Lockheed Martin F-35A Lightning II der US Air Force © USAF

Schweizer Luftwaffe soll 36 F-35A Lightning II erhalten

by Doppeladler

Der Schweizer Bundesrat hat am 30. Juni 2021 bekanntgegeben, dass er dem Parlament die Beschaffung von 36 Kampfflugzeugen des Typs F-35A des US-Herstellers Lockheed Martin und die Beschaffung von 5 Feuereinheiten des Typs Patriot des US-Herstellers Raytheon vorlegen wird. Die beiden Systeme erzielten in der Evaluation im Beschaffungsprogramm Air2030 den höchsten Gesamtnutzen und gleichzeitig die tiefsten Gesamtkosten.

EINDEUTIGES ERGEBNIS DER EVALUATION

Am Evaluationsverfahren unter der Leitung von Armasuisse für das neue Kampfflugzeug nahmen folgende Typen teil:

  • Eurofighter Typhoon (Airbus, Deutschland)
  • Dassault Rafale (Frankreich)
  • Boeing F/A-18 E Super Hornet (USA)
  • Lockheed Martin F-35A Lightning II (USA)

Der Saab JAS-39E Gripen schied frühzeitig aus, weil er noch nicht die erforderliche technische Reife beweisen konnte. Saab konnte noch kein repräsentatives Muster zur Flugerprobung stellen. Teil der Evaluierung war eine Kosten/Nutzen-Bewertung sowie eine praktische Erprobung in der Schweiz. Während die F-35 am US Heimatmarkt aufgrund der hohen Beschaffungs- und Betriebskosten sowie des geringen Einsatzwertes heftig kritisiert wird, kamen die Schweizer Prüfer zu einem ganz anderen und überraschend eindeutigen Ergebnis:

Die F-35A hat die Nutzenbewertung mit 336 Punkten und 95 Punkten Vorsprung überlegen gewonnen. In drei von vier Kategorien erzielte der US-Jet die beste Bewertung.

Wirksamkeit: Hervorgehoben werden die Informationsüberlegenheit und das Situationsbewusstsein durch leistungsfähige und umfassend vernetzte Systeme zum Schutz und Überwachung des Luftraums. Auch die „Stealth-Eigenschaften“ zur Steigerung der Überlebensfähigkeit wurden hoch bewertet.
Durch einfache Bedienung und hochwertige Simulatortechnik sind laut den Evaluatoren rund 20 Prozent weniger Flugstunden notwendig als bei den anderen Kandidaten und rund 50 Prozent weniger Start- und Landungen als mit den heutigen Jetflugzeugen der Luftwaffe.
Die Prüfer meinen, dass der identifizierte Technologievorsprung über die vorgesehene Nutzungsdauer von 30 Jahren Bestand haben wird.
Flugleistungsdaten hatten vermutlich nur wenig Bedeutung im Punkteschema.

Produktsupport: Die Evaluatoren stellten einen effizienten Betrieb und einfach Instandhaltung fest. Auch die fortschrittlichen Ausbildungsmöglichkeiten und die hohe Versorgungssicherheit während der gesamten Nutzungsdauer überzeugten. Bisher wurden weltweit mehr als 650 F-35 ausgeliefert. Zusatzpunkte gab es, weil der Jet von vielen europäischen Staaten eingeführt wurde oder noch wird. Die Betreuung des Systems ist durch die Schweizer Luftwaffe und die RUAG innerhalb der Schweiz vorgesehen.

Kooperation: Es wurden umfassende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit beim Betrieb und ein breiter Zugang zu Daten und fachtechnischen Ressourcen versprochen.

Gegengeschäfte: Hier reichte es nicht für den Spitzenplatz. Die Offsetverpflichtung von 60 Prozent des Auftragswerts ist bis spätestens 4 Jahre nach der letzten Lieferung restlos zu erfüllen. Anders als in Österreich haben Gegengeschäfte beim Nachbarn keinen schlechten Beigeschmack.

F-35A der US Air Force mit offenen Waffenschächten © USAF
F-35A der US Air Force mit offenen Waffenschächten © USAF

Die Beschaffungskosten belaufen sich zum Zeitpunkt der Angebote im Februar 2021 auf 5,068 Mrd. Franken (4,620 Mrd. EUR). Sie liegen damit klar im vorgegebenen Finanzvolumen von 6 Milliarden Franken, den die Stimmbevölkerung mehrheitlich beschlossen hat.
Der F-35A ist laut Evaluation auch bei den Betriebskosten das günstigste Flugzeug. Die Gesamtkosten für die Beschaffung und den Betrieb betragen bei der F-35A über 30 Jahre gerechnet rund 15,5 Mrd. Franken (14,13 Mrd. EUR). Der Unterschied zum zweitgünstigsten Kandidaten liegt im Bereich von 2 Mrd. Franken.

Die Datensicherheit und Datenautonomie und ist nach Ansicht der Evaluatoren ausreichend gewährleistet. Dieser Punkt galt im Vorfeld als als wichtiges Argument gegen die F-35. Technologische Abhängigkeiten von Herstellern können zwar nicht ausgeschlossen werden, aber die Schweiz bestimme auch bei der F-35 selbst, welche Daten sie über Datenlinkverbindungen mit anderen Luftwaffen austauscht oder welche logistische Daten an den Hersteller zurückgemeldet würden. Auch die Cybersicherheit sei sehr gut sichergestellt, weil Sicherheit der Rechnerarchitektur und die auf Cyberschutz ausgerichteten Maßnahmen umfassend sei.

Die Auslieferung der F-35A erfolgt voraussichtlich ab 2025 bis 2030. Das Jahr 2030 gilt als das Ende der Lebensdauer der vorhandenen F/A-18 Flotte.

WIE GEHT ES NUN WEITER?

Bei einem derartig klaren Ergebnis der Evaluation bestand laut Verteidigungsministerin Amherd kein Spielraum für politische Entscheidungen. Außenpolitische Aspekte hätten nur bei gleichwertigen Angeboten eine Rolle spielen dürfen. Dann wäre es wohl in Richtung europäischer Hersteller ausgegangen. Die Rafale galt bei vielen Beobachtern als sicherer Gewinner.

Der Bundesrat wird die Jet-Beschaffung dem Parlament mit der Armeebotschaft 2022 vorlegen. National- und Ständerat könnten zwar an den Kosten schrauben, den Typenentscheid aber nicht umstoßen.
Die Sozialdemokratische Partei, Die Grünen und die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) kündigten eine Volksinitiative an, um den Kauf eines US-Jets zu verhindern. Die F-35A ist so etwas wie der Wunschgegner aller Gruppierungen, die sich gegen Kampfflugzeuge stemmen. Die notwendigen 100.000 Unterstützungserklärungen zum Start einer Volksinitiative werden schnell zusammenkommen. Die Gegner kritisieren vor allem, dass die Datensicherheit für die Schweiz nicht gewährleistet sei. Auch habe das Volk sich ihrer Meinung nach bereits gegen einen „Ferrari in der Luft“ ausgesprochen. Das Ergebnis dieses erneuten Urnenganges ist abzuwarten (sofern dieser rechtlich zugelassen wird – das hängt von der konkreten Formulierung ab), bevor der Lightning wirklich in der Schweiz einschlägt.
Im Jahr 2014 hatten die Schweizer*innen den bereits ausgehandelten Kauf des JAS-39E Gripen an der Urne zur Nachfolge der F-5E Tiger II abgelehnt.

Australische F-35A mit Außenlasten © RAAF
Australische F-35A mit Außenlasten © RAAF

PATRIOT FÜR WEITREICHENDE LUFTABWEHR

Fast ein wenig untergegangen ist, dass auch im Bereich der weitreichenden Luftabwehr – für die Schweiz ist es das zweite wichtige Standbein der Sicherheit im Luftraum – der Zuschlag an ein US-System ging.
Die technische Evaluation für das neue System zur bodengestützten Luftverteidigung größerer Reichweite (Bodluv GR) bestritten das System SAMP/T von Eurosam (Frankreich) und das System Patriot von Raytheon (USA). Das System Patriot MIM-104 PAC-3+ (Patriot Advanced Capability-3) gewann die Nutzen- und Kostenbewertung. Angeboten hatte Patriot ein Konsortium aus Raytheon Missiles & Defense, Rheinmetall Defence und Mercury Systems.
Die Anschaffung von fünf Systemen kostet 1,97 Mrd. Franken (1,79 Mrd. EUR), inklusive Betrieb wird mit rund 3,6 Mrd. Franken (3,28 Mrd. EUR) Gesamtkosten für 30 Jahre gerechnet.

System Patriot zur bodengestützten Luftverteidigung größerer Reichweite © Raytheon
System Patriot zur bodengestützten Luftverteidigung größerer Reichweite © Raytheon

SCHLUSSBEMERKUNG

Von den Kampfflugzeugen der Schweizer Luftwaffe sind derzeit noch 30 F/A-18 C/D Hornet sowie etwa 19 F-5 E/F Tiger II aktiv. Diese Jets sollen durch 36 F-35A abgelöst werden. Insgesamt investiert die Schweiz im Rahmen von Air2030 nun 6,41 Mrd. EUR in die Sicherheit ihres Luftraums. Die zeitgerechte Nachfolge der heutigen Mittel der Luftwaffe, welche bis 2030 das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen, erscheint sichergestellt. Währenddessen stellt die Politik in Österreich ersatz- und konzeptlos die Jet-Trainer ab. Es herrscht völliger Stillstand bei der Neugestaltung der Luftraumüberwachung. An Luftraumverteidigung wird kein Gedanke verschwendet. Das führt einem wieder einmal drastisch vor Augen, welchen höheren Stellenwert die Sicherheit der Bevölkerung bei unseren Nachbarn hat.

F-35A – „Elephant Walk“ bei der US Air Force © USAF

Mittlerweile hat die F-35 Flotte weltweit über 400.000 Flugstunden gesammelt. 41 Prozent davon wurden von Einsatzmaschinen absolviert. Anfang Juli 2021 betreiben neun Länder den Jet. 655 F-35 A/B/C wurden ausgeliefert und über 1.380 Piloten und 10.670 Techniker auf dem Typ ausgebildet.

Weiterführende Links:

Titelbild: Vier Lockheed Martin F-35A Lightning II der US Air Force © USAF

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