Hägglung Bandvagn vom Typ BvS10 im Tiefschnee © BAE Systems

HÄGGLUNDS IM ANROLLEN?

by Doppeladler

Hägglund Bandvagn vom Typ BvS10 im Tiefschnee © BAE SystemsHägglund vom Typ BvS10 im Tiefschnee © BAE Systems

Ein Artikel auf Defense News schürt neue Hoffnung auf eine baldige Beschaffung von Hägglunds für das Bundesheer. Konkret wird über den Beginn von Verhandlungen berichtet, wonach sich Österreich mit 20 Fahrzeugen an der jüngsten schwedischen Bestellung für gepanzerte Hägglunds vom Typ BvS10 anhängen könnte. Darüber hinaus wird berichtet, dass im Rahmen des Government-2-Government Deals auch 20 gebrauchte Bv206, ein ungepanzertes Vorgängermodell, übernommen werden könnten.

UPDATE 03.07.2016: Wie am 01. Juli 2016 bekannt gegeben wurde, werden die Gebirgstruppen des Österreichischen Bundesheeres mit 32 geschützten Universalgeländefahrzeugen vom Typ BvS10 Mk IIB Viking von BAE Systems Hägglunds ausgestattet. Die Beschaffung von Bv206 wird nicht weiter verfolgt. Siehe dazu unseren Beitrag zur Beschaffung 2016.

UPDATE 21.03.2014: Laut einem Interview in Militär Aktuell 1/2014 mit GenLt Norbert Gehart wird die Beschaffung von 20 Stück gepanzerten Hägglunds für robuste Einsätze „nun nicht mehr darstellbar sein“. An den Plänen, 20 gebrauchte Hägglunds zu beschaffen wird festgehalten. Diese werden auf neue Steyr Motoren umgerüstet. Diese sehr bedauerliche Entwicklung ist ein weiterer Schritt, der aufzeigt, welchen Stellenwert dem Schutz der Soldaten im Einsatz gegenüber der Katastrophenhilfe eingeräumt wird. Gut möglich, dass dies auch in einer Katastrophe endet.

HÄGGLUNDS IN SCHWEDEN

Der Bandvagn Bv206 wurde von Hägglund & Söner (heute: BAE Systems Hägglunds AB) für die schwedische Armee entwickelt. Die „Hägglunds“ machten sich schnell einen Namen als „go-anywhere“ Fahrzeuge. Egal ob Schnee, Schlamm oder Geröll – die amphibischen Bandvagn sorgen für die notwendige Mobilität.
Seit dem Jahr 1979 bestellte die schwedische Rüstungsagentur FMV nicht weniger als 4.500 Fahrzeuge. Im Jahr 1993 führte Schweden den gepanzerten Typ Bv309 – besser bekannt als Bv206S – für Auslandseinsätze ein. Weltweit wurden über 11.000 Fahrzeuge der Typen Bv206 und Bv206S verkauft.

Im Jänner 2012 beschaffte die FMV vorerst 48 Fahrzeuge der modernsten Generation BvS10 MkIIB als Mannschaftstransportfahrzeug, Kommandofahrzeug, Sanitätsfahrzeug und Logistikfahrzeug um rd. 100 Mio. USD. Der Hauslieferant setzte sich in allen Punkten der Ausschreibung für den „Bandvagn NY“ gegen den ST Kinetics Bronco (in Großbritannien „Warthog“ genannt) durch.

Im Dezember 2013 nutzte Schweden die Vertragsoption auf weitere 102 Fahrzeuge um rd. 120 Mio. USD aus. Die Fahrzeuge werden im gerade modernisiertem Werk in Örnsköldsvik hergestellt. Bis Ende 2015 sollen alle 168 BvS10 (Schwedische Bezeichnung: Bv410) ausgeliefert sein.
Genau an diesem zweiten Los möchte sich Österreich nun anhängen und die Stückzahl um die 20 32 Fahrzeuge für das Bundesheer erhöhen.

TEIL 1 – NEUE BvS10 Mk IIB

Die von Schweden beschafften Fahrzeuge sind vom Typ BvS10 Mk IIB. Es handelt sich hierbei um eine Weiterentwicklung der von Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden beschafften Fahrzeuge Mk I – der ursprünglichen Konfiguration – und Mk II mit verbessertem Schutz. Der Typ Mk IIB wurde auf Grundlage der Einsatzerfahrungen der Briten in Afghanistan entwickelt. Er bietet verbesserte Platzverhältnisse für die Passagiere und ihre Ausrüstung und höhere Nutzlast. Durch Spall-Liner und die höher angebrachten Sitze hat sich der Minenschutz weiter verbessert. Darüber hinaus kam es zu zahlreichen Detailverbesserungen: leichtere Integration von Battle-Management-Systemen, ein leistungsfähigerer Generator für das Bordnetz, eine automatische Brandbekämpfungsanlage, ein größeres Schiebedach, Rückfahrkamera, etc.

Um die Vorteile einer gemeinsamen Beschaffung voll auszunutzen, sollten die österreichschen Fahrzeuge möglichst baugleich sein. Aufgrund der geringen Stückzahl ist zu erwarten, dass das Bundesheer nur Mannschaftstransportfahrzeuge beschaffen würde, da diese am vielseitigsten einsetzbar sind. Die von Schweden bestellte Protector M151 Waffenstation würde voraussichtlich entweder durch die beim Heer bereits eingeführte “Overhead Remote Controlled Weapon Station – Medium” (ORCWS-M, siehe Iveco LMV) oder durch ein 12,7 mm MG auf Drehringlafette ersetzt.

Die geschützten BvS10 würden sich insbesondere als Einsatzfahrzeuge für Auslandseinsätze eignen – und das nicht nur im Hochgebirge. Die Briten setzten Ihre „Vikings“ mit großem Erfolg in den Berg- und Wüstenregionen Afghanistans ein. Die Niederländer konnten im Tschad auch noch in der Regenzeit auf Patrouille gehen.
Im Inland stünden die BvS10 der Alpinausbildung zur Verfügung (Stichwort „EU Mountain Training Initiative“ unter österreichischer Führung). Sie könnten allerdings auch bei der Katastrophenhilfe wertvolle Dienste leisten.

BvS10 MkIIB in der Konfiguration für Schweden © Schwedische StreitkräfteBvS10 MkIIB Varianten für Schweden © BAE SystemsBvS10 MkIIB in der Konfiguration für Schweden © Schwedische StreitkräfteInnenraum des BvS10 MkII © BAE SystemsNiederländischer BvS10 im Tschad © Niederländische StreitkräfteFranzösischer BvS10 MkII bei der Erprobung © Französische StreikräfteFranzösisches BvS10 MkII Logistikfahrzeug bei der Erprobung © Französische StreikräfteBvS10 Viking in Afghanistan © Royal MarinesTest mit automatischen 120 mm Granatwerfer NEMO mit Direktfeuer-Fähigkeit - ein "Gebirgspanzer"? © BAE Systems

TEIL 2 – GEBRAUCHTE Bv206 – gestrichen!

Der zweite Teil der geplanten Beschaffung wäre der Erwerb von 20 gebrauchten Bv206 der schwedischen Streitkräfte, die zuvor wohl einer gründlichen Aufbereiten bedürfen. Da die Bv206S der Schweden jünger und nur in geringer Stückzahl vorhanden sind, kann wohl ausgeschlossen werden, dass diese gepanzerte Fahrzeuge übernommen werden könnten.

Der ungepanzerte Typ Bv206 ist heute nur mehr gebraucht erhältlich. Firmen, die sich auf die Aufbereitung gebrauchter Fahrzeuge spezialisiert haben, verdienen gutes Geld. Kunden sind nicht nur Streitkräfte, sondern auch Feuerwehren, Such- und Rettungsorganisationen, Pipelinebetreiber usw.
Im Vergleich zum BvS10 liegen seine Vorteile (neben dem Preis!) vor allem bei den geringeren Abmessungen und dem wesentlich geringeren Gewicht, wodurch noch höhere Mobilität gewährleistet ist.
Die österreichischen Fahrzeuge sollen auf neue Steyr Motoren umgerüstet werden.

Zu erwarten ist, dass die Bv206 zur Ausbildung im Inland, für Logistik-Aufgaben bei der Gebirgstruppe und/oder in der Katastrophenhilfe bei den Pionieren zum Einsatz kommen (wie bereits bei der Feuerwehr und beim deutschen THW). Für diese Aufgaben machen insbesondere die Varianten für Mannschaftstransport und für Logistik Sinn.

Überzählige schwedische Bv206 warten auf Käufer © Schwedische StreikräfteEinzelstück: das Bv206D Erprobungsfahrzeug des Bundesheeres © BundesheerBv206D Erprobungsfahrzeug des Bundesheeres © BundesheerBv206 der deutschen Gebirgstruppe auf der Übung Peace Summit 2006 in Österreich © BundesheerDeutscher Bv206 auf der Übung Capricorn 2013 in Österreich © BundesheerNorwegische Bv206 © Norwegische StreitkräfteBv206 eines zivilen Such- und Rettungsdienstes © Bay Search & Rescue"Missing Link" zwischen Bv206 und BVS10 - ein gepanzerter Bv206S der Bundeswehr © Bundeswehr

Ein Vergleich Bv206D vs. BvS10 MkIIB zeigt, dass es sich um völlig unterschiedliche Fahrzeuge für unterschiedliche Aufgaben handelt:

Bv206D BvS10 MkIIB
Besatzung (Truppentransport) 6+11 (Maximal) auf Standardsitzen und -bänken 3+6 (Schweden)
4+8 (Maximal)
auf Minenschutzsitzen
Länge 6,9 m 8,3 m
Breite 1,9 m 2,2 m
Höhe 2,5 m 2,3 m
Leergewicht vorne: 2740 kg
hinten: 1760 kg
vorne: 5100 kg
hinten: 3500 kg
Nutzlast vorne: 630 kg
hinten: 1610 kg
vorne: 2600 kg
hinten: 3400 kg
Höchstgeschwindigkeit 50 km/h 65 km/h
Reichweite 330 km 350 km
Schutz kein Panzerschutz Rundumschutz gegen 7,62 mm AP
Optional Zusatzpanzerung bis STANAG Level 4
Minenschutz bis STANAG Level 2a/2b
Optional Käfigpanzerung gegen RPG

GOVERNMENT 2 GOVERNMENT

Der kolportierte Vertrag wäre ein Geschäft zwischen den Regierungen Österreichs und Schwedens. Diese Konstruktion bietet den Vorteil der gemeinsamen Beschaffung einer höheren Stückzahl. Die Lieferung von Gebrauchtgerät kann über den selben Vertrag erfolgen. Darüber hinaus haftet nicht nur der Hersteller, sondern auch Schweden für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung.
Wir schätzen das Auftragsvolumen auf 20-25 Mio EUR. Sonderwünsche würden den Preis nach oben schnellen lassen. Eigenleistungen, wie ein etwaiger nachträglicher Einbau der Waffenstationen in Österreich, könnten den Preis des G2G Vertrags sinken lassen (und verursachen dann natürlich Folgekosten).

HÄGGLUNDS UND DAS HEER

Die All-Terrain-Vehicles bzw. Überschneefahrzeuge von Hägglunds finden sich seit Jahrzehnten auf der Wunschliste des Bundesheeres wieder.
Die erste Erprobung eines Bv206D fand vor genau 20 Jahren, ab 31. Jänner 1994, statt. Man beschaffte dafür ein extra auf Steyr-Motor umgerüstetes Erprobungsfahrzeug. Wie man heute gerüchteweise vernimmt, war man mit den Testergebnissen des Fahrzeugs nicht wirklich zufrieden. Dennoch steht das Fahrzeug auch heute noch im Dienst und ist auf jeder Gebirgsübung dabei. Kein Fahrzeug mit auch nur annähernd ähnlichen Eigenschaften wurde in der Folge beschafft. Stattdessen nutzt man bei Übungen deutsche Bv206 und Bv206S als Mitfahrgelegenheit. Diese Entwicklung lässt den Schluss zu, dass bei der Erprobung 1994 die Anforderungen möglicherweise überzogen waren.

In regelmäßigen Abständen wird von der Truppe, aber auch von zuständigen Ministern, der dringende Bedarf an derart geländegängigen Fahrzeugen gemeldet – insbesondere im Zusammenhang mit der Versorgung der Gebirgstruppe und bei Hochwassereinsätzen. Als etwa im Jänner 2006 die Tragtierkompanien zu einer Tragtierstaffel zusammengelegt wurden, sollten laut Minister Platter mittelfristig „Hägglunds“ als zeitgemäße Ergänzung beschafft werden. In der Folge wurde die Beschaffung von „All-Terrain- und Amphibienfahrzeugen“ für die Pioniertruppe (Katastrophenschutzpaket) diskutiert. „Hägglunds“ waren schließlich auch Teil des im Jänner 2013 durch Minister Darabos angekündigten Beschaffungspakets.

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