Beide Fälle – so unterschiedlich sie auch sind – sorgen derzeit in der Rüstungsindustrie für Diskussionen. Die Rüstungsbranche zählt schließlich zu jenen wenigen Sektoren, die weltweit von massiven staatlichen Investitionen profitieren. Der Markt wächst – und auch österreichische Hersteller wollen ein Stück vom Kuchen abbekommen. Hinter den Kulissen setzt sich die Waffenlobby daher dafür ein, die Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte zu beschleunigen – und womöglich auch zu erleichtern.
https://www.derstandard.at/story/310000 ... te-draengtVorschläge der Industrie
Was will die Waffenindustrie also konkret ändern, um Waffenexporte künftig zu beschleunigen? Soll eine zentrale Behörde alle Genehmigungen bündeln? Sollen die Kontrollen insgesamt weniger streng ausfallen?
Offen will darüber derzeit kaum jemand sprechen, im Raum stehen verschiedene Optionen. Eine Möglichkeit, die Österreich – wohl unabhängig von der EU – umsetzen könnte, wäre die Einrichtung einer zentralen Stelle, die die Ressourcen bündelt und schnellere Entscheidungen ermöglicht. Ebenfalls denkbar, wenn auch hochumstritten, wären Änderungen bei der inhaltlichen Prüfung von Exporten. Derzeit geht Österreich hier – nicht zuletzt aufgrund seines Selbstverständnisses als neutraler Staat – über die EU-Vorgaben hinaus. Zur Debatte stehen zudem Haftungsfragen: Wer trägt letztlich die Verantwortung, wenn Waffen trotz aller Kontrollen in die falschen Hände geraten?
Österreichs Rüstungsindustrie will demnächst "konkrete Handlungsempfehlungen" präsentieren. Bei der Industriellenvereinigung (IV) arbeitet eine "Taskforce" von rund 60 Unternehmen an der "Stärkung der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Resilienz Österreichs", wie es in einer Stellungnahme an den STANDARD heißt. Im Fokus stehen vor allem industrielle Kooperationen (früher "Gegengeschäfte" genannt), wohl aber auch die Exportregelungen. Österreichs Verteidigungsindustrie sei ein "stiller Wachstumsmotor mit großem Potenzial", sagt IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren.
Ministerien zurückhaltend
Konkreter will die Industriellenvereinigung derzeit nicht werden, genauso wenig wie die zuständigen Ministerien. Aus dem Wirtschaftsressort heißt es auf Anfrage des STANDARD etwa, dass man "Initiativen zur Verwaltungsvereinfachung und zum Bürokratieabbau" generell befürworte. Dabei dürften jedoch "anerkannte Ziele der Exportkontrolle nicht außer Acht gelassen werden, die auch für Österreichs Glaubwürdigkeit im aktuellen geopolitischen Kontext von entscheidender Bedeutung sind".
Auch das Innenministerium gibt sich zurückhaltend. Man betont, Österreich habe eine völkerrechtliche Verpflichtung sicherzustellen, dass Kriegsmaterial nicht in falsche Hände gerate. Österreich sei ein neutraler Staat, und "ein Eckpfeiler dieser Neutralität" sei das "Verbot, Waffen an kriegsführende Staaten zu liefern". In den vergangenen Jahren sei das Land mehrfach mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert gewesen. "Auch wenn mit manchen Staaten langjährige Geschäftsbeziehungen bestehen, so sind die politischen Verhältnisse in Staaten auch Veränderungen unterworfen – die ein Prüfverfahren aufwendig machen."
Gemeint ist damit wohl nicht zuletzt die gescheiterte Lieferung von Steyr Arms an Tunesien, das seit Jahrzehnten österreichische Sturmgewehre verwendet. Steyr selbst will sich zu den derzeit diskutierten Reformvorschlägen nicht im Detail äußern, teilt aber mit: "Da etwa 80 Prozent unserer Einnahmen aus dem Export stammen, ist ein stabiler, vorhersehbarer und schneller Exportgenehmigungsfaktor natürlich ein wichtiger Erfolgsfaktor." Ein "One-Stop-Shop-Prinzip" mit nur einer zuständigen Behörde sähe man als "ideale Lösung".
Wie es rund um die beiden gescheiterten Waffenlieferungen nach Tunesien und in den Irak weitergeht, bleibt übrigens offen. Dazu will sich das Unternehmen "aufgrund der Vertraulichkeit" der Geschäfte nicht äußern.
Würde man bei Caritas, Diakonie und Volkshilfe von der "Soziallobby" sprechen?