Wie steigert man den Wehrwillen?
Raketen, Panzer, Hubschrauber, Transportflugzeuge ... - Rüstungsgüter im Wert von mehr als 16 Milliarden Euro wird Österreich in den kommenden Jahren anschaffen, um das Bundesheer wieder "kriegsfähig" zu machen, wie es der Generalstab formuliert. Angesichts der russischen Hochrüstung und Wladimir Putins Drohgebärden gegen den Westen ist diese Nachrüstung kaum umstritten.
Allerdings stellen sich viele Beobachter die Frage, wer all das neue Verteidigungsgerät bedienen soll. Zwar zieht modernes Gerät neues Personal an - die Zahl der Militärpiloten in Ausbildung ist derzeit so hoch wie schon lange nicht. Doch insgesamt wird das Bundesheer wie der gesamte öffentliche Dienst von Nachwuchssorgen geplagt. Die Grundwehrdiener-Zahlen sind seit Jahren rückläufig, die Zahl der Untauglichen steigt. Und der Wehrwille der Österreicher ist - wie jener der meisten Westeuropäer - so niedrig wie kaum je zuvor.
Dieses Problem ist nicht neu. Schon der römische Kaiser Augustus sah sich gezwungen, drakonische Strafen gegen die damals offenbar weitverbreitete Sitte zu verhängen, sich die Finger der rechten Hand abzuschneiden, um nicht zur Armee zu müssen. Der britische Gelehrte Edward Gibbon analysierte das in seinem Standardwerk über den Verfall und Untergang des römischen Imperiums so: "Barbaren drängt die Lust am Krieg, die Bürger einer freien Republik mag vielleicht die Pflicht treiben. Aber die furchtsamen und von Luxus verwöhnten Bewohner eines verfallenden Reiches müssen durch Hoffnung auf Gewinn zum Dienst in der Armee verlockt oder durch Furcht vor Strafe dazu gezwungen werden."
Auf den Lockruf des Gewinns setzt auch das Bundesheer. Wehrpflichtige, die ihren Präsenzdienst freiwillig verlängern, werden mit 3000 Euro netto pro Monat geradezu fürstlich entlohnt. Dennoch bleibt das Grundproblem bestehen, dass das Reservoir an Präsenzdienern, aus dem das Heer seinen Nachwuchs schöpft, schrumpft.
Ein Grund dafür ist, dass der Wehrdienst in den vergangenen Jahrzehnten, in denen das Bundesheer finanziell systematisch ausgehungert wurde, als wesentlich weniger sinnvoll dargestellt wurde als der Zivildienst. Das und die lange gehegte Überzeugung, dass es nie wieder Krieg in Europa geben werde, machten sich in sinkendem Wehrwillen bemerkbar. Laut einer Umfrage des Gallup-Instituts wären nur 21 Prozent der Österreicher bereit, ihr Land im Ernstfall mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Laut einer aktuellen Studie im Auftrag der Universität Innsbruck sind es gar nur 14 Prozent.
Das Bundesheer hat zu dem Thema im Vorjahr eine eigene Untersuchung in Auftrag gegeben, die zu deutlich anderen Ergebnissen kommt. Dort beantworteten 41 Prozent der Männer die Frage, ob sie Österreich mit der Waffe verteidigen würden, mit "ja" oder "eher ja", 50 Prozent mit "nein" oder "eher nein". Am höchsten ist der Wehrwille laut der Bundesheerstudie in Salzburg, Tirol und Vorarlberg, mit Abstand am niedrigsten in Wien.
Laut dem Militärpsychologen Wolfgang Prinz entscheiden über die Wehrbereitschaft vielfältige Motive. Ausschlaggebend seien Patriotismus und Fragen der Identität, vor allem aber auch die Sorge um die eigene Familie, die es zu verteidigen gilt. Eine Rolle spiele aber auch die Zeit, sagt Prinz. Unmittelbar nach dem Angriff Russlands habe es in der Ukraine eine hohe Verteidigungsbereitschaft und enorm zahlreiche Freiwilligenmeldungen zur Armee gegeben. Sobald sich ein Konflikt zum Abnützungskrieg entwickle, beginne der Wehrwille jedoch zu sinken.
Eine große Rolle spielt laut dem Psychologen auch die grundsätzliche Einstellung zum Militär. So registriert das Heer seit Langem, dass sich Österreicher mit Migrationshintergrund eher zum Wehrdienst melden als autochthone Österreicher. Offensichtlich gibt es unter den Zuwanderern weniger Vorbehalte gegen das Militärische, als das in Österreich üblich ist.
Das Mittel, mit dem das Bundesheer das nun ändern will, ist das Prinzip der Geistigen Landesverteidigung. Die Erkenntnis, dass Verteidigungsbereitschaft in den Köpfen beginnt und dort erzeugt werden muss, stammt aus dem Jahr 1975, ist seither aber in Vergessenheit geraten. Nun soll - auch das eine Reaktion auf die Rückkehr des Krieges nach Europa - die Geistige Landesverteidigung wiederbelebt werden.
Der Hebel dafür sind die Schulen. So wurde die Geistige Landesverteidigung wieder in den Lehrplänen verankert und muss in den Fächern Geschichte und Politische Bildung verpflichtend durchgenommen werden. Entsprechende Kurse in der Lehrerfortbildung sollen die Lehrer auf diese Aufgabe vorbereiten. Zusätzlich sind 600 Informationsoffiziere des Bundesheers in den Schulen unterwegs, um über die Geistige Landesverteidigung und die Aufgaben des Bundesheeres zu informieren. Laut Oberst Christian Hollerer von der zuständigen Kommunikationsabteilung für Geistige Landesverteidigung wurden im abgelaufenen Schuljahr 2200 solcher Vorträge von Offizieren in Schulen gehalten. In Salzburg läuft zudem ein Programm, in dem sich auch Lehrer zu externen Informationsoffizieren ausbilden lassen können. Das Bundesheer selbst hält für Grundwehrdiener und Kadersoldaten Kurse in "Wehrpolitischer Bildung" ab. Das Ziel all dieser Maßnahmen ist das gleiche: "Wenn wir vermitteln können, was wir als Bundesheer tun und warum das wichtig ist, dann würde das schon viel ändern", sagt Militärpsychologe Prinz.
Die vier Säulen derUmfassenden Landesverteidigung
Unter Bruno Kreiskys Kanzlerschaft wurde das Prinzip der Umfassenden Landesverteidigung 1975 in der Verfassung verankert. Es war die Zeit des Kalten Krieges, als Österreich mit einem Bundesheer von bis zu 300.000 Mann plante. Nach dem Ende des Kalten Krieges geriet die ULV, wie sie kurz genannt wird, praktisch in Vergessenheit. Jetzt soll sie wiederbelebt werden.
Der Sicherheitsbegriff, der dem Prinzip der Umfassenden Landesverteidigung zugrunde liegt, ist ein vierfacher. Er hat nicht nur eine militärische, sondern auch eine geistige, eine zivile und eine wirtschaftliche Komponente.
Militärische Landesverteidigung heißt, dass das Bundesheer so ausreichend mit Waffen und Personal ausgestattet ist, dass es jegliche Angriffe abwehren oder durch Abschreckungswirkung sogar präventiv verhindern kann.
Geistige Landesverteidigung bedeutet, dass der Wehrwille - also die Bereitschaft, das eigene Land zu verteidigen - in der Bevölkerung ausreichend entwickelt ist. Dazu bedarf es einer inneren Verbundenheit mit dem Staat, seinen Institutionen und seinen Werten.
Zivile Landesverteidigung umfasst im Ernstfall drei Aufgaben: die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit; die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Behörden; und den Zivilschutz, also etwa das Anlegen von Schutzräumen und Vorräten für die Bevölkerung.
Wirtschaftliche Landesverteidigung umfasst ebenfalls drei Ziele: die Unternehmen zu schützen (etwa vor Cyberangriffen); einseitige Abhängigkeiten vom Ausland zu vermeiden; und die Fähigkeit des Landes, seine Bevölkerung im Krisenfall mit lebensnotwendigen Gütern wie Nahrung, Medikamenten und Energie versorgen zu können.
https://www.sn.at/politik/innenpolitik/ ... -163068904
Hans Rathgeb im Interview: "Die Freiheiten gibt es nicht zum Nulltarif"
Hans Rathgeb, langjähriger Präsident des Landesgerichts Salzburg, leitet die Salzburger Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik. Ihr Ziel ist die Wiederbelebung der Umfassenden Landesverteidigung. Sie will zeigen, dass Landesverteidigung nicht allein Sache des Militärs ist, sondern alle betrifft.
Warum, glauben Sie, ist der Wehrwille in Österreich so niedrig?
Hans Rathgeb: Ich glaube, dass sich in der Bevölkerung in der Vergangenheit ein trügerisches Gefühl der Sicherheit breitgemacht hat. Aber es ist eben ein trügerisches. In Wirklichkeit sind unsere Grundfreiheiten und Werte, die wir scheinbar gratis bekommen, kein Gut zum Nulltarif.
Was wäre notwendig, um die Verteidigungsbereitschaft in der Bevölkerung wieder zu heben?
Die krisenhaften Ereignisse der vergangenen Jahre haben der Bevölkerung vor Augen geführt, dass es notwendig ist, Vorsorge zu treffen und für die Erhaltung der Grundwerte wirklich etwas zu tun. Es ist sinnvoll und notwendig, diese Bereitschaft zu fördern und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten die und der Einzelne hat, dazu beizutragen, dass unsere Gesellschaft und Demokratie widerstandsfähig wird.
Was will die Salzburger Gesellschaft für Landesverteidigung dazu beitragen, um dieses Ziel zu erreichen?
Wir versuchen, durch Vorträge, Informationsveranstaltungen und die Vernetzung der verschiedensten Organisationen eine Plattform zu bilden. Bei dieser Plattform soll die Bevölkerung die notwendigen Informationen abrufen können. Das heißt, wir wollen eine Art Thinktank sein, an den man sich wenden kann. Wir werden aber auch aktiv an die Bevölkerung herantreten.
https://www.sn.at/politik/innenpolitik/ ... -163068856
Verteidigungsministerin zu Besuch bei Sidma in Langenlebarn
„Eine zeitgemäße Ausrüstung und Ausstattung ist das wichtigste für unsere Soldaten. Dabei können wir immer wieder auf innovative heimische Unternehmen setzen“, sagt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner anlässlich eines Besuches bei Sidma Integrations in Langenlebarn.
Bereits seit 2017 arbeitet das Bundesheer mit dem Familienbetrieb aus Langenlebarn, vor allem im Bereich der Duellsimulatoren, zusammen.
https://www.noen.at/tulln/innovation-fu ... 11l4m15e-0