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Die Draken-Beschaffung war zumindest ebenso umstritten wie heute der Eurofighter Taifun. Jeder Österreicher fühlte sich zum Experten berufen und verteidigte vehement den eigenen Standpunkt - im Parlament, in den Medien oder auch nur am Stammtisch. Jahrzehntelang - und das unterscheidet die Draken von der Eurofighterbeschaffung - konnte kein Kompromiss erzielt werden. |
![]() Das Reizwort "Draken" tauchte bereits in den 60er Jahren in Österreich auf. Hier zu sehen der Ostarrichi-Draken bei einem engen Turn mit hoher Geschwindigkeit. © Markus Keller [home] |
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Um die Hintergründe der Draken-Beschaffung zu besprechen muss
man in der Geschichte weit zurück: |
Noch 1966 wurde bereits offen über einen überschallschnellen
Nachfolger für die J-29F nachgedacht. Zur Diskussion standen
die Dassault Mirage III/5/50, die Northrop F-5A und - der Saab J-35D Draken.
10. Juli 1965 bot die Firma Saab - in Kenntnis der Vorgänge und der
Budgetprobleme in Österreich - ein "Hire-Purchase"-Paket
für 24 Draken an. Nach einer umfangreiche Studie über einen Abfangjäger erklärte im Juli 1966 Verteidigungsminister Georg Prader (ÖVP), Österreich würde 35 Draken (als "Interzeptionsspitze" bezeichnet) kaufen. Budgetmittel dafür gab es freilich keine. Eine Luftraumverteidigungskommission schlug im Juli 1967 vor, aus budgetären Gründen insgesamt nur 12 Abfangjäger "Saab 2 Mach" (d.h. Draken oder Viggen) und dazu 20 Jettrainer Saab 105 zu beschaffen. Man wurde sich beim Abfangjägertyp nicht einig und kam nicht über eine Grundsatzerklärung hinaus. So wurden im August 1968 nur die Jettrainer, 20 Saab 105XT, bestellt (die Österreich-Version wird als Saab 105Ö bezeichnet). Diese Unterschall-Flugzeuge ohne Bordradar und Bordkanonen sollten den Luftraum überwachen, Bodenunterstützung und Aufklärungseinsätze fliegen. |
eine Saab 105Ö - fast 20
Jahre lang das Rückgrad der österreichischen Luftwaffe. © Bundesheer |
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Im Zuge des sowjetischen Einmarsches in der Tschechoslowakei kam es 1968 zu zahlreichen Verletzungen des österreichischen Luftraums durch sowjetische Flugzeuge. Unter anderem wurden dabei die 'Alarmstellungen' des Bundesheeres aufgeklärt. Die Luftraumverletzungen lösten unter Verfassungsexperten, Politikern und Militärs gleichermaßen Diskussionen über die mangelnde Luftraumüberwachung aus. Im September 1968 empfahl der Landesverteidigungsrat die dringliche Beschaffung von "echten" Abfangjägern. Doch es blieb bei leeren Worten. Anstelle von Überschall-Jets wurden 1970 nur 20 weitere Saab 105XT beschafft, mit denen man einfache Verkehrsflugzeuge nur unter sehr günstigen Bedingungen abfangen konnte. Die 20 Flugzeuge stammten aus einem geplatzten Deal mit Pakistan - der Beginn des Krieges gegen Indien machte Schweden den Verkauf unmöglich - und waren um nur 300 Mio. Schilling zu haben. |
In den 70er Jahren kam es häufig vor, dass Aufklärer des Warschauer
Paktes Erprobungen auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig und Bundesheermanöver
an den Donauübergängen fotografierten, noch bevor jemand eingreifen
konnte. 1973 erteilte die Regierung Kreisky (SPÖ) den Auftrag zur Errichtung eines "Systems zur Flugverkehrskontrolle und zur Luftraumüber-wachung" - heute unter dem Namen "Goldhaube" bekannt. 1975 wurde erneut auf die unbedingt notwendige Luftraumüberwachung hingewiesen und mit einigen Saab 105 das Luftraumüberwachungsgeschwader gegründet. |
Wieder einmal wurde ein Anlauf zu einer Abfangjägerbeschaffung
unternommen und mit viel Mühe ein Pflichtenheft für einen geeigneten
Typ erstellt. In weiterer Folge wurden die folgenden Typen evaluiert und teilweise auch im Flug getestet: die Northrop F-5E Tiger II (USA), die Dassault Mirage F-1C und Mirage III/5/50 (F), die Saab JA-37 Jaktviggen (SWE), die IAI Kfir C2 (ISR), die BAC Lightning (UK), die General Dynamics F-16 (USA), und der Saab J-35D Draken (SWE). Angeboten wurden außerdem noch die US-Typen A-4F Skyhawk und A-7D Corsair. Je nach Zeitpunkt war ein anderer Typ zu favorisieren. Budgetmittel für eine Beschaffung wurden aber nie bereitgestellt. Am 29.6.1981 beschloss der Landesverteidigungsrat einstimmig den Ankauf von 24 Mirage III/5/50, doch noch im November verschwand dieser Beschluss wegen Geldmangels in einer Schublade. |
eine Dassault Mirage III/5/50
der Fuerza Aerea de Chile. Das Snecma Atar 9K-50 Triebwerk, verantwortlich für die Typenbezeichnung dieser Mirage-Version, beschleunigt sie auf Mach 2,2. Der Erstflug der Mirage 50 fand am 15.4.1979 statt. |
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1984, als eine endlich ersthafte Beschaffungsabsicht erkennbar wurde, überlegte ein Generaldirektor der AUA gegen Mittel aus dem BMLV eine Northrop F-5E Tiger II Flotte technisch zu betreuen und dem Heer ständig ein gewisse Anzahl von Flugzeugen zur Verfügung zu stellen. Schon damals war an eine Kooperation mit der Schweizer Luftwaffe gedacht. |
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Im Oktober 1984 war es soweit: Die SPÖ/FPÖ Regierung unter
Kanzler Fred Sinowatz und Norbert Steger begann mit einer Ausschreibung
für 24 gebrauchte Abfangjäger. |
Die interessantesten Angebote kamen von Northrop (USA), für
die F-5E Tiger II; von English Electric / British Aerospace Corp. (UK),
für die Lightning F.53 und von Saab (SWE) für den J-35D Draken. Die F-5E wurde vorallem aus Formalgründen (kein Festpreisangebot in Schilling und der Vertrag war nicht nach österreichischen Recht angeboten worden) und dem höher angesetzten Preis ausge-schlossen. |
die chancenreichsten
Mitbewerber: eine BAC Lightning F.53 Rotte der Saudi Arabischen Luftwaffe ... © Big Bird Collection |
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... und die
Northrop F-5E Tiger II. Gebrauchte F-5E überwachen derzeit als Übergangslösung bis zum Eintreffen der Eurofighter Taifun den österreichischen Luftraum. © Northrop |
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Die militärische Bewertung gewannen die gebrauchten Lightning
F.53 der Saudi Arabischen Luftwaffe. BAE Systems kaufte sie im Austausch
gegen neue Tornados zurück und wollte die Maschinen unbedingt an
Österreich weiterverkaufen. Auch der Preis war am niedrigsten. Die SPÖ/FPÖ Koalition entschied sich jedoch in ihrem Beschluss vom 2. April 1985 für den Draken aus Schweden. In erster Linie eine politische Entscheidung - das sind Kaufentscheidungen für Kampfflugzeuge fast immer - Schweden war ein neutraler Staat mit guter Reputation und der gleichen "politischen Gesinnung". Der Kaufpreis war zudem wettbewerbsfähig und die erwarteten Betriebskosten sogar geringer. Am 21. Mai 1985 wurde der Kaufvertrag in der Höhe von 2,69 Mrd. Schilling (etwa EUR 196 Mio.) unterzeichnet. Die Maschinen hatten eine garantierte Restlebensdauer von 10 Jahren, bzw. 1.000 Flugstunden. Das geplante Nutzungsende der Flugzeuge wurde mit 31.12.1995 angebenen. Am 25. Juni 1987 fand die offizielle Übergabe des ersten Draken statt. Die Lieferung der 24 Flugzeuge war im August 1989 abgeschlossen. |
Unterzeichnung des Draken- Kaufvertrages am 21. Mai 1985 durch Verteidigungs- minister Friedhelm Frischenschlager © Bundesheer |
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![]() am 28. Jänner 1988 landeten die ersten beiden Draken in Wien/Schwechat. © Bundesheer |
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Wie schon beim Ankauf der Saab 105 wurde die Drakenbeschaffung von Gegengeschäften
abhängig gemacht. Aufträge im Wert von 3,14 Mrd. Schilling,
oder 130% der Anschaffungskosten, mussten innerhalb von 10 Jahren an die
österreichische Wirtschaft gehen. Etwa 50% davon mussten der Kategorie
"Hochtechnologie" zugeordnet werden können. Nach der Gesamtabrechnung jener Gegengeschäfte, die das Prinzip der Zusätzlichkeit erfüllten (also über der normalen Geschäftsentwicklung der Unternehmen lagen) wurde bekannt, dass tatsächlich 6,1 Mrd. Schilling an 70 heimische Unternehmen geflossen waren. Diese Übererfüllung war auf Folgeaufträge von zufriedenen Kunden zurückzuführen. Die Draken-Gegengeschäfte gaben dem heimischen Hochtechnologie- sektor wichtige Wachstumsimpulse und halfen bei der Entwicklung einer kleinen aber feinen Luft- und Raumfahrtindustrie, die heute z.B. Teile für verschiedene Airbus-Modelle und ESA-Raumfahrt-missionen zuliefert. |
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![]() Wolf noch als Oberleutnant. Salzburger Nachrichten vom 12.11.1986 |
Noch lange vor der Übergabe des ersten Draken an Österreich
kam es am 11. November 1986 bei einer Instrumentenflugübung über dem Meer bei Ängelholm (Schweden) zu einem tragischen Unfall. Der Absturz kostete dem österreichischen Piloten Hptm Johann Wolf das Leben. Er war mit einem J-35F Draken der schwedischen Luftwaffe unterwegs (Werksnummer: 35536, Geschwader F10). Diese Maschine diente den drei Österreichern der zweiten Ausbildungsgruppe als Übungsmaschine. Der Absturz wirbelte in Österreich sehr viel Staub auf und führte während der Untersuchung zu einer Unterbrechung des Ausbildungsprogramms. |
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Mit der Einsatzbereitschaft der ersten Draken hörten die Luftraum-verletzungen
der Warschauer-Pakt-Staaten auf. Das schien aber den Großteil der Bevölkerung und die Medien kaum zu interessieren. |
Schon lange vor und während der Ausschreibung kam es zu wilden
Typenspekulationen in den Medien. Die Anspannung im Land wandelte sich
nach Bekanntgabe der Entscheidung zugunsten des Drakens in Unverständnis,
teilweise sogar in Wut. Erst jetzt gingen die Emotionen wirklich hoch.
Bundespräsident Waldheim machte sich bereits große Sorgen um
das Ansehen Österreichs. Die Drakenbeschaffung brachte es gleich auf zwei Volksbegehren: - 1985 Volksbegehren gegen Abfangjäger - für eine Volksabstimmung - 1986 Anti-Draken-Volksbegehren im Bundesland Steiermark Ein Untersuchungsausschuss deckte zwar nicht die erhofften schweren Mängel in der Beschaffung auf, ein Rechnungshofbericht stellte aber der Ausschreibung insgesamt kein gutes Zeugnis aus. In kürzester Zeit verschafften die österreichischen Medien - allen voran die Kronen-Zeitung und der Kurier - dem Draken das Image des Schrottfliegers, das ihm heute noch nachhängt. Schuld daran war nicht in erster Linie der Unfalltod eines österreichischen Piloten, sondern ganz allgemein das Misstrauen, das man der Beschaffung entgegenbrachte. Beim Heer jedoch wurde das Flugzeug, genau wie bei den drei anderen Luftwaffen, die ihn damals betrieben, sehr geschätzt und über die ursprünglich vorgesehene 10jährige Nutzungsdauer auch von Schweden und Finnland betrieben. |
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In seiner bisher 45jährigen Dienstzeit
erwies sich der Draken keineswegs als Schrott. Kaum ein anderes Kampfflugzeug
war bisher auch nur annähernd so zuverlässig und so sicher
wie der Draken. Das Österreichische Bundesheer hat mit seiner Drakenflotte bereits im Jahr 2000 einen einsamen Rekord aufgestellt: 25.000 Starts und Landungen und über 20.000 Flugstunden wurden im Flugbetrieb über Österreich völlig unfallfrei absolviert. Damit wurde der internationale Durchschnitt damals schon um weit mehr als das Doppelte übertroffen! Bei der Außerdienststellung im Dezember 2005 waren es bereits 23.599 unfallfreie Flugstunden. |
Unter der Schirmherrschaft des steirischen ÖVP Landeshauptmanns
Krainer kam es auch zu heftigen Protesten der Anrainer der Draken-Flugplätze
(Fluglärm). Sogar Flugplatzbesetzungen fanden statt. Krainer stellte
sich damit gegen den neuen Verteidigungsminister - ebenfalls ÖVP. Die Situation entwickelte sich von einer Schlammschlacht zu einer regelrechten Hetzkampagne gegen alles und jeden, was auch nur im Entferntesten mit dem Draken zu tun hatte. Piloten und Techniker wurden einem Psychoterror ausgesetzt, von dem auch immer öfter deren Familien betroffen waren. Die Kombination aus fehlender Anerkennung, hohem Anforderungsprofil, zeit- und kostenintensiver Ausbildung und schlechter Bezahlung führte dazu, dass in wenigen Jahren 21 der 30 fertig ausgebildeten Draken Piloten den Dienst quittierten und in die Privatwirtschaft wechselten. So hatte Österreich während der Slowenienkrise 1991 nur 9 Piloten für 24 Draken zur Verfügung. Erst ab 1993 gab es wieder genug Personal. |
![]() Etwa 50mal pro Jahr startet die Alarmrotte, um Flugzeuge zu identifizieren oder die Angaben in verdächtigen Flugplänen zu überprüfen. © Bundesheer |
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Als 1991 die Slowenienkrise ausbrach stellte sich schnell heraus,
dass ohne Abfangjäger mit zeitgemäßer Lenkwaffen-Bewaffnung
keine ausreichende Abschreckung mehr erzielt werden konnte. Das seit
Staatsgründung im Verfassungsrang stehende "Spezialwaffenverbot"
schloss eben auch Luft-Luft-Lenkwaffen mit ein (selbstgetriebene oder
gelenkte Geschosse). |
Risszeichnung einer AIM-9P Sidewinder. |
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![]() Rumpf einer J-35J am TüPl Allentsteig © Tögel |
1999 wurden zum Schrottpreis weitere
5 Draken beschafft. Es handelte sich um Maschinen der modernen J-Version,
die bei der schwedischen Luftwaffe gerade außer Dienst gestellt
wurden. Sie trafen Ende Mai / Anfang Juni aus eigener Kraft in Zeltweg
ein. Sofort nach dem Eintreffen der Flugzeuge wurden sie ausgeschlachtet und ermöglichten somit den Betrieb der Drakenflotte bis 2005. Die Rümpfe werden teilweise auch für Rettungs- und Feuerlöschübungen verwendet (siehe Bild). |
Im
Juli 2004 begannen die ersten der insgesamt 12 geleasten F-5E Tiger II der Schweizer Luftwaffe die mitgenommensten Draken zu ersetzen. Die Tiger werden die Zeitspanne bis zur Einsatzbereitschaft der bestellten Eurofighter Taifun überbrücken. Im August 2004 waren bereits etwa 7 Draken nicht länger einsatzfähig und lieferten wichtige Ersatzteile für die flugfähigen Maschinen. Im Juli 2005 flogen nur noch 9 Maschinen und die F-5 übernehmen die Luftraumüberwachung vollständig. Draken stiegen nur mehr in Ausnahmesituationen auf. |
Als die ersten vier F-5E nach Österreich überstellt wurden,
wurden sie von Draken empfangen und nach Graz-Thalerhof eskortiert.
© Bundesheer |
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Im November 2005 waren nur mehr 6 Maschinen flugfähig. Am 25. November 2005 fand am Fliegerhorst Hinterstoisser (Zeltweg, Stmk) die offizielle Verabschiedung des Saab Draken statt. In ihren letzten Tagen dienten sie den F-5 Piloten als Feinddarsteller. Nach einer Betriebszeit von 18 Jahren, in denen 23.598 Stunden und 53 Minuten unfallfrei geflogen und etwa 500 Alarmeinsätze durchgeführt wurden, wurde am 22. Dezember 2005 wurde der letzte Draken offiziell außer Dienst gestellt. Nach Ihrer Dienstzeit beim Bundesheer werden die Draken vermutlich zu reinen Schauobjekten. Die beiden Sonderanstriche bleiben in Zeltweg und bilden den Kern des künftigen Museums. |
![]() Draken Nr. 21 im Dragon Knights Anstrich im März des Jahres 2006. Der Anstrich wurde anlässlich der Außerdienststellung des Drakens angebracht. © Doppeladler.com |
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