Medienberichte 2023

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theoderich
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

ZIB 2

Mo., 3.7.2023 | 22.00 Uhr

Armin Wolf: „Guten Abend, herzlich Willkommen zur ZIB 2.

Über Europa soll eine gemeinsamer Schutzschirm gegen Raketenangriffe entstehen. Was kann der? Und darf sich das neutrale Österreich daran beteiligen?

[Überschrift „Luft-Kampf“; BM Tanner, Botschafterin Kennedy und LR Amon beim Abschreiten der Front am Fliegerhorst Hinterstoisser, während des Festakts zur Partnerschaft mit der Vermont National Guard] Luft-Kampf. Die Verteidigungsministerin will am Freitag ein erstes Abkommen für ,Sky Shield‘ [Gemälde mit Logo „FPÖ Die soziale Heimatpartei“] unterzeichnen. Die FPÖ sieht einen massiven Neutralitätsbruch. [Bgdr Promberger im Studio] Live im Studio ist dazu der Kommandant der Luftstreitkräfte, Gerfried Promberger.

[…]

[Hintergrundfoto: BK Scholz bei seiner Rede an der Karls-Universität in Prag am 29. August 2022] Es war im letzten August, ein halbes Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, als der deutsche Kanzler Olaf Scholz erstmals ein gemeinsames europäisches Luftverteidigungssystem vorgeschlagen hat. [Hintergrundbild: Deutsche „Patriot“-Werfer] Es soll Europa gegen Angriffe mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen schützen, etwa mit dem Abwehrsystem ,Patriot‘, das viele Länder, wie Deutschland, schon haben.

[Hintergrundbild: Europakarte mit hellorange markierten Teilnehmerstaaten an ESSI; hellorange schraffiert markiert: Schweden; dunkelorange markiert: Österreich] Mittlerweile beteiligen sich 17 Länder am Projekt ,Sky Shield‘ – also ,Himmelsschild. 16 davon sind NATO-Staaten; Schweden ist dabei NATO-Mitglied zu werden. Aber große EU- und NATO-Länder wie Frankreich, Italien oder Polen sind bisher nicht dabei. [Hintergrundfoto: BM Tanner bei ihrer Ansprache anlässlich der Pressekonferenz zum „Aufbauplan Bundesheer 2032“ am 6. Oktober 2022] Dafür will sich Österreich an ,Sky Shield‘ beteiligen. Diesen Freitag soll ÖVP-Verteidigungsministerin Tanner eine Absichtserklärung unterschreiben. Für die Neutralität kein Problem, sagt Tanner – was die FPÖ völlig anders sieht.“
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[Tal, im Hintergrund eine Gebirgskette und dichte Bewölkung] Der Himmel über Österreich: [Greifvögel über einem bewaldeten Hügel] Zum Glück droht von dort keine Gefahr. Würde Österreich, wie die Ukraine, [Start einer Fliegerabwehrlenkwaffe] großflächig aus der Luft angegriffen, wäre es praktisch wehrlos: [Zwei Eurofighter im Flug bei der Annäherung an eine C-130K] Die Luftraumverteidigung wird, wie das Bundesheer insgesamt, seit langem vernachlässigt. Von drei Fliegerabwehrregimentern ist nur mehr eines übrig. [Offiziere in der LRÜZ der EZ/B in St. Johann] Noch gut ist Österreich bei der Überwachung des Luftraums aufgestellt [Radarstation Kolomansberg kurz nach Installation der neuen Radarantenne]. Dafür sorgen drei stationäre Radarstationen, die sogenannten „Goldhauben“, [Drehende Radarantenne des RAC-3D] und eine mobile Radarstation.

[Radarbediener in der EZ/B] Identifizieren diese eine Bedrohung aus der Luft, kann Österreich allerdings fast nichts dagegen machen, [US-Soldaten und ein österreichischer Pilot vor einer F-35A in Zeltweg] denn Österreichs Abwehrwaffen entsprechen dem Stand der 70er- und 80er-Jahre [Überflug von zwei Eurofightern und zwei F-35A über Zeltweg], sagen GesprächspartnerInnen aus dem Bundesheer, die nicht zitiert werden wollen.

[Blick aus der Abflughalle des Flughafens Wien-Schwechat auf das Rollfeld] Die Ausstattung würde zwar reichen, um einzelne Objekte, wie den Wiener Flughafen oder die ,Airpower‘-Flugshow [„Frecce Tricolori“ bei einer Kunstflugvorführung in Zeltweg] in Zeltweg zu sichern – gegen großflächige Angriffe [Überblick über das Veranstaltungsgelände der ,Airpower‘ mit tausenden Besuchern und Flugzeugen] wäre damit aber nichts auszurichten.

[Radarbediener in der EZ/B] Die Bundesregierung will deshalb einen Schutzschirm über Österreich spannen [BK Nehammer im Interview mit Diana Weidlinger] und sich am europäischen Verteidigungsprojekt ,Sky Shield‘ beteiligen.

Karl Nehammer (Bundeskanzler, ÖVP): „Die Sicherheitsstrategie ist veraltet. Wir haben wieder gesehen, dass ein Krieg am europäischen Kontinent möglich ist. […] Und es geht jetzt darum, dass die Neutralität, die Österreich hat, auch glaubhaft in der Wehrhaftigkeit ist. Und ,Sky Shield‘ ist ein gutes Instrument, die Wehrhaftigkeit der österreichischen Neutralität auch zu dokumentieren.“

[Radarantenne eines 9K33 Osa] 17 Länder in Europa sind momentan Teil der [Radarbediener im 9K33 Osa] Initiative. Sie wollen gemeinsam Waffensysteme [Werfer des Systems IRIS-T SLM bei Vorbeifahrt – PR-Video Diehl Defense] zur Luftabwehr beschaffen und einander mit Systemen und Munition unterstützen.

Ulrike Franke (Militärexpertin): „Eigentlich soll dieses System, ja, mehr oder minder alle Gefahren aus der Luft abwehren können. Also das geht von dem Nah- und Nächstbereich – also nehmen wir mal Drohnen, Helikopter, je nachdem auch Flugzeuge, Raketen, dann in Richtung Marschflugkörper – dann letztendlich eben in den weiten Bereich – ballistische Raketen, Interkontinentalraketen.“

[Ulrike Franke im Skype-Interview mit dem ORF] Für die Militärexpertin ist die europäische Initiative vor allem ein politisches Signal.

FRANKE: „Um die Abschreckung zu stärken. Um das … den, den … den Gegner – in dem Fall zumindest aktuell wahrscheinlich eben Russland – auch so ein bisschen das Druckmittel zu nehmen, weil man eben sagt: Na ja, also mindestens Hochwertziele haben wir eben geschützt und ihr könnt nicht, ja, mit Angriffen aus der Luft oder angedrohten Angriffen aus der Luft so viel Druck machen und uns erpressen.“

[AbgzNR Douglas Hoyos-Trautmannsdorff im Volksgarten vor dem Bundeskanzleramt] Unterstützung für die Pläne der Bundesregierung kommt heute von den NEOS. Die [AbgzNR Philip Kucher im Interview vor dem Parlament] SPÖ kritisiert die fehlende Einbindung des Parlaments. Klar dagegen ist [AbgzNR Christian Hafenecker im Interview vor dem Freiheitlichen Parlamentsklub in der Reichsratsstraße 7] die FPÖ – sie sieht die Neutralität in Gefahr.

Christian Hafenecker (Generalsekretär, FPÖ): „Die österreichische Neutralität wird wieder einmal ein Stück mehr ausgehöhlt. So wie’s immer wieder passiert. ,Sky Shield‘ ist auch ein Verteidigungsbündnis – analog zur NATO. Wir könnten hier jederzeit in Beistandspflichten hineingeraten – und natürlich auch zum militärischen Ziel werden!“

[Dr. Ralph Janik am Ballhausplatz] Eine Befürchtung, die der Völkerrechtsexperte nicht teilt.

Ralph Janik: „Die Zusammenarbeit, der Austausch von Daten und die Anschaffung von Systemen, die miteinander zusammen werken können, ist als solches neutralitätsrechtlich noch kein Problem. Neutralitätsrechtlich wird es dann ein Problem, wenn wir im Bereich des Militärbündnisses sind. Da ist das Paradebeispiel, das man in jedem Lehrbuch findet, natürlich die NATO. Aber davon sind wir weit entfernt.“

[BM Tanner und Botschafterin Kennedy beim Abschreiten der Front in Zeltweg] Am Freitag will Österreich die Absichtserklärung zum „Sky Shield“-Beitritt [Hissen der österreichischen Flagge beim Festakt in Zeltweg] unterzeichnen. Frühestens 2025 soll der Schutzschild dann in Betrieb gehen.

Bericht: D. Weidlinger / H. Jungreuthmayer

Mitarbeit: M. Biegler / J. Ruprecht
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WOLF: „Und wir hätten das natürlich gerne mit Verteidigungsministerin Tanner besprochen. Sie hat ein Studiogespräch leider abgelehnt. Wie übrigens alle Einladungen ins ZIB2-Studio in den letzten drei Jahren.

Live bei mir ist jetzt aber Brigadier Gerfried Promberger, der Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte. Guten Abend, vielen Dank für’s Kommen!“

Gerfried Promberger (Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte): „Guten Abend!“

WOLF: „Herr Brigadier, dass ein europäischer Schutzschirm sinnvoller ist als ein regionaler, das ist einleuchtend. Aber was ganz konkret erwartet sich das Bundesheer von einer Teilnahme an ,Sky Shield‘?“

PROMBERGER: „Danke, Herr Wolf, für die Einladung in’s ZIB2-Studio. Als Kommandant der Luftstreitkräfte hab‘ ich einen klaren Auftrag: Das ist die Wahrung der Lufthoheit über dem österreichischen Staatsgebiet, Schutz der Bevölkerung und Aufrechterhaltung der Souveränität der Republik Österreich. Und das kann ich mit den derzeitigen Mitteln nicht. Und genau das soll diese neue ,European Sky Shield Initiative‘ ermöglichen.“

WOLF: „Was würde die, ganz konkret, für Österreich leisten?“

PROMBERGER: „Einerseits ist es ein Zusammenschluss von mehreren Nationen. Im Prinzip ist es ein Beschaffungsvorgang, ein einheitlicher, ein europäischer Ansatz, wo wir versuchen, marktverfügbare und vor allem technisch ausgereifte Produkte entsprechend zu erwerben – vor allem zu wesentlich kostengünstigeren Konditionen. Wir könnten uns auch als Einzelnation hinten anstellen, dann würden wir das wahrscheinlich irgendwann einmal auch bekommen – nur, wir brauchen’s relativ zeitnah.“

WOLF: „Aber was würde dann Österreich ganz konkret beitragen zu diesem System?“

PROMBERGER: „Wir haben bereits, schon seit vielen vielen Jahren machen wir einen Radaraustausch – wir nennen das ,Air Situation Data Exchange‘ – beispielsweise mit Deutschland schon seit 2006 oder auch mit der Schweiz seit 2007. Also das … wir leisten einen Beitrag. Wir haben ein sehr sehr leistungsfähiges Luftraumbeobachtungs- und Führungssystem ,Goldhaube‘, mit dem wir beispielsweise bis südlich Berlin oder weit über das Dreieck Tuzla-Sarajevo-Srebrenica sehen, aber auch sehr sehr weit Richtung Osten. Und genauso diese Daten können gemeinsam verarbeitet werden.“

WOLF: „Gut, aber das System das haben wir ja schon, da müssten wir jetzt nix einkaufen … Also wenn Sie jetzt sagen, das ist quasi so eine Art Einkaufsgenossenschaft. Das Bundesheer investiert ja an sich schon in den nächsten Jahren zwei Milliarden Euro in seine Luftabwehr – ganz unabhängig von ,Sky Shield‘. [PROMBERGER: „Genau.“] Das wurde ja alles schon bekannt gegeben. Das sind aber keine Systeme gegen weiter reichende Raketen [PROMBERGER: „Ja.“] dabei, wie zum Beispiel diese ,Patriots‘ oder noch weiter reichende, wie diese israelischen ,Arrow 3‘, die Deutschland jetzt kauft.

Wird Österreich dann auch solche Systeme kaufen?“

PROMBERGER: „Also wir haben derzeit die Situation, dass wir sehr veraltetes Gerät haben: Eine leichte Fliegerabwehrlenkwaffe kurz … kürzester Reichweite, bis 5 – 6 Kilometer. Oder eine zivile … oder eine Zwillings-Fliegerabwehrkanone. Das ist, wie g’sagt, Technologie der 70er-Jahre. Wir trachten danach – und da gibt’s ein Mehrschicht-System, um eben den Schutz eines Schutzobjekts oder einer kritischen Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Also, sprich: Kurze Reichweite sprechen wir von 15 Kilometer, mittlere Reichweite bis 50 Kilometer und größere Weite über 50 Kilometer.
Natürlich wär‘ ein Schutz von kritischer Infrastruktur über 50 Kilometer wünschenswert.“

WOLF: „Das heißt, das kaufen wir dann auch! Ein solches Raketenabwehrsystem.“

PROMBERGER: „Wir werden einfach gemeinsam prüfen, mit den europäischen Staaten, welches Format oder welches Produkt für uns passend ist. Und genau dies … diese Planungen sind ja angestoßen. Und dann werd‘ ma uns kommend … ganz konkret entscheiden, was zu Österreich passt.“

WOLF: „Jetzt sagt die Verteidigungsministerin und der Kanzler, dass das mit der Neutralität kein Problem ist. Aber bei der Gründung von ,Sky Shield‘ im Oktober - im NATO-Hauptquartier war das – da hieß es ausdrücklich – ich zitiere: ,Diese Initiative wird die Integrierte Luft- und Raketenabwehr der NATO stärken‘.

Warum sollte das neutrale Österreich die Luftabwehr der NATO stärken? Und wie passt die Teilnahme an so einer NATO-Initiative mit der Neutralität zusammen?“

PROMBERGER: „Die Frage der Neutralität hat die Politik bereits beantwortet. Für mich als Offizier gilt das Primat der Politik. Und an dem halt‘ ich mich.“

WOLF: „Na ja, die Frage der Neutralität kann ja nicht die Politik beantworten, die beantwortet ja schon das Völkerrecht irgendwie. Ich nehme an, Sie kennen sich da auch aus. Und ich fürcht‘ so leicht kann ich Sie da jetzt nicht rauslassen, Herr Brigadier.“

PROMBERGER: „Wir sind selbstä … Im Prinzip geht’s ja viel viel weiter: Es geht um … um eine verteidigungspolitische Zeitenwende, die vom Kanzler und von der Bundesregierung angestoßen wurde. Einerseits manifestiert durch ein höheres Verteidigungsbudget, aber andererseits auch klarer Wille, eine wehrhafte Demokratie zu vertreten. Das heißt, die Neutra… wir müssen auch die Neutralität schützen! Das heißt, zuerst wie ich eingangs erwähnt habe, ich habe einen klaren Auftrag: Wahrung der Lufthoheit, Schutz der österreichischen Bevölkerung. Dazu brauch‘ ich eben die Mittel. Und eine … ein Marschflugkörper oder eine größere Drohne – wir sprechen da von Drohnen von 5 bis … 5 bis 6 Tonnen! – die macht auch vor einem neutralen Luftraum nicht halt. Daher müssen wir selber entsprechend die Assets haben und dann auch selbständig die Entscheidungen treffen.“

WOLF: „Aber das ist ja klar. Nur: Wenn das das einzige Ziel wär‘, dann könnten wir einfach der NATO beitreten und das wär‘ überhaupt das Sicherste! [PROMBERGER nickt] Gut, das geht mit der Neutralität nicht. Aber jetzt ist das eine NATO-Initiative – das ist keine EU-Initiative! Sind lauter NATO-Staaten dabei – und Schweden, das NATO-Mitglied wird! Es sind auch zwei NATO-Mitglieder dabei, die nicht in der EU sind – nämlich Großbritannien und Norwegen. Und auf der NATO-Website heißt es – kann man dort nachlesen: ,Diese Initiative erlaubt es den teilnehmenden Nationen, ein gemeinsames Luft- und Raketenabwehrsystem zu entwickeln.‘

Wie kann ein gemeinsames Abwehrsystem kein Verteidigungsbündnis sein?“

PROMBERGER: „Der Austausch von Informationen ist eine Sache. Der Einsatz von Wirkmitteln eine andere. Also ich brauch‘ ja einerseits Radaranlagen! Das kann man … diese Informationen kann man teilen.“

WOLF: „Ja, die haben wir ja schon!“

PROMBERGER: „Zum Teil! Also [WOLF: „Aber …“] noch nicht alles. Aber …“

WOLF: „… um die geht’s ja nicht primär. Es geht ja primär um Raketenabwehrsysteme.“

PROMBERGER: „Genau. Ich brauche Raketenabwehrsysteme, entsprechende Kanonen … Ich kann auch Laser einsetzen. Nur: Wir handeln in Österreich hoheitlich. Das heißt, diese Entscheidung treffen nur wir und sonst niemand anders.“

WOLF: „Aber wir beteiligen uns am Aufbau eines gemeinsamen Abwehrsystems. Warum ist das kein Verteidigungsbündnis?“

PROMBERGER: „Weil … weil wir nach wie vor ein souveräner, neutraler Staat sind. [WOLF: „Ja, das sind die anderen auch. Das …“] Und das bleiben wir auch.“

WOLF: „… sind die anderen NATO-Mitglieder auch!“

PROMBERGER: „Ja. Aber sie sind nicht neutral. Sondern wir bleiben neutral. Und das hat auch die Frau Bundesminister mehrfach schon festgestellt: Wir sind neutral, wir bleiben neutral. Und es darf uns aber nicht gleichgültig sein, was in der Ukraine passiert.“

WOLF: „Die Schweizer Verteidigungsministerin sagt, die Schweiz bräuchte, um ,Sky Shield‘ beizutreten, im Konfliktfall eine Ausstiegsklausel. Die Schweiz ist auch neutral. Braucht Österreich auch eine Ausstiegsklausel?“

PROMBERGER: „Ich bin Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte. Ich kann nicht für die Schweiz sprechen. Wir … durch diese Initiative, durch diesen Letter of Intent, haben wir Zugang zu Planungsdokumenten und in weiterer Folge werden wir dann diese Planungen finalisieren.“

WOLF: „Es gibt Überlegungen, dass das Oberkommando für dieses System im NATO-Hauptquartier liegen soll. Das wär‘ aber für ein neutrales Land nicht möglich, oder?“

PROMBERGER: „Das wär‘ für uns auch nicht akzeptabel, sondern die Entscheidung, ob eine Lenkwaffe über Österreich abgefeuert wird und auf ein Ziel gelenkt wird, das treffen nach wie vor wir.“

WOLF: „Aber jetzt … ganz praktisch: Wenn eine Mittelstreckenrakete aus Russland oder aus dem Iran auf Wien abgeschossen würde [PROMBERGER: „Mhm.“] Da kann man die ja nicht erst in Österreich abschießen – 50 Kilometer in Kürze vor Wien. Wie würde das denn ganz konkret funktionieren?“

PROMBERGER: „Schauen Sie, Herr Wolf: Wir haben mehrere Beispiele … Letztes Jahr im März hat eine verirrte Drohne – auch eine sehr große Drohne von mehreren Tonnen – den Weg bis nach Zagreb, nach Kroatien, gefunden. Hätte es ,Sky Shield‘ damals schon gegeben, wär’s nicht passiert.

Faktum ist: Das hat’s damals nicht gegeben. Und man darf nicht außer Acht lassen: Wir sind derzeit eigentlich ziemlich ungeschützt, was das anbelangt. Und da sprechen wir nicht nur von Wien, sondern von allen Landeshauptstädten oder größeren Events. Das heißt, wir brauchen hier eine selbständige Handlungsoption.“

WOLF: „Das versteh‘ ich, aber meine Frage war: Wie würde das ganz konkret funktionieren? Wenn eine Mittelstreckenrakete aus Russland auf Wien abgeschossen würde. Wie würde ,Sky Shield‘ dann funktionieren?“

PROMBERGER: „Indem wir, wie’s … wie man’s auch jetzt schon machen, Radardaten austauschen. Also das mit dem Air Situation Data Exchange. Und ob dann dieses System – wer auch immer das da abschießt … sobald dabei die österreichische Lufthoheit gefährdet ist oder verletzt wird, dann ist es unsere Aufgabe, das zu tun. Das machen dann wir.“

WOLF: „Aber ginge das noch? Also, wenn die Rakete schon auf österreichischem [PROMBERGER: „Ja.“] Gebiet wäre, könnte man sie noch abschießen?“

PROMBERGER: „Ja.“

WOLF: „O.K. Jetzt haben Sie vorher gesagt wir brauchen das, weil Sie sind für die Lufthoheit zuständig, aber Sie können die nicht sicherstellen. Das ist ja ein bisserl ein dramatischer Satz, weil: Jetzt gibt’s ja ,Sky Shield‘ noch nicht. Aber ich entnehme Ihrem Satz, unsere Lufthoheit ist nicht sicher. Jetzt, wenn das möglich ist mit der gemeinsamen Luftabwehr – warum müssen wir dann eigentlich unsere Luftraumüberwachung mit diesen teuren Eurofightern, die die halbe Zeit nicht einsatzbereit sind und die uns seit zwanzig Jahren ärgern. Warum müssen wir das dann eigentlich alleine organisieren? Dann wär’s doch viel sinnvoller, wir würden das auch mit anderen Ländern gemeinsam machen – so wie das neutrale Irland seinen Luftraum von Großbritannien überwachen lässt.“

PROMBERGER: „Herr Wolf, Sie haben bereits sich … die Antwort haben Sie bereits mir serviert. Als souveräner Staat müssen wir das selbständig wahrnehmen. Das tun wir auch mit der aktiven Luftraumüberwachung [WOLF: „Aber Irland ist auch ein souveräner Staat!“] mittels des Eurofighter. Ja, wie Irl… [WOLF: „Und ist neutral!“] Wie Irland das regelt ist eine Sache! Wir in Österreich, als souveräner Staat, als Republik Österreich, machen das auf diese Art und Weise. Und ich glaub‘ das ist der richtige Weg.“

WOLF: „Ja, wir machen’s auf diese Weise – aber müssen wir’s auf diese Weise machen oder könnten wir eine ähnliche Zusammenarbeit wie bei der Raketenabwehr – also die Luftraumabwehr – auch bei der Luftraumüberwachung machen.“

PROMBERGER: „Die Lufthoheit hört ja nicht zwei Meter über dem Boden auf. Und daher ist es auch unsere Aufgabe, die Luftsicherheit auch entsprechend durchzusetzen und im Endeffekt das Ziel ist immer: Schutz der österreichischen Bevölkerung. Und das hängt auch, wie g’sagt, abhängig vom Bedrohungsszenario! Und das hat sich seit letztem Jahr dramatisch geändert.“

WOLF: „Jetzt hab‘ ich’s aber immer noch nicht verstanden. Das tut mir leid. Vielleicht bin ich auch zu begriffsstutzig, aber: Wenn wir Raketen gemeinsam mit anderen Ländern abschießen können und das gemeinsam organisieren können. Warum können wir dann die viel harmlosere Luftraumüberwachung – wir steigen auf und schauen wer da rumfliegt – nicht gemeinsam mit anderen Ländern organisieren?“

PROMBERGER: „Das … auch das haben wir schon längst geregelt. Da gibt’s ein Luftsicherheitsabkommen gegen Bedrohungen aus der Luft, gegen nichtmilitärische Ziele. Die haben wir bereits mit der Schweiz abgeschlossen [WOLF: „Nichtmilitärische.“]. Nichtmilitärische Ziele. Es kann ja auch ein Zivilluftfahrzeug, wie’ma wissen bei 9/11, kann als terroristische Waffe eingesetzt werden.

Wir haben auch dieses Abkommen, die Frau Bundesministerin, bereits letztes Jahr unterzeichnet mit Deutschland. Und so geht’s in weiterer weiter. Also wir sind jedenfalls hier in Finalisierung mit der Tschechischen Republik und mit Italien. Und wir bringen das auf eine gemeinsame bilaterale Ebene jeweils.“

WOLF: „Gut. Momentan ist es nichtmilitärisch.

Jetzt hat man ja lang nicht gewusst, was man mit den Eurofightern tun soll. Also, Sie sind ja für die verantwortlich. Die wollte man auch zum Teil schon verkaufen. Jetzt behalten wir sie. [PROMBERGER: „Mhm.“] Sie werden relativ teuer nachgerüstet. Und im Februar hat die Verteidigungsministerin auch gesagt, Österreich kauft möglicherweise noch weitere Eurofighter. Wird das passieren?“

PROMBERGER: „Das ist derzeit ein Prüfungsvorgang. Diese … ein Midlife-Upgrade, das ist ein normaler Vorgang bei Rüstungsgütern. Das wird auch derzeit gerade bearbeitet. Wird dann Frau Bundesministerin final zur Entscheidung vorgelegt. Da geht’s beispielsweise um moderne Software oder um Radarlenkwaffen, die entsprechend notwendig sind.“

WOLF: „Ja, das ist ja schon bekannt. Aber die Frage war: Kaufen wir noch weitere Eurofighter?“

PROMBERGER: „Das ist derzeit Prüfungsgegenstand.“

WOLF: „Bis wann wird das entschieden?“

PROMBERGER: „Ich gehe davon aus, dass das noch heuer entschieden wird.“

WOLF: „Und jedenfalls werden noch andere Flieger gekauft, als Nachfolger für die Saab-105 [PROMBERGER nickt], die ja schon vor Jahren ausgemustert wurden. Und da sollte die Typenentscheidung bis zur Jahresmitte fallen. Die Jahresmitte war letzte Woche. Ist die Entscheidung gefallen?“

PROMBERGER: „Ist mir momentan nicht bekannt. Mein Zeithorizont war bis Jahresende, wo das entschieden werden sollte. Es steht ja nicht nur der Advanced Jet Trainer als Nachfolger für die Saab-105, an, sondern auch der Ersatz der ,Hercules‘, das Transportflugzeuge, oder Ersatz der Augusta Bell 212, der Transportflotte. Auch hier sind Entscheidungen notwendig und die sollen alle bis Ende des Jahres getroffen werden.“

WOLF: „Herr Brigadier, vielen Dank für Ihren Besuch im Studio.“
https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14184850


Demnächst Windmessungen auf Lehmberg
Bis zu 15 Windräder seien auf dem Lehmberg jedenfalls möglich, sagt Grundbesitzer Max Mayr Melnhof. Sollte sich der rund 1.000 Meter hohe Lehmberg als guter Windstandort bestätigen, möchte die Salzburg AG zusammen mit der Wien Energie und Grundeigentümer Mayr Melnhof sowie unter Einbindung der Region konkretere Planungen starten.

Windräder auf dem Lehmberg zwischen Thalgau und Neumarkt am Wallersee könnten so viel Strom wie etwa drei Salzach-Kraftwerke produzieren. Ein gewichtiges Wort mitzureden hat aber auch das Bundesheer, das bereits mögliche Störungen der Radarstation auf dem benachbarten Kolomannsberg untersuchen hat lassen – das Ergebnis ist noch nicht bekannt.
https://salzburg.orf.at/stories/3214343/
Zuletzt geändert von theoderich am Sa 8. Jul 2023, 03:59, insgesamt 5-mal geändert.
theoderich
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

Heer rüstet sich für neue Bedrohungen

https://noe.orf.at/stories/3214529/


Die Lage: Inside Austria
Die praktische Liebe des österreichischen Kanzlers zur Neutralität
Österreichs Beteiligung an der europäischen Flugabwehr »Sky Shield« offenbart eine groteske Unehrlichkeit: Das Land will Teil des Verteidigungsbündnisses sein – beteuert aber, militärisch bündnislos zu bleiben.

Alle Monate wieder flammt in Österreich das Thema Neutralität auf. Vor einigen Wochen ging es darum, ob das Bundesheer dabei helfen könnte, Schulen, Kindergärten und andere zivile Einrichtungen in der Ukraine von russischen Minen zu befreien. Es wäre ein humanitärer Beitrag Österreichs für das von Wladimir Putins Truppen überfallene Land gewesen. Doch Kanzler Karl Nehammer wiegelte ab.

Mit anderen Worten: Man kann nicht mitmachen trotz Putin, wegen der Neutralität.

Nun aber hat der Regierungschef verkündet, dass sein Land »Sky Shield« beitreten wolle. In dem vom deutschen Kanzler Olaf Scholz initiierten Bündnis haben sich mehrere Nato-Staaten zusammengeschlossen, um Raketen- und Drohnenattacken abzuwehren. Nehammers Begründung: Russlands Angriff auf die Ukraine verschärfe auch die Bedrohungslage für Österreich.

Mit anderen Worten: Man kann mitmachen wegen Putin, trotz Neutralität.

Neutralitätsfolklore

Die politische Unehrlichkeit bei dem Thema hat inzwischen Tradition in Österreich, vor allem bei den drei größeren Parteien ÖVP, SPÖ und insbesondere bei der nach wie vor stets russlandfreundlich agierenden FPÖ.

Die rot-weiß-rote Neutralität wird meistens so ausgelegt, wie es gerade opportun ist. Dabei ist Österreich spätestens seit dem EU-Beitritt eingebettet in gemeinsame Sicherheitsstrukturen. Als Chef des EU-Militärausschusses avancierte mit Robert Brieger sogar ein österreichischer General zum ranghöchsten Soldaten Europas – eine Personalie, die die FPÖ stolz bejubelte.

Österreich allein wäre mit dem finanziell ausgehungerten Bundesheer nicht zu verteidigen , das bestätigen auch Militärs hinter vorgehaltener Hand. Die Politik schien das lange nicht zu stören: Da man (mit den ebenfalls bündnislosen Nachbarn Schweiz und Liechtenstein) von Nato-Staaten umgeben ist, glaubte man, militärische Sicherheit bestünde ohnehin.

Das bisherige Kalkül österreichischer Bundesregierungen brachte ein früherer Außenstaatssekretär vor wenigen Tagen auf den Punkt: »Wenn andere angegriffen werden, müssen wir wegen der Neutralität nichts tun«, schrieb er bei Twitter. Bei einer Bedrohung Österreichs aber gelte die Beistandsverpflichtung der EU, »moralisch« würde auch die Nato beistehen.


Auch die Schweiz wird bei »Sky Shield« wohl andocken

So fiel es den Regierungsvertreterinnen und -vertretern in den vergangenen Jahrzehnten besonders leicht, Neutralitätsfolklore zu betreiben. Sie war und ist innenpolitisch populär. Und in der Außenwirkung steigerte sie die Attraktivität des Landes auch bei Angehörigen aus Putins Machtbereich, die sich und ihre dubiosen Gelder gerne diskret in Österreich parkten .

Die Invasion Russlands in der Ukraine änderte allerdings manches: Nehammer beendete den von seinem Vorgänger Sebastian Kurz noch hemmungslos betriebenen Kuschelkurs mit Team Putin, nun lässt der Kanzler Österreich bei »Sky Shield« andocken.

Die Schweiz wird wohl auch mitmachen, das erleichtert Österreich, offiziell die groteske Botschaft zu wiederholen: Man wird Teil eines militärischen Verteidigungsbündnisses, bleibt aber selbstverständlich militärisch bündnislos. »Wir pflegen hierzulande eine praktische Liebe zur Neutralität – eher weniger zur Realität«, schreibt die stellvertretende STANDARD-Chefredakteurin Petra Stuiber in einem Kommentar – »praktische Liebe« trifft es bestens.
https://www.spiegel.de/ausland/oesterre ... 9484917da2
theoderich
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

Bundesheer: In Güssing könnte bald unterirdisch geschossen werden
16 Milliarden Euro sollen österreichweit bis 2032 in das in den letzten Jahren stiefmütterlich behandelte Bundesheer fließen. Zumindest wenn es nach der „Mission Vorwärts“ der Bundesregierung geht.

Auch die Güssinger Montecuccoli-Kaserne, erst vor neun Jahren als „modernste Kaserne Europas“ fertiggestellt, rüstet auf. „Assistenzeinsätze haben unseren Arbeitsalltag in den letzten Jahren geprägt“, erklärte Brigadier Christian Habersatter anlässlich des gestrigen Traditionstages in Güssing. Man müsse auch auf „robustere Missionen“ vorbereitet sein. „Die Fähigkeit zum Kampf ist wiederzubeleben“, heißt es.

Für das in Güssing beheimatete Jägerbataillon 19 soll daher neue Ausrüstung beschafft werden. Darunter fallen neben Nachtsichtmitteln und modularen Schutzsystemen für Soldaten auch Werkzeuge zur Panzer- und Fliegerabwehr. Außerdem gibt es modernisierte Sturmgewehre. Die ersten 300 mit neuer Zieloptik seien bereits eingetroffen.

Kooperation mit Gymnasium und Gemeinde

Weiters will die Kaserne in die Ausbildung der Grundwehrdiener und Milizsoldaten investieren. „Es gibt schon Zulauf“, erklärt Kommandant Christian Luipersbeck. Mit dem ansässigen Gymnasium wird bereits kooperiert, mit der Stadtgemeinde wurde gestern eine Vereinbarung unterschrieben.

Man habe außerdem die zeitweilige Reduzierung der Ausbildungsplätze von 100 auf 25 in der Wiener Neustädter Militärakademie (MilAk) gespürt. „Das fällt uns aktuell etwas ins Gewicht, mittlerweile gibt es aber wieder 100 Plätze“, so Luipersbeck. Außerdem konkurriere man unter anderem bei Köchen und Fahrzeugmechanikern mit der Privatwirtschaft.

Ausgedient hat auch der Mannschaftstransporter „Pandur“. Das altehrwürdige Fahrzeug wird ausgemustert und an seine Stelle tritt das Nachfolgermodell „Pandur Evo“. Die Verträge seien bereits unterzeichnet. Rund 90 dieser Fahrzeuge sind für Güssing vorgesehen, damit wird das Kontingent in den nächsten Jahren mehr als verdoppelt.

Problematisch ist jedoch die fehlende Bahnverbindung im Bezirk. Für technische Überprüfungen der Mannschaftstransporter müssen diese ins steirische Fürstenfeld gebracht und dort auf die Bahn verladen werden.

Schießplatz im Untergrund wohl einzige Lösung

Auch für das Jägerbataillon Burgenland soll mehr Platz geschaffen werden. Für die Energie-Autarkie soll ein Notstromaggregat kommen, welches sich aber aufgrund der Nachfrage ein paar Monate verzögern wird.

Der größte Nachteil der Kaserne ist das Fehlen eines Schießplatzes. Aktuell weicht man auf den steirischen Schießplatz Kornberg, in der Nähe von Feldbach, aus. Die Errichtung eines eigenen Übungsplatzes sei laut Oberst Luipersbeck eine „Prioritätsforderung“, wenngleich aufgrund der Anrainer problematisch.

Realistisch wäre Untergrund-Lösung. Ein Platzproblem hat die Kaserne übrigens nicht. Auf den 123 Hektar Kasernenareal soll in nächster Zeit auch eine Ortskampfanlage für Übungszwecke errichtet werden.
https://kurier.at/chronik/burgenland/bu ... /402513562


„Krone“-Interview
Sky Shield: „Kein Konflikt mit neutralen Ländern“

https://www.krone.at/3053545
Zuletzt geändert von theoderich am Fr 14. Jul 2023, 22:35, insgesamt 2-mal geändert.
theoderich
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

Österreichs geschrumpfte Neutralität
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 tauchen Debatten um Österreichs Neutralität stetig auf. Umfassend wie vielfach angenommen ist die Neutralität heutzutage längst nicht mehr. Im Jahr 1955 bekannte Österreich in einem Verfassungsgesetz zwar „seine immerwährende Neutralität“. Im Zuge des EU-Beitritts 1995 wurde im Bundes-Verfassungsgesetz aber verankert, dass Österreich an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union (GSVP) mitwirkt. Seither habe Österreich „seine Neutralität schrittweise reduziert“, sagt Europarechtler Walter Obwexer zur „Presse“. Vom Neutralitätsgesetz 1955 sei nur noch ein harter Kern übriggeblieben. Nämlich, dass Österreich an keinem Krieg teilnimmt, keinem Militärbündnis beitritt und keine fremden Stützpunkte im Land errichten lässt. Diesem Restbestand an Neutralität stehen zahlreiche Kooperationen, die Österreich eingegangen ist, gegenüber.

Beschlüsse in der EU

In den vergangenen Jahren hat die Kooperation in der GSVP stark zugenommen. Angetrieben wurde das durch den Ukraine-Krieg. Bereits davor wurde 2021 die Europäische Friedensfazilität gegründet. Damit können militärische Kooperationen der EU mit Partnerstaaten, aber auch Waffen für diese Länder finanziert werden. Ursprünglich war der milliardenschwere Topf für afrikanische Staaten vorgesehen. Infolge der russischen Invasion verschob sich der Fokus aber auf die Unterstützung der Ukraine.

Nun hat sich Österreich beim Beschluss der Friedensfazilität zwar „konstruktiv erhalten“, erklärt Obwexer, aber es fließen österreichische Gelder in den Topf. Dieses Geld darf nicht für den Kauf von Waffen verwendet werden, jedoch für „andere, für Österreich neutralitätsrechtlich unproblematische Maßnahmen“, sagt Obwexer. Das könnten Schulungen für afrikanische Soldaten oder Wiederaufbaumaßnahmen in der Ukraine sein. Österreich zahlt also genauso wie andere Staaten Geld in einen Topf ein, mit dem auch Waffen für die Ukraine gekauft werden, nur muss das österreichische Geld für andere Maßnahmen verwendet werden.

Österreich ist auch Teil der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Pesco), in der sich die EU-Staaten besonders in der GSVP engagieren. In der Pesco werden unter anderem gemeinsame Rüstungsprojekte vorangetrieben. An den schnellen EU-Eingreiftruppen will sich Österreich ebenfalls beteiligen. Die Planungen dafür laufen, ab 2025 sollen europaweit insgesamt 5000 Soldaten für Einsätze bereitstehen. Im Anlassfall sollen die EU-Staaten auf die Einheiten für gewisse Szenarien zurückgreifen können. Etwa, um EU-Bürger aus Konfliktzonen herauszuholen oder humanitäre Einsätze durchzuführen. Dabei baut die EU auf den vorhandenen EU-Battlegroups auf, die bisher noch nie eingesetzt wurden und an denen Österreich bereits teilnimmt.

Waffentransporte

Österreich hat infolge des Ukraine-Kriegs Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland mitgetragen. Ebenso aber auch ­einen EU-Beschluss, wonach die Mitgliedstaaten Waffentransporte an die Ukraine durch ihr Staatsgebiet erlauben müssen. Sollte ein EU-Staat also Waffen direkt in die Ukraine durch Österreich transportieren wollen, so müsste das Innenministerium das Ansuchen genehmigen.

Die Bundesregierung gibt sich zu diesem Thema verschlossen. Das zeigte ein Transport von 20 italienischen Panzerhaubitzen durch Österreich nach Polen im April 2023. Die Waffen landeten in weiterer Folge offensichtlich in der Ukraine. Türkis-Grün gab sich schweigsam und verwies lediglich darauf, dass solche Transporte zwischen EU-Staaten nicht genehmigungspflichtig seien.

Die Beistandspflicht

Unklar bleibt auch Österreichs Position hinsichtlich der Beistandspflicht, die im Vertrag über die Europäische Union verankert ist. Wird ein EU-Staat angegriffen, müssen ihm die anderen Mitgliedstaaten beistehen. Aufgrund der „irischen Klausel“ und seiner Neutralität könnte Österreich davon Abstand nehmen. Allerdings drohen Österreich dann schwere Konsequenzen. Bundesheer-Strategen warnten in einem geheimen Strategiepapier vor einem „Neutralitätsrisiko“. Es drohe eine politische und wirtschaftliche Isolation des Landes, sollte es sich bei der Beistandspflicht unsolidarisch zeigen.

Die Nato-Partnerschaft

Österreich und die Nato rückten enger zusammen, weil das Nato-Mitglied Türkei seine Blockade gegen Österreich aufgegeben hat. 2022 einigten sich das Bündnis und Österreich auf ein Individually-Tailored Partnership Programme (ITPP). Die Zusammenarbeit umfasst zurzeit „rund 20 Bereiche“, sagt Peter Vorhofer zur „Presse“, der die Direktion Verteidigungspolitik und internationale Beziehungen im Verteidigungsministerium leitet. Als Beispiele führt der Brigadier Themen wie Klimawandel und Sicherheit, elektronische Kriegsführung, Minendetektion und Luftraumüberwachung an. Für das Bundesheer geht es vor allem um „Know-how“ für die Streitkräfteentwicklung, also darum, dass die Standards der Armeen aufeinander abgestimmt sind und diese etwa „ den gleichen Treibstoff tanken oder die gleiche Munition verschießen“. Und da setze die Nato die Standards. Österreich war vom Informationsfluss abgeschnitten. Mittlerweile öffnen sich auch die Türen des Nato Defense College in Rom wieder für Teilnehmer aus Österreich.

Österreich kooperiert auch bilateral mit anderen Staaten enger als vielfach bekannt. Mit 25 Staaten gebe es vertragliche Abkommen, sagt Vorhofer. Zu den wichtigsten zählt der Brigadier die „USA, Deutschland, Frankreich“, darunter eine Kooperation mit der ­Nationalgarde im US-Bundesstaat Vermont, aber auch solche auf dem Balkan. Beispiel: „Den Aufbau der montenegrinischen Alpinkräfte hat Österreich ganz allein gemacht.“

Die Abhörmaßnahmen

Neben offiziellen Kooperationen gibt es inoffizielle, über welche die Republik schweigt. Etwa jene mit den USA, die nach 1945 den Wiederaufbau des militärischen Auslandsnachrichtendiensts Österreich unterstützt haben. Sie finanzierten 1959 und 1960 die Errichtung der Abhörstation Königswarte in Hainburg, mit der in den Osten hineingehorcht wurde. Die Erkenntnisse flossen zu den Amerikanern. Im Kalten Krieg war die Abhörstation von großer Bedeutung, doch auch heute noch ist sie in Betrieb. Inwieweit es Kooperationen zwischen dem Heeres-Nachrichtenamt und den Amerikanern gibt, ist unklar.

Der Sky Shield

Beim Sky Shield handelt es sich um kein ­EU-Projekt im Rahmen der GSVP oder einen Nato-Vorstoß. Der Zusammenschluss 19 europäischer Länder soll ermöglichen, Drohnen- und Raketenangriffe effektiv abzuwehren. Was genau aus der Initiative erwächst, muss verhandelt werden. Zumindest ist der Sky Shield eine Beschaffungsplattform. Dadurch sollen die Staaten schneller und billiger an Waffensysteme kommen, Österreich soll sich auch an Training und Ausbildung der Soldaten für Sky Shield beteiligen.

Wo aber die Waffen stationiert und inwiefern ihr Einsatz koordiniert werden soll, ist noch nicht bekannt. Das Verteidigungsministerium stellt das Vorhaben einerseits als Einkaufsplattform dar, andererseits sieht ­Ministerin Tanner in der Absichtserklärung gleich einen „historischen“ Schritt für Österreich. Jedenfalls soll es mit dem Raketenschutzschirm schnell gehen. Bereits 2024 soll ein Schutz vor Raketen und Geschossen kleiner und mittlerer Reichweite geboten und 2025 der ganze Schirm aufgespannt werden.

Als Beschaffungsinitiative ist der Shield neutralitätsrechtlich unproblematisch. Heikel wird es, wenn die Waffen in Österreich stationiert werden und über deren Einsatz nicht mehr das österreichische Militär, sondern etwa ein fremder Kommandant in Deutschland verfügt. Das würde gegen die im Neutralitätsgesetz festgeschriebene Stützpunktfreiheit verstoßen, erklärt Obwexer. Denn diese umfasse nicht nur, dass Österreich keine fremde Militärbasis in seinem Land zulasse. Sondern sie sichere auch ab, dass Österreich über den Einsatz der im Land stationierten Waffen selbst entscheide. Türkis-Grün hat betont, dass Österreich seine Lufthoheit und Souveränität behalten werde.
https://www.diepresse.com/13441550/oest ... utralitaet
  • Das ewige Märchen von der schützenden Neutralität (Leitartikel)
    In der Neutralitätsdebatte wimmelt es noch immer vor Halbwahrheiten und unbelegten Glaubenssätzen. Das wird schön langsam zum Sicherheitsproblem.

    Nach Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine stellten einige wenige Österreichs Bündnispolitik infrage. Sie sagten: Die Neutralität schützt nicht mehr. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Neutralität hat nie geschützt. Sobald der Kalte Krieg heiß geworden wäre, wäre das freundlich-neutrale Österreich nicht respektvoll umkurvt, sondern schamlos überrannt worden. Die Pläne dafür lagen schon in der Schublade. Im Bundesheer wussten sie das zwar immer. Aber im kollektiven Gedächtnis der Nation ist für solche historische Fakten kein Platz. Dort hält sich der Irrglaube, dass die Neutralität alles Unfriedliche auf wundersame Weise abgehalten hat.

    Dass sich die Österreicher bald mit wehenden Fahnen in die Nato begeben, ist so wahrscheinlich wie der Aufbau einer schlagkräftigen EU-Armee: Es wird nicht passieren. Auch deshalb nicht, weil es hierzulande nie eine Debatte über Vor- und Nachteile der Neutralität gab, wie sie andere Staaten vorexerziert haben. Aber vor allem, weil in Österreich noch immer die alten Kräfte wirken, die das Land in neutralen Bahnen halten - vom latenten Antiamerikanismus in fast allen politischen Lagern bis zur Ablehnung von allem Militärischen, die sich historisch nachvollziehen lässt und auch sympathisch erscheinen mag, aber in diesen Zeiten auch gefährlich naiv ist.

    In der Neutralitätsdebatte wimmelt es außerdem vor Halbwahrheiten und unbelegten Glaubenssätzen, die von der Politik oft nicht widerlegt, sondern wiederholt werden. Zum Beispiel, dass ein Angriff auf Österreich schon deshalb unwahrscheinlicher ist, weil das Land ja neutral ist. Man kann das auch ganz anders sehen. Denn Österreich ist ja nur militärisch neutral, nicht politisch. Wer also in Österreich nur zum Beispiel die kritische Infrastruktur sabotiert, trifft damit einen EU-Staat, ohne sich gleich mit der Nato und damit dem mächtigsten Verteidigungsbündnis der Welt anzulegen. Unwahrscheinlich. Zum Glück. Aber eine umsichtige Sicherheitspolitik denkt immer auch in Worst-Case-Szenarien.

    Apropos Mythen: Die Neutralität ist kein hautenges Korsett, wie das manchmal suggeriert wird. Also sie ist das nicht mehr. Der EU-Beitritt hat die Neutralität verwandelt und begrenzt. Österreichs Neutralität ist so besehen kein Zustand, sondern eher ein Prozess und rechtlich ist an Kooperationen schon mehr möglich als vielen bekannt ist. Aber mitunter fehlt der politische Wille in einem Land, in dem selbst eine Parlamentsrede von Wolodymyr Selenskij von der FPÖ und von Teilen der Sozialdemokratie als Verstoß gegen den Geist der Neutralität missdeutet wird.

    Oder „Sky Shield“: Dass Österreich mit Partnern Luftabwehrsysteme einkaufen will, weil es sich sonst hinten und bis zum Sankt Nimmerleinstag anstellen müsste, ist ein Gebot der Stunde. Ob sich die Initiative wirklich zu einem effektiven Raketenabwehrschirm auswächst, ist noch nicht ganz klar. Aber auch dann wäre Österreich nicht zum Mitmachen gezwungen, wie eine Zusatzerklärung festlegt. Trotzdem ging schon jetzt durch die FPÖ ein Aufschrei wegen der Sky-Shield-Beteiligung, als hätte sich Österreich soeben mit Atomwaffen eingedeckt.

    Fast überall wird hierzulande die Geschichte vom rot-weiß-roten Brückenbauer erzählt, auf den die Welt angeblich wartet. Nur leider decken sich Selbst- und Fremdbild nicht. Der „Economist“, ein Leitmedium der westlichen Welt, reihte Österreich neulich auf Platz zwei in der Liste von Putins „nützlichen Idioten“ in Europa. Über die Platzierung kann man streiten. Über den Imageschaden nach zwei Jahrzehnten Putin-freundlicher Politik nicht.

    Um Österreich wird es einsamer. Die Verteidigung Europas wird zwar in Brüssel konzipiert, aber im Nato-Hauptquartier, nicht in den EU-Zentralen. Österreich ist nur Zaungast. Es darf nicht mitreden, wenn es um Schlüsselfragen geht. Und auch in der EU wird es um Österreicher einsamer, seit die Finnen und Schweden beschlossen haben, ihre Bündnisfreiheit abzulegen. Der Klub der Neutralen mutiert zum Leichtgewicht, dem neben Österreich nur noch Irland, Zypern und Malta angehören. Drei Inseln also. Aber Österreich ist keine Insel. Auch nicht der Seligen.
    https://www.diepresse.com/13441575/das- ... utralitaet
theoderich
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

Verteidigungsexperte zu Sky Shield: "Österreich darf sich nicht nur Rosinen rauspicken"

https://www.derstandard.de/story/300000 ... rauspicken
  • Die Beteiligung an Sky Shield ist ein richtiger Schritt in Richtung Nato (Kommentar)
    Rein formal verstößt der Beitritt Österreichs und der Schweiz zur europäischen Sky-Shield-Initiative sicher nicht gegen die Neutralitätsgesetze der beiden Alpenrepubliken. Dafür haben die Rechtsberater in Wien und Bern schon gesorgt. Aber die Beteiligung an einem Raketenschild, der von Nato-Staaten initiiert wurde und nur gemeinsam sinnvoll betrieben werden kann, steht im klaren Widerspruch zum Geist der Neutralität, deren Kern ja darin besteht, sich von Militärbündnissen fernzuhalten.

    So gesehen hat die FPÖ mit ihrer massiven Kritik an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und der ganzen Bundesregierung nicht unrecht. Ein wahrhaft neutrales Land müsste seinen eigenen Schutzschild gegen Raketen, Drohnen und andere Bedrohungen aus der Luft aufbauen und auch sonst allein für seine militärische Sicherheit sorgen.

    Das war schon vor einem Jahrhundert schwer möglich, wie Belgien und die Niederlande in den beiden Weltkriegen zu spüren bekamen. Und das ist heute völlig illusorisch. Die Armee eines kleinen Landes, die sich nicht eng mit mächtigeren Verbündeten vernetzt, hat keine Chance gegen äußere Aggressionen, auch nicht gegen die immer bedrohlicheren Cyberangriffe. Das weiß man beim Bundesheer, das bereits zur Zeit des Kalten Krieges eng mit der Nato kooperiert hat. Der Preis einer ernsthaften militärischen Neutralität wäre die Wehrlosigkeit.

    Politisch ist Österreich ohnehin nicht neutral und kann es als EU-Mitglied gar nicht sein, wie es die Spitzen der Republik vom Bundeskanzler abwärts stets betonen. Selbst die Schweiz hat ihre Doktrin der Unparteilichkeit in fremden Konflikten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine aufgeben oder zumindest aufweichen müssen. Denn wer angesichts von massiven Völkerrechtsverletzungen auf strikte Nichteinmischung pocht, der verstößt gegen alle internationalen ethischen Standards und gefährdet damit seine eigene Sicherheit. Ein Staat, der keine Solidarität beweist, kann selbst nicht mit Unterstützung anderer rechnen.

    Festes Bündnis

    Die Sky-Shield-Entscheidung, so sinnvoll sie ist, sollte daher allen die Sinnlosigkeit unserer Neutralitätspolitik vor Augen führen. Sky Shield ist formal kein Nato-Projekt, weil Frankreich alternative Pläne wälzt. Aber de facto rückt Österreich damit ein Stück näher an die Nato heran – die einzige Organisation, die im heutigen Europa für militärische Sicherheit sorgen kann.

    Die Autonomie, die das Bundesheer unter dem Raketenschild behalten wird, wäre auch bei einem Beitritt zur Nato gegeben. Kein Mitglied kann dazu gezwungen werden, sich an militärischen Operationen oder gar Kriegen zu beteiligen. Selbst weiche Maßnahmen wie Sanktionen sind freiwillig, wie man am Beispiel der Türkei sieht. Zwischen der Sicherheitsdoktrin des neutralen Österreich und jener des Nato-Staats Dänemark gibt es faktisch keinen Unterschied.

    Wie FPÖ-Politiker ihre strikte Ablehnung von Sky Shield mit ihrem ständigen Ruf nach mehr Sicherheit vereinbaren können, bleibt das Geheimnis der Demagogen. Eine "Festung Österreich" kann es im 21. Jahrhundert nicht geben, sondern nur ein festes Bündnis demokratischer Staaten. Aber genauso leer ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine das Gerede von der Neutralität geworden. Mit Sky Shield verliert dieses ein weiteres Stück Glaubwürdigkeit. Für Österreichs Sicherheit ist das gut.
    https://www.derstandard.at/story/300000 ... htung-nato
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

Sky Shield: "Es ist für uns ein historischer Moment"
„Meine Kolleginnen und Freundinnen.“ Der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wählte diese Formulierung, um am Freitag den versammelten Medien zu demonstrieren, wie eng und gut er mit seinen Kolleginnen Klaudia Tanner (ÖVP) und Viola Amherd (Die Mitte), den Verteidigungsministerinnen von Österreich und der Schweiz, zusammenarbeitet.

Kurz davor hatten sich die drei zusammengesetzt, um über den geplanten europäischen Schutzschirm „European Sky Shield“ zu sprechen und das auch zu besiegeln. Von den Deutschen wird diese Initiative bereits liebevoll mit ESSI abgekürzt.

In Österreich war die Debatte darüber am vergangenen Wochenende aufgeschlagen, als die Teilnahme an diesem Projekt von der Regierungsspitze öffentlich gemacht worden war. Sofort verbunden mit einer Diskussion über die Neutralität. Vor allem die FPÖ sieht diese durch den Beitritt verletzt. Ministerin Klaudia Tanner reagierte nach der Unterzeichnung in Bern so darauf: „Das Projekt ist die notwendige europäische Antwort, um den Luftraum zu schützen.“ Der Krieg in der Ukraine habe da ein Umdenken bewirkt. Die Neutralität werde damit nicht verletzt, weil diese gebiete ja, dass die Souveränität Österreichs geschützt wird. Und die Entscheidung, wie die Raketenabwehrsysteme dann eingesetzt werden, liege weiterhin in Österreich. Sie bezeichnete die Unterzeichnung auch als „historischen Schritt für Österreich“.

Ohne Parlament

In der Schweiz war das Vorhaben erst am Dienstag bekannt geworden. Wobei die Debatte in Österreich der Auslöser dafür war. Die Neutralität war auch hier ein Thema. Im Vorfeld des Treffens der drei Verteidigungsminister wurde sogar damit gerechnet, dass es in Bern Proteste geben könnte. Das war nicht der Fall. Den Beitritt begründete Ministerin Viola Amherd so: „Wir müssen in unserer Sicherheitsstrategie nun noch mehr auf internationale Zusammenarbeit setzen.“ Und sie betonte auch, dass die Schweiz selbst festlegen werde, in welchem Ausmaß sie sich an „Sky Shield“ beteiligt. Eine Schweizer Journalistin wollte auch noch wissen, ob das Parlament mit der Frage befasst wird. Die kurze Antwort: „Nein.“ So eine Entscheidung liege in den Kompetenzen des Bundesrates.

Mit den Unterschriften von Österreich und der Schweiz gehören nun 19 Staaten dieser Initiative an. Neben den beiden Neutralen nur NATO-Mitglieder oder mit Schweden ein Staat, der der NATO beitreten wird.

Die Initiative ist von Deutschland ausgegangen. Minister Boris Pistorius: „Die Bedeutung der Luftverteidigung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.“ Das zeige der Ukraine-Krieg. Er habe nicht gerechnet damit, dass so viele Staaten so schnell ihren Beitritt bekunden werden. Dass Frankreich nicht dabei ist, bedauert er. Aber: „Frankreich ist immer eingeladen gewesen.“



Zusatzerklärung im Sinne der Neutralität

Dass Österreich und die Schweiz in einer Zusatzerklärung festgehalten haben, dass im Sinne der Neutralität jegliche Teilnahme oder Mitwirkung an internationalen militärischen Konflikten auszuschließen ist, wurde von Pistorius so akzeptiert. Wenn es um internationale Synergien bei System zur bodengestützten Luftverteidigung gehe, dann sei es gut, wenn möglichst viele dabei sind. Pistorius: „Die beiden bekommen mehr an Sicherheit, aber nicht weniger an Neutralität.“

Vorerst gehe es um eine gemeinsame Beschaffung von Abwehrraketen, dann auch um den Austausch von Informationen.

Die Unterzeichnung hatte im Rahmen des alljährlichen D-A-CH-Treffens der drei Länder stattgefunden. Dabei wird auch immer die aktuelle sicherheitspolitische Lage besprochen. In Bern wurde neben ESSI noch entschieden, dass die Mission auf dem Westbalkan (Kosovo, Bosnien-Herzegowina) wegen der aktuellen Lage verlängert wird. Und dass künftig bei der militärischen Forschung enger zusammengearbeitet wird.
https://kurier.at/politik/inland/sky-sh ... /402514876
Zuletzt geändert von theoderich am Fr 14. Jul 2023, 22:31, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »

Österreich und die NATO: Beitritt auf Raten?

https://www.profil.at/oesterreich/fuehr ... /402514354

Zuletzt geändert von theoderich am So 9. Jul 2023, 05:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Medienberichte 2023

Beitrag von theoderich »




Ö1 Mittagsjournal

08 07 2023

12:00

JzG Klaudia Tanner

Peter Daser: „Die Ukraine und Österreich. Das ist heute auch eines der Themen in unserer Samstagsserie.

[Intro: „Im Journal zu Gast“] ist heute ÖVP-Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Hilft Österreich genug? Und warum haben wir im Ausland den Ruf, zu den größten ,Putin-Verstehern‘ in Europa zu gelten? Der Ukraine-Krieg hat dem Bundesheer unerwartet viel Geld gebracht. Knapp 17 Milliarden werden in den nächsten zehn Jahren für Beschaffungen ausgegeben. Zwei Milliarden davon für eine Raketen- und Drohnenabwehr. Genau darum geht es zunächst im Gespräch mit Klaus Webhofer, um dieses neue europäische Raketenabwehrsystem ,Sky Shield‘, bei dem Österreich ja mitmachen wird.“

Klaus Webhofer: „Frau Tanner, Österreich hat gestern – also Sie haben gestern eine Absichtserklärung für den Beitritt zum europäischen Luftverteidigungssystem ,Sky Shield‘ unterzeichnet, in Bern. Das klingt jetzt nach mehr, als es ist, nämlich zunächst einmal einfach nur eine rechtlich völlig unverbindliche Möglichkeit, um von einer ,Einkaufsplattform‘ für Luftabwehrsysteme zu profitieren. Was ist daran ,historisch‘, wie Sie diesen Schritt nannten?“

Klaudia Tanner: „Ja, es geht vor allem darum, dass wir zusätzlichen Schutz bieten für die Österreicherinnen und Österreicher bei Bedrohungen aus der Luft. Das ist es. Und – Sie haben’s angesprochen – es ist rechtlich keine verbindliche Absichtserklärung, aber politisch sehr wohl. Und sie gibt uns den Zugang zu den Planungsunterlagen für ,Sky Shield‘, um dann eben mit dabei zu sein, wenn der europäische Luftraum sicherer gemacht wird. Und dass das notwendig ist, wissen wir spätestens seit dem 24. Februar vorigen Jahres, als der Krieg begonnen hat.“

WEBHOFER: „Nun hat ein Schweizer Grün-Politiker – die Schweiz ist ja dort auch dabei, die neutrale Schweiz – gesagt, im Vorfeld zu dieser Unterzeichnung, dieses System ist nur nützlich, wenn es Krieg gibt. Und deshalb wird es ein Problem geben für … für die neutrale Schweiz. Auch für Österreich?“

TANNER: „Das ist ausgeschlossen, dass das etwas mit der Neutralität zu tun hat. Weil, was heißt neutral zu sein? Neutral zu sein heißt, keinem Militärbündnis beizutreten, heißt keine fremden Truppen auf dem eigenen Staatsgebiet zuzulassen und selbstverständlich sich nicht an kriegerischen Handlungen zu beteiligen.

Nichts davon beinhaltet ,European Sky Shield‘, sondern das ist eben eine zusätzliche Schutzmaßnahme, ein Aufspannen eines Schirmes gegen die Bedrohungen – wenn man an ballistische Raketen von verschiedener Reichweite auch denkt oder an Drohnen. Und die Entscheidung, am Ende des Tages, die müssen immer wir, als souveräner Staat, treffen.“

WEBHOFER: „Das heißt, ob in Österreich eine Rakete gestartet wird, das wird nur in Österreich entschieden.“

TANNER: „Selbstverständlich.“

WEBHOFER: „Das heißt, man plant – zusammengefasst – und kauft gemeinsam, aber man schießt nicht gemeinsam.“

TANNER: „Das, was jetzt einmal gemacht wird, ist, dass wir uns die Planungsunterlagen genau anschauen. Es geht ja nicht nur um die Frage des Schießens oder des Abschießens, sondern zunächst einmal auch um die Sensorik. Das heißt, zu erkennen, wo kommt ein Flugobjekt her. Sie wissen, wir haben in Österreich ein sehr, sehr gutes System der Radardaten, die sogenannte ,Goldhaube‘, wie wir sie auch nennen, und das ist zum jetzigen Zeitpunkt, könnten wir uns ganz gut vorstellen, uns hier einzubringen. Das machen wir ja zum Beispiel schon mit Radardatentausch, unter anderem eben mit Deutschland und mit der Schweiz.“

WEBHOFER: „Also kurzum: Gemeinsamer Einkauf, Austausch von Daten – das ist es vorderhand jetzt einmal, was mit diesem System passieren wird.“

TANNER: „Ein zusätzlicher Schutz ist es, in einer Situation, in einer Welt, die eine viel unsicherere geworden ist.“

WEBHOFER: „Jetzt haben Sie gesagt, die Entscheidungen werden nur in Österreich getroffen. Im Ausland gehen manche aber schon davon aus, dass die Kooperation dann irgendwann einmal tiefer geht. Dass es natürlich irgendwann einmal ein Oberkommando für diesen gesamten europäischen Schutzschirm geben wird, wo dann vermutlich auch die Entscheidungen getroffen werden. Weil da geht es ja, wenn wirklich so ein Fall eintritt, um Minuten. Das heißt aber dann: In so einem Fall wär‘ Österreich raus.“

TANNER: „Es hat eine sehr klare Aussage gegeben vom deutschen Kollegen, von Boris Pistorius, dazu, dass das Kommando jeweils im Staat bleibt. Und das war sehr eindeutig bei der gestrigen Pressekonferenz auch.“

WEBHOFER: „Welchen Beitrag jetzt genau leistet dann eigentlich Österreich zu oder für diesen Schutzschirm?“

TANNER: „Boris Pistorius hat das gestern so formuliert, was er sich erwartet von deutsch… von Österreich oder von der Schweiz. Er hat d’rauf gesagt: ,Gar nichts.‘ Das war auch eine interessante Arbeit, aber selbstverständlich werden wir … Antwort, aber selbstverständlich werden wir uns einbringen. Ich hab‘ schon ein Beispiel angesprochen, das wär‘ eben die Möglichkeit [WEBHOFER: „Austausch von Daten.“]. Genau. Genau.

Aber zunächst ist einmal der Zugang zu den Planungsdokumenten auch wichtig. Und dann wird man sehen, was genau das alles sein kann. Das geht ja von Ausbildungsvorhaben eben, wie gesagt, über einen Austausch … gibt’s sicher verschiedene Möglichkeiten dabei zu sein.“

WEBHOFER: „Dennoch: Die Opposition hier in Österreich ist empört. Also die SPÖ kritisiert jetzt im Speziellen Ihren Alleingang. Sie finden, man hätte da das Parlament befassen müssen. Und die FPÖ findet, das sei überhaupt ein Neutralitätsbruch. Was sagen Sie dazu?“

TANNER: „Na, ich glaube dasselbe, was alle Verfassungsexperten ja auch sagen. Da gibt’s eine sehr einhellige rechtliche Meinung dazu, dass das eben mit einer Neutralitätsfrage nichts zu tun hat. Ich hab‘ immer informiert darüber, dass wir Interesse haben, von Anbeginn an mit dabei zu sein, bei ,European Sky Shield‘. Meine Aufgabe ist es nicht, mich aufzuregen, sondern Verantwortung zu übernehmen und für den Schutz der österreichischen Bevölkerung zu sorgen.“

WEBHOFER: „Wolfgang Schüssel, der Altkanzler, hat kürzlich geschrieben, Neutralität sei kein Schutz - das haben die Ukraine und Moldau zu spüren bekommen‘. Er fordert im Grunde eine Debatte darüber. Aber über ,Heilige Kühe‘ – und das ist ja nun wohl die Neutralität in diesem Land – darf man nicht debattieren, oder?“

TANNER: „Wolfgang Schüssel hat absolut recht. Und das war auch eine Formulierung, die ich immer wieder verwendet habe. Die Neutralität als solche, die schützt uns nicht. Was uns schützt, ist ein entsprechend ausgestattetes Bundesheer. Das können wir jetzt, mit dem Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz, bis zum Jahr 2032 und darüber hinaus auch machen, mit über 16 Milliarden Euro, die wir investieren, in den verschiedensten Bereichen. Das eine ist ja der Mobilität, das zweite Schutz und Ausrüstung auch der Soldaten und der dritte Bereich ist dann die Infrastruktur, unsere Kasernen autark zu machen.“

WEBHOFER: „Aber trotzdem sagt niemand, auch Sie nicht, man sollte jetzt ehrlich genug sein und sagen: ,Ja, diese Neutralität gehört jetzt einfach entsorgt, weil sie zum allergrößten Teil ohnehin nur mehr auf dem Papier existiert.‘“

TANNER: „Ja, das stimmt ja überhaupt nicht. Wir stehen dazu, dass wir militärisch neutral sind. Ich glaube, was man aber immer betonen muss – gerade im Zusammenhang auch mit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine – dass wir von Beginn an eines nicht waren, nämlich gleichgültig, so hat’s der Bundespräsident damals formuliert.

Wir tragen alle Sanktionen mit. Wir helfen in einem Ausmaß, das sich sehen lassen kann. Nicht nur mit staatlichen Hilfen, die derzeit über 150 Millionen Euro sind, sondern wenn man daran denkt, dass die Österreicherinnen und Österreicher unzählige, auch private Aktionen über die verschiedensten Institutionen und Vereine geleistet haben, dass wir zum höchsten Zeitpunkt über 90.000 Kriegsvertriebene auch eben versorgt haben – großteils Familien, Mütter mit Kindern – dann glaube ich leisten wir einen sehr großen Beitrag.

Und ich hab‘ schon angesprochen: Unser Beitrag eben im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, mit an die 1.200 Soldatinnen und Soldaten in den verschiedensten friedenserhaltenden Missionen, das ist schon einer, wo wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen müssen.“

WEBHOFER: „Jetzt haben Sie schon die Hilfe für die Ukraine angesprochen. Bleiben wir bei diesem Thema, weil Österreich hat diesbezüglich im Ausland nicht immer die beste Nachrede. Das Land hat schon ein wenig den Ruf, ein ,Putin-Versteher‘ zu sein. Österreichische Unternehmen machen immer noch gute Geschäfte mit Russland, man zahlt Milliarden für russisches Gas – also die Abhängigkeit, die auf diesem Gebiet wirkt nicht entscheidend kleiner – und das einflussreiche und angesehene britische Magazin ,Economist‘ führt Österreich in einer Liste von – ich zitiere - ,Putins nützlichen Idioten‘ auf Platz 2.

Also, mir scheint die Innen- und die Außensicht klaffen da doch etwas auseinander.“

TANNER: „Ich sag‘ ganz ehrlich, mir begegnet das bei den Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere in den Verteidigungsministerinnen und -ministern, so nicht. Das mag vielleicht ein Bild aus der Vergangenheit sein. Aber insbesondere seit Beginn des Krieges haben wir gezeigt, wie wir politisch eben nicht neutral sind; auf wie viele verschiedene Art und Weise wir helfen. Das war auch bei unserem gestrigen DACH-Treffen mit der Schweizer Kollegin und dem deutschen Kollegen, Boris Pistorius, ein Thema. Jeder hilft … jeder Staat hilft auf seine Art und Weise. Wir helfen humanitär, finanziell, mit eben auch der politischen Unterstützung aller Sektionen. Das einzige, was wir nicht tun, ist Waffen zu liefern und an diesen auszubilden.“

WEBHOFER: „Ja und viele Unternehmen, wie gesagt, machen noch gute Geschäfte mit Russland. Und unlängst gab es diesen Streit um die Entminung. Das war eine Bitte vom ukrainischen Präsidenten Selenskyi da, eine Bitte um Hilfe. Da ist so geendet wie vieles in Österreich: Aktiv beteiligt sich Österreich nicht, aber man schickt … Geld – zwei Millionen, ganz konkret. Aber zum Beispiel die Ausbildung von Ukrainern, zum Beispiel am ,Leopard‘-Panzer, oder die Bereitstellung von Minenräumgeräten, das wär‘ ja auch für ein neutrales Österreich möglich gewesen.“

TANNER: „Ja, jeder hilft eben auf seine Art und Weise und wer [WEBHOFER: „Ja, wo macht man das dann nicht?“] auf die Idee kommt … wer auf die Idee kommt, in einem aktiven Kriegsfall – und Sie sehen doch diese furchtbaren Bilder, die wir nach wie vor erleben müssen – dort Soldatinnen oder Soldaten vor Ort zu schicken, noch dazu als neutrales Land, [WEBHOFER: „Das hab‘ ich nicht gesagt! Ausbildung …“] das ist ja jenseitig!“

WEBHOFER: „… von Ukrainern hier und zum Beispiel Minenräumgeräte.“

TANNER: „Ich sag’s noch einmal: Jeder hilft auf seine Art und Weise. Und gerade im Bereich der humanitären Entminung helfen ja wir im Wege der OSZE. Sie haben ja mit Sicherheit mitverfolgt, dass wir auch die finanzielle Hilfe aufgestockt haben, um mehr als zwei Millionen Euro. Also ich denke, das ist ein sehr wichtiger Beitrag, den wir hier leisten.“

WEBHOFER: „Die Schweiz hat ein Minenräumgerät … die neutrale Schweiz hat ein Minenräumgerät geschickt.“

TANNER: „Das ist genau das, was ich meine. Jeder Hilft auf seine Art und Weise. Wir sind ja nach wie vor noch in Bosnien vor Ort. Das dürfen wir auch nicht übersehen, wie diese Minenfelder Jahre oder Jahrzehnte nach dem Krieg noch unsere Unterstützung …. unser Unterstützung bedürfen. Und nach dem Krieg wird das auch in der Ukraine eine Mammutaufgabe werden. Nicht nur für Österreich – für ganz Europa und darüber hinaus.“

WEBHOFER: „Das heißt, wir haben – um es abzuschließen – keine Kapazitäten aktuell, um so einen Schritt wie die Schweiz zu setzen und ein Räumgerät zu schicken.“

TANNER: „Noch einmal: Wir sprechen von humanitärem Entminen. Das ist ja etwas gänzlich anderes als militärisches Entminen, das wir ohnedies aufgrund unseres Status nicht dürften. Wir helfen finanziell, die anderen tun dies mit Geräten, die anderen tun’s mit Waffen. Wir schicken zum Beispiel Hilfsmaterial, Feld … Röntgengeräte, Feldbetten und so weiter.“

WEBHOFER: „Kommen wir noch mal zur Luftraumüberwachung. Die Eurofighter, die werden nachgerüstet, das ist schon mal fix. Werden auch zusätzliche Doppelsitzer angeschafft?“

TANNER: „Sie haben’s richtig angesprochen, wir investieren bei den 15 Eurofightern in die Nachtidentifizierungsfähigkeit und in Selbstschutz. Und wir prüfen derzeit, ob die Möglichkeit besteht, auch Doppelsitzer anzukaufen. Es hat auf der technischen Ebene der Generalstabschefs diesbezüglich Angebote gegeben und die prüfen wir jetzt.“

WEBHOFER: „Wann wird die Entscheidung fallen?“

TANNER: „Das wird wohl einiges an Zeit noch in Anspruch nehmen [WEBHOFER: „Also nicht mehr heuer.“], da möcht‘ ich mich nicht auf einen genauen Zeitpunkt festlegen.“

WEBHOFER: „Fix ist inzwischen, dass man wieder zu einem Zwei-Flotten-System zurückkehrt, bei der Luftraumüberwachung. Also ein Trainingsjet wird angeschafft. Wann wird entschieden, welches Modell das ist?“

TANNER: „Ja, Sie haben’s richtig formuliert, die Nachfolge nach der Saab-105, die wir aufgrund des Endes der technischen Möglichkeiten ausphasen mussten. Jetzt haben wir eben die budgetären Möglichkeiten auch erkämpft und wir gehen die ersten Briefe an die Nationalen Rüstungsdirektoren sind jetzt, so wie … so wie verlautbart, Mitte des Jahres eben hinausgegangen. Das sind an die 25, 26 Briefe, wo wir jetzt auf die Rückantworten warten, weil jeder dieser Beschaffungsprozesse muss eines sein: Jedenfalls absolut transparent. Wir hoffen, dass wir im ersten Quartal 2024 dann schon näheres sagen können.“

WEBHOFER: „Es ist ein offenes Geheimnis, dass es vorwiegend um zwei Modelle geht: Ein tschechisches und ein italienisches. Kann man schon was über die Dimension dieser Beschaffung sagen?“

TANNER: „Es muss nicht zwangsläufig der Fall sein, dass es um diese zwei Modelle geht. Warum? Wir bemühen uns vor allem um Möglichkeiten der Beschaffung im Rahmen von Government-to-Government, so wie wir das bei den Hubschraubern auch gemacht haben – das war ja die größte Beschaffung, nach den Eurofightern, mit 870 Millionen … Millionen Euro – und schauen, dass wir nicht nur auf das Gerät abstellen oder auf das Flugobjekt abstellen, auf die Jettrainer abstellen, sondern auch die Möglichkeiten, die’s dazu noch gibt. Das heißt, gemeinsame Zusammenarbeit im Logistikbereich, im Ausbildungsbereich und so weiter. Das heißt, sobald dann die Antworten der Rüstungsdirektoren der einzelnen Staaten da sind, werden wir diese ganz genau prüfen, nach unseren Ansprüchen. Von der Größenordnung her ist jetzt auch noch eine Überprüfung, die bei uns im Haus auch stattfindet, von der Anzahl her der Staffeln und ob’s ausschließlich Jettrainer sein werden oder eine Kombination mit Drohnen. Das ist derzeit in Prüfung.“

WEBHOFER: „Ein großes Thema auch im Heer, wie in vielen anderen Branchen, ist der Personalmangel. In den nächsten fünf Jahren gehen mindestens 3.800 Bedienstete in Pension, in Ihrem Haus. Ich höre aus Ihrem Haus, dass man sich schwer tut, gute Leute zu finden und das hat unter anderem mit den starren Strukturen, bei Arbeitszeiten und Gehalt zum Beispiel, zu tun, als öffentlicher Arbeitgeber. Wie wollen Sie denn die Attraktivität des Heeres als Arbeitgeber stärken?“

TANNER: „Das ist … [WEBHOFER: „Oder steigern, besser gesagt.“] Ja, das ist tatsächlich eine Herausforderung, die’s im öffentlichen Dienst gibt, aber auch darüber hinaus in Wahrheit in beinahe jeder Branche. Wir haben zum einen einmal begonnen beim Grundwehrdienst: Das ist etwas ganz wichtiges, dass wir dieses System der Wehrpflicht haben. Wir haben erstmalig nach zehn Jahren den Sold auch angehoben der Grundwehrdiener. Das war ein erster Schritt. Wir haben neue Modelle, wie 6+3, das heißt nach diesen sechs Monaten Grundwehrdienst drei Monate anzuschließen, dort pro Monat dann 3000 Euro netto – natürlich für 24/7 und keinen einfachen Einsätzen, aber das auch anzunehmen. Und wir machen unter dem Motto ,Mission Vorwärts‘ ganz breit angelegte Personalwerbemaßnahmen. Was wir zusätzlich gemacht haben: Wir haben den Freiwilligen Grundwehrdienst für Frauen ins Leben gerufen. Wir haben in der Vergangenheit, seit 25 Jahren können Frauen zum Bundesheer gehen, aber wir haben’s ihnen nicht leicht gemacht.“

WEBHOFER: „Die Frauenquote ist unter 5 %. Ist ja erschreckend niedrig in Österreich. Jetzt wirklich die Tür rennen Ihnen die Frauen auch nicht ein.“

TANNER: „Bei den Soldatinnen sind es tatsächlich nur 4,3 % und wir haben’s erhöhen können. Das ist tatsächlich der männlichste aller Berufe und daher müssen wir uns umso mehr bemühen.“

WEBHOFER: „Noch mal zurück zur allgemeinen Attraktivität des Heeres. Sie haben gesagt, Sie wollen mehr bezahlen – ich fasse es jetzt einmal so zusammen. Also bei den Gehältern was tun. Glauben Sie, damit bekommen Sie jetzt Spezialisten, gute Leute, die Sie brauchen?“

TANNER: „Na, das wird mit Sicherheit nicht ausreichen. Vor allem ist es ja nicht in der Entscheidung, in meiner Entscheidung allein, sondern die Entscheidung wie viel bezahlt wird, das ja eine, die im BMKÖS auch gefasst wird. Aber da [WEBHOFER: „Beamtenminister.“] da ist uns gemeinsam schon einiges … – Ja. – da ist uns gemeinsam einiges schon gelungen. Es wird sehr schwer, in den Bereichen wie IKT eben mitzuhalten mit … mit der Privatwirtschaft! Und deshalb haben wir da neue Wege beschritten. Wir haben an der Militäruniversität in Wiener Neustadt einen eigenen Lehrgang ins Leben gerufen, wo wir uns sozusagen unsere Cyberoffiziere selber ausbilden und die verpflichten sich. Das selbige haben wir bei den Militärärzten getan, wo wir eben diese Studienplätze gesichert haben. Das ist auch mit einer Verpflichtung verbunden. Das heißt: Ein Bündel an Maßnahmen und viele neue Wege.“

WEBHOFER: „Frau Minister Tanner, danke für das Gespräch!“

TANNER: „Ich danke Ihnen!“
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Re: Medienberichte 2023

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Verteidigungsministerin Tanner: "Die Neutralität schützt uns nicht"
KURIER: Nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung für "Sky Shield“ haben Sie von einem historischen Moment gesprochen. Ist das nicht sehr hoch gehängt?

Klaudia Tanner: Ich habe es so bezeichnet, weil wir ein zusätzliches Element im Schutz für die Österreicherinnen und Österreicher setzen, das es in dem Ausmaß noch nicht gegeben hat.

Sky Shield wurde im Herbst 2022 initiiert, warum kam Österreichs Absichtserklärung zum Beitritt genau jetzt?

Es gab den Wunsch, dass wir als neutrales Land dabei sind, auch, um Fähigkeitslücken zu schließen. Nach dem Abwägen aller Argumente und ersten Gesprächen im November 2022 kam es nun zur Absichtserklärung.

Sky Shield soll als gemeinsamer Verteidigungsschutzschirm für den Luftraum erst 2025 funktionieren. Was tun wir bis dahin, zumal alle Staaten nicht ausreichend geschützt scheinen?

Genau deshalb gibt es diese Initiative. Seit dem 24.2.2022 haben wir es durch den Angriffskrieg auf die Ukraine mit einer anderen Bedrohungslage zu tun. Und: Es ist ja nicht so, dass wir jetzt ungeschützt sind. Wir haben mit dem Goldhauben-System beispielsweise Sensoren, die den höchsten Standards entsprechen, wenn es um das Erkennen von Radardaten geht.

Wie teuer wird Sky Shield für Österreich?

Wir haben durch die Absichtserklärung jetzt erst sichergestellt, dass wir Zugang zu allen Planungsdokumenten und anderen Informationen erhalten. Unser Aufbauplan bis 2032 sieht zwei Milliarden Euro für die Raketenabwehr vor.

Handelt es sich um den größten Budgetposten innerhalb der Luftabwehr?

7 Milliarden Euro sind für die Bewaffnung und Ausrüstung vorgesehen, 5 Milliarden fließen in den Bereich Mobilität, zu dem auch Luftkomponenten gehören, und 3 Milliarden in die Infrastruktur.

Apropos Luftraum: Planen Sie, die Eurofighter-Flotte aufzustocken?

Es ist jedenfalls geplant, bei der Nachtidentifizierungsfähigkeit der Eurofighter zu investieren. Obe weitere Beschaffungen sinnvoll sind, das wird derzeit geprüft. Wir haben 15 Eurofighter, die Einsitzer sind, und einige davon sind nachzurüsten. 60 Mal im Jahr müssen sie jedenfalls aufsteigen - nur so viel dazu, ob unser Luftraum überwacht werden muss. Bei den Hercules-Transportmaschinen werden wir 4 bis 5 neue bis 2029 beschaffen und diese am besten noch 2024 bestellen.

Kritiker sehen durch diese Absichtserklärung die Neutralität gefährdet, wenn nicht sogar ausgehöhlt. Was kontern Sie diesen?

Es ist doch gerade die Aufgabe der umfassenden Landesverteidigung, die Österreicherinnen und Österreicher zu schützen. Das steht in unserer Verfassung. Was heißt, neutral zu sein? Wir sind militärisch neutral, aber nicht politisch ...

Was ist Ihre Auffassung von militärischer Neutralität?

Wir liefern keine letalen Waffen und bilden nicht an diesen aus. Wir diskutieren die Neutralität rechtlich und wir diskutieren sie wie beim EU-Beitritt Österreichs.

Widerspruch: Der Kanzler hat die Neutralitätsdebatte sofort für beendet erklärt. Und das, obwohl zum ersten Mal wieder Krieg in Europa herrscht. Vielleicht muss auch die Verfassung geändert und den Gegebenheiten der Gegenwart angepasst werden.

Ich bin auf die Verfassung angelobt und sie zu ändern, das bedarf einer Zweidrittelmehrheit, die es dafür nicht geben wird. Die Neutralität verteidigt uns nicht und sie schützt uns nicht. Schützen kann nur ein gut ausgestattetes Bundesheer. Wenn in Kiew die Bomben vom Himmel fallen, dann wollen wir Berlin und Wien nicht geschützt wissen? Das ist ein seltsames Verständnis von Neutralität.

Was ist Ihr Verständnis von Neutralität? Dass das Gros der "Sky Shield"-Staaten der NATO angehört, passt für viele nicht zum neutralen Österreich.

Neutral sein bedeutet, dass wir uns an keinen Kriegen beteiligen und auch keine fremden Truppen bei uns stationiert sind und wir keinem Bündnis beitreten. Jetzige Kritiker wie die FPÖ wollten vor Jahren selbst noch der NATO beitreten. Dass viele Staaten der NATO angehören, das ist kein Ausschlussgrund, denn ich darf Sie daran erinnern, dass wir Mitglied der Partnerschaft für den Frieden sind. Wir arbeiten zusammen am Kosovo. KFOR ist eine NATO-geführte Friedensmission - das dürfen wir alle in der Diskussion nicht vergessen.

Wenn jetzt so viel in die Luftabwehr investiert wird - wie gut sind wir am Boden gerüstet?

560 Millionen Euro werden beispielsweise in die Panzer investiert werden. Aber nochmals zurück zu Sky Shield: Ich will mir in 10 Jahren nicht sagen lassen: "Warum habt ihr diese Chance nicht genützt." Wir sind weder Trittbrettfahrer, wie oft kundgetan, noch sind wir als neutraler Staat allein. Zypern, Malta und die Schweiz sind ebenfalls neutral. Zudem, das bitte ich Sie immer zu bedenken: Wir agieren als Regierung nicht gegen den Willen der Bevölkerung.

Wer sagt Ihnen, dass die Österreicher die Neutralität beibehalten wollen? Umfragen?

Wir schauen uns immer sehr genau die Wehrbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher an. Sie ist seit Jahrzehten auffallend niedrig und liegt bei rund 25 Prozent. Und die Rate hat sich seit dem Ukraine-Krieg nicht merklich verändert. In Finnland und Schweden, das liegt auch an der geographischen Exponiertheit, ist die Wehrbereitschaft weit höher.

Bei all den Anschaffungsplänen und dem aufgestockten Budget: Haben Sie überhaupt das Perosnal für das neue Gerät?

Das ist in der Tat eine der größten, wenn nicht die größte Herausforderung der kommenden Jahre. Wie im öffentlichen Dienst generell sind wir mit vielen Abgängen durch Pensionen und schwachen Geburtenjahrgängen konfrontiert. Wir sehen, dass neues Gerät das Heer wieder für mehr Menschen interessant macht, als früher. Da hieß es, wir hätten nicht mal genug Geld fürs Tanken.

Kommen mittlerweile auch mehr Frauen?

Durch unsere Offensive: Ja! Ich bin immer wieder überrascht, dass es 25 Jahre lang allen wurscht war oder niemandem aufgefallen ist, dass wir für Frauen eine derart hohe Hürde bei den Musterungen einziehen. Frauen mussten zum Heerespersonalamt und höhere Leistungsstufen erreichen als Männer. Jetzt gibt es sechs Stellungsstraßen und die gleichen Anforderungen wie bei den Burschen.

Muss das Bundesheer wie die Polizei das Niveau nach unten schrauben?

Wir haben vor Jahren die Teiltauglichkeit eingeführt und uns von dieser mehr erhofft. Statt der erhofften 2.000 kamen nur rund 900. Wir müssen bei dem Niveau auch aufpassen, weil am Ende des Tages sind es jene in der Luft und am Boden, die die Österreicherinnen und Österreicher schützen.

Was soll von Ihnen als Ministerin bleiben - außer, dass Sie die erste Frau im Amt waren?

Alles, was ich Ihnen vorher erzählt habe. Ich habe das höchste Verteidigungsbudget jemals durchgebracht und das über einen Zeitraum, der weit über die nächste und übernächste Legislaturperiode hinausgeht. Wer kann das von sich behaupten? Die Position der Verteidigungsministerin ist mein Traumjob - ich hätte auch keinen anderen gemacht.

Würden Sie einer nächsten Regierung angehören, die von der FPÖ oder von Herbert Kickl angeführt ist?

Das ist eine Horror-Vorstellung. Aber die Frage stellt sich nicht. Ich beschäftige mich damit, das Heer aus- und aufzurüsten. Und nächstes Jahr damit, dass die ÖVP als Erster durchs Ziel geht.
https://kurier.at/politik/inland/klaudi ... /402515653
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Re: Medienberichte 2023

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