Wien - "Die Planung ist fertig, es geht jetzt Richtung Bereitstellung", sagt Bundesheer-Planungschef Günter Hofbauer zu den Vorarbeiten für die Beschaffung einer Raketenabwehr mittlerer Reichweite. Mit dem Etikett "Sky Shield" gilt das Milliardenprojekt als möglicher Knackpunkt in den Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ; und ÖVP. Die Hürde scheint aber überwindbar. Denn am Ende könnte eine bodengebundene Luftabwehr ganz ohne "Sky Shield" stehen.
Milliarden für die Raketenabwehr
"Sky Shield" ist eine deutsche Initiative als Antwort auf den russischen Überfall auf die Ukraine. Die Idee dahinter: Wenn mehrere Staaten komplexe Waffensysteme gemeinsam beschaffen und bei Ausbildung und Wartung zusammenarbeiten, könnte das für Synergien sorgen. Immerhin geht es um viel Geld. Im sogenannten "Aufbauplan" des Bundesheeres sind dafür zwei Milliarden Euro vorgesehen.
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Die FPÖ lehnt "Sky Shield" aber nicht in erster Linie wegen der Kosten ab. Die Freiheitlichen vermuten vielmehr einen NATO-Beitritt durch die Hintertür - und das lehnen sie angesichts der Neutralität Österreichs strikt ab.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und die Offiziere im Generalstab beteuern zwar, dass "Sky Shield" nur eine Einkaufsgemeinschaft sei und die Entscheidung über den Einsatz von Abwehrraketen immer in Österreich bleibe. Österreich verfüge auch über ausreichend Radarsysteme, um Bedrohungen im Alleingang rechtzeitig zu erkennen. An der bodengebundenen Luftabwehr halten sie aber fest. Denn gerade als neutraler Staat müsse sich Österreich schützen können.
„Europäischer Pfeiler“ der NATO?
Den Freiheitlichen sind diese Zusicherungen aber zu wenig. Misstrauisch machen sie auch Informationen auf der Website des deutschen Verteidigungsministeriums. Dort heißt es: "Ziel der Initiative ist also die Stärkung des europäischen Pfeilers in der gemeinsamen Luftverteidigung der NATO." Die Rede ist auch von einer "Einbindung in die Luftverteidigung des NATO-Gebiets."
Tanner und die Volkspartei halten dagegen, dass sich auch die neutrale Schweiz an "Sky Shield" beteiligen wolle. Wenn die Schweiz das kann, sollte das auch für Österreich möglich sein, sagte ÖVP-Chef Christian Stocker zuletzt. Und die gemeinsame Beschaffung sei nun einmal billiger: "Die Schweizer können rechnen."
Luftverteidigung ohne „Sky Shield“
So weit das Patt zwischen den möglichen Regierungspartnern FPÖ und ÖVP. Vielleicht stellt sich die Frage aber ohnehin bald nicht mehr. Denn nach Informationen der "Tiroler Tageszeitung" mussten sich Tanner und die Generäle von einer sogenannten Government to Government-Beschaffung in Zusammenarbeit mit der deutschen Bundeswehr bereits verabschieden - weil die Rechtslage in Deutschland diese Möglichkeit nicht vorsehe, wie in informierten Kreisen zu hören ist.
Die Alternative ist eine internationale Ausschreibung für eine Raketen- und Drohnenabwehr mit einer Reichweite von bis zu 35 Kilometern. Auch dabei kommt das deutsche System Iris-T in Frage, das wohl das Mittel der Wahl bei Sky Shield werden soll. Aber eben nicht nur. Auch die britische Rüstungsindustrie bietet mittlere Reichweite an. Ebenfalls am Markt ist eine französisch-italienische Koproduktion. Die Luftverteidigung wäre sichergestellt - aber ohne "Sky Shield".
Ob diese Systeme im Endeffekt billiger wären als eine Beschaffung im Rahmen von "Sky Shield" wird im Bundesheer bezweifelt. Fest steht für die Generäle, dass die Zeit drängt. Ihre Planungen sehen vor, dass bis 2032 die ersten zwei Batterien - so die Bezeichnung im MIlitärjargon - einsatzfähig sein sollen. Wenn dieses Ziel halten soll, muss noch heuer die Typenentscheidung fallen. "
Zur mittleren die lange Reichweite?
Die Raketenabwehr wäre damit aber nicht erledigt. Dem Schutzschirm fehlt dann noch ein System zur Verteidigung mit langer Reichweite von 100 Kilometern oder mehr. Die Kosten dafür würden bis zu vier Milliarden Euro betragen. Die türkis-grüne Koalition hat diese Beschaffung mit einem Ministerratsbeschluss im November 2023 eingeleitet.
Mit "Sky Shield" hätten diese Pläne nichts zu tun, heißt es beim Heer. Österreichs Interesse an der deutschen Initiative beschränke sich auf die mittlere Reichweite. Über die Systeme langer Reichweite müsse man jedenfalls allein mit den Herstellern und deren Ländern verhandeln.