„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“
Herr Vorhofer, Donald Trump ist zurück im Amt. Was bedeutet das für Europas sicherheitspolitische Lage und für Österreich?
Peter Vorhofer: Grundsätzlich braucht es jetzt strategische Ruhe und interessensgeleitete Alternativplanungen. Ruhe heißt nicht Gleichgültigkeit, sondern genaues Beobachten und rechtzeitiges Handeln. Wir dürfen uns nicht nervös machen lassen. Gleichzeitig müssen wir alternative Formen der Zusammenarbeit andenken – bilateral wie multilateral. Wenn ein traditioneller Partner wie die USA wankelmütig wird, muss sich Europa auf seine eigenen Stärken besinnen und neue Partner suchen. Das funktioniert nur über mehr Einigkeit und Solidarität innerhalb Europas.
Beim Sicherheitspolitischen Bodenseekongress (CH) haben Sie betont, wie wichtig strategische Eigenständigkeit für Europa wird. Droht Europa sicherheitspolitisch destabilisiert zu werden?
Vorhofer: Die Gefahr besteht, wenn wir überhastet reagieren. Die finanziellen und strukturellen Herausforderungen, die auf uns zukommen, sind groß. Wir müssen unsere Sicherheitsproduktion selbst in die Hand nehmen. Das bedeutet auch, unsere Prozesse zu überdenken – viele EU-Mechanismen sind für „Schönwetterphasen“ gemacht, nicht für stürmische Zeiten.
Russlands Präsident Putin hat erklärt, eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern durch Deutschland an die Ukraine könne als Kriegserklärung gewertet werden. Wie ernst nehmen Sie solche Aussagen?
Vorhofer: Man muss sich bewusst sein: Angst zu schüren ist Teil moderner Kriegsführung. Die russische Föderation arbeitet im Bereich hybrider Bedrohungen – von Fake News bis diplomatische Drohungen. Ziel ist immer, die europäische Einigkeit zu unterwandern. Wir dürfen darauf nicht hektisch reagieren, sondern müssen strategisch ruhig bleiben.
Wo verläuft die Grenze zwischen militärischer Unterstützung und aktiver Kriegsbeteiligung?
Vorhofer: Solidarität endet nicht mit Worten. Hilfe kann auch nichtmilitärisch erfolgen, logistisch oder wirtschaftlich. Klar ist: Auch wer nicht direkt militärisch eingreift, kann ins Visier eines Aggressors geraten. Das muss man realistisch sehen.
Welche Rolle spielt die Bodenseeregion dabei?
Vorhofer: Eine sehr wichtige. Hier treffen EU, NATO und ein neutraler Staat aufeinander. Das macht die Region sicherheitspolitisch besonders. So kommt Vorarlberg, an dieser Schnittstelle, eine besondere Rolle zu.
Im Bodenseeraum gibt es zahlreiche Betriebe mit sicherheitsrelevanter Produktion. Wird das genug berücksichtigt?
Vorhofer: Noch nicht ausreichend. Die europäische Rüstungsindustrie ist fragmentiert, oft national organisiert. Regionale Kooperation, ähnlich wie in Skandinavien, könnte auch im Bodenseeraum ein Ansatz sein, um Resilienz zu stärken und Synergien zu nutzen.
Wie lassen sich wirtschaftliche Vernetzung und sicherheitspolitische Eigenständigkeit verbinden?
Vorhofer: Globalisierung schafft auch Risiken. In strategischen Bereichen müssen wir Abhängigkeiten reduzieren, etwa bei Energie, Kommunikation oder kritischen Rohstoffen. Sonst bleibt strategische Autonomie Illusion.
Was bedeutet Resilienz konkret für Österreich und speziell für Vorarlberg?
Vorhofer: Resilienz beginnt beim Einzelnen, denn hybride Angriffe setzen bei der Gesellschaft an. Die sicherheitsproduzierenden Institutionen brauchen eine informierte, kritische Bevölkerung, die Manipulationsversuche erkennt und mitdenkt.
Was verstehen Sie unter „Resilienzkultur“ und wie kann diese speziell in Vorarlberg entstehen?
Vorhofer: Sicherheitsbewusstsein und Eigenverantwortung müssen breit verankert sein. Dazu braucht es Bildung, kontinuierliche Information, aber auch Vorbilder in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Resilienz muss nicht Angst machen, sondern Handlungssicherheit vermitteln. Jeder Beitrag zählt.
Wie wichtig ist ein bewusster Umgang mit Medien für die gesellschaftliche Resilienz?
Vorhofer: Informationsflut und Fake News sind heute eine der größten Herausforderungen. Viele Angriffe zielen direkt auf die Wahrnehmung der Menschen. Daher ist es wichtig, kritisch zu denken, nicht alles sofort zu glauben und Informationen zu überprüfen. Jeder sollte sich angewöhnen, Quellen zu hinterfragen, verschiedene Perspektiven einzuholen und sich nicht in sogenannten Echokammern zu verlieren. Diese Fähigkeit wird genauso entscheidend sein wie klassische Katastrophenvorsorge.
Ist Vorarlberg auf Blackout oder hybride Angriffe vorbereitet?
Vorhofer: Seit der Einführung des Bundes-Krisensicherheitsgesetzes haben wir auf nationaler Ebene alle Instrumente, die wir zur Vorbereitung benötigen. Das Risikobild des Verteidigungsministeriums zeigt uns, auf welche Gefahren wir uns vorbereiten müssen. Die Österreichische Sicherheitsstrategie sagt uns, wie wir diesen begegnen können, und durch das Bundes-Krisensicherheitsgesetz haben wir jetzt auch das dazugehörige Umsetzungs-Controlling. Natürlich wird auch in den Regionen und Bundesländern viel getan. Hier gilt es nun, diese Anstrengungen in die nationale Planung zu integrieren.
Sollte es eine allgemeine Dienstpflicht für alle geben?
Vorhofer: Ich würde einen „Resilienzdienst“ einführen, der möglicherweise Wehrdienst und Zivildienst verbindet und allen offensteht. Die Bedrohungen der Zukunft sind breit gefächert, darauf muss sich auch der gesellschaftliche Beitrag einstellen.
Wie könnte ein solcher Resilienzdienst aussehen und welche Aufgaben sollte er umfassen?
Vorhofer: Dieser könnte Basiskompetenzen in Zivilschutz, Cyberabwehr, Erste Hilfe, Energieversorgung und kritischer Infrastruktur vermitteln. Er soll helfen, Bewusstsein zu schaffen und Krisenfähigkeit aufzubauen sowie die Verbindung zwischen Staat und Gesellschaft stärken.
Wie gut funktionieren die Kooperationen bei uns im Krisenfall? Gibt es hier noch Verbesserungspotenzial?
Vorhofer: Im Bodenseeraum besteht eine große Chance für länderübergreifende Zusammenarbeit. Regional gibt es viele Initiativen, aber im Krisenmanagement muss die Abstimmung enger werden. Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen.
Wie schaffen wir es, als Gesellschaft die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen?
Vorhofer: Indem wir vom Wissen ins Handeln kommen und Bewusstsein, Verantwortungsgefühl und Kreativität fördern. Eine resiliente Gesellschaft lebt davon, dass alle bereit sind, einen Beitrag zu leisten.
https://www.vol.at/krisen-halten-sich-n ... en/9367187
So viele Allgemeinplätze in einem Interview sieht man auch selten.
Sparen, aber wo? Die Budgetverhandlungen gehen ins Finale
Auf Bundesebene liegen die Dinge inzwischen klarer. Am Wochenende gab es hinter den Kulissen stundenlange Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den einzelnen Ressorts. Wie bekannt, lautet das Sparziel der Regierung, dass die Ministerien 15 Prozent ihrer Ausgaben, das sind rund 1,1 Milliarden Euro, einsparen müssen. Das soll aber nicht für alle im selben Ausmaß gelten. Das Verteidigungsministerium ist aufgrund der angespannten geopolitischen Lage vom ärgsten Sparzwang ausgenommen; ebenso die Justiz, die über zu wenig juristisches Personal und Justizwachebeamte verfügt; auch das Bildungsressort benötigt im Grunde mehr und nicht weniger Ressourcen. Entsprechend enger müssen die übrigen Ressorts den Gürtel schnallen. Gespart werden soll bei den Förderungen, den Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und auch in den ausgelagerten Bereichen. Wie die SN erfuhren, haben sich die Ministerien bereits untereinander auf einen Spar-Pfad geeinigt.
https://www.sn.at/politik/innenpolitik/ ... -177633358
Muss erwachsen werden
Was die Politik von Clarks Brandrede lernen kann
Was kann die Politik aus Christopher Clarks grandioser Rede anlässlich des Festakts zur Gründung der Republik Österreich lernen? Wir stehen an einer Zeitenwende. Wir brauchen keine falschen Versprechungen, sondern mutige Entscheidungen. Es geht um unsere Zukunft.
2. Nichts für selbstverständlich nehmen
Weder „ewiger Friede“, noch stabile Demokratie oder unbegrenztes Wirtschafts- und Wohlstandswachstum folgen historischen Gesetzmäßigkeiten. Wer das erkennt, wird auch nicht von Entwicklungen überrascht, sondern gestaltet aktiv mit.
7. Österreichs besondere Geschichte mit seiner Neutralität
Wir waren seit 1945 eine „befriedete Grenzprovinz des Westens“. Unter dem militärischen Schutzschirm der USA lebten wir sicher und bequem. Allerdings stehen wir nun an einer Weggabelung. Wir müssen Alternativen identifizieren und uns zwischen ihnen entscheiden – eine „flexible Neutralität“ wird nicht reichen.
https://www.krone.at/3768654
Verteidigungsfinanzierung Venture Capital
Rüstungsfinanzierung: "Deutsche Banken werden in sechs Monaten das Geschäft übernehmen"
Bernhard Müller, Partner für „Security & Defence” bei PwC Legal Österreich, über die Finanzierungslücke bei militärischen Projekten in Österreich, die Rolle ausländischer Banken sowie Venture-Capital-Geber und die Auswirkungen auf den heimischen Innovationsstandort.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Müller, in Deutschland öffnen sich die Banken für Finanzierungsprojekte rund um Defence. Hinkt Österreich hinterher?
Bernhard Müller: Deutschland ist uns da ganz klar einen Schritt voraus. Jahrzehntelang war Investieren in dem Bereich Defence ähnlich verpönt wie die Investition in Glücksspiel oder Prostitution. Man wollte keine dubiosen Waffengeschäfte finanzieren. Und dann kommt auf einmal dieser Krieg in der Ukraine, ein massives Nachrüsten in Europa und auf einmal steht man vor der Frage, wie über die 300 Milliarden Euro Sondervermögen in Deutschland hinausgehende Investitionen finanziert werden sollen, die es ja wahrscheinlich werden. Und in Osterreich spricht man von knapp 30 Milliarden, die der Aufbauplan 20232+ bereithalten soll. Wir wissen alle, dass wir das mit 30 Milliarden in Österreich nicht machen. Wir werden daher privates Kapital in der einen oder anderen Form brauchen.
Was wir genauso merken: Wenn wir bei den wenigen heimischen Zulieferbetrieben nachschauen: MFL war in den Medien mit Panzeraufträgen für den Leopard 2 Panzer, und wir haben ja auch Radpanzer Pandur bei General Dynamics. Das heißt die Rüstungsbetriebe und rustungsnahen Betriebe bauen aus und aus und die brauchen Finanzierungen. Der dritte Bereich sind Startups im Defence Bereich, da merken wir, wir brauchen jetzt viel mehr Innovation, moderne Produkte, Know how im eigenen Land. Das muss man auch finanzieren, Startups tun sich schon schwer genug, wenn die Auftragsvergabe, die öffentliche Hand behäbig und langsam ist.
Wie schaut es mit Venture Capital aus, wer ist bereit, einzusteigen?
Müller: Auf der Austrian Defence Innovation Conference in Klagenfurt schwirren die Deutschen Venture Capital Geber herum, da schwirren deutsche Banken herum, die sind an diesen Dingen sehr sehr interessiert. Es stellt sich natürlich immer die Frage, ob jedes Startup Venture Capital möchte oder doch lieber eine klassische Projektfinanzierung - also Absatzfinanzierung - bevorzugt. Man bekommt einen Auftrag, die Bank finanziert dann die Ausweitung der Kapazität für diesen Auftrag. In Österreich ist das alles ein sehr kleiner Teich. Da sind wir sehr weit weg, dass wir eine Rüstungsfinanzierung in Österreich bekommen.
Ein veritabler Missstand?
Müller: Es beginnt schon jetzt langsam zum Problem zu werden. Denn ich kenne konkret Unternehmen, die zu ihren Hausbanken gegangen sind und eine Ausbaufinanzierung für die Produktion wollten und dann kommt als Antwort: Ja gut, Infrastruktur können wir finanzieren, ihr produziert aber eh keine Waffen dort? In einem Rüstungsbetrieb schwierig. Warum ist das so? Weil man immer noch Angst vor Reputationsschäden hat. Ich habe mit der Sparte Banken der Wirtschaftskammer gesprochen und die sagen ja, sie verstehen es und würden eine Änderung befürworten, aber können den Mitgliedsunternehmen nichts vorschreiben. Und mit den Nachhaltigkeitsprodukten kommt man auch nicht voran: Alles was Rüstung ist, ist nicht nachhaltig, so die vorherrschende Meinung. Das wird langsam zum Problem werden.
Und Österreich blockierte auf europäischer Ebene die Europäische Investitionsbank?
Müller: Die ist ja zumindest ein wenig vorgeprescht: Künftig können Dual Use Güter mit doppeltem Verwendungszweck auch Cybersicherheit, Drohnen, Mobilität sein. Das ist in Wahrheit ja ein Etikettenschwindel. Sie wollen in Wahrheit Defence finanzieren, aber sie trauen sich nicht, da die Mitgliedsstaaten das in der Vergangenheit blockiert hatten.
Die österreichische Banken sind abwartend?
Müller: In Govermental Affairs gibt es schon Befürworter, die sagen, darüber gehört diskutiert. Aber letztlich scheitern die dann oft am Risk: Risk sagt Nein. Banken befürchten sie finanzieren etwas und der Panzer taucht dann plötzlich in Syrien auf. Das ist grotesk. Wir wissen ja, dass wir unsere europaische eigene Nachrüstung finanzieren. Wenn jemand Panzertürme finanziert, wissen wir, wo diese Panzertürme hingehen. Wir wissen, dass wir diese Kapazitaten für den europaischen Verteiigungsaufbau brauchen. Die Banken sind sehr zurückhaltend. Ich glaube halt, über kurz oder lang werden dann deutsche Venture Kapital Geber und deutsche Banken das Geschaft in Österreich übernehmen. Und das ist letztlich auch nicht gut. Übrigens: Ich habe verzweifelt vor einem halben Jahr nach Verboten gesucht, warum Rüstung nicht eu-weit finanziert werden darf. Das gibt es nicht. Aber es wurde immer so weiter tradiert. Unsere Richtlinien, unser Regulator die lassen das nicht zu. Nein, das gab es alles nicht und gibt es nicht.
Sehen Sie schon Nachteile für den heimischen Innovationsstandort?
Müller: Die Deutschen machen schon ganz anderes Matchmaking zwischen Industrie und Startups. Wie die Uni Bundeswehr in München, genau so etwas bräuchten wir, wo wir mit dem Staat und privat Innovation Hubs und eine Startup Kultur in Österreich fördern. Innovative Scale Ups sind genau der Weg, dass wir mehr Innovation bekommen. Dafür müssen wir auch entsprechend finanzieren. Sonst werden wir da nicht vorankommen. Wir haben sehr viele Zulieferer im Luftfahrbereich. Wenn wir die nicht ausreichend mit Geld versorgen, können die nicht mit Aufträgen, die zum inländischen Wirtschaftswachstum beitragen, nachkommen. Eine Chance, die wir leichtfertig über Bord werfen. Und abermals: Die moralische Keule gilt nicht. Es geht um die europäische Rüstungsproduktion. Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer.
https://industriemagazin.at/fuehren/ber ... bernehmen/