Strukturelle Mängel bei großen Rüstungskäufen ortet die Beschaffungs-Prüfkommission des Bundesheeres. Sie hat in ihrem Prüfbericht für 2024 vier Beschaffungen analysiert, das Papier liegt der „Presse“ vor. Die Kommission regt darin an, „die Medienkommunikation und das ressortinterne Wissensmanagement im Bereich der Abwicklung von Beschaffungsvorhaben zu verbessern“; Prozesse und Abläufe sollten „hinterfragt werden“.
Der Prüfbericht für das Jahr 2024 wurde von der Kommission im März 2025 beschlossen, bisher wurde das Dokument nicht veröffentlicht. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, dass der Bericht nicht finalisiert sei und Stellungnahmen betroffener Abteilungen eingearbeitet würden. Danach werde er, wie üblich, im Rahmen eines parlamentarischen Prozesses im nächsten Landesverteidigungsausschuss veröffentlicht.
https://www.diepresse.com/20020482/bund ... _aufmacherFür die Kommission ist das Vorgehen im Ressort hingegen geeignet, „das Vergabeverfahren zu präjudizieren“, also quasi vorwegzunehmen. Bei der Fliegerabwehr und bei den Transportflugzeugen „wurden politische Entscheidungen für ein bestimmtes System öffentlichkeitswirksam kommuniziert und – wenn auch unverbindliche – völkerrechtliche Verträge geschlossen, die in beiden Fällen faktisch zur Folge haben bzw. hatten, dass der Vergabewettbewerb ausgeschlossen und nur ein bestimmtes Produkt angeschafft werden konnte bzw. kann“.
Vorgehen „wenig zweckmäßig“
Im September 2023 gab Ministerin Tanner öffentlich bekannt, dass Österreich den Kauf von acht Stück Iris-T von Deutschland anstrebe. Danach hieß es jedoch, dass bisher keine Typenentscheidung gefallen sei. Auch Generalleutnant Vodosek hält fest, „dass es keine Festlegung des Hauses auf die Beschaffung eines bestimmten Waffensystems gibt“.
„Es ist wenig wirtschaftlich und zweckmäßig, zuerst ein Memorandum of Understanding zu unterschreiben und ESSI beizutreten, dann aber nicht Iris-T im Rahmen von ESSI als Einkaufsplattform zu beschaffen, sondern praktisch von null zu beginnen“ und die Raketenabwehr „europaweit auszuschreiben“, so die Kommission. Sie regt an, unter anderem angesichts „der in den Medien ursprünglich erfolgten Festlegung“ auf Iris-T „die Medienkommunikation und das ressortinterne Wissensmanagement“ bei Beschaffungen „zu verbessern“.
Das Memorandum of Understanding habe „nicht zur Folge, dass der Kauf eines bestimmten Produktes dadurch präjudiziert ist“, entgegnet Vodosek. Das Memorandum ziele „nicht auf ein bestimmtes Produkt ab, sondern ist immer ergebnisoffen“. „Es ist mittels der ESSI beabsichtigt, dass jeder Partner Projekte initiieren und eine zentrale Beschaffungsstelle nominieren kann. In dieser Phase der Beschaffung befindet sich das Ressort.“
Hier passen die Statements des Leiters der WSM im Interview mit dem Magazin "Militär Aktuell", ein Monat nach dem "Hintergrundgespräch" mit dem Kommandanten der Luftstreitkräfte, gut ins Bild:
theoderich hat geschrieben: ↑Mo 16. Okt 2023, 17:11Geben Sie uns bitte einen Einblick: Wie weit ist man bei den MRAD-Planungen bereits?
Kollmann: Aktuell ist die Planungsabteilung dabei, die nötigen Grundlagen zu erarbeiten und wir betreiben parallel dazu eine intensive Markrecherche ...
Medial hieß es zuletzt, dass bereits eine Entscheidung für IRIS-T von Diehl Defence gefallen wäre.
Kollmann: Wir waren im Zuge unserer Marktrecherche natürlich auch bei Diehl, um uns das System im Detail anzuschauen und zu erfahren, was in Deutschland damit geplant ist. Weiter sind wir aber nicht und nachdem die Planungsunterlagen noch nicht fertig sind, kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht einmal sagen, ob IRIS-T für unsere Bedürfnisse überhaupt geeignet wäre.
Und das gepaart mit einer widersprüchlichen Information im Landesverteidigungsbericht und gegenüber der Öffentlichkeit:
theoderich hat geschrieben: ↑Di 12. Sep 2023, 19:26 Sky Shield: Österreich kauft mit Berlin Luftabwehrsystem Iris-T
Unklar sind noch die Kosten und der Zeitplan. Die deutsche Regierung verhandelt derzeit mit dem Rüstungskonzern Diehl, Österreich will die Waffen dann den Deutschen abkaufen. Das erste System könnte, ein Jahr nachdem Österreich und Deutschland den Vertrag unterzeichnet haben, geliefert werden. Fest steht, dass Österreich und Deutschland bei der Ausbildung der Soldaten kooperieren wollen. Deutschland plane, eine Art europäische Luftverteidigungsschule aufzubauen, so Promberger. Dort sollen auch die österreichischen Soldaten geschult werden.
theoderich hat geschrieben: ↑Di 12. Sep 2023, 23:43Das Luftabwehrsystem IRIS-T. In Zukunft soll es auch vom Österreichischen Bundesheer eingesetzt werden.
Klaudia Tanner (Verteidigungsministerin, ÖVP): „Das ist ein System, das relativ einfach aufgebaut auf Standard-Lkws die Möglichkeit auch gibt, uns gegen Bedrohungen aus der Luft […] beginnend von Drohnen, über Raketen aber auch Militärflugzeuge eben zu schützen.“
Konkret sollen vier Kurzstreckensysteme und vier Mittelstreckensysteme gekauft werden.
theoderich hat geschrieben: ↑Mi 13. Sep 2023, 18:214. Welche Waffen werden gekauft und warum?
Österreich will gemeinsam mit den anderen Ländern die Iris-T-Waffen des deutschen Rüstungskonzerns Diehl Defence. "Es handelt sich dabei um eine reine Defensivwaffe", sagt Airchief Promberger. Man wolle vier Feuersysteme mit kurzer und vier mit größerer Reichweite (von 15 bis 50 Kilometern). Pro Feuereinheit gibt es drei Raketenwerfer, also sollen insgesamt 24 Raketenwerfer beschafft werden. Dazu kommen Leitstand und Radareinheiten. Das Iris-T-System kommt derzeit in der Ukraine zum Einsatz, es ist also kampferprobt. Militärs verweisen auf die hohe Abschussquote. "Wir brauchen ein System, das jetzt verfügbar ist und nicht erst über ein Jahrzehnt entwickelt wird", sagt der Luftwaffenchef. Gekauft wird das System offiziell von Deutschland, das wiederum von der Rüstungsfirma kauft. Der Preis ist noch unklar, reserviert sind für den Aufbau der bodengestützten Luftabwehr zwei Milliarden Euro.
theoderich hat geschrieben: ↑Do 19. Okt 2023, 18:497.2.3.3 mFAL
Österreich hat am System IRIS-T SLM Interesse bekundet und es soll in einem nächsten Schritt ein MoU (Memorandum of Understanding) mit Deutschland unterzeichnen.
Ein MoU ist eine Vereinbarung, um das gemeinsame Engagement zur Förderung eines bedeutenden Themas zu betonen.
Deutschland, die Ukraine und Schweden nutzen bereits IRIS-T, zukünftige Nutzerstaaten sind Estland, Lettland und Slowenien. Deutschland spielt in der gemeinsamen Beschaffung eine koordinierende Rolle, das schafft für alle Interessenten die Möglichkeit, die Beschaffung schneller und günstiger durchzuführen.
Die IRIS-T SLM ist ein modernes Flugabwehrsystem der deutschen Rüstungsunternehmen Diehl Defence, Hensoldt (Radar) und Airbus Defence and Space (Gefechtsstandsoftware). Es bietet Rundumschutz vor Angriffen durch Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Kurzstreckenraketen. Jede Feuereinheit besteht aus einem Mittelbereichsradar mit 250 km Reichweite sowie drei Startgeräten mit je acht Lenkflugkörpern. IRIS-T SLM kann Luftziele bis 20 km Höhe und 40 km Entfernung bekämpfen. Die Komponenten sind auf Fahrzeugen aufgebaut, sind verlegbar und schnell feuerbereit.
Das System IRIS-T ermöglicht auch die Abdeckung der mittleren und kurzen Reichweite innerhalb desselben Systems. Dazu können auch die am Eurofighter genutzten IRIS-T Lenkwaffen nach Ende ihrer Nutzungsdauer als Luft-Luft-Lenkwaffe nach einer technischen Modifikation in der Boden-Luft Rolle kurzer Reichweite (bis 15 km) genutzt werden.
Vorerst ist die Aufstellung von zwei Fliegerabwehrbatterien mit einem FlA-Waffensystem mittlerer Reichweite geplant. Abhängig von den Systemkosten und dem verbundenen Betriebs- und Personalaufwand wird in weiterer Folge die Erweiterung der Nutzung im ÖBH beurteilt.
Die erforderlichen Planungsdokumente werden bis Ende 2023 fertiggestellt.
Die erwartbaren hohen Gesamtprojektkosten dieses Vorhabens, könnten zusätzliche gesetzliche Regelungen erforderlich machen.
theoderich hat geschrieben: ↑Do 16. Nov 2023, 10:44PROMBERGER: „Na ja, man muss das so sagen: Das … dieses Projekt ist eines der wichtigsten militärischen Sicherheitsprojekte der Bundesregierung. Und Sky Shield ist ja nicht eine … eine österreichische Idee, sondern eine deutsche Initiative, wo in mittlerweile ins … mit Deutschland 19 Staaten daran teilnehmen, um ein gemeinsames Abwehrsystem im Prinzip zu etablieren.
Wie von Ihnen erwähnt, am 7. Juli dieses Jahres hat unsere Frau Bundesministerin Klaudia Tanner gemeinsam mit ihrer Schweizer Amtskollegin eine Absichtserklärung zur Teilnahme unterzeichnet. Und wie die Kurz- und Mittelstreckenraketen sind ja bereits im Aufbauplan des Österreichischen Bundesheers 2032+ vorgesehen. Das, was noch nicht vorgesehen war, waren eben diese Langstreckenkapazitäten.
theoderich hat geschrieben: ↑Do 16. Nov 2023, 21:19Zählen die IRIS-T SLM bzw. SLS-Batterien, die ebenfalls angekauft werden, auch zum "Sky Shield"-Programm oder gehören sie zur klassischen Luftabwehr?
theoderich hat geschrieben: ↑Mi 29. Nov 2023, 08:13Der nächste Schritt wird die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding zur gemeinsamen Beschaffung des Luftverteidigungssystems Iris-T sein und im November wird es dann die nächste Runde der Airchiefs geben. Wir gehen hier also sehr rasch in die richtige Richtung.
Wenig später ist auch noch ans Licht gekommen, dass das offiziell vom BMLV kommunizierte Beschaffungsverfahren im Rahmen der ESSI so nicht zum Tragen kommen würde:
theoderich hat geschrieben: ↑Di 14. Nov 2023, 15:25Kein Abkauf von Deutschland
Einen anderen Ablauf schildert aber das deutsche Verteidigungsministerium. Demnach kaufen die Österreicher die Geräte nicht Deutschland ab. Die einzelnen Staaten würden ihre Verträge im Rahmen der Sky-Shield-Initiative „direkt mit der jeweiligen Industrie schließen“, so ein Sprecher des Ressorts auf Anfrage der „Presse“: „Government-to-Goverment-Abkommen finden dabei nicht statt.“
Die gemeinsame Beschaffung innerhalb der Initiative „bedeutet vielmehr, dass gleiche Systeme angekauft werden und man somit den späteren Austausch untereinander erleichtert“, so der Sprecher. Daher solle man sich bei Fragen rund „um die Beschaffung von Iris-T und den dahinterliegenden Prozess“ an die österreichische Regierung wenden.
Das österreichische Verteidigungsressort beharrt auf Nachfrage der „Presse“ auf seiner Sicht: Deutschland führe die Verhandlungen mit dem Rüstungskonzern, danach würde man die Waffensysteme formell den Deutschen abkaufen. Das werde in einem sogenannten Government-Procurement-Übereinkommen festgehalten, so ein Sprecher des Ressorts. Die Details dazu würden derzeit zwischen den beiden Ländern verhandelt werden.
Die Vorhabensabsicht war jedenfalls zeitgerecht fertig:
Den Präzedenzfall einer bilateralen Programmvereinbarung mit folgendem Kaufvertrag zwischen BAAiNBw und Diehl Defence gab es erst bei der Beschaffung einer ersten IRIS-T SLM-Feuereinheit durch Slowenien im Januar 2024. Bulgarien und die Schweiz haben genau dasselbe Verfahren angewendet.