Ich nutze den Feiertag am Beginn der intensiven Wahlkampfzeit mal produktiv um meine Gedanken zur Eurofighter-Nachfolge zu artikulieren.
Das wird jetzt länger...
Vorweg mal eine Grafik und darunter eine Erklärung dazu – wieso das jetzt passiert.
Horizontal sind fünf Beschaffungen zu sehen.
Ganz oben die Draken-Nachfolge
Dann aktuelle Beschaffungen - Griechenland F-35, Tschechien F-35, Deutschland EF-Quadriga
Ganz unten die Timeline für die Österreichische EF T1-Nachfolge
Wenn wir zum Ende der EF T1 Verwendung (2037) zumindest eine Staffel haben wollen, die zumindest die LRÜ Rolle voll operationell übernehmen kann, dann müsste die Auslieferung 2034 beginnen.
Der vertikale graue Balken bringt den Beginn der Auslieferungen der Programme in eine Spalte. In den Spalten davor findet man die jeweiligen Vertragstermine. Das sind zwischen vier und sieben, im Mittel fünf Jahre zwischen Vertrag und Beginn der Auslieferung.
Resultat – 2034(Lieferung) und 2029(Vertrag) sind Wahljahre. Muss nicht so kommen, aber es wäre der reguläre Ablauf.
Das bedeutet die nächste Regierung – das Resultat der anstehenden Nationalratswahlen – muss über die Nachfolge und die Type entscheiden und den Vertrag unterschreiben. Sonst wird nichts aus einem Lieferbeginn 2034 und es gibt Probleme...
Sowohl die Draken-Beschaffung als auch die Eurofighter-Beschaffung waren politisch umstritten und konfliktbehaftet. In beiden Fällen wurde das System schwer beschädigt.
Beim Draken lief das ausgebildete Personal davon. Der Übergang vom Draken zum Eurofighter benötigt eine Zwischenlösung. Der Eurofighter T1-AT, obwohl teuer, ist technisch schwerst eingeschränkt bis hin zu dem Umstand, dass er in der Nacht nicht mal zur zivilen LRÜ fähig ist.
Es ist also zweimal sehr schief gegangen und die Frage ist ob Ö. das beim dritten Mal besser hinbekommt?
Fakt ist es geht um viel Geld und es gilt das Primat der Politik – dort wird entschieden was es werden soll.
Die EF-Beschaffung ist der Klassiker, bei dem wie nirgendwo sonst in völliger Disharmonie zwischen Politik und Militär zuerst das teuerste System gewählt, dann die Quantität zwei mal zusammengestutzt und bei der Qualität einmal ausgeweidet wurde und am Schluss hat man zu wenig Geld für den Flugbetrieb erhalten.....sprich man grundelt mit ~100h/Pilot/Jahr an der untersten Schwelle der Verantwortbarkeit.
Nachdem wir das Bundesheer mit 2032+ in einen Zustand bringen, wo es in der Lage sein soll einen Bedrohung der Sicherheit unterhalb der Schwelle eines offenen militärischen Konfliktes zu bewältigen, fragt sich wie es weiter gehen soll.
Soll es weiter gehen Richtung ULV im Sinne des 9a B-VG betrifft das nicht zuletzt auch die Luft.
Meine obersten Schwellen der „Wünsch dir was“ Vorstellungen (alles darüber wär völlige Utopie)
- Ich gehe von optimistisch bestenfalls 30 Piloten aus. Wäre schon rund 2x so viel wie jetzt.
- Und ich gehe von bestenfalls 160h pro Jahr/Pilot aus. Wäre schon rund 1,5x so viel wie jetzt.
- Ich gehe bestenfalls von 30 Flugzeugen aus. Wäre 2x so viel wie jetzt.
Ich sehe folgende Optionen
Punkt 1)
Option a) Der Status Quo aufgemoppelt auf 24/7
Zielsetzung LRÜ 24/7 bis zur Schwelle eines konventionellen Konfliktes
Fähigkeit zu robusten Einzelaktionen = Luftkampf zur bewaffneten Durchsetzung der Lufthoheit.
Beispiel: Am 24. November 2015 schoss ein F-16-Kampfjet der türkischen Luftwaffe ein russisches Sukhoi Su-24M-Angriffsflugzeug nahe der syrisch-türkischen Grenze ab.
Es gibt jedoch keine kriegsfähige LRÜ Bodenorganisation und Infrastruktur.
Option b) zusätzlich zu (a) eine zeitlich und örtlich beschränke Luftraumverteidigung im Kriegsfall. Zielsetzung: Hit-and-run.
Dem Gegner unverhältnismäßig Verluste beibringen und ihn zur Änderung seiner operativen Konzepte zwingen.
Der Gegner muss zum Schutz seiner offensiven Luftkräfte deutlich mehr Mittel und Ressourcen aufwenden.
Das heißt man tritt zum Luftkampf nur an wenn man davon ausgehen kann dem Gegner höhere Verluste zuzufügen als man selbst erleidet.
Grundvoraussetzung ab Option (b) ist eine kriegsfähige LRÜ Bodenorganisation und Infrastruktur.
Kampfflugzeuge stehen den größten Teil ihrer Zeit dort wo sie am verwundbarsten sind – am Boden. Insbesondere auch hinsichtlich der Verbreitung und Nutzung von Drohnen ist diese Gefahr heute sogar noch deutlich größer als im kalten Krieg. Das heißt Parken und Materhaltung muss in gehärteten Objekten stattfinden und zwar auch an Ausweichstandorten. Fliegerabwehr an den Standorten ist eine Ergänzung dazu und kein Ersatz!
Man steht 24/7 in Startbereitschaft und wartet auf ein passendes Einsatzszenario des Gegners um mit momentan überlegenen Kräften einen überraschenden "Überfall" durchführen und dann wieder abhauen zu können.
Option c) zusätzlich zu Option (a+b) Interdictionfähigkeit („Unterbrechung“)
Angriffsfähigkeit mit konventionellen Abstandslenkwaffen gegen Schlüsselziele im rückwärtigen Raum des Gegners mit Präzisionslenkwaffen Klasse Reichweite über 100km.
Ziele sind Nachschubrouten, Versorgungdepots, C4ISR in der Tiefe des Gegners mit dem Ziel seine Handlungsfähigkeit herabzusetzen.
Das kann und/oder auch mit Systemen von Bodenstreitkräften erfolgen.
Anmerkung: Die US Air Force Doktrin setzt die Wirkung von Unterbrechung (Kosten/Nutzen-Faktor) deutlich über die von Luftnahunterstützung! (deshalb vor Option (d))
Option d) zusätzlich zu Option (a+b+c) Multispektralaufklärung und Luftnahunterstützung
Fähigkeit zur Unterstützung der Bodentruppe im Kampf durch Echtzeitinformationsgewinnung in allen Bändern/Spektren und Bekämpfung von Bodenzielen in Schlüsselräumen mit Präzisionslenkwaffen Klasse Reichweite unter 100km.
Eingedenk der Limits bei Piloten/Zellen/Stunden sag ich mal
Option a+b erfordern mind. 18 Maschinen und 20-24 Einsatzpiloten. Da ausschließlich Luftkampf absolviert wird ist die Ausbildung drauf fokusiert und man kommt gegebenenfalls mit der aktuellen Stundenanzahl aus.
Für Option (c) und vor allem (d) benötigt man mehr Piloten, mehr Zellen und mehr Stunden.
Punkt 2) Die kriegsfähige Bodenorganisation und Infrastruktur
Das wär einmal die „eingeschränkte Verlegefähigkeit“. Das Kampfflugzeug benötigt eine 2000m Start/Landebahn. An allen potentiellen (Ausweich)Standorten besteht dann Bedarf an geschützten Abstellplätzen.
Der andere Fall wäre die „hochgradige Verlegefähigkeit“. Das Flugzeug benötigt nur kurze oder keine Start/Landebahn. Es bedarf trotzdem geschützter Abstellplätze am Heimflugplatz. Und es besteht Bedarf an einer hochmobilen und permanent beübten Bodenorganisation. Es gibt keinen Einsatzflug der endet wo er begonnen hat und es gibt nur temporäre Einsatzplätze die nicht länger betrieben werden als unbedingt erforderlich. Es ist ein 24/7 Wettlauf gegen die gegnerische Aufklärung/Wirkung.
Es gibt meiner Meinung nach nur zwei Flugzeuge die dafür geeignet erscheinen – das ist der Gripen und die F-35B.
Wir hätten eine tolle Topografie dafür – der Ö Zentralraum ist rundum sehr schlecht einsehbar wenn es gelingt gegnerische Aufklärungsmittel abzuhalten.
Punkt 3) Neu oder Gebraucht
Ausgehend vom Umstand, dass unsere Eurofighter 2037 strukturell kaum 50% abgeflogen sind, wäre neben einer Zellen und Pilotenanzahl auch die Flugstundenanzahl zu klären.
Das heißt, ob „gebraucht“ reicht, richtet sich auch nach der ehrlichen Antwort auf die Frage wie viele Stunden im Jahr budgetiert werden können.
Und „gebraucht“ muss nicht technisch obsolet bedeuten.
Die F-16 ist nach 50 Jahren immer noch in Produktion – es gibt immer noch Upgradeprogramme für alte Varianten.
Aber wenn „gebraucht“, dann muss die installierte Ausrüstung jedenfalls obsoleszenzbereinigt und im Rahmen einer idealerweise großen Flotte durch namhafte Luftstreitkräfte auf längere Sicht in Verwendung stehen.
Das heißt „gebraucht“ ja, wenn die Restlebensdauer der Zellen mit der erforderlichen Flugstundenanzahl harmoniert und eine Systemgarantie gegeben werden kann sowie eine Systempflege auf Basis einer größeren Nutzergruppe stattfindet.
Über all das wäre idealerweise in der nächsten Legislaturperiode eine Entscheidungsfindung wünschenswert, die dann deutlich über die Mitte der 2030er Jahre Bestand hat.
So das wärs vorerst. Ideen, Meinungen dazu sind sehr willkommen.