Die HOT BLADE 2012 war eine multinationale Hubschrauberübung der Europäischen Verteidigungsagentur EDA (European Defence Agency), welche vom 4 bis 18. Juli 2012 in Portugal (nahe Porto) stattgefunden hat. 23 Hubschrauber, 4 Jagdflugzeuge und etwa 3.000 Soldatinnen und Soldaten aus neun Nationen nahmen an der Übung teil. Die Übungsteilnehmer teilten sich in 700 Besatzungsmitglieder und Techniker sowie in 2.300 Angehörige der portugiesischen Land- und Seestreitkräfte.
Auch das Österreichische Bundesheer ließ sich die Chance auf ein anspruchsvolles Training in einer „Hot, High & Dusty“ Umgebung nicht entgehen. Das heimische Kontingent bestand aus 45 Soldaten und sechs Hubschraubern vom Typ Agusta Bell AB-212. Ein Transportflugzeug vom Typ Lockheed Hercules C MK.1P leistete logistische Unterstützung.
Die EDA hat es sich zum Ziel gesetzt, die Verfügbarkeit von Hubschraubern für die internationale Krisenreaktion zu verbessern. Die EU Mitglieder verfügen gemeinsam über mehr als 1.700 Hubschrauber, doch sind nur wenige davon für Einsätze in Konfliktregionen verfügbar. Das liegt zum Teil an der mangelnden zielgerichteten Ausbildung der Besatzungen, aber auch an der technischen Ausstattung der Hubschrauber. Das Helicopter Training Programme HTP der EDA soll dazu beitragen, diesen unbefriedigenden Zustand zu verbessern. Bereits 2011 beteiligte sich das Bundesheer an der Hubschrauberübung ITALIAN CALL 2011. Heuer findet das Programm mit der HOT BLADE 2012 an der Ovar Air Force Base der portugiesischen Luftwaffe seine Fortsetzung.
TEILNEHMER
- Portugal: Agusta-Westland AW 101 514 Merlin, Lockheed Martin F-16 MLU Fighting Falcon – Portugal ist die Host-Nation der Übung und stellt daher neben Hubschraubern auch die erfoderliche Infrasturktur, das Control and Reporting Center Batina, Forward Air Controller FAC und eine Force Protection Unit der Luftwaffe, Einheiten der Landstreitkräfte sowie die neu aufgestellte Spezialeinheit der Marine DAE
- Österreich: Agusta Bell AB-212 (Kennungen: 5D-HB, 5D-HD, 5D-HF, 5D-HT, 5D-HV, 5D-HX)
- Deutschland: Sikorsky CH-53G(A) (Kennungen: 84+46, 84+68, 84+72, 84+80, 84+84)
- Belgien: Agusta A-109HO (A-109BA)
- Finnland: NHIndustries NH90 TTH
- Niederlande: Boeing CH-47D Chinook, Aérospatiale/Eurocopter AS-532U2 Cougar
- Als Beobachter nehmen teil: Schweden, Großbritannien
- Luxemburg, das selbst keine Fliegerkräfte besitzt, beteiligt sich als Co-Organisator auch an der Finanzierung der Übung.
ÜBUNGSSZENARIO & MISSIONEN
Auf der fiktiven Halbinsel Idasse im Südwesten Europas befinden sich heute drei sehr unterschiedliche Staaten – die Republik Landuka, die Republik Maracate und die kommunistisch orientierte Volksrepublik Kopami. Diese Staaten bildeten einst einen Vielvölkerstaat und waren Teil des Warschauer Paktes. Im Jahr 1972 kam es zur Spaltung, wodurch jedoch die Spannungen zwischen den vier ethnischen Gruppen, den Landukas, den Maracaten, den Kopamis und den Klorids eher noch zunahmen. Diese ethnischen Spannungen führten schließlich zu gewaltsamen Übergriffen auf Minderheiten. Es formierten sich Rebellengruppen und Terrororganisationen. Die humanitäre Lage auf Idasse verschlechterte sich dramatisch. Die EU konnte angesichts dieser Entwicklungen nicht tatenlos zusehen und schickte eine EU Battlegroup direkt in den Hotspot des Konflikts, die Region Aqua in der Republik Maracate. Diese Battlegroup überbrückte die Zeit bis zum Eintreffen der größeren „European Union Force in Aqua Region„. Die Aufgaben der EU geführten Schutztruppe lauten:
- Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Sicherung der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen, die in der Krisenregion Flüchtlingslager eingerichtet haben.
- Überwachung und Unterbindung von Operationen illegaler bewaffneter Gruppen in der Aqua Region.
- Überwachung der Grenze zu Kopami. Interventionen durch das Militär von Kopami sollen durch Abschreckung verhindert werden.
Wichtiger Teil der europäischen Schutztruppe ist das multinationale Hubschrauberelement. Dieses setzt sich aus sieben völlig unterschiedlichen Typen mit unterschiedlichen Leistungsdaten zusammen: AW-101 Merlin, Agusta A-109, CH-53, AS-532U2 Cougar, CH-47D Chinook, AB-212 und NH-90.
Lockheed Martin F-16 Falcon MLU der portugiesischen Luftwaffe stellen die Luftüberlegenheit der EUFOR über der Aqua Region sicher. Die enge Zusammenarbeit mit „Fast Jets“ war eine Premiere bei einer HTP Übung.
Die Halbinsel Idasse ist ein anspruchsvolles Einsatzgebiet. Es ist heiß – die Leistungsfähigkeit der Hubschraubertriebwerke ist daher eingeschränkt. In den Hochebenen ist die Luft dünner – auch das führt zu Leistungsverlust. Der staubige Untergrund schränkt die Sicht bei Starts und Landungen ein. Trainiert wird nicht nur die Überwältigung der erschwerenden Umstände „hot, high & dusty“, sondern auch die Operationsfähigkeit im gemischten Verband. Bei den Übungsmissionen handelt es sich im Einzelnen um Luftlandungen (Air Assault – AA), die Zusammenarbeit mit Spezialeinsatzkräften (Special Operations Aviation – SOA), bewaffnete Such- und Rettungseinsätze (Combat Search and Rescue – CSAR), Evakuierungen von Verwundeten (Medical Evacuation – MEDEVAC), etc.
Bei der HOT BLADE 2012 wurden erstmalig die neuesten Erfahrungen aus dem Libyen Konflikt verwertet. Die Übung bot auch die Gelegenheit, Einsatzerfahrungen aus Afghanistan auszutauschen. In Summe wurden etwa 700 Flugstunden in 300 Flugbewegungen geflogen. Das Übungsgebiet umfasste annähernd die Hälfte des portugiesischen Luftraums. Typischerweise geht ein großer Teil der Hubschrauberbesatzungen direkt nach einer HTP Übung nach Afghanistan. Das trifft für die österreichischen Teilnehmer derzeit freilich nicht zu.
IMPRESSIONEN
Die Übung wurde von Seiten des österreichischen Kontingents in mittlerweile gewohnter Professionalität von Militär-Luftbildner Oberstabswachtmeister Horst Gorup festgehalten. Aber auch auf der Website der Übung sowie auf den Websites der Teilnehmerländer wurden wir fündig und können hier eine kleine aber feine Auswahl präsentieren:
DER LÄNGSTE FLUG
Um die Ovar Air Force Base in Portugal zu erreichen, mussten die sechs Transporthubschrauber AB-212 eine Entfernung von rund 2.000 Kilometer zurücklegen. „Das ist die größte Distanz, die eine Hubschrauberflotte aus Österreich bisher zu bewältigen hat“, so Oberstleutnat Birschkus vom Militärkommando Oberösterreich. Die vorgesehene Flughöhe beträgt meist über 300 Meter über Grund“. Eine solche Distanz konnte natürlich nur in mehreren Etappen zurückgelegt werden.
AGUSTA BELL AB-212
Der Agusta-Bell AB 212 ist ein mittlerer Transporthubschrauber. Er wird beim Bundesheer für den Personen- und Materialtransport und für Löscheinsätze verwendet. Für den Einsatz als „fliegende Intensivstation“ stehen entsprechende Einbausätze zur Verfügung. Im derzeitigen Zustand ist die 32 Jahre alte AB-212 Flotte für internationale Einsätze nicht zu gebrauchen. Daran ändert auch die HOT BLADE 2012 nichts.
Erst nach dem derzeit anlaufenden Mid Life Update ist die AB-212 grundsätzlich (unter der Verwendung von Nachtsichtbrillen) nachtflugtauglich. Geplant sind die Modernisierung des Cockpits, der Avionikausstattung sowie die Vorbereitung zum Einbau eines elektronischen Selbstschutzsystems. An leistungsstärkere Triebwerke oder gar einen 4-Blatt-Rotor für die AB-212 wird nicht gedacht. Die Realisierung eines einsatztauglichen Selbstschutzsystems ist in der Folge von der Beschaffung bzw. Erstellung von Bedrohungsbibliotheken abhängig. Doch diese Arbeiten stehen derzeit noch in den Sternen. Für den S-70 Black Hawk, der bereits mit einem Selbstschutzsystem beschafft wurde, gibt es diese Bibliotheken bis heute nicht, weshalb an Einsätze über „heiße“ Konfliktherde nicht zu denken ist.
Das nun wiederholt die AB-212 Flotte an einer HTP Übung teilnimmt und nicht die im Ausland eingesetzten Alouette III und S-70 Black Hawk lässt darauf schließen, das künftig (nach dem Update) vermehrt die beiden leichten Transporthubschrauberstaffeln aus Hörsching im Auslandseinsatz stehen werden.
Bereits im September 2012 findet das HTP Programm der EDA seine Fortsetzung. In Belgien wird bei der Übung GREEN BLADE 2012 die Zusammenarbeit mit Spezialeinsatzkräften im Vordergrund stehen.
VIDEOS
Vom Medienteam der portugiesischen Streitkräfte wurden einige interessante Videos angefertigt. Dies können auf Youtube unter dem Suchbegriff „HOT BLADE 2012“ abgerufen werden. Zwei Videos sind besonders interessant: Die Vorstellung der Teilnehmer aus Österreich …
… und das Abschlussvideo, das einen guten Überblick über die Übung verschafft.
Beide Videos © Portugiesische Luftwaffe (relpubfap). Weitere Videos finden Sie im Youtube Kanal der portugiesischen Luftwaffe.
Weiterführende Links:
- Webspecial des Bundesheeres zur Übung
- Website der Übung HOT BLADE 2012 mit zahlreichen Fotos und Videos
- RAL7013 Typenblatt zur Agusta Bell AB-212
- Europäische Verteidigungsagentur EDA