SPÖ-nah. Das reicht schon.
Das wunderliche Konzept "engagierte Neutralität", das keinerlei völkerrechtliche Grundlage besitzt, hat die damalige SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner 2022 in einem Gastkommentar aufgegriffen. Und wird von Prof. Gärtner schon seit Jahren propagiert:
- GÄRTNER Heinz/Otmar HÖLL/Paul LUIF: Österreichische Außen- und Sicherheitspolitik, in: GUSTENAU Gustav (Hrsg.): Österreich als außen- und sicherheitspolitischer Akteur. Anspruch und Wirklichkeit (Jänner 2005)
https://www.bmlv.gv.at/wissen-forschung ... hp?id=1089Aber an welchen internationalen Aufgaben soll sich Österreich beteiligen? Österreich hat nicht die Möglichkeiten wie die USA und die anderen großen Staaten, „High-tech“-Kriege mit Präzisionsmunition, Aufklärung, Kommunikations- und Führungseinrichtungen zu führen. Es sollte sich auf Beiträge konzentrieren, die es besser als andere – oder mit anderen gemeinsam besser – leisten kann. Eine Spezialisierung der Mittel und Fähigkeiten wäre im Sinne der Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung sinnvoll. Um einen komparativen Vorteil gegenüber anderen Staaten zu haben, könnte das österreichische Bundesheer auf seine Erfahrungen bei der Friedenserhaltung und bei der Hilfe, funktionsfähige Strukturen in zerstörten Ländern wiederaufzubauen, zurückgreifen. Das sind keineswegs die Rosinen im Kuchen, sondern äußerst anspruchsvolle Aufgaben, die auch die Anwendung von Waffengewalt nicht prinzipiell ausschließen.
- GÄRTNER Heinz: Thesen zur engagierten Neutralität (Policy Paper / Österreichisches Institut für Internationale Politik, 4), Wien 2015
Zusammenfassung:
Österreichs Neutralität erfordert eine engagierte Beteiligung am internationalen Krisenmanagement und an kooperativer Sicherheit. Als bestes verteidigungspolitisches Instrument wird in der Sicherheitsstrategie und der Teilstrategie des Österreichischen Bundesheeres eine „engagierte Neutralitäts- und solidarische Europapolitik“ gesehen. Als neutrales Land kann Österreich in bestimmten Konfliktsituationen glaubwürdiger als Vermittler und Anbieter guter Dienste auftreten. Damit grenzt sich die engagierte Neutralität von einem Verständnis ab, das Neutralität mit Nichtstun und Heraushalten verwechselt.
https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/ ... alitat.pdfDie sozialdemokratische Regierung unter Bruno Kreisky (1970-1983) entwickelte die „aktive Neutralitätspolitik.“ Sie bedeutete aktive Besuchsdiplomatie, Multilateralismus auf globaler Ebene vor allem in den Vereinten Nationen, Unterstützung des Entspannungsprozesses zwischen Ost und West, Engagement im Nord-Südkonflikt, das im Vorschlag eines Marshall Planes für die Dritte Welt gipfelte. Bundeskanzler Kreisky setzte sich als erster westlicher Regierungschef für die Rechte der Palästinenser ein. In der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) bildete Österreich gemeinsam mit den anderen neutralen und nicht-paktgebundenen Staaten von 1975 bis zum Ende des Kalten Krieges die „N+N Gruppe", die Vermittlung und gute Dienste anboten und sich dafür einsetzte, dass das die Entspannungspolitik nicht ins Stocken geriet.
Nicht zuletzt dank dieser Neutralitätspolitik wurde Wien 3. UNO-Hauptstadt und Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), von UN-Spezialorganisationen (z.B. UNIDO), des OPEC-Sekretariats, des OSZE-Sekretariats (früher KSZE). Weiters siedelten sich das PrepCom (ein administratives Komitee zur Überwachung des umfassenden nuklearen Teststoppabkommens) des umfassenden nuklearen Teststoppvertrages (CTBT), das Sekretariat des Wassenaar-Arrangements (über den Transfer konventioneller Waffen) und das Büro zur Drogenkontrolle und der Verbrechensverhütung der UNO (UNODC) an.
Die österreichische Neutralität war immer wieder in der Lage, sich den jeweils neuen Gegebenheiten anzupassen. Österreich ist als neutraler Staat sehr gut geeignet, bei der Bekämpfung der neuen Gefahren einen wichtigen Beitrag zu leisten. Es sind dies Proliferation von Massenvernichtungswaffen; Terrorismus, der in Verbindung mit der Proliferation eine neue gefährliche Dimension bekommen kann; funktionsgestörte Staaten, die Nährboden für den Terrorismus sein können, von denen illegale Immigration ausgeht und die Basis von organisierter Kriminalität sind. Die Mitwirkung an Wiederaufbau- und humanitären Maßnahmen in kriegszerstörten Staaten kann im Rahmen der UNO, der EU, der OSZE oder auch der NATO Partnerschaft für den Frieden geschehen.
Alle die oben genannten Aktivitäten sind für kleine neutrale Staaten nicht nur kein Hindernis sondern geradezu ein Erfordernis, um internationale Solidarität zu demonstrieren. Bei Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta ist es nicht nur für Österreich erforderlich, sondern für die Staatengemeinschaft insgesamt sinnvoll, eine breite Legitimität durch ein UN-Mandat herzustellen. Neutrale Staaten besitzen manchmal höherer Akzeptanz als Bündnismitglieder. Militärbündnisse, in deren Zentrum verbindliche Beistandsverpflichtungen stehen, sind oft weniger geeignet, diese Herausforderungen anzunehmen. Europa muss sich die Kapazitäten bewahren, Aufgaben außerhalb eines Militärbündnisses zu übernehmen. Neutralität und Bündnisfreiheit sind die einzigen Alternativen zu Militärbündnissen. Sie ist nicht auf Verteidigung des Bündnisgebietes ausgerichtet, sondern auf Stabilisierung, Prävention, Krisenintervention und humanitäre Aufgaben.
- Engagierte Neutralität – glaubwürdig und nützlich (Blogbeitrag, 13. März 2023)
Damit Neutralität von den Großmächten respektiert wird, muss ein neutraler Staat zwei Bedingungen erfüllen. Der Status der Neutralität muss erstens glaubhaft und berechenbar sein. Zweitens, der neutrale Staat muss nützlich sein.
Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit
Glaubwürdigkeit bedeutet, dass ein neutraler Staat schon in Friedenszeiten seine Neutralität unzweideutig vermitteln muss. Er darf auch keine Bedrohung darstellen, also zum Beispiel keinem von einer Seite als feindlich wahrgenommen Bündnis beitreten oder diese Absicht vermitteln.
Glaubwürdigkeit wird auch dadurch unterstrichen, dass der neutrale Staat bewaffnet ist. US-Präsident Dwight Eisenhower etwa stimmte der österreichischen Neutralität nur unter der Bedingung zu, dass sie von Österreich, auch bewaffnet, verteidigt wird.
Nützlichkeit kann der neutrale Staat beweisen, indem er die Funktion eines Pufferstaates übernimmt oder gute Dienste anbietet und vermittelnd im weitesten Sinne tätig ist. Damit kann sich der neutrale Staat sehr gute Sicherheitsgarantien erwerben.
Seit der Zeit des Kalten Krieges übernahmen die Neutralen beide Funktionen. Zum einen die Pufferfunktion: Mit der von Finnland und Schweden 2022 bekundeten Absicht, der Nato beizutreten, wählten sie Bündnismitgliedschaft vor Neutralität. Damit haben sie die sowohl von der Sowjetunion als auch von Russland anerkannte Rolle als Pufferstaat gegenüber der Nato aufgegeben. Sie werden von Russland als Feindstaaten eingestuft werden. Von der Nato wird Finnland nach einem Beitritt als Teil ihrer östlichen Flanke, also als Frontstaat, behandelt werden, was die Vorwärtspräsenz ihrer Waffen einschließen wird.
Vermittlerfunktion
Zum anderen die Funktion der "guten Dienste": Neutrale Staaten bieten ihr Territorium und ihre Vermittlung an, um Konflikte zu vermeiden und zu lösen. Sie können Fazilitatoren oder Vermittler sein, um den wirtschaftlichen und diplomatischen Verkehr aufrechtzuerhalten. So nahmen etwa die neutralen und nicht paktgebundenen Staaten Europas im Rahmen des KSZE-Prozesses (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) seit den Siebzigerjahren diese Aufgabe war.
Großmächte wollen durchaus, dass etablierte Neutralität von anderen Großmächten respektiert wird. US-Präsident Eisenhower signalisierte, das neutrale Österreich, obwohl nicht Teil der Nato, zu verteidigen. Österreich, das den Flüchtlingen aus Ungarn während der dortigen Krise 1956 Hilfe leistete, wurde von der Sowjetunion beschuldigt, Ausbildungslager für die Aufständischen zu unterhalten und Waffen über die ungarische Grenze zu schmuggeln. Moskau werde diese Art von Neutralität nicht akzeptieren. Das US-Außenministerium drohte, dass "ein Angriff der Sowjetunion auf Österreichs Neutralität den dritten Weltkrieg bedeuten" würde.
https://www.derstandard.at/consent/tcf/ ... -nuetzlichIm Sinne einer "engagierten Neutralität" sollen neutrale Staaten aber auch Stellung nehmen. Neutrale Staaten sind nicht wertneutral und dürfen es auch in diesem Krieg nicht sein. Im Gegenteil, "engagierte Neutralität" bedeutet, Stellung zu nehmen zu schweren Menschenrechtsverletzungen, Genozid und Krieg. Neutrale Staaten sind aber nicht gezwungen, die Positionen von Großmächten oder Bündnissen zu übernehmen. Sie stellen für Großmächte, anders als die Bündnisse, keine Bedrohung dar.
https://orf.at/stories/3337326/Der Politikwissenschaftler Heinz Gärtner betonte: „Neutralität muss glaubwürdig und nützlich sein.“ Österreich solle aber nicht wertneutral sein, sondern auch außenpolitisch Initiative zeigen. Dazu zähle etwa, sich vermehrt an UNO-Friedensmissionen zu beteiligen.
Einen NATO-Beitritt lehnt die Initiative „klar ab“, nicht hingegen eine europäische Sicherheitsallianz. Für Ex-Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) ist die Neutralität „mit der EU vereinbar, sie passen gut zusammen“.
Und wenn man erst liest, welchen Unfug Prof. Gärtner zu ESSI verbreitet:
»Diese Raketen sind nicht nur ein Schutz« (Die Zeit, 13. Juli 2023)
Es lauere eine Gefahr im Beitritt Österreichs zu Sky Shield, sagt der Politologe Heinz Gärtner. Er sieht Österreichs Neutralität im Wandel.
http://unsere-neutralität.at/wp-content ... _10017.pdfZEIT: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sagt, Sky Shield sei im Grunde nur eine Einkaufsgemeinschaft – auch deshalb gebe es keine Probleme mit der Neutralität. Würde sich das ändern, wenn die Nato über den Einsatz der Waffen entscheidet?
Gärtner: Das wäre tatsächlich ein Problem. Aber Österreich und die Schweiz haben deshalb eine Neutralitätsklausel in das Abkommen reingeschrieben, dass sie über den Einsatz nach ihren verfassungsmäßigen Erfordernissen entscheiden können. Ich sehe da aber noch etwas kritisch.
ZEIT: Nämlich?
Gärtner: Diese Raketen sind nicht nur ein Schutz, sie könnten auch zu einem Magneten werden. Man weiß ja noch nicht genau, welche Waffen Österreich am Ende kaufen wird, aber die Rede bei Sky Shield ist zum Beispiel von solchen, die 20 bis 80 Kilometer weit fliegen können. Diese könnten nicht nur als Defensiv-, sondern auch als Offensivwaffen betrachtet werden – und damit
zu einem Ziel werden. Ein potenziell feindlicher Staat könnte versuchen wollen, sie zu vernichten.
ZEIT: Wie profitiert Österreich eigentlich von dieser Initiative?
Gärtner: Es ist eben eine Einkaufsplattform.
ZEIT: Das ist der einzige Nutzen?
Gärtner: Im Moment ja.
ZEIT: Warum macht man dann mit?
Gärtner: Einerseits wegen der Nato-Tauglichkeit, andererseits verspricht man sich dadurch modernere Geräte. Es gibt innerhalb der EU aber unterschiedliche Vorstellungen über einen Schutzschild. Frankreich und Italien kritisieren, dass nun amerikanische Waffen gekauft werden, sie wollen lieber europäische Produkte. Österreich hätte sich auch einem Projekt mit diesen beiden Staaten anschließen können.
ZEIT: Profitiert Österreich militärisch?
Gärtner: Ich sehe das Bedrohungsszenario nicht. Wer soll plötzlich eine Rakete auf das neutrale Österreich abschießen?