SAAB 105 OE der Österreichischen Luftstreitkräfte © Doppeladler.com

Kein SAAB 105 Nachfolger, keine Entscheidung beim EUROFIGHTER

by Doppeladler

Wie das Verteidigungsministerium am 6. Juli 2020 bekanntgab, wird die SAAB 105 OE mit Jahresende ersatzlos auslaufen. Die EUROFIGHTER TYPHOON sollen ab 2021 die Luftraumüberwachung alleine übernehmen – vorerst.

Bereits im Zuge der türkis-grünen Koalitionsverhandlungen stand die Variante im Raum, die Luftraumüberwachung künftig ohne die SAAB 105 OE zu organisieren und so die 12-jährige Nachfolgediskussion zu beenden. Und so kommt es nun auch:
Die Saab 105 wird aufgrund des Endes der technischen Lebensdauer ‚ausgephast‘ und nicht nachbeschafft“, so das BMLV in einer Aussendung.

Die anhaltende Diskussion und der Rechtsstreit rund um das Primärsystem EUROFIGHTER TYPHOON waren für diese Entscheidung ausschlaggebend.

‚Ausgephast‘ bedeutet, dass der Betrieb der 12 verbliebenen Jets nach 50 Jahren Nutzung geordnet heruntergefahren wird, die Maschinen verwertet werden und das Personal umgeschult wird – vordringlich auf die ebenfalls in Linz stationierten C-130 Transportflugzeuge und AB-212 Hubschrauber, wo akuter Personalmangel herrscht. Linz könnte nun auch zum Ausweichflughafen für einige EUROFIGHTER TYPHOON werden, damit die Luftraumüberwachung temporär unabhängig von der Verfügbarkeit des Fliegerhorstes in Zeltweg sichergestellt werden kann (etwa im Falle von Wartungsarbeiten).

SCHLUSS NACH 50 JAHREN

Die SAAB SK60 ist ein Jet-Trainer und Erdkampfflugzeug der 1960er Jahre. In den Jahren 1970 bis 1972 wurden insgesamt 40 Maschinen der als SAAB 105 OE bezeichneten Österreich-Version übernommen. Bis zuletzt waren davon noch etwa 12 Jets vorhanden. Flugfähig waren deutlich weniger. Alle übrigen Maschinen wurden entweder für Ersatzteile ausgeschlachtet (kannibalisiert) oder sind verunfallt.

Schon Anfang 2008 wurde festgestellt, dass sich ein Update der damals bereits fast 40 Jahre alten Jets nicht mehr lohnt und man wollte eine Nachbeschaffung einleiten. Der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) ließ verkünden, dass die Nachbeschaffung noch Mitte 2008 beginnen würde und das neue System ab 2010 betrieben werden soll. Heute weiß man, dass man insgesamt 10 Jahre Zeit gehabt hätte, die Nachfolge geordnet zu regeln, aber Darabos, Klug, Doskozil und Kunasek konnten sich nicht überwinden, Nägel mit Köpfen zu machen. Der parteilose Starlinger hat noch einmal die Grundlagen aufgearbeitet, bevor sich Klaudia Tanner (ÖVP) schließlich nach 6-monatigem Stillstand sich für Nichtstun entschieden hat.

Der bewusste Verzicht auf eigene Jet-Trainer wäre ja durchaus auch ein Weg im Zuge der Umsetzung eines geeigneten Gesamtkonzepts („Ein-Flotten-System“), aber hier geschieht er vordringlich aufgrund des Unvermögens politische Befindlichkeiten rund um die Luftraumüberwachung beiseite zu schieben und tragfähige Lösungen umzusetzen.

Ein schönes Beispiel hierfür liefert die Aussendung des BMLV selbst gleich mit: „selbst wenn jetzt ein Beschaffungsvorgang eingeleitet wird würden die neuen Flugzeuge Anfang 2021 noch nicht bereitstehen.“ So einfach werden 12 Jahre Nachfolgediskussion beiseite gewischt. Es wird sogar kritisiert, dass „die Empfehlungen aus den drei Berichten der Bewertungskommissionen kein klares Bild zeichnen“ würden. Wundern darf einen Beobachter das nicht, denn jede Kommission hatte einen anderen politischen Auftrag und rechnete dementsprechend Kosten rauf und runter.

LUFTRAUMÜBERWACHUNG UND PILOTENAUSBILDUNG

Die SAAB 105 OE wird seit der Außerdienststellung der 24 SAAB DRAKEN als „Ergänzungsflugzeug Luftraumüberwachung“ missbraucht, denn von den ursprünglich ausgeschriebenen 24 EUROFIGHTER TYPHOON wurden nur 15 Flugzeuge beschafft. 25% der Bereitschaftsdienste von 10 Stunden pro Tag wurden daher von den SAAB erbracht, obwohl der Unterschall-Jet dafür völlig ungeeignet ist. Derzeit werden noch etwa 6% der Dienste übernommen – mehr ist nicht mehr drin. Immerhin ist man durch den Wegfall der 105er in eine Verbesserung der Qualität der Luftraumüberwachung gestolpert, da nur mehr geeignete Flugzeuge zum Einsatz kommen – falls es nicht noch zu einer weiteren Reduktion der Gesamtflugstunden kommt.

„Ergänzungsflugzeug Luftraumüberwachung“ – SAAB 105 OE mit 30 mm Kanonenpods © Bundesheer

Auch zum Download von Flugstunden der TYPHOON-Piloten auf einen günstigeren Typ dienten die SAAB 105 OE. Die Kosten pro Flugstunde sollen ja bei 3.000-3.500 EUR statt der großzügig aufgerundeten 60.000 EUR beim TYPHOON betragen*. So konnten die Piloten einen Teil der jährlich erforderlichen Mindest-Flugstunden günstig abspulen. Angesichts des Generationen- und Leistungsunterschieds beider Typen war aber auch das eine Notlösung – hier Uhreninstrumente, dort Bildschirme.

Die einzig zweckmäßige Verwendung der SAAB war die Ausbildung der Jet-Piloten des Bundesheeres. Hierher stiegen sie nach Abschluss der Ausbildung auf der PC-7 Turboprops um. Schon bisher war es erforderlich, die letzten Ausbildungsphasen der TYPHOON-Piloten im Ausland auf moderneren Typen zu absolvieren (Lecce/IT) und mangels eigener Doppelsitzer fand auch der Umstieg auf den TYPHOON im Ausland statt (Laage/GER). In Zukunft müssen daher mehr Phasen im Ausland zugekauft werden. Eine angekaufte Eurofighter-Flugstunde in Laage kostet Berichten zufolge rund 100.000 EUR. Das neutrale Österreich ist ab 2021 bei seiner Jetpiloten-Ausbildung komplett von der NATO abhängig.

TEURER STATT GÜNSTIGER

Generalstabschef Robert Brieger erklärt die Entscheidung so: „Um in den nächsten maximal zehn Jahren den österreichischen Luftraum zu sichern, müssen wir ein bis zwei Piloten pro Jahr ausbilden. Nur dafür ein zweites System anzuschaffen, ist weder militärisch notwendig, noch von den Kosten her zu verantworten.
Doch wenn die Luftraumüberwachung künftig ausschließlich mit dem EUROFIGHTER TYPHOON erfolgt, die Möglichkeit zum Flugstunden-Download entfällt und zusätzliche Ausbildungsphasen im Ausland zugekauft werden müssen, dann wird die Luftraumüberwachung insgesamt mehr Geld kosten als bisher. Das gibt man im Verteidigungsministerium auch zu. Das System soll aber laut Verteidigungsministerin Tanner nur so lange weiterlaufen, nur im EUROFIGHTER-Rechtsstreit mit AIRBUS Klarheit herrscht. Dann soll neu entschieden werden.

Wann wird das sein? 17 Jahre nach Unterfertigung des Kaufvertrags und 13 Jahre nach Lieferung der ersten Jets hofft Wolfgang Peschorn, als Chef der Finanzprokuratur so etwas wie der Anwalt der Republik, immer noch auf eine Entschädigung oder gar Rückabwicklung des EUROFIGHTER-Kaufvertrags. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. Doch bislang verliefen alle Verfahren, Untersuchungsausschüsse etc. im Sand. Peschorn rechnet bis Mitte 2021 mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Beschwerden der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Republik gegen die Einstellung des Verfahrens zu der 2017 durch Doskozil eingebrachten Betrugsanzeige gegen den Flugzeughersteller AIRBUS. Wohlgemerkt: dann wird erst entschieden, ob das Verfahren fortgesetzt wird. Falls das Verfahren in die nächste Runde geht ist ein Ende nicht absehbar. Praktisch: Die Länge der Verfahren können die Vertreter der Republik Österreich maßgeblich beeinflussen. Übergangslösungen halten sich meist lange bei den Luftstreitkräften – siehe SAAB DRAKEN.

Der EUROFIGHTER TYPHOON übernimmt ab 2021 die Luftraumüberwachung alleine © Doppeladler.com

Ministerin Tanner schließt übrigens auch die Nachrüstung der TYPHOONS aus, um die Einsatzfähigkeit der Abfangjäger zu verbessern. Laut der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage im Bundesrat vom 15. Juli 2020 durch Tanner würden dafür 165 bis 210 Mio. EUR anfallen. Ihr Ziel sei aber unverändert der Ausstieg aus dem Vertrag mit AIRBUS. Nichts soll unternommen werden, um die Verhandlungsposition der Republik zu schwächen.

Weiterführende Links:

Fußnote: Laut Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage aus Februar 2020 kostet das System EUROFIGHTER TYPHOON 60-65 Mio. EUR/a. Durch 1.400 Flugstunden ergibt das 46.429 EUR pro Flugstunde. Aufgrund des Fixkostenanteils sinken diese Kosten pro zusätzlicher Flugstunde! Laut gleichem Text belaufen sich die Betriebskosten der SAAB 105 OE auf rund 3,5 bis 4 Mio. EUR/a.

Titelbild: SAAB 105 OE der Österreichischen Luftstreitkräfte © Doppeladler.com

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