Krach um Sicherheitspolitik
In der Untergruppe für Integration kam es diese Woche zu einem handfesten Krach. Die FPÖ schlug vor, die medizinischen Leistungen für Asylwerber drastisch einzuschränken. ÖVP-Vertreter protestierten wild. In Zusammenhang mit den von der FPÖ geforderten Pushbacks funkte es ebenfalls zwischen den Verhandlern. Das Zurückschieben von Flüchtlingen nach einem Grenzübertritt widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Auch in der Verhandlungsgruppe Landesverteidigung zeigt die FPÖ ihr neues Selbstbewusstsein. Mit dem Jahr 2017 haben diese Gespräche nichts mehr zu tun: Damals mussten sich die Blauen in einem Sideletter schriftlich vergewissern, ab dem Jahr 2018 zumindest einen „leichten budgetären Anstieg“ für das Bundesheer zu bekommen. Die tatsächlichen Mittel für das blau geführte Verteidigungsressort hätte aber ein schwarzer Finanzminister absegnen müssen.
Es kam nie dazu.
Dieses Mal lassen die Freiheitlichen ihren früheren großen Koalitionspartner spüren, dass er nur noch Junior ist. Regelrecht provokant wären manche Forderungen, die blaue Verhandler einbringen. So forderte die FPÖ den Ausstieg aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfP), einer Initiative, bei der sich Nicht-NATO-Staaten an Programmen des transatlantischen Bündnisses einbringen. Österreich ist seit 1995 dabei, der Kosovo-Einsatz des Bundesheeres findet in diesem Rahmen statt. Ein Rückzug würde Österreich isolieren, der Zugang zu sicherheitspolitischen Informationen und Kooperationen ginge verloren. Denn prinzipiell profitieren von solchen Programmen eher die kleinen Staaten als große NATO-Partner. Österreich kann bei gemeinsamen Übungen vom Know-how großer Nationen lernen.
Bei einem Ausstieg aus dem PfP-Programm müsste Blau-Schwarz konsequenterweise auch eine neue Sicherheitsstrategie ausarbeiten. Die aktuelle wurde erst im Vorjahr nach zähen Verhandlungen finalisiert. Darin bekennt man sich zu einer engeren Zusammenarbeit mit der NATO „in den Bereichen Konfliktprävention, Krisenmanagement und kooperativer Sicherheit“.
Ende der Bundesheer-Missionen?
Auch aus der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union will sich die FPÖ offenbar zurückziehen. Wie genau Österreich dabei vorgehen sollte, ist unklar. Die GSVP wurde im Vertrag von Lissabon eingerichtet, sie ist die Basis für militärische EU-Operationen im Ausland zur Friedenssicherung. Gut möglich, dass sich Herbert Kickl als Bundeskanzler im Europäischen Rat weigern würde, wichtige Beschlüsse in diesen Fragen mitzutragen. Damit würde er sie auch verhindern – es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Außerdem soll Österreich (wie andere EU-Staaten auch) Soldatinnen und Soldaten für die schnelle Eingreiftruppe der EU bereitstellen. 150 Männer und Frauen werden in diesem Rahmen allein heuer zu gemeinsamen Übungen entsandt.
Hinter den Kulissen kokettieren die Freiheitlichen auch mit anderen Maßnahmen, ohne sie konkret in die Verhandlungen eingebracht zu haben: etwa mit dem Rückzug aus allen internationalen militärischen Missionen, außer jenen im Kosovo und in Bosnien.
„Ohne Sky Shield würden wir in den bedauernswerten Zustand zurückfallen, über keine wirksame Luftabwehr zu verfügen. Ich glaube nicht, dass das wünschenswert ist.“
Robert Brieger, 68, ist seit 2022 Vorsitzender des Militärausschusses der Europäischen Union, das Beratungsgremium für Außen- und Sicherheitspolitik in der EU. Im Mai folgt ihm der Ire Seán Clancy nach. Vor seiner Amtszeit in Brüssel war Brieger Generalstaabschef in Österreich.
Gibt die ÖVP nach, müsste Österreich auch aus einer anderen internationalen Kooperation austreten: Sky Shield. Juristisch wäre das möglich, unterzeichnete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner doch bisher nur Absichtserklärungen. Aber der Rückzug aus dem Raketenschutzschirm wäre „definitiv“ ein Schaden für die Sicherheit, das Budget und die Reputation Österreichs, bekräftigte der oberste EU-Militär und Ex-Generalstabschef Robert Brieger vergangene Woche im profil-Interview.
Deutschland startete die Initiative, um mit anderen europäischen Staaten beim Einkauf von Raketenabwehrsystemen zu kooperieren und später Daten auszutauschen. Zieht sich Österreich zurück, hätte das Land weiterhin keine Raketenabwehr oder müsste sie allein zu wohl schlechteren Konditionen kaufen.
Dabei war es die FPÖ, die in ihrer letzten Regierungsbeteiligung ein bilaterales Abkommen mit einem führenden NATO-Land initiierte. 2019 reiste eine Delegation in die USA, um Gespräche über das „State Partnership Program“ zu führen: eine Kooperation der Vereinigten Staaten mit ausgewählten Ländern, mit denen sie militärisch zusammenarbeiten wollen. Den Vertrag unterzeichnete am Ende Verteidigungsministerin Tanner im US-Bundesstaat Vermont. Die ersten Schritte hatte aber ihr
Vorgänger von der FPÖ, Mario Kunasek, gesetzt. Er wollte damals die Beziehungen zu den USA und ihrem 45. Präsidenten Donald Trump intensivieren.