Vor 330 Jahren: Die 2. Wiener Türkenbelagerung und die Schlacht vom Kahlenberg, in der der Belagerungsring nach über acht Wochen zerschlagen wurde.
Das osmanische Reich beherrschte 1683 nahezu die gesamte Balkanhalbinsel. Ungarn war zweigeteilt in einen österreichischen und einen osmanischen Teil. Um zumindest das ungarische Land für sich zu erobern, wird eine Armee unter dem Kommando des Großwesirs Kara Mustapha aufgestellt. Wien als Haupt- und Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gilt unter den Osmanen als „der goldene Apfel“. Ihre Eroberung würde den Weg frei machen in das Herz Europas. Bereits im Jahr 1529 scheiterte man daran, diesen goldenen Apfel zu pflücken – es war das Jahr der ersten Türkenbelagerung.
April 1683. Ein osmanisches Heer in der Stärke von etwa 120.000 Mann bricht auf, um die osmanische Vorherrschaft auszuweiten.
1. Juli 1683. Die osmanischen Truppen überschreiten die Raab.
11. Juli 1683. Die Türken erreichen Hainburg und richten ein Blutbad an.
14. Juli 1683. Die Reichshauptstadt von Wien ist komplett vom osmanischen Heer eingeschlossen.
Der Vormarsch des osmanischen Heeres
Am 14. Juli 1683 ist die Reichshauptstadt von Wien komplett vom osmanischen Heer eingeschlossen.
Wien 1683 – Reichshauptstadt & Festung
„Der goldene Apfel“ – Wien aus türkischer Sicht. Rechts oben übrigens, das „Haus mit den drei Türmen“, ist das Symbol für Klosterneuburg, das von den Türken ebenfalls vergebens belagert wurde.
„Abzeichnung der Belagerung der Kayserl Residentz-Stadt Wien in Oesterreich, wie dieselbe den 14. Juli 1683 von den Türcken, Tartarn, Rebellischen Ungarn, Wallachen, Moldauern und Siebenbürgern angefangen.“ (Ausschnitt)
Die Verteidiger Wiens.
Angehörige von 10 Infanterie- und einem Kürassier-Regiment werden in Wien zusammengezogen und mit eingeschlossen. Dazu kamen 8 Kompanien Bürgermiliz aus der Stadt. Oberkommandierender von Wien war Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg. Er wurde am 12. Jänner 1638 in Graz geboren und war 1680 Wiener Stadtkommandant.
In Summe waren 13.015 Mann aufgestellt: 10.600 Mann Infanterie + 600 Mann Kürassiere + 1.815 Mann Bürgermiliz (8 Kompanien).
Per Schiff konnten im letzten Moment noch Soldaten, Geschosse und Pulver über die Donau in die Stadt gebracht werden.
Nachdem die Stadt komplett eingeschlossen war, griff die osmanische Armee pausenlos an. Besonderer Schwerpunkt waren die Mauern in der Nähe der Burg. Die umliegenden Vororte waren niedergebrannt. An vielen Stellen waren türkische Geschützbatterien stationiert, die die Stadt beschossen.
Heiß umkämpft: die Löbelbastei
Angriff auf Angriff erfolgte. Aber nicht nur um die Befestigungsanlagen wurde gekämpft. Auch unter der Erde entbrannte ein Kampf, bei dem Stollen und Gegenstollen unter die Stadtmauer getrieben wurden. Mit Sprengungen sollte der Einsturz der Mauern erreicht werden. Außerdem sollten durch die Stollen Soldaten in die Stadt eindringen. Die Situation für die Verteidiger wurde immer schwieriger.
Tunnelkrieg unter den Mauern – Sappen und Gegensappen
Ausfälle der Wiener dienten auch der Versorgung der Stadt
Hilfe für Wien.
Kaiser Leopold I, der mit etwa 80.000 Einwohnern Wien vor dem Angriff verlassen konnte, muss nun die Hilfsmechanismen in Gang bringen, um seine Hauptstadt zu befreien. Selbst für den geschickten Diplomaten ein schwieriges Unterfangen. Er aktivierte die Bündnisse innerhalb des Reiches und holte Finanzierungszusagen von Papst Innozenz XI und Venedig ein.
Der Papst vermittelt zwischen Kaiser Leopold I und König Johann III Sobieski von Polen, der in der Folge ein wichtiges Heer zur Befreiung Wiens bereitstellt. Allerdings nur, wenn er das Oberkommando über das Entsatzheer erhält. Damit zieht sich Kaiser Leopold zurück und überlässt den kaiserlichen Feldherrn und Schwager Herzog Karl V von Lothringen das Kommando über die kaiserlichen Truppen.
Das christliche Entsatzheer.
August / September 1684. Das Entsatzheer der „Heiligen Liga europäischer Mächte“ marschiert heran. Es besteht aus:
- Polen unter König Johann III Sobiesky (auch Oberkommandierender)
24.000 Mann, 28 Geschütze - Kaiserliche Truppen unter FL Herzog Carl von Lothringen (Oberkommandierender der kaiserlichen Truppen und Stellvertreter des Kaisers)
21.000 Mann, 70 Geschütze - Bayern unter Kurfürst Max Emanuel von Bayern
11.000 Mann, 12 Geschütze - Sachsen unter Kurfürst Johann Georg III von Sachsen
10.400 Mann, 16 Geschütze - Franken & Schwaben (südwestdeutsche Fürstentümer) unter FM Fürst von Waldeck
9.500 Mann, 12 Geschütze
In Summe 75.900 Mann und 138 Geschütze.
Das Polnische Heer kommt aus dem Norden.
Das Heer wird aus allen Provinzen Polens zusammengestellt und musste bereits große Strecken für die Bereitstellung bewältigen. Ende August 1683 trifft das polnische Heer in Oberhollabrunn ein, wo es ein Lager anlegt.
Anmarsch des Entsatzheeres – die Polen aus dem Norden, die kaiserlichen Truppen aus dem Westen
Kriegsrat in Stetteldorf.
4. September 1683. Im Hardegg´schen Schloss Juliusburg in Stetteldorf am Wagram treffen die Feldherrn und Führer der Kontingente zusammen und beraten die weitere Vorgangsweise.
Die Befehlshaber der christlichen Heere
Weiteres Heranrücken der Entsatztruppen.
6. September 1683. Krems. Fränkische, sächsische, bayerische und andere Reichstruppen überqueren die Donau bei Krems und ziehen weiter Richtung Tulln.
7. September 1683 – Tulln an der Donau: Die Polnischen Truppen kommen vom Norden. Oberhollabrunn – Stetteldorf – Neuaigen. Der Weg zur Donaufurt bei Tulln wird heute noch „Polakenweg“ genannt. Hier überqueren polnische Truppen die Donau.
Damit sind die Entsatztruppen rund um Tulln an der Donau vereint! Sie ziehen weiter zu ihren Ausgangspunkten in den Wienerwald. Tross und Verpflegung bleiben zurück!
12. SEPTEMBER 1683. DIE ENTSATZSCHLACHT
Nach einem über acht Wochen dauernden Abwehrkampf – 60 Tage war Wien eingeschlossen – muss die Erleichterung auf den Stadtmauern Wiens groß gewesen sein. Am 12. September 1683 greifen die christlichen Heere vom Kahlenberg aus die immer noch zahlenmäßig stärkeren Türken an.
Der Angriff der christlichen Heere
Die Linien der Türken hielten dem Ansturm nicht stand
Während die Entsatzgruppen angreifen, bestürmen die Janitscharen noch die Stadt
Sobieski und seine polnischen Flügelhusaren stießen rasch in das Hauptlager der Türken vor
„Es war, als wälze sich eine Flut von schwarzem Pech bergab, die alles, was sich ihr entgegenstellt, erdrückt und verbrennt.“ so beschreibt der türkische Geschichtsschreiber Mehmed, der Silâhdar, den Anblick der Entsatzarmee am Kahlenberg.
Das türkische Lager wird geplündert – die Verfolgung ausgesetzt!
Kara Mustapha hatte den großen Fehler begangen, trotz der Vorwarnung – er war bereits am 4. September von der herannahenden Entsatzarmee und ihrer Stärke informiert worden – den Wienerwald zur Abwehr der herannahenden Hilfstruppen – nicht zu besetzen und alle Kraft auf die Eroberung Wiens zu konzentrieren. Die osmanischen Truppenführer konnten sich im Zweifrontenkrieg nicht organisieren. Die schwache Verteidigungsfront der Osmanen wurde schnell zerschlagen. Die polnische Kavallerie – insbesondere die Lanzenreiter (Flügelhusaren, Hussaria) – drangen in die türkischen Lager ein. Darauf flüchteten die osmanischen Truppen. Erst in der Höhe von Hainburg gelang es Teile der Truppen zu sammeln und nach Györ zurückzuführen.
Gegenüberstellung der Kämpfer und deren Verluste:
Das christliche Heer | Das osmanische Heer |
in Wien: 13.000 Mann unter Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg Entsatzheer: 75.900 Mann unter König Johann III Sobieski |
120.000 Mann unter Großwesir Kara Mustapha Pascha |
Verluste: 6.000 – 7.000 davon etwa 700 Tote |
Verluste: 30.000 – 50.000 davon etwa 20.000 Tote |
Die siegreichen Feldherren vor dem Zelt Kara Mustaphas – eine Begegnung, die so nie stattfand und von den „Berichterstattern“ erfunden wurde: Künstlerische Freiheit!
DER GROSSE TÜRKENKRIEG
Mit der Schlacht am Kahlenberg wendet sich das Kriegsglück – die Türken werden aus Ungarn zurückgedrängt. Schlacht um Schlacht:
Kahlenberg 1683 > Párkány > Gran > Waizen > Eperies > Ofen > Mohács > Belgrad > Derbent > Pataczin > Nisch > Szlankamen > Lugos > Olasch > Zenta 1697
Der Große Türkenkrieg ist auch die Geschichte vom Aufstieg von Prinz Eugen von Savoyen. Seine Feuertaufe erhielt er 1683 in der Schlacht vom Kahlenberg als Obrist-Leutnant. 1693 wurde er zum Feldmarschall befördert. Das osmanische Reich verlor nahezu alle seine Eroberungen des 16. Jahrhunderts und Österreich wurde zur europäischen Großmacht.
Kriege gehören ins Museum.
Besuchen Sie das Heeresgeschichtliche Museum Wien und seine eindrucksvolle Sammlung über die Zeit der Türkenbedrohung. Eindrucksvoll ist das große Ölgemälde, das die Schlacht am Kahlenberg zeigt. Auf diesem Bild sind mehrere Schlachtphasen auf einmal abgebildet. Sehr schön sind die Tatorte und Uniformen zu sehen. Außerdem sind viele Beutestücke – vor allem Waffen der osmanischen Armee – ausgestellt.
Angebot für Vortrag von Robert A. Tögel
Sie wollen mehr über die Zeit der 2. Türkenbelagerung wissen? Wir haben einen spannenden Vortrag zusammengestellt. Die Informationen auf dieser Seite stammen aus diesem Vortrag. Dauer: etwa 90 Minuten. Bei Interesse schicken Sie uns bitte ein eMail.
ANHANG
Die wichtigsten Beteiligten der Türkenbelagerung und der Schlacht vom Kahlenberg.
Kaiser Leopold I
* 9. Juni 1640 in Wien
† 5. Mai 1705 ebenda
ab 1655 König von Ungarn
ab 1656 König von Böhmen
ab 1657 König von Kroatien und Slawonien
ab 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg
* 12. Jänner 1638 in Graz
† 4. Jänner 1701 in Vösendorf bei Wien
ab 1680 Wiener Stadtkommandant
1683 Verteidiger Wiens bei der Zweiten Türkenbelagerung
kaiserlicher General während des Großen Türkenkrieges
Präsident des Hofkriegsrates.
König von Polen Johann III Sobieski
* 17. August 1629
† 17. Juni 1696
Gilt als der Retter Wiens.
Führte in der Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 mit seiner Hussaria einen entscheidenden Angriff
Herzog Karl V von Lothringen
* 3. April 1643 in Wien
† 18. April 1690 in Wels
1675 – 1688. Kaiserlicher Feldherr
1675 – 1690. Titularherzog von Lothringen
Schwager Kaiser Leopolds I.
Georg Friedrich Fürst zu Waldeck
* 31. Januar 1620 im Residenzschloss Arolsen (in Nordhessen)
† 19. November 1692 ebenda
deutscher Generalfeldmarschall und holländischer Generalkapitän.
1683 führte er die Kreistruppen Frankens und Oberhessens zum Entsatzheer nach Wien.
Johann Georg III. von Sachsen
* 20. Juni 1647 in Dresden
† 12. September 1691 in Tübingen
Kurfürst von Sachsen
Erzmarschall des Heiligen Römischen Reiches.
Wegen seines Mutes „der Sächsische Mars“.
1683 führte er sein 10.400 Mann starkes Heer am linken Flügel – mit großem persönlichen Einsatz
Maximilian II. Emanuel (Bayern) „Der Blaue König“
* 11. Juli 1662 in München
† 26. Februar 1726
Kurfürst von Bayern.
1683 führt er seine Truppen nach Wien und kämpft in vorderster Front
Generalissimus
Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies
Kara Mustapha Pascha
* 1634/35 in Marınca bei Merzifon, Eyâlet Sivas
† 25. Dezember 1683 in Belgrad
Groswesir des Osmanischen Reiches unter der Regentschaft Sultans Mehmed IV
Oberbefehlshaber der Zweiten Belagerung Wiens zu Beginn des großen Türkenkrieges.
Am 25. Dezember 1683 wird er aufgrund der verlorenen Schlacht am Kahlenberg auf Befehl seines Sultans mit einer Seidenschnur erdrosselt.
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