Geleaster tschechischer Gripen über Island © Milan Nykodym, Czech Republic

Macht das Leasing neuer Abfangjäger Sinn?

by Doppeladler

Leasing ist im zivilrechtlichen Sinn ein Nutzungsüberlassungsvertrag, bei dem das zu leasende Objekt im Eigentum des Leasinggebers verbleibt. Für die Nutzung des Vertragsgegenstandes fallen für den Leasingnehmer Raten und Gebühren an, die sich vor allem am Wertverlust durch die Nutzung orientieren.

Anders als in der zivilen Luftfahrt, kommt das Leasing von Kampfflugzeugen selten vor. Ein Grund mag sein, dass Staaten, die mit ihren Luftstreitkräften ihre Souveränität verteidigen wollen, durch Leasing einen Teil der Entscheidungsgewalt abgeben und nicht frei über die Jets verfügen dürfen. Leasingnehmer machen sich zu einem großen Teil vom Leasinggeber abhängig.
Zum Betrieb moderner Kampfflugzeuge wird eine umfangreiche Logistik benötigt – vom Ersatzteillager, Spezialwerkzeugen bis zum Flugsimulator. Die typenabhängige Ausbildung von Piloten und Technikern ist aufwändig. Auch der Auswahlprozess und der Ankauf der Kampfflugzeuge selbst stellt einen erheblichen Aufwand dar. All das sind Gründe, warum es sich auszahlt, möglichst selten neue Kampfflugzeuge einzuführen – besser gesagt: ein ganzes System umzustellen. Das passt typischerweise nicht zum Leasing, wo grundsätzlich geringere Nutzungsdauern vereinbart werden als die sinnvolle Lebensdauer des geleasten Objekts (eines Abfangjägers) lang ist.

Wo liegen die Vorteile von Leasing? Die Investitionskosten fallen nicht vollständig zu Beginn an, sondern werden über die Laufzeit aufgeteilt. Damit kann die Beschaffung teurer Flugzeuge leichter in der Budgetplanung untergebracht werden. Auch wenn man sich nicht langfristig an eine Entscheidung binden möchte, kann es Sinn machen, Jets für einige Jahre zu leasen.

Kauf in Raten kommt bei Kampfjets wesentlich häufiger vor. Der Eurofighter Typhoon wurde von Österreich in 18 Halbjahresraten abgezahlt, d.h. der Kaufpreis wurde über 9 Jahre aufgeteilt. Bei dieser Konstruktion geht das Eigentum der Flugzeuge auf den Käufer über. Das heißt allerdings nicht, dass man nun frei über die Jets verfügen kann. Z.B. ist ein Weiterverkauf von Kampfflugzeugen aufgrund der vielen verbauten „militärischen Geheimnisse“ nur mit Zustimmung des Herstellers möglich.

In beiden Finanzierungsmodellen kann man vertraglich so viel gestalten, dass die Grenzen ineinander fließen. Am Ende des Tages geht es um die Leistung, die erbracht werden soll. Diese muss immer bezahlt werden.

LEASINGVARIANTE IN DISKUSSION

Ausschnitt Kleine Zeitung, 17.02.2020

Im Februar 2020 mehren sich die Stimmen, die die Luftraumüberwachung aufgrund vermuteter Unregelmäßigkeiten beim Kauf ohne Eurofighter Typhoon organisieren wollen. Auch Verteidigungsministerin Tanner (ÖVP) selbst lässt Varianten für eine Luftraumüberwachung ohne Typhoons vertieft prüfen. Da klar ist, dass eine Neubeschaffung anderer Jets teuer wäre, wird etwa seitens des burgenländischen Landeshauptmanns Doskozil (ex-Verteidigungsminister, SPÖ) eine „günstigere Leasing-Variante“ angestrebt. Ein Geschäft von Regierung zu Regierung (Government-to-Government) soll den Einfluss von Lobbyisten reduzieren.

FALLBEISPIEL TSCHECHIEN

Auch wenn, wie eingangs erwähnt, Leasing bei Kampfflugzeugen sehr selten ist, gibt es gerade unter Österreichs Nachbarn Fallbeispiele: Tschechien und Ungarn leasen Saab JAS-39 C/D Gripen von Schweden. Italien leaste bis 2012 34 F-16A/B von den USA als Übergangslösung, bis die Eurofighter Typhoon einsatzbereit waren.
Tschechien hat sich vor allem aus budgetären Gründen für ein Leasingmodell entschieden. Hatte Anfang der 2000er Jahre auch mit Unsicherheiten zu kämpfen: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde 1993 die Tschechoslowakei aufgelöst. 1999 trat das Land der NATO bei. Auch der EU-Beitritt 2004 stand kurz bevor. Der Plan sah vor, für 10 Jahre eine kleine Flotte an westlichen NATO-kompatiblen Abfangjägern zu leasen, um dann neu zu entscheiden.

Eine Rotte tschechischer Gripen. Die Flotte wird für die Luftraumüberwachung über Tschechien eingesetzt. Auch bei den NATO-Operationen über Island und den baltischen Staaten kommen sie zum Einsatz © Milan Nykodym, Czech Republic

Am 14. Juni 2004 schloss das tschechische Verteidigungsministerium mit der staatlichen schwedischen Rüstungsagentur FMV den Vertrag für das Leasing von 14 Saab JAS 39 C/D GRIPEN ab – 12 Einsitzer C und 2 Doppelsitzer D.
Unter diesem Vertrag liefert Schweden 14 Flugzeuge und bildet laufend die tschechischen Piloten und Techniker in Schweden aus. Auch die Ausbildung am Simulator findet in Skandinavien statt.
Saab AB war/ist für die Anpassung der Flugzeuge an die tschechischen Anforderungen sowie den technischen Support über die Leasinglaufzeit verantwortlich. Größere Wartungsereignisse werden in Schweden durchgeführt. Der Vertrag beinhaltet auch das Bodengerät für Betrieb und Wartung inkl. der Spezialwerkzeuge, ein Logistikpaket inkl. Ersatzteile sowie den technischen Support in ähnlicher Form wie für die schwedische Luftwaffe.

Tschechien stellt die Piloten und Techniker, übernimmt die laufende Wartung zwischen den Einsätzen und ist für die Verbrauchsgegenstände inkl. Betriebs- und Treibstoffe zuständig. Auch für die Infrastruktur auf der Čáslav Air Base ist der Betreiberstaat zuständig.

Offiziellen Angeben zufolge betrug der Vertragswert 19,650 Milliarden tschechische Kronen für 10 Jahre (2005-2015). Das waren 2004 etwa 624 Mio. EUR. Umgerechnet auf Preisbasis 2020 wären das heute etwa 787 Mio. EUR oder 78,7 Mio. EUR/a. Es wurde eine vorgegebene Anzahl an Flugstunden vereinbart. Bei Ablauf des Vertrags nimmt Schweden die Flugzeuge zurück.

Gegengeschäfte gibt es übrigens auch: Gripen International hat sich zu einer „industriellen Kooperation“ in Höhe von 130% des Leasingvertrags verpflichtet. 20% müssen dabei an die tschechische Luftfahrts- und Rüstungsbranche gehen.
Die Lieferung der Jets erfolgte ungewöhnlich schnell vom 18.04.2005 bis 31.08.2005.

Übrigens gibt es trotz Government-to-Government Leasing Geschäft auch in Tschechien Korruptionsvorwürfe und unsaubere Geschäftspraktiken der Lobbyisten im Dienste des britischen Rüstungskonzern BAE Systems, der im Zeitraum des „Ur-Vertrags“ mit Saab gemeinsam den Gripen in Tschechien und Ungarn vermarktet hat.

Im Mai 2014 wurde der Leasingvertrag um 12 Jahre bis 2027 verlängert. Dieser neue Vertrag beinhaltet auch ein Update der Missionssoftware auf den Standard MS20 sowie den Austausch von veralteten Hardwarekomponenten (Bereinigung Obsoleszenzen). Laut Medienberichten fallen dafür 576 Mio. schwedische Kronen an (damals 63,6 Mio. EUR). Gemäß dem tschechischen Statistikbüro summieren sich zusätzlich die neuen Leasingraten auf insgesamt 5,4 Mrd. schwedische Kronen, d.h. auf 596,3 Mio. EUR (49,7 Mio. EUR/a). Mehrwertsteuer und Quellsteuer sind in diesen Zahlen nicht enthalten.

Über 22 Jahre hat der Leasingvertrag mit FMV daher ungefähr 1.283,9 Mio. EUR ausgemacht bzw. wird er das ausmachen. Das sind 58,4 Mio. EUR pro Jahr. Bei Neuverträgen wäre alleine durch die Preisgleitung mit höheren Kosten zu rechnen (etwa 68 Mio. EUR/a, wenn man die Preise aus 2004 und 2014 hochrechnet).

EIN VERGLEICH

Vergleiche sind bei Rüstungsgeschäften immer schwierig, weil dafür nie genügend Informationen in vergleichbarer Weise vorliegen. Auch die Lohnniveaus und Steuersysteme in Tschechien und Österreich sind unterschiedlich.

Die aktuellste Information zu den jährlichen Betriebskosten des Systems Eurofighter beim Bundesheer stammt aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage am 04.02.2020 durch Ministerin Tanner. Demnach kostet das System Eurofighter Typhoon aktuell zwischen 60 bis 65 Mio. Euro pro Jahr. Beim Bundesheer werden Personalkosten, Treibstoff, Infrastruktur usw. in die Betriebskosten eingerechnet.

15 zweistrahlige Eurofighter Typhoon verursachen daher mittlerweile ähnlich hohe jährliche Kosten wie 14 einstrahlige Gripen C/D, die in einem Government-2-Government – Deal geleast wurden. Wie kann das sein? Vor allem, weil die österreichischen Typhoons bereits vollständig abgezahlt sind, während Tschechien immer noch einen Teil der Anschaffungskosten über die Leasingraten tilgt.

Weiterführende Links / Quellen:

Titelbild: Geleaster tschechischer Gripen über Island © Milan Nykodym, Czech Republic

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