https://kurier.at/politik/inland/eurofi ... /402977109Wäre die Sache nicht bitterernst, man könnte beinahe schmunzeln: Ausgerechnet am vergangenen Wochenende, an dem der russische Angriffskrieg auf die Ukraine derart wütete, dass Polen zusätzliche Kampfjets an seine Staatsgrenze beordern musste, war der Luftraum über Österreich, hart gesagt, weitgehend ungeschützt.
Weil das Bundesheer seit Monaten zu wenig Fluglotsen hat und die Mannschaft Überstunden abbauen muss, blieben die Eurofighter ab Freitagmittag im Hangar. Das berichtete zunächst die "Krone", die Armee bestätigte das. KURIER-Recherchen zeigen: Das Problem reicht noch viel tiefer.
Die im Kabinett von Beamtenminister Werner Kogler auch gegenüber dem KURIER kolportierte Erzählung, das Bundesheer habe zu wenig bis gar nicht auf die Dramatik der Lage hingewiesen, will man im Militär so nicht stehen lassen.
Problem seit Jahren bekannt
Der Chef der Luftstreitkräfte, „Airchief“ Gerfried Promberger, rückte am Montag aus um klarzustellen, dass Vertreter des Beamtenministeriums schon im Herbst 2023 in Zeltweg waren, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Das Problem sei seit vielen Jahren bekannt – und es betreffe nicht nur die Fluglotsen in Zeltweg.
Laut KURIER-Recherchen kann das Heer in verschiedenen Bereichen mehr schlecht als recht Personal bereitstellen. Bei Auslandseinsätzen heben Kontingente bisweilen ohne Militärarzt ab – weil die Ärzte fehlen; ähnlich dürr ist die Lage bei Mechanikern für den militärischen Fuhrpark.
Einer der wesentlichen Gründe für das fehlende Personal ist die Konkurrenz: Zivile Arbeitgeber zahlen Meteorologen, Flugtechnikern, Kfz-Mechanikern, etc. deutlich mehr als die Armee. Als Fluglotse verdiene man bei der zivilen Austro Control das Zweieinhalbfache wie im Militär, heißt es.
Bei den Eurofighter-Piloten konnte die Konkurrenzsituation mit Sonderverträgen abgemildert werden – die Heeresflieger verdienen in etwa dasselbe wie zivile Airline-Piloten.
Zivilisten gegen Soldaten
Derartige Sonderverträge sind aber nicht in allen Bereichen möglich.
Neben dem als ausbaufähig bezeichneten Gesprächsklima zwischen Kogler und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) kommt noch eine andere „Problematik“ verschärfend hinzu: Außerhalb des Militärs ist man überzeugt, dass viele Jobs von Zivilisten gleich gut wenn nicht sogar besser erledigt werden können wie von Soldaten. „Im Beamtenministerium ist man überzeugt, dass Hubschrauber-Techniker keine soldatische Ausbildung benötigen“, sagt ein hochrangiger Militär zum KURIER.
Das Problem dabei: Zivilisten kennen sich bei Waffen, Dienstgraden und in der Armee nicht nur nicht aus, sie machen im Einsatzfall die Sache auch rechtlich komplizierter: Wenn etwa Hubschrauber zu (militärischen) Einsätzen von A nach B verlegen ist klar, dass alle dafür nötigen Soldaten die Kaserne wechseln. Bei zivilen Arbeitnehmern ist die Sache aber schwierig. Sie dürfen – streng genommen – nicht in militärische Einsätze gehen. Das sagt nicht nur ihr Dienst- sondern auch das Völkerrecht.
Frage und Antwort
Warum Österreichs Luftraum am Wochenende ungeschützt war
https://www.derstandard.at/story/300000 ... huetzt-war
Eurofighter: Das Dilemma mit der Luftraumüberwachung
https://www.sn.at/politik/innenpolitik/ ... -168691627Dass die Eurofighter am Wochenende im Ernstfall nicht hätten aufsteigen können (und dass das noch dazu öffentlich bekannt wurde), wirft ein Schlaglicht auf die prekäre Lage des Überwachungsgeschwaders in Zeltweg. Prekär aus zweierlei Gründen. Zum einen finanziell: Egal ob Eurofighterpiloten, Techniker, Fluglotsen oder Flughafenfeuerwehr – das Bundesheer ist bei den Gehältern nicht konkurrenzfähig. Immer wieder wandert Personal aus Zeltweg in die Privatwirtschaft ab. Dort wird besser bezahlt, die Arbeitszeiten sind geregelter und damit familienfreundlicher und das zur Verfügung stehende Gerät ist teils moderner.
In der Vergangenheit wurde das Problem der Gehälter mit besser dotierten Sonderverträgen für die Piloten gelöst, doch derzeit geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung: Es wird über eine Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst debattiert. Und das Beamtenministerium hat Dienstposten im Bereich des Verteidigungsministeriums zuletzt als niedriger und somit schlechter bezahlt eingestuft als vergleichbare Posten etwa im Innenministerium oder im Parlament.
Der zweite Grund für die prekäre Lage in Zeltweg ist, dass es beständig Unsicherheit über die Zukunft der Militärfliegerei in Österreich gibt. Die Trainingsjets Saab 105 wurden zunächst ersatzlos außer Dienst gestellt, dann hieß es, es wird doch ein Nachfolgemodell geben. Doch die Typen- und Kaufentscheidung wurde heuer so lange verschleppt, dass sie nun erst die nächste Regierung treffen kann. Wenn sie den Kauf nicht überhaupt wieder aus Spargründen abbläst.
Dasselbe Bild zeigt sich bei der Eurofighter-Nachfolge: Die Jets sollen bis 2030 fliegen, somit hätte wegen der langen Vorarbeiten, Vertragsverhandlungen und Bauzeiten längst mit Erkundigungen nach einem Nachfolgemodell begonnen werden müssen – wurde aber nicht.Das erinnert an die unselige Eurofighter-Beschaffung, die jahrelang verschleppt wurde, sodass eine teure Zwischenlösung eingeschoben werden musste. Am Ende wurden dann nur 15 statt der ursprünglich konzipierten 36 Eurofighter gekauft, und das in einer alten, mangelhaft ausgestatteten Variante. Bei einem anderen Wahlausgang wären sie gar nicht gekommen. Solche politischen Unsicherheiten, bei denen unklar ist, wie lange es noch eine Jetfliegerei in Österreich gibt, macht Zeltweg als Arbeitsplatz mäßig attraktiv. Der Effekt sind Stillstände infolge Personalmangels wie am Wochenende. – Das Eurofighter-Dilemma war auch Thema bei einer sicherheitspolitischen Enquete der Salzburger Gesellschaft für Landesverteidigung und der Bildungsdirektion Salzburg am Montag im SN-Saal. Der Krisenberater der Bundesregierung, Generalmajor Peter Vorhofer, rief angesichts der globalen Zeitenwende dazu auf, den Verteidigungsanstrengungen oberste Priorität einzuräumen. Die Hoffnung, dass die gegenwärtige Krise nächstes Jahr vorbei sei, sei unbegründet. Solche Zeitenwenden dauerten erfahrungsgemäß 30 Jahre, so Vorhofer.
Eurofighter am Boden: Dicke Luft zwischen Heer und Beamtenministerium
https://www.tt.com/artikel/30896176/eur ... inisteriumWien - Generalmajor Gerfried Promberger sieht sich in der Pflicht gegenüber seinen Leuten. Er müsse ihnen jeden Monat Dutzende Überstunden zumuten, um die Luftraumüberwachung am Laufen zu halten. Am vergangenen Wochenende blieben die Eurofighter dann überhaupt am Boden, die Bereitschaft war aus Mangel an Personal eingestellt. Als Grund für die Probleme sehen die Verantwortlichen beim Heer die mangelnde Konkurrenzfähigkeit, etwa bei Fluglotsen im Vergleich zur zivilen Austro Control. Sonderverträge für diese Spezialisten verhindere aber das derzeit vom Grünen Werner Kogler geführte Beamtenministerium, heißt es. Airchief Promberger braucht für den Flugbetrieb der Eurofighter viel Personal, von den Technikern über die Fluglotsen bis zu den Meteorologen und den Radarleitoffizieren und der Flughafenfeuerwehr. Er berichtet im Gespräch mit der TT von dutzenden Personen, die in verschiedenen Bereichen im Einsatz seien.
Zivile Organisationen werben Spezialisten ab
Viele dieser Personen sind hoch spezialisiert, die private Konkurrenz ist groß. Vor einigen Jahren waren die Hubschrauberpiloten des Bundesheeres ein Problem, etliche wanderten damals zu den Rettungshubschraubern des ÖAMTC ab.
Der Vorteil in der Privatwirtschaft: eine bessere Bezahlung, bei der Austro Control sei diese für Fluglotsen mehr als doppelt so hoch wie beim Heer, meint Promberger. Dazu komme bessere Planbarkeit von Wochenenden, Freizeit und Urlaub. Beim Militär droht öfter ein überraschender Einsatz.
Versuche, das wichtige Personal mit besser bezahlten Sonderverträgen ans Militär zu binden, scheiterten aber oft am Beamtenministerium, kritisieren Offiziere. Stimmt nicht, heißt es dort. In einer Stellungnahme zur Lücke bei der Luftraumüberwachung am Wochenende schoben die Kogler-Leute die Verantwortung ans Militär zurück: In den vergangenen Jahren wurde die Drastik dieser Situation in keinem Gespräch seitens des BMLV (Verteidigungsministerium, Anm.) aufgebracht. Das BMKÖS (Beamtenministerium, Anm.) steht zu Gesprächen zur Lösung der Problematik bereit.
Militärs fühlen sich unverstanden
Der Konflikt schwelt schon länger. Das zugrunde liegende Problem: Wenn ein Ministerium Posten neu schaffen oder verändern will, braucht es das Einvernehmen mit und die Zustimmung des Beamtenministeriums. Bis hinauf zu Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) beklagt man sich beim Heer etwa über mangelnde Bereitschaft des BMKÖS zur Zusammenarbeit bei der jüngsten Strukturreform des Verteidigungsministeriums.
Dazu kommt, dass sich viele Militärs von den Mitarbeitern im BMKÖS unverstanden fühlen. Bei der Strukturreform etwa war Thema, ob Arbeitsplätze als militärisch oder als zivil einzustufen sind. Der Unterschied liegt beim Dienstrecht und den Kosten.
Aus Sicht des Heeres ergibt sich diese Sonderstellung aus militärischen Notwendigkeiten. Oft erzählen Offiziere etwa, dass Hubschrauber-Techniker laut BMKÖS als zivil eingestuft werden sollten. Ein Flugtechniker müsse aber in der Lage sein, bei seinem Helikopter Wache zu schieben, auch mit der Waffe - also müsse er Uniform tragen.
Beamtenministerium auf Info-Tour bei den Eurofightern
Generalmajor Promberger erinnert sich zudem an den Besuch einer Delegation aus dem Beamtenministerium am 23. Oktober 2023 am Eurofighter-Standort in Zeltweg in der Obersteiermark. Dort habe er an Ort und Stelle erläutert, wo er die militärischen Notwendigkeiten und Probleme sieht. Keine Information an das Beamtenministerium? Promberger: "Das ist so nicht richtig."
Ö1 Mittagsjournal
18.11.
12:00
https://oe1.orf.at/player/20241118/776035/1731929014300Ungeschützter Luftraum durch Personalmangel
Peter Daser: "Österreichs Luftraum war übrigens während des vergangenen Wochenendes komplett ungeschützt. Und das eben ausgerechnet während eben mehrere hundert Kilometer ostwärts eben der Krieg in der Ukraine geführt wird. Auch mit massiven Luftangriffen, etwa durch Drohnen, die, wie man ja auch weiß, auch fehlgesteuert sein könnten.
Nicht auszudenken, was da passieren hätte können, am letzten Wochenende, denn die Eurofighter sind am Boden geblieben, denn das Bundesheer hat zu wenige Fluglotsen. Und die vorhandenen mussten gerade Überstunden abbauen. Ein Missstand, der auf bürokratische Hürden und Machtkämpfe zwischen Beamtenressort und Heer zurückzuführen ist, berichtet Stefan Kappacher."
Stefan Kappacher: "Der Chef der Luftstreitkräfte, Gerfried Promberger, bringt die am Wochenende sichtbar gewordene Misere, die nicht nur die Fluglotsen, sondern das gesamte Betriebspersonal betreffe, auf den Punkt:"
GenMjr Gerfried Promberger: "Diese Maßnahme war, dass keine weiteren Überstunden anfallen, bevor nämlich das gesamte System implodiert."
KAPPACHER: "Zwischen 50 und 77 Überstunden im Monatsschnitt bei den verschiedenen Gruppen, das habe auch eine soziale Komponente und er habe eine Fürsorgepflicht, sagt Promberger. Dass man gegenüber dem Beamtenressort nicht auf die Dramatik hingewiesen habe, wie dort heute neuerlich betont wird, sei schlicht falsch."
PROMBERGER: "Es hat da mehrere Gespräche gegeben. Es hat auch Arbeitsplatzbesichtigungen gegeben - beispielsweise letztes Jahr im Oktober, wo wir Vertreter des BMKÖS sehr wohl eingeladen haben, um ihnen die Systematik und die Problematik darzulegen. Also zu sagen, wir hätten das nie erwähnt, das ist ... das kann ich nicht bestätigen."
KAPPACHER: "Promberger hofft jetzt auf eine zeitnahe Lösung des ,unhaltbaren Zustands', wie es Andreas Pernsteiner nennt. Der war früher Logistikchef des Bundesheers und kennt die Personalprobleme aus nächster Nähe.
Die Engpässe beim Flugbetriebspersonal seien kein Einzelfall, so Pernsteiner."
Andreas Pernsteiner: "Das Gleiche gilt für die Flugtechniker. Und in anderen Beispiele sind die Militärärzte, wo es auch immer wieder um dieses Thema geht. Und auch andere technische Bereiche, wo's um Experten geht, wo es um eine wirkliche Konkurrenz zum zivilen Arbeitsmarkt geht."
KAPPACHER: "Bei den Piloten habe man das Problem durch Sonderverträge lösen können. Die verdienen beim Heer jetzt so viel wie bei der ,Austrian' im kommerziellen Einsatz. Dass es in den anderen Bereichen so schwierig ist, liege am Zusammenspiel mit dem Beamtenressort, das nicht funktioniere, sagt Pernsteiner.
Einerseits habe die Verteidigungsministerin die Organisationsgewalt in ihrem Bereich - andererseits habe das Beamtenministerium mit der Arbeitsplatzbewertung einen Hebel in der Hand, der sich gerade beim Heer oft negativ auswirke."
PERNSTEINER: "Eingebürgert hat es sich über die letzten 25 Jahre - so lange geht das schon - dass de facto das Beamtenministerium die Organisationsgewalt ausübt und sagt: ,Diesen Arbeitsplatz braucht das Militär nicht!'"
KAPPACHER: "Beim Heer schlage das stark durch, weil es dort, wie bei der Polizei, zivile und militärische Posten gibt."
PERNSTEINER: "Ein militärischer Beamter oder ein Polizist als Beamter bekommt eine Zulage, die ein ziviler Beamter nicht bekommt."
KAPPACHER: "Und das spiele bei Entscheidungen des Beamtenressorts eine Rolle - zum Schaden der Landesverteidigung, sagt Andreas Pernsteiner.
Ministerin Klaudia Tanner hat vor dem Hintergrund vor Wochen für das Heer eine Personalhoheit gefordert. Bei den kommenden Regierungsverhandlungen wird wohl auch das Thema sein."