Die jüngsten Unruhen im Kosovo machten den Einsatz der rund 700 Mann starken deutsch-österreichischen Eingreifreserve der KFOR erforderlich – die Operational Reserve Forces (ORF) befindet sich bereits im Einsatzraum.
Nach einer Auseinandersetzung zwischen Kosovo und Serbien um die gegenseitige Anerkennung von Zollstempeln hatte sich die Sicherheitslage im serbisch dominierten Norden des Kosovo gefährlich verschlechtert. Ende Juli 2011 übernahmen kosovarische Sicherheitskräfte die Grenzposten zu Serbien. Kurz darauf setzten aufgebrachte Angehörige der serbischen Minderheit im Kosovo einen dieser Grenzposten in Brand. Es wurden auch Straßensperren errichtet. Die im Kosovo stationierte KFOR (NATO Kosovo Force) musste eingreifen und den Grenzposten besetzen. Die Friedenstruppe wurde auch in mehrere kleinere Zwischenfälle verwickelt. Etwa 1.000 KFOR Soldaten wurden im Norden zusammengezogen, Medienberichten zufolge sind auch 200 Österreicher darunter. Nach wie vor ist die Lage angespannt und kann sich jederzeit wieder gefährlich zuspitzen.
Der derzeitige Kommandant der KFOR, der deutsche Generalmajor Erhard Bühler hatte den Einsatz der deutsch-österreichischen ORF angefordert, nach kurzer Denkpause hat das zuständige NATO-Kommando in Neapel die Mobilisierung angeordnet.
Generalmajor Bühler gegenüber dem Tagespiegel: „wir werden das sogenannte ORF Bataillon, die Operative Reserve aus Deutschland und aus Österreich, abrufen. Sie werden in diesen Tagen hier reinkommen, nicht um zu eskalieren, sondern damit wir hier einfach mehr Kräfte haben. Im Augenblick sind alle sehr angespannt, wir sind mit allen Kräften im Grunde genommen draußen. Ich habe keine Reserven mehr. Insofern begrüße ich den Schritt der Nato, dieses Bataillon hier reinzuholen.“
Dieser jüngste Vorfall zeigt, dass die Region auch 3 Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo (2008) ein sprichwörtliches Pulverfass ist. Wie derzeit etwa 80 andere Staaten auch, hat Österreich den Kosovo völkerrechtlich als eigenen Staat anerkannt.
Österreichische Soldaten in CRC Ausrüstung © Doppeladler.com
In den letzten Jahren wurde die KFOR aufgrund der verbesserten Lage, aber auch aufgrund der Einsätze im Irak und Afghanistan, schrittweise verkleinert. Am 03.08.2011 betrug die Mannstärke der multinationalen Einheit nur mehr 5.872 Soldaten, zusammengesetzt aus 22 NATO- und 8 Nicht-NATO Staaten. Österreich ist am Stichtag mit 472 Mann der größte Nicht-NATO Staat im Kosovo.
Im Gegenzug zur Verkleinerung der im Kosovo stehenden Truppe hat man die Operational Reserve Force (ORF) als schnelle Eingreiftruppe gebildet. Diese ORF wird sowohl für Einsätze im Kosovo (NATO, KFOR) als auch für Einsätze in Bosnien-Herzegowina (EUFOR ALTHEA) auf Abruf bereit gehalten.
OPERATIONAL RESERVE FORCES (ORF)
Ein ORF-Bataillon besteht aus rund 700 Mann. Es handelt sich um eine „Über-dem-Horizont“ Eingreiftruppe, nach einer gemeinsamen Einsatzvorbereitung in ihren jeweiligen Heimatländern bereitgehalten wird. Die Zusammensetzung der Einheit variiert nach dem Rotationsprinzip. Das Bundesheer beteiligt sich mit einem Kompanie-Äquivalent an dem 18-Monate Bereitschaftszyklus des deutschen ORF-Bataillons. Die nun entsendete ORF setzt sich wie folgt zusammen:
- Deutschland: 550 Mann, den Kern der Truppe bildet das Raketenartilleriebataillon 132. Zusätzliche Kräfte, sogenannte „Force Multiplier“, unterstützen sie. Diese bestehen aus Pionieren, Versorgungskräften, Sanitätern und Feldjägern (Militärpolizei).
- Österreich: 150 Mann, zusammengestellt aus einer Einsatzkompanie mit drei Zügen – gebildet aus den Kaderpräsenzeinheiten des Panzergrenadierbataillons 13 und des Jägerbataillons 25, ein EOD-Element des Pionierbataillons 3 (Explosive Ordnance Disposal – Kampfmittelbeseitiger), Sanitäter des Sanitätszentums West und ein Militärpolizei-Element.
Aufgrund der anspruchsvollen Aufgaben in zwei unterschiedlichen Operationsgebieten (Kosovo und Bosnien) und der hohen Bereitschaft der Truppe kommen nur Berufssoldaten bzw. Kaderpräsenzeinheiten für die ORF in Frage. Das österreichische Kontingent ist mit Radpanzern Pandur A1 und mit geschützten Puch G ausgestattet, die sich ständig im Einsatzraum Kosovo befinden.
Ein österreichisches EOD-Element bei der Arbeit © Doppeladler.com
Das österreichische Vorauskommando ist am 03.08.2011 im Kosovo eingetroffen. Das OFR-Bataillon wurde in Suva Reka formiert und ist seit 10. August im Einsatzraum. Der Einsatz ist vorerst für 3 Monate geplant. Der Einsatz des Österreichischen Bundesheeres ist durch einen Ministerratsbeschluss und durch einen einstimmigen Beschluss des Hauptausschusses bis zum 31. Juli 2012 genehmigt.
Kommt die zweite Welle?
Die NATO könnte schon bald ein weiteres Reservebataillon mobilisieren. Es gibt Anzeichen dafür, dass ein italienisches Bataillon das deutsch-österreichische ORF verstärken oder nach einiger Zeit ablösen könnte.
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Titelbild: Radpanzer Pandur bei der Übung DISPUTE 05 © Bundesheer