Rund um den Nationalfeiertag finden traditionell Leistungsschauen des Bundesheeres und anderer Einsatzorganisationen statt. Im Jahr 2021 waren diese aufgrund der COVID-19-Pandemie eigentlich abgesagt – doch dann brach der größte Waldbrand in Österreich seit über 100 Jahren aus. Die Bekämpfung des Flammenmeers erforderte Höchstleistungen und ein perfektes Zusammenspiel der eingesetzten Organisationen am Boden und in der Luft.
Das wir in dieser Reportage den Schwerpunkt auf die Luftunterstützung und hier nochmals auf die Beiträge des Bundesheeres legen soll die Leistungen der Feuerwehren, der Flugpolizei und der anderen Helfer aus dem In- und Ausland in keiner Weise schmälern.
WALDBRANDBEKÄMPFUNG – TAG 1
Am Vormittag des 25. Oktober 2021 brach an einem Hangwald am Mittagstein über Hirschwang an der Rax in Niederösterreich ein Feuer aus. Wahrscheinlich war eine illegale Campingstelle der Auslöser. Um 11.21 Uhr starteten gleich 196 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr einen ersten Löschangriff. Doch das frühe und entschlossene Handeln zeigte nicht die gewünschte Wirkung. Die extreme Trockenheit und der Wind begünstigten die Ausbreitung der Flammen und der schwer zugängliche Steilhang erschwerte den Einsatz am Boden. Schnell wurde klar, dass es ohne Unterstützung aus der Luft nicht geht. Ab 12.07 Uhr erkundete ein erster Hubschrauber der Flugpolizei das Einsatzgebiet, um 13.02 Uhr kam es zum ersten Wasserabwurf.
An Tag 1 flogen zwei Airbus Helicopters H135 der Flugpolizei sowie – nach Anforderung eines Assistenzeinsatzes – auch ein Sikorsky S-70A-42 Black Hawk des Bundesheeres zahlreiche Turns. Sie wurden dabei vom Sonderdienst Flugdienst des Niederösterreichischen Landesfeuerwehrverbandes (NÖLFV) unterstützt. Am Boden kämpften bald 49 Feuerwehren aus dem Bezirk Neunkirchen mit 522 Mitgliedern gegen das Flammenmeer. Doch spätestens am Abend war klar, dass die Anstrengungen noch deutlich intensiviert werden müssen – denn innerhalb von zehn Stunden breitete sich der Waldbrand von fünf auf etwa 115 Hektar aus. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 waren in ganz Österreich 61 Hektar Wald von Bränden betroffen.
LÖSCH-ARMADA IM EINSATZ
Zur Waldbrandbekämpfung bei Hirschwang an der Rax kam eine in Österreich noch nie dagewesene Armada an Hubschraubern und Flugzeugen zum Einsatz. Am 2. Einsatztag, den Nationalfeiertag am 26. Oktober 2021, wurden ein zweiter Black Hawk und ein AB-212 direkt von den Feierlichkeiten am Wiener Heldenplatz ins Einsatzgebiet verlegt. In weiterer Folge sendeten das Innen- und das Verteidigungsministerium immer weitere Hubschrauber. Ab 30. bzw. 31. Oktober 2021 traf weitere Hilfe aus Österreich, Deutschland, der Slowakei und Italien) ein.
Anhand der Einsatzdokumentation konnten wir 28 Luftfahrzeuge identifizieren: 23 Hubschrauber, 3 Flächenflugzeuge, 2 Drohnen von 6 Betreibern aus 4 Nationen. Davon dürften bis zu 16 Luftfahrzeuge gleichzeitig im Einsatz gewesen sein (untenstehend eine Liste der eingesetzten Luftfahrzeuge). Angesichts der vielen unterschiedlichen Betreiber, der völlig unterschiedlichen Leistungsklassen der Hubschrauber und der Mischung aus Hubschraubern und Flächenflugzeugen (deren Flugprofil sich wesentlich unterscheiden) war die Koordination der Luftunterstützung eine Mammutaufgabe. Denn es mussten nicht nur die räumlichen Korridore und Zeitfenster eingeteilt, sondern der Einsatz auch noch eng mit den Kräften am Boden akkordiert werden. Die Gesamtkoordination erfolgte unter der Leitung des Kommandanten der Luftunterstützung des Bundesheeres, Oberst Georg Klecatsky.
BOOTS ON THE GROUND
Natürlich bringt die beste Luftunterstützung nichts ohne den unermüdlichen Einsatz der Feuerwehren am Boden. Insgesamt 7.753 Feuerwehrmitglieder aus Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark, Tirol, Kärnten, dem Burgenland und Wien waren im Einsatz. Unglaubliche 1.355 Fahrzeuge wurden dabei eingesetzt. Die Feuerwehr wurde am Boden von Einsatzkräften der Forstdirektion Wien (die Stadt Wien ist Eigentümer des Waldes), der Bergrettung und des Bundesheeres unterstützt. In Summe waren rund 9.000 Personen beteiligt. Selbstverständlich erfolgte die Einsatzleitung durch das örtlich zuständige Bezirksfeuerwehrkommando Neunkirchen.
DIE WASSERBOMBER KOMMEN
Am 30. Oktober trafen zwei Löschflugzeuge aus Italien ein. Auf Anfrage des Emergency Response Coordination Centre der EU, welches Staaten bei außergewöhnlichen Ereignissen Hilfe bereitstellt, stellte die Vigili del Fuoco (italienische Feuerwehr) zwei Canadair CL-415 zur Verfügung (Mechanismus RescEu-IT).
Noch am selben Tag erfolgte die Erkundung von Einsatzgebiet und Wasseraufnahme sowie ein erster Einsatz-Turn. Die für unsere Breiten exotischen Canadairs entwickelten sich rasch zum Publikumsliebling. Groß auch die Ähnlichkeit zur Figur Lil‘ Dipper aus dem Film Planes 2 (Disney/Pixar; 2014). Die Wasseraufnahme an der Neuen Donau bei Wien lockte zahlreiche Zuschauer:innen an. Doch aufgrund der großen Entfernung zum Einsatzort dauerten die Turns mindestens 40 min und die Flugzeuge konnten ihre Vorzüge nicht richtig ausspielen. In der gleichen Zeit warfen die großen Hubschrauber aufgrund der kurzen Wege wesentlich mehr Wasser ab. In Summe brachten die beiden Canadairs rund 192.000 Liter Donauwasser auf den Berg.
Europäische Solidarität ist übrigens keine Einbahnstraße: Österreichs Feuerwehren standen 2021 in Nordmazedonien (Waldbrand) und Belgien (Hochwasser) im Einsatz. Gerade Einheiten aus Niederösterreich waren hier gefordert.
IMPRESSIONEN
Infobox: Bodenbrand aushungern
Das Feuer entwickelte sich zu einem Bodenbrand. Dabei brennt die bodennahe Vegetation, das Unterholz, und nicht die Baumkronen. Der Bodenbrand breitete sich sogar unter dem Boden entlang der Baumwurzeln und im porösen Gestein aus. Brennende Wurzelstöcke und losgelöste Gesteinsbrocken rollten den Hang hinab. Langlebige Glutnester fachten bei den Windböen immer wieder auf.
Auf den Bildern sieht es oft so aus, als ob das Löschwasser die Flammen verfehlt. Doch große Waldbrände werden nicht direkt gelöscht. Wichtigstes Ziel ist es, die Ausbreitung durch das Schlagen von Schneisen und das Bewässern der Ausbreitungsbereiche zu verhindern. Das Feuer wird eingegrenzt und ausgehungert. Danach werden die Glutherde bekämpft.
UNTER KONTROLLE
Der Assistenzeinsatz des Bundesheeres konnte am 4. November 2021 beendet werden. Zwei Tage später meldete die Feuerwehr das vorläufige Einsatzende. Das endgültige „Brand aus“ konnte tatsächlich erst am 29. November 2021 verkündet werden. Bis dahin wurde das Gebiet regelmäßig mit einer Wärmekamera überflogen und letzte Glutnester überwacht. Der Schaden wird inklusive Einsatzkosten auf etwa 30 Millionen Euro geschätzt.
Nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte die Ausbreitung der Flammen auf das Rax/Schneeberggebiet verhindert werden. Die beteiligten Organisationen wurden am 20. Dezember 2021 in der ORF-Gala „Lebensretter 2021 – Österreichs Heldinnen und Helden“ in Anwesenheit von Bundeskanzler Karl Nehammer für ihre „außergewöhnliche Teamleistung“ ausgezeichnet.
Laut Einsatzstatistik des NÖLFV wurden durch die Luftfahrzeuge in Summe unglaubliche 4.348 Turns geflogen und dabei eine Gesamtmenge von ca. 5 Millionen Liter Wasser abgeworfen.
Über 4 Millionen Liter (80%) wurden vom Bundesheer abgeworfen. Dafür setzte das Heer bis zu 6 Hubschrauber und ein Flugzeug gleichzeitig ein. Zusätzlich wurden 135 Windeneinsätze durchgeführt und über 240 Personen zur Brandbekämpfung transportiert. Insgesamt wurden vom Bundesheer 275 Flugstunden erbracht. Zusätzlich wurde der Einsatz der internationalen Helfer koordiniert. Am Boden unterstützen 36 Soldaten mit Alpinqualifikation sowie Soldaten des ABC-Abwehrzentrums die Feuerwehr.
EINGESETZTE LUFTFAHRZEUGE
Bundesheer: 12 Hubschrauber, 1 Flugzeug
- Sikorsky S-70A-42 Black Hawk: Feuerlöschbehälter SEMAT „F“ 3000 für 3.000 Liter – dieser kann Sprühstrahlen erzeugen, wodurch eine erhöhte Löschwirkung und größere Flächenabdeckung erreicht wird.
Eingesetzte Maschinen: 3 / Kennungen: 6M-BB; 6M-BE; 6M-BG - Agusta Bell AB-212: Feuerlöschbehälter Renzler 950 für 950 Liter sowie faltbare Bambi Bucket für 800 Liter
Eingesetzte Maschinen: 5 / Kennungen: 5D-HB; 5D-HF; 5D-HI; 5D-HO; 5D-HZ - Sud-Aviation SA 316B Alouette III: Faltbarer Feuerlöschbehälter Bambi Bucket für 500 Liter
Eingesetzte Maschinen: 3 / Kennungen: 3E-KA; 3E-KC; 3E-KN - Bell OH-58B Kiowa: Erkundung und Suche nach Glutnetsern mittels IR-Kamerasystem
Eingesetzte Maschinen: 1 / Kennung: unbekannt - Pilatus PC-6 Turbo Porter: Erkundung, Suche nach Glutnetsern mittels IR-Kamerasystem
Eingesetzte Maschinen: 1 / Kennung: unbekannt
BMI / Flugpolizei: 7 Hubschrauber, 2 Drohnen
- Airbus Helicopters H135 (unterschiedliche Muster) mit Feuerlöschbehälter Bambi Bucket für 680 Liter
Eingesetzte Maschinen: 3 / Kennungen: OE-BXQ; OE-BXS; OE-BXY - Airbus Helicopters H125 (unterschiedliche Muster) mit Feuerlöschbehälter Bambi Bucket für 680 Liter
Eingesetzte Maschinen: 4 / Kennungen: OE-BXI; OE-BXL; OE-BXN; OE-BXO - DJI M300 RTK Quadcopter-Drohnen für Lagebild und Suche nach Glutnestern mittels IR-Kamerasystem
Eingesetzte Drohnen: 2
Deutsche Luftwaffe: 2 Hubschrauber
- Sikorsky CH-53G/GS: Ab 31.10. unterstützten zwei CH-53 des Hubschraubergeschwader 64 (HSG 64) aus Laupheim mit 4 Feuerlöschbehälter Smokey mit je 5.000 Liter und 22 Personen den Einsatz.
Eingesetzte Maschinen: 2 / Kennungen: 84+24 (CH-53G); 84+42 (CH-53GS – mit Außentanks)
Italienische Feuerwehr / Vigili del Fuoco: 2 Löschflugzeuge
- Canadair CL-415: mit 6.123 l Löschwasser im Rumpf
Eingesetzte Maschinen: 2 / Kennungen: I-DPCH (25); I-DPCI (26)
Slowakisches Innenministerium: 1 Hubschrauber
- Mil Mi-171: Feuerlöschbehälter Bambi Bucket für 3.000 Liter ab 31.10.
Eingesetzte Maschinen: 1 / Kennung: OM-BYU
Heli Austria GmbH: 1 Hubschrauber
- Airbus Helicopters AS 332 L1/L Super Puma: Feuerlöschbehälter Bambi Bucket für 4.000 Liter. Ab 31.10 flog die einzige Maschine in Privatbesitz Einsätze.
Eingesetzte Maschinen: 1 / Kennung: OE-XSP
Infobox: Helikopter-Lücke beim Bundesheer
Der erfolgreiche Löscheinsatz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass derzeit beim Bundesheer eine Helikopter-Lücke klafft. Das Waldbrand kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Nur drei der neun S-70A Black Hawks waren einsatzfähig – denn mehr Maschinen können aufgrund dringend erwarteter technischer Modifikationen bzw. Updates nicht fliegen. Die Arbeiten sind erst vor kurzer Zeit aufgenommen worden (siehe Bericht). Die Alouette III-Flotte hat das Ende ihrer technischen Lebensdauer längst erreicht bzw. überschritten. Der Nachfolger AW169M wurde eben erst – um Jahre zu spät – bestellt und steht noch lange nicht zur Verfügung. Falls entsprechendes Equipment beschafft wird kann die AW169M Löschwasserbehälter für 1.500 Liter Wasser einsetzen – 3x so viel wie die Alouette. Für diese Lücke ist nicht das Bundesheer, sondern die Politik verantwortlich, die seit vielen Jahren notwendige Investitionen in fahrlässiger Weise hinauszögert. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen ist bei den Hubschraubern jedoch Besserung absehbar. Es wird aber noch Jahre dauern, bis alle neun vorhandenen Black Hawks modernisiert, die drei zusätzlich beschafften Maschinen zugelaufen und die 18 neuen AW169M einsatzbereit sind. Dann wären auch große Löscheinsätze rasch und ohne Hilfe vom Ausland zu bewältigen.
VIDEOS VOM EINSATZ
Weiterführende Information:
- Waldbrand Hirschwang 2021 – Vorläufiges „Brand aus“ mit beeindruckenden Zahlen; noe122.at; 06.11.2021
- Bundesheer beendete Assistenzeinsatz in Reichenau; bundesheer.at; 07.11.2021
- Brand aus, Brand an; Der Standard; 14.12.2021
- Bundesheer und Flugpolizei als fliegende „Waldbrand-Feuerwehr“; austrianwings.info; 02.11.2021
- Waldbrandeinsatz in Reichenau – Bilanz BFKDO Wiener Neustadt zum vorläufigen Ende; BFKDO Wr. Neustadt; 06.11.2021
- NÖ/ Bez. NK: Großflächiger Waldbrand in Hirschwang an der Rax; einsatzdoku.at; 25.10.2021
- „Größter Waldbrand, den es je gab“; orf.at; 26.10.2021
- Im Kampf gegen die Flammen; helirescue.at; 27.10.2021
Copyright-Info: An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei den Fotografen bedanken, die uns das großartige Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben. Bitte beachten Sie die Copyright-Hinweise beim jeweiligen Foto. Mehr von Lukas Egger auf HeliRescue.at. Matthias Fischer ist Creative Director von Brandaus. Mehr von Manfred Wimmer auf feuerwehr.media.
Titelbild: Sikorsky S-70A-42 Black Hawk des Bundesheeres im Löscheinsatz © Bundesheer