Christine Thönicke Frenkenberger: „Mit Christine Thönicke Frenkenberger im Studio. Herzlich willkommen zu einer Stunde Information zu Mittag.
Die Unterstützung der EU für die Ukraine kommt nicht und nicht voran. Die EU-Verteidigungungsminister beraten heute über zusätzliche Hilfen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg will die Minister überzeugen: Westliche Waffen sollen auch für Ziele in Russland eingesetzt werden.
Noch einmal Verteidigung: Österreich ist, wie angekündigt, der Luftabwehrinitiative ,Sky Shield‘ beigetreten. Verteidigungsministerin Tanner hat die Erklärung heute in Brüssel unterzeichnet. Mit ihr spreche ich über die Kritik daran und die nächsten Schritte.“
Verteidigungsministerin Tanner über Ukraine-Hilfe
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Über das Treffen der EU-Verteidigungsminister haben wir vorhin gerade berichtet und über die dringend benötigte Hilfe für die Ukraine. Dazu begrüße ich jetzt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, via WhatsApp. Willkommen im Mittagsjournal!“
Klaudia Tanner: „Hallo. Grüß Gott!“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „NATO-Generalsekretär Stoltenberg wirbt beim Treffen der Verteidigungsminister massiv dafür, dass westliche Waffen von der Ukraine gegen Ziele in Russland eingesetzt werden dürfen. Ist das ein notwendiger Schritt oder eine unnötige Eskalation?“
TANNER: „Als militärisch neutraler Staat unterstützen wir die Ukraine auf vielfältige Art und Weise: finanziell, humanitär, medizinisch … Aber es steht uns da sicher kein Recht zu, dass wir urteilen über so eine Sache. Ich persönlich bin der Meinung, dass damit schon eine rote Linie überschritten würde und das nicht zur Deeskalation beiträgt.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Nach Frankreich hat Polen heute gesagt, man sollte eigene Truppen in der Ukraine nicht ausschließen. Wie sehen Sie diese Taktik, die Putin im Dunkeln lassen soll, über die westlichen Absichten?“
TANNER: „Wie gesagt, ich bin der Meinung, dass hier rote Linien überschritten werden. Für uns als militärisch neutraler Staat ist es wichtig, dass wir die Ukraine unterstützen auf diese Art und Weise wie wir das auch machen können eben: finanziell, humanitär. Aber alles was Waffen anbelangt, lethales Gerät anbelangt, das ist für uns nicht möglich und ich persönlich bin der Meinung, das ist gut so.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Der ungarische Außenminister schreibt heute in einem Tweet, dass EU-Politiker junge EU-Bürger zwangsrekrutieren wollen. Das ist unser Nachbarland. Wie reagieren Sie darauf?“
TANNER: „Ich glaube das sind einfach Fake News, auf die man da hineingefallen ist. Wir in Österreich sind froh, dass wir die Wehrpflicht haben. Die Österreicherinnen und Österreicher haben damals 2013 erkannt, wie wichtig das ist. Sehr viele andere Staaten würden gerne die Wehrpflicht wieder einführen, das ist aber gar nicht so einfach.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Sie haben heute in Brüssel den österreichischen Beitritt zum European Sky Shield finalisiert. Ein Schutzschirm für 21 teilnehmende europäische Staaten. Er soll Drohnen und Raketen erkennen und abwehren. Da wird sich Österreich an der Beschaffung beteiligen. Was wird Österreich hier beschaffen, Frau Ministerin?“
TANNER: „Wir brauchen Abwehrsysteme gegen die Bedrohungen aus der Luft der verschiedensten Reichweiten. Das heißt von Kurz bis Mittel, über Lang. Wenn man die furchtbaren Bilder sieht, egal ob sie in die Ukraine schauen oder ob sie nach Israel schauen, dann sieht man wie dringend notwendig der Schutz der Österreicherinnen und Österreicher ist. Und das ist – Sie haben’s richtig angesprochen – eine Beschaffungskooperation für mehr Sicherheit! Warum sollten die Amstettner, die Zwettler, die Bregenzer nicht genauso geschützt werden wie eben die Schweizerinnen und Schweizer? Wir sind ja damals gemeinsam eben mit der Schweiz auch beigetreten, haben die erste Vereinbarung unterschrieben und heute das war das Memorandum of Understanding.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Wie viel oder welche Dinge wird Österreich beitragen? Wie viele Waffen werden das sein?“
TANNER: „Wir sind jetzt im ersten Schritt einmal so weit, dass wir mit dieser Unterschrift Einblick in alle Unterlagen bekommen. Und da werden wir da die Entscheidung getroffen, welches der Systeme beschafft wird.
Eines ist jedenfalls ganz klar: Mit dieser zusätzlichen Sicherheit die wir haben und mit der gemeinsamen Beschaffung wird’s schneller gehen, wird’s kostengünstiger gehen, effizienter und auch interoperabel sein. Das heißt, die Typenentscheidung das wäre noch zu früh. Aber Sie wissen, wir haben in unserem Aufbauplan bereits den Schutz für die mittleren Reichweiten, für die kurzen und mittleren Reichweiten drinnen. Da haben wir schon beschafft, mit dem sogenannten Skyranger, der auf dem Pandur aufgebaut wird.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Der FPÖ-Chef, Herbert Kickl, hat sich heute … hat Sie heute wegen Sky Shield als ,Neutralitätsverräterin‘ bezeichnet. Der FPÖ-Chef sagt, ,mit Kickl als Kanzler hätte es dazu eine Volksabstimmung gegeben‘. Warum gibt es die eigentlich nicht?“
TANNER: „Der Herr von Rechts sollte die Verfassung lesen, in der steht, dass wir neutral sind und diese Neutralität mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen haben. Jawohl, gegen die Gefahren auch aus der Luft. Und er weiß sehr genau … er weiß sehr genau, dass es um den Schutz der Österreicherinnen und Österreicher geht. Ich finde es tatsächlich … wirklich ein Sicherheitsrisiko, hier mit … mit dem Schutz der Österreicherinnen und Österreicher zu spielen. Das richtet sich von selber.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Aber Österreich vergleicht sich bei Sky Shield gern mit der ebenfalls neutralen Schweiz. Dort muss das Parlament aber den Beitritt zu Sky Shield genehmigen.
Wird Österreich auch so vorgehen? Werden Sie Sky Shield dem Parlament noch vorlegen?“
TANNER: „Also ich halte es für sehr wichtig, dass wir regelmäßig selbstverständlich die Damen und Herren Abgeordneten informieren. Das haben wir von Anbeginn an gemacht, schon bei der ersten Unterschrift im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Schweiz hat’s ja im Vorfeld durch das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums ein entsprechendes Gutachten auch gegeben. In jedem Landesverteidigungsausschuss wird darüber informiert. Und ich hab‘ das auch getan, selbstverständlich, in der Fragestunde vor zwei Wochen.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Muss das Parlament das dann genehmigen?“
TANNER: „Nein. Das ist nicht notwendig und [THÖNICKE FRENKENBERGER: „Ist nicht vorgesehen.“] auch heute ist ein … Nein, das ist auch nicht notwendig. Das was wir heute unterschrieben haben, ist ein Memorandum of Understanding ohne einer rechtsverbindlichen Wirkung! Und daher ist zu diesem Zeitpunkt auch keinerlei Unterschrift notwendig. Der letzt … der nächste Schritt der dann erfolgt – das ist dann der dritte – das sind dann tatsächlich auch die Beschaffungen, über die wir selbstverständlich informieren werden. Wir haben das Landesverteidigungsgesetz, das uns verpflichtet, über jede unserer Beschaffungen das Parlament auch zu informieren. Den zuständigen Ausschuss und natürlich auch das Plenum. Das werden wir selbstverständlich tun. Es geht um sehr viel Geld, das ist das Geld der Österreicherinnen und Österreicher, das in ihre Sicherheit auch investiert wird. Und das ist ganz wichtig, dass wir da transparent auch sind dabei.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Sie werden das Parlament informieren. Im Herbst ist eine Wahl, da kommt dann vielleicht eine neue Regierung. Die könnte diese Frage über Sky Shield ja anders beurteilen und aussteigen wollen. Und die könnte wieder aussteigen eben aus dem Memorandum-Vertrag. Was passiert dann? Wie verlässlich ist Österreich als Vertragspartner?“
TANNER: „Also das könn… Es ist kein Vertrag im rechtlichen Sinne, sondern, wie gesagt, ein Memorandum of Understanding. Und – Sie haben’s richtig formuliert: Es könnte … man könnte aus dieser Beschaffungskooperation natürlich auch wieder aussteigen. Jeder, der nur einen Funken an Verantwortung hat für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher, wird das aber mit Sicherheit nicht tun.“
THÖNICKE FRENKENBERGER: „Sagt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner in Brüssel. Vielen Dank für Ihre Zeit und für das Gespräch.“
TANNER: „Danke Ihnen!“
THÖNICKE FRENKENBER: „Guten Tag noch!“
TANNER: „Danke, Ihnen auch! Auf Wiederhören!“