Alouette III des Bundesheeres im Hochwassereinsatz in Bosnien-Herzegowina © Bundesheer
Im Mai 2014 werden die Balkanstaaten Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina von den schlimmsten Hochwasserkatastrophe seit Jahrzehnten heimgesucht. Über 3 Millionen Menschen sind betroffen. Es gibt auch zahlreiche Todesopfer zu beklagen.
In Serbien sind laut Caritas mehr als 1,6 Millionen Menschen von der Flut betroffen, insgesamt mussten mehr als 32.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Bis 27.05.2014 ist die Zahl der Hochwassertoten ist in Serbien auf 27 angestiegen.
Im Osten Kroatiens sind etwa 38.000 Menschen betroffen, 11.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Bis 27.05.2014 kamen 2 Menschen ums Leben.
In Bosnien-Herzegowina gilt die Flutkatastrophe nach Angaben der bosnischen Regierung als die schwerste seit Beginn der Aufzeichnungen. In Bosnien-Herzegowina mussten rund 950.000 Menschen vor den Fluten in Sicherheit gebracht werden. Etwa 1,5 Millionen von insgesamt 3,8 Millionen Einwohnern (!) sind Behördenangaben zufolge von den Überschwemmungen betroffen. Bis 22. Mai wurden mehr als 2.610 Erdrutsche hauptsächlich in den Gemeinden Tuzla, Sarajewo und Zenica-Doboj gemeldet, die zusätzliche Zerstörung verursachten. Bis 27.05.2014 waren 24 Todesopfer zu beklagen.
In Bosnien und Herzegowina konnte aufgrund der Präsenz österreichischer EUFOR Soldaten von Beginn an Katastrophenhilfe durch das Bundesheer geleistet werden – und wer schnell hilft, hilft doppelt.
Die dortige Operation EUFOR Althea unterstützt die Einhaltung des Friedensplans für den Balkanstaat und wird seit 3. Dezember 2012 vom österreichischen Force Commander Generalmajor Dieter Heidecker kommandiert. Vor dem Hochwasser standen 196 österreichische Soldaten im Einsatz. Angesichts der dramatischen Lage gingen Teile der EUFOR BiH in den Katastrophenhilfseinsatz über.
PHASE 1 – EVAKUIERUNGEN
In den ersten Tagen der Katastrophehilfe stellten sich wieder einmal Hubschrauber als Lebensretter heraus. Ab 16. Mai 2014 waren die Hubschrauber des österreichischen EUFOR Kontingents im Einsatz: drei Sud-Aviation SA 316B Alouette III (3E-KP, 3E-KV, 3E-K?) und zwei Sikorsky S-70A-42 Black Hawk (6M-BA, 6M-BG mit Außentanks).
Innerhalb der ersten Tage konnten in mehr als 300 Flügen weit über 900 Menschen gerettet und über zehn Tonnen Lebensmittel und wichtige Güter für die Bevölkerung transportiert werden. Die österreichischen Hubschrauber führten auch Notfallkrankentransporte durch, bei denen die Patienten bereits an Bord erstversorgt werden konnten. Zudem wurden lokale Ärzte in die Krisengebiete eingeflogen. Nach den Evakuierungsflügen begann die Verteilung von Trinkwasser, Essen, Medikamenten, Hygieneartikeln etc. in den nicht am Landweg zu erreichenden Gebieten.
In dieser ersten Phase unterstützen rund 40 Soldaten des Österreichischen Bundesheeres die zivilen Behörden aus Bosnien und Herzegowina im Rahmen ihres Auslandseinsatzes.
Hilfe am Boden ist in Bosnien-Herzegowina angesichts der Zerstörungen und der allgegenwärtigen Minengefahr besonders schwierig. Nach den Kriegen der 1990er Jahre sind immer noch 1.215 Quadratkilometer – 2,4 Prozent der Landesfläche – vermint. Man geht davon aus, dass etwa 800 km² an verminten Flächen überflutet wurden. Viele der rund 120.000 nicht explodierten Minen wurden durch die von den Regenfällen ausgelösten Erdrutsche an unbekannte Orte befördert, auch die rund um die Minenfelder aufgestellten Warnschilder und Absperrungen wurden mitgerissen. Die Räummannschaften müssen vielerorts von vorne beginnen.
Video von der Evakuierungsflügen © EUFOR Althea
PHASE 2 – IR-KOMPANIE & AFDRU
Am 28. Mai 2014 entsendete Wien die „Intermediate Reserve“ (IR)-Kompanie der EUFOR.
Die IR-Kompanie ist eine Reserve für die österreichischen Missionen am Balkan, die innerhalb kürzester Zeit vor Ort eingesetzt werden kann. Eigentlich sollen diese Kräfte bei zunehmenden Spannungen zum Einsatz kommen, doch nun unterstützen sie bis 20. Juni 2014 die EUFOR bei der Hilfe für die Bevölkerung. „Operation Joint Effort 14“ hat man die Hilfsmaßnahmen getauft. Anschließend lösen die Österreicher planmäßig die ungarischen Soldaten der EUFOR ab und werden als Infanteriekompanie in das reguläre Multinationale Bataillon integriert.
Besonders wichtig ist die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser – auch um die Entstehung und Ausbreitung von endemischen Krankheiten und Seuchen zu verhindern. Am 28. Mai 2014 verließ daher zusätzlich ein Konvoi des Bundesheeres mit 31 Fahrzeugen und 170 Tonnen Ausrüstung Österreich in Richtung Orasje in Bosnien-Herzegowina.
Das „Austrian Forces Desaster Relief Unit“ (AFDRU)-Kontingent für Bosnien-Herzegowina besteht aus 78 Männern und einer Frau. Der Großteil des Personals kommt von den ABC-Abwehrkompanien in Korneuburg und Graz sowie aus Mautern, Absam und Linz. Dazu kommen noch Soldaten der Pionierbataillone 1 aus Villach und 3 aus Melk und weiteren Einheiten des Bundesheeres.
Den Kern der Hilfskräfte bilden die drei Wasseraufbereitungsgruppen mit je einer chemischen (basierend auf Chlorchemie) und einer physikalischen (basierend auf Umkehrosmose) Trinkwasseraufbereitungsanlage (TWA). Dazu kommen noch ein Führungs- und Versorgungselement, ein Expertenstab, eine Sanitätsgruppe, eine Dekontaminationsgruppe sowie Pioniere und – angesichts der Minengefahr – Kampfmittelexperten.
Insgesamt können täglich bis zu 240.000 Liter Trinkwasser produziert und verteilt werden. Im kontingentseigenen Labor wird die Wasserqualität laufend überprüft. Zusätzlich unterstützen die Experten die Wiederherstellung der Wasserversorgung durch Beratung der zivilen Behörden und gegebenenfalls Dekontamination oder Desinfektion von Brunnen und Wasserspeichern.
Das Kontingent wurde in Orasje im Norden Bosniens stationiert. Als die Österreicher im Katastrophengebiet ankamen stand es noch immer zu großen Teilen unter Wasser, denn die Pegelstände der Save und Bosna gehen nur langsam zurück. Viele Trinkbrunnen waren verschlammt; viele durch Fäkalbakterien aus übergelaufenen Senkgruben verseucht. Sofort nachdem die ersten Flächen von den Kampfmittelbeseitigern nach der Minensuche freigegeben wurden begann der Aufbau der Trinkwasseraufbereitungsanlagen. Am 30. Mai 2014 wurde die Trinkwasserproduktion aufgenommen und das kostbare Gut mit eigenen Tank-LKWs und Falttanks in der Region verteilt.
JEDER KANN HELFEN
Um unseren südlichen Nachbarn zu helfen brauchen Sie kein Hubschrauberpilot oder Chemiker zur Trinkwasseraufbereitung sein. Jede Spende hilft.
Zahlreiche Hilfsorganisationen haben Spendenaktionen gestartet. Klicken Sie vorbei bei der Organisation Ihres Vertrauens.
Die ORF Hilfsaktion „Nachbar in Not“ wurde 1992 im Zuge der Balkan-Kriege von Caritas und Rotem Kreuz gestiftet wird auch vom Hilfswerk, der Volkshilfe, der Diakonie, dem Maltester Hospitaldienst, dem Arbeiter-Samariter-Bund sowie Care unterstützt.
GROSSE GESTEN
Es gibt auch eine positive Entwicklung zu berichten, denn das Unglück lässt ehemalige Kriegsgegner wieder zusammenrücken. Kroatien, dass selbst von der Katastrophe betroffen ist, sendet Hilfsmannschaften und Hilfsgüter nach Bosnien und auch nach Serbien. In der kroatischen Bevölkerung werden Spenden gesammelt.
HILFSEINSÄTZE ZUR TRINKWASSERAUFBEREITUNG
Das Bundesheer war mit seiner internationalen Katastrophenhilfseinheit AFDRU seit 1997 bereits elf Mal auf drei Kontinenten im Rette- und Bergeeinsatz nach Erdbeben oder zur Trinkwasseraufbereitung im Einsatz.
Bei der Erdbebenkatastrophe in Pakistan 2005 versorgten zwei Anlagen mit einer Tagesleistung von 120.000 Litern über mehrere Monate täglich 40.000 Menschen in Flüchtlingslagern. Durch ihre Wasserversorgung konnte eine beginnende Cholera-Epidemie gestoppt werden. Das „österreichische Wasser“ erreichte damals von allen Hilfsorganisationen die höchsten Reinheitswerte. Die ABC-Abwehrkompanie wurde daher von der UNICEF zur obersten Wasserbehörde des Katastrophengebiets erklärt.
Nach dem schweren Tsunami produzierten Bundesheersoldaten auf Sri Lanka im Jänner und Februar 2005 sechs Wochen lang zwei Millionen Liter Trinkwasser für die Bevölkerung. Im April 2000 sorgte das österreichische Mosambik-Hilfskontingent für die Trinkwasseraufbereitung nach der Überschwemmungskatastrophe in dem südostafrikanischen Land. 64 Soldaten bereiteten in einem Monat mit vier Anlagen mehr als drei Millionen Liter Trinkwasser für Flüchtlinge und Hilfsorganisationen auf.
EINSÄTZE AUCH IN ÖSTERREICH
Zeitgleich mit dem Beginn des Hochwassereinsatzes am Balkan stand das Bundesheer auch in Österreich im Katastropheneinsatz. Rund 400 Soldaten standen in Niederösterreich und im Burgenland im Hochwassereinsatz und wurden durch Hubschrauber der Typen OH-58B Kiowa, Alouette III und S-70 Black Hawk unterstützt. Diese Tatsache verdeutlicht wieder einmal die Notwendigkeit, ein leistungsfähiges Heer zu betreiben, das auch mehrere anspruchsvolle Aufgaben gleichzeitig bewältigen kann. Die Situation zeigt auf, wie schnell sich die Reduktion von Hubschrauberflotten (oder auch nur Trainingsstunden) rächen kann und wie wichtig es ist, über hoch geländegängige Fahrzeuge zu verfügen.
DIE RÜCKKEHR
Am 29.07.2014 wurden 78 Soldaten und zwei Soldatinnen der AFDRU nach der Beendigung des Bosnien-Einsatzes durch Bundeskanzler Faymann und
Verteidigungsminister Klug feierlich die Einsatzmedaillen überreicht. Insgesamt stellte das Bundesheer während des zweimonatigen Einsatzes rund 3 Millionen Liter sauberes Wasser für 50.000 Menschen in 26 Ortschaften zur Verfügung.
Weiterführende Links:
- Website der Mission EUFOR ALTHEA
- Website der Caritas mit Informationen über das Ausmaß der Katastrophe
- Website der Spenden-Aktion „Nachbar in Not“