Vorrat oder auch Starter reduziert werden sollen.

Pilatus PC-6/B2-H2 Turbo Porter – das „fliegende schweizer Taschenmesser“ wird für Verbindungsflüge, zur Ausbildung von Fallschirmspringern, für die Luftaufklärung sowie für Löscheinsätze verwendet.
© Bundesheer

UND DIE LUFTSTREIKRÄFTE?

Im Zusammenhang mit den Luftstreitkräften ist noch kein offizielles Statement zu weiteren Kürzungen veröffentlicht worden. Hier wurden bereits in den letzten Jahren die Hubschrauber Agusta Bell AB-206A Jet Ranger und das Transportflugzeug Short SC.7 SRS 3M Skyvan komplett außer Dienst gestellt. Doch weitere Einschnitte stehen auch hier bevor:

  • Saab 105 Oe – die Jettrainer sind am völlig Ende, müssen aber nach wie vor auch zur Luftraumüberwachung herangezogen werden. Die Beschaffung eines Nachfolgers ist vorerst undenkbar. Die wenigen noch flugfähigen Maschinen werden aufwändig gewartet und voraussichtlich 12 Flugzeuge auch noch technisch adaptiert. Dieses einzigartige „End Life Upgrade“ erfolgt – neben der Kannibalisierung der übrigen Saab 105 – durch den Einbau von jüngeren gebrauchten Teilen aus dem Teile-Fundus, den die Draken und die F-5E Tiger II hinterlassen haben. Ein derartig modifizierter Prototyp ist bereits in Erprobung. Das letzte Dutzend soll vermutlich bis 2020 fliegen!
  • Pilatus PC-7 Turbo Trainer – drei dieser Schulungsflugzeuge, die auch bei der Luftraumsicherung gegen Langsamflieger eingesetzt werden, werden verkauft. Das ist bereits seit längerer Zeit geplant.
  • Pilatus PC-6/B2-H2 Turbo Porter – fünf dieser Allrounder der Luftstreitkräfte werden ganz außer Dienst gestellt und verkauft.
  • Bell OH-58B Kiowa – der Verbindungs-, Aufklärungshubschrauber steht als einziger bewaffneter Hubschrauber beim Bundesheer selbst auf der Abschussliste.
  • Alouette III – auch der vielseitige Hubschrauber, der erst kürzlich auch noch die AB-206A als Schulungshubschrauber ersetzt hat, muss Federn lassen. Zuerst vor allem durch die Reduktion der Flugstunden, doch bis 2015 sollen 8 Hubschrauber völlig stillgelegt werden.
  • Flugstunden – Alle verbliebenen Hubschrauber und Flächenflugzeuge müssen Flugstunden einsparen, um die Betriebskosten zu senken.
  • Feuerleitgerät Skyguard – 12 dieser Feuerleitsysteme der Fliegerabwehr sollen verkauft werden.

Jagdpanzer Kürassier A2. Im Bild nur gut getarnt, bald jedoch überhaupt nicht mehr zu sehen © Bundesheer

WENIGER PLANSTELLEN

Auch die Zahl der Planstellen wird weiter schrumpfen. Ein mit 3. Dezember 2010 datierter “Gliederungsentwurf ÖBH 2015″, der in diesen Tagen durchgesickert ist, sieht eine Reduktion von 25.715 (Stand Anfang September 2010) auf 22.281 Bedienstete vor. In den 9 Militärkommandos sollen 1.317 Planstellen abgebaut werden. Im Ministerium selbst wird von derzeit 995 Stellen auf 900 verkleinert. Die Heeres-Nachrichtendienste verlieren auf dem Papier 51 Planposten. Reduktionen in dieser Größenordnung sind durch Pensionierungen nicht zu erreichen. Es müssten auch viel mehr Soldaten zu anderen Ministerien wechseln als bisher vorgesehen, ansonsten werden die Heeres-Beamten ohne konkrete Verwendung die größte „Teilstreitkraft“.

ABGEMAGERTE TRUPPENKÖRPER

Trotz dieser erheblichen Reduktion an Waffensystemen soll derzeit noch kein Verband des Bundesheeres aufgelöst werden. Die Verbände werden daher ausgedünnt.

Bisher bestanden Kompanien in der Regel aus drei Zügen. Jetzt soll der dritte Zug gestrichen werden – statt rund 120 Mann hat eine Kompanie dann nur mehr etwa 80 Mann. Das gleiche Spiel auf Bataillonsebene: Ein Bataillon besteht bisher in der Regel aus einer Stabskompanie und drei Einsatzkompanien. Künftig soll eine Kompanie als Kaderpräsenzeinheit aufgestellt werden, die anderen werden zu Geistereinheiten. Pro Bataillon könnten dann etwa 200 Kadersoldaten dienen (Gesamtstärke durch Wehrpflichtige etc. höher).

SCHLUSSWORT

530 Millionen Euro müssen in den kommenden vier Jahren (2011 bis 2014) beim Heer gespart werden – und das bei einem Budget von gerade einmal 2,1 Milliarden, das schon bisher nicht einmal für den laufenden Betrieb gereicht hat. Das Stilllegen von Gerät wird dazu nur einen kleinen Beitrag leisten. Etwas mehr machen die Einsparungen durch den Wegfall der Betriebs- und Ausbildungskosten aus.

Die Abstoßung des Heeresgeräts soll nach dem Willen des Verteidigungsministeriums bereits in den kommenden Wochen und Monaten erfolgen. Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich die Veräußerung von Gerät auch über Jahre ziehen kann. Selbst wenn man kaum mehr als den Schrottpreis erwartet. Als ein Interessent wird Ungarn genannt, das vor allem an den Leopard-Kampfpanzern interessiert sein soll. Mittel- und langfristig soll auf leichtes, geschütztes, hochbewegliches und möglichst lufttransportfähiges Gerät gesetzt werden. Als Beispiele dafür werden Allschutztransportfahrzeuge Dingo oder die geschützten Mehrzweckfahrzeuge Iveco LMV genannt.

Typisch für den die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist es, dass der Ausverkauf begonnen hat, noch bevor die parallel in Überarbeitung befindliche neue Sicherheitsdoktrin fertig war und während man im Heer noch verschiedene Modelle für ein Bundesheer der Zukunft erarbeitet hat.

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