Unzureichende Budgetmittel beim Bundesheer © pxfuel.com / CC0 1.0

2020 verschärft sich die Budgetkrise des Bundesheeres

by Doppeladler

Dem Profil und der APA liegen laut eigener Aussage die Zahlen des Finanzrahmens 2020-2023 für das Heeresbudget vor. Aus diesen Zahlen wird ganz offensichtlich, dass Türkis-Grün alle Expertenmeinungen und auch den Wunsch des Bundespräsidenten nach einem deutlich höherem Bundesheer-Budget ignoriert. Das Budget wird sogar sinken und auf 0,55% des BIP fallen!

Im laufenden Jahr sind noch Projekte der Vorgänger-Regierungen abzuarbeiten: Die APA nennt hier 17,5 Mio. Euro für die Miliz, 15 Mio. Euro für eine Mobilitätsaufstockung (Fahrzeuge), 37 Mio. Euro für die Black-Hawk-Aufstockung und 49 Mio. Euro für den Assistenzeinsatz an der Grenze. Daher geht sich ein leichtes Plus aus. Von 2,546 Mrd. Euro für 2020 sinkt das Budget 2021 auf 2,468 Milliarden Euro, 2,478 Milliarden Euro für 2022 und schließlich auf 2,452 Milliarden für 2023. Der Anteil vom BIP sinkt von 0,64% im Jahr 2020 auf 0,55% der Wirtschaftsleistung. Das ist weniger als die Hälfte des EU Schnitts von 1,2% (2018).

Grafik: Die Zahlen des kolportieren Finanzrahmens 2020 bis 2023 im Vergleich zum 1%-BIP-Ziel, welches schon Helmut Zilk zu Zeiten der Bundesheer-Reformkommission angestrebt hatte. Dazwischen die Berechnungen des Generalstabs aus 2019 unter Experten-Minister Thomas Starlinger für das notwendige Budget zum Fähigkeitserhalt (veraltetes Gerät wird modernisiert oder ersetzt) und die Budgetlinie, mit der der Investitionsrückstau der vergangenen Jahre bis 2030 abgebaut werden könnte © Doppeladler.com

Mit dem Finanzrahmen 2020-2023 bleibt das Militär jedenfalls weit unter den Empfehlungen des von Minister Thomas Starlinger im Jahr 2019 erstellten Zustandsberichts zum Bundesheer (Unser Heer 2030). Dieser empfahl eine akute Budgeterhöhung auf 3,1 Milliarden Euro und eine schrittweise Anhebung auf ein Prozent des BIP bis 2030. Ein Prozent des BIP wären heuer 4,113 Mrd. Euro. In den Jahren 2020-2023 summiert sich der Fehlbetrag zum 1%-Ziel auf 7,271 Mrd. Euro. Der Investitionsbedarf des Heeres bis 2030 wurde im Zustandsbericht mit 16,2 Mrd. Euro beziffert und wird bei diesem Aussichten weiter steigen.

„In Anbetracht der derzeitigen Budgetentwicklung wird in den nächsten Jahren eine rote Linie überschritten werden, nämlich die der Einsatzbereitschaft. Fehlende Ressourcen gefährden nicht nur die Aufgabenerfüllung, sondern auch das Leben der Soldatinnen und Soldaten bei ihren Einsätzen.“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, 26. Oktober 2018

Kommen Sonderfinanzierungen hinzu?

Finanzminister Blümel kritisierte in der ORF-„Pressestunde“ am 01.03.2020 bisherige Sonderfinanzierungen für das Bundesheer. Sie seien „de facto im System versickert“. Daher solle es laut Blümel Investitionen nur noch „innerhalb des Budgets“ geben. Auch sein Vorgänger kritisierte Sonderfinanzierungen. Für Starlinger waren die Extramittel ein Zeichen dafür, dass man mit den bereitgestellten Regelbudgets nicht nachhaltig wirtschaften konnte. Für die Nachfolgeregelung für die Saab 105 OE und vielleicht sogar für den Eurofighter Typhoon werden aber nennenswerte Zusatzinvestments benötigt. Die Luftraumüberwachung ist aber nur eine der vielen Baustellen beim Heer.

Wo stehen wir im internationalen Vergleich?

Grafik: Verteidigungsausgaben in Europa in Prozent des BIP im Jahr 2018. Der EU-Schnitt liegt bei 1,2% des BIP. Österreich war bereits 2018 unter den Schlusslichtern – nur die Hälfte des Durchschnittswerts! © Eurostat

REAKTIONEN

Am 06. März 2020 kam es laut Die Presse zum Eklat, als Ministerin Tanner die Budgetzahlen dem Generalstab vorlegte. Die Generäle verwiesen auf ihre Berechnungen aus dem Vorjahr unter Starlinger. Bis auf Wahlen ist seither nichts passiert, daher sind diese Berechnungen nach wie vor gültig. Die Ministerin verließ wutentbrannt die Sitzung. „Das war eine Stimmung wie im Führerbunker im April 1945. Man wollte die Realitäten nicht wahrnehmen“, ätzte ein Generalstabsoffizier danach.

Empört fielen auch die Reaktionen der Oppositionsparteien aus. Die FPÖ sprach von einer Katastrophe und forderte den Rücktritt von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. „Der Budget-Ausblick ist verheerend.“ Die ÖVP beweise einmal mehr, dass ihr das Österreichische Bundesheer kein Anliegen sei, befand FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch sprach von einem „katastrophalen Zustand“ und einer „dramatische Unterfinanzierung“ des Bundesheeres. Und die FPÖ warnte, dass das Bundesheer die österreichische Grenze vor dem „zu erwartenden Ansturm“ nur schützen könne, wenn es voll einsatzfähig sei.

Für SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer werden die „schlimmsten Befürchtungen“ wahr. „Wieder einmal mehr wird das Bundesheer von einem ÖVP-Finanzminister ignoriert und finanziell unterdotiert. Diesmal sogar einen Schritt weiter. Es wird ruiniert“, so Laimer. Er forderte eine budgetäre Ausstattung des Heeres in der Höhe von 2,6 Mrd. Euro für das Jahr 2020 und drei Mrd. Euro für das Jahr 2021.

NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos war gar zum Weinen zumute. Das Bundesheer werde mit 0,54 Prozent des BIP keine der im Regierungsprogramm ausgeführten Versprechungen realisieren könne. Auch der Investitionsstau von 16,2 Milliarden Euro (bis 2030) könne mit diesem Budget nicht geschultert werden. Ministerin Tanner folgt offenbar der Order von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach nur die Polizei mehr Geld bekommen soll, nicht aber das Bundesheer, statt sich für das Bundesheer in die Schlacht zu werfen. „Als Ressortchefin ist sie damit gänzlich ungeeignet.“

Weiterführende Links:

Was ist das BIP – Brutto-Inlands-Produkt? Das BIP ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft. Die Veränderungsrate des realen BIP dient als Messgröße für das Wirtschaftswachstum. Berechnung: Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die während eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft als Endprodukte hergestellt wurden (nach Abzug aller Vorleistungen). Somit werden alle finalen Güter, also Güter auf Stufe der Endverwendung, als Wirtschaftsleistung erfasst.

Titelbild: Leere Geldbörse des Bundesheeres © pxfuel.com / CC0 1.0