Zum russischen Vorstoß auf Charkiw:
Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben die seit Monaten belagerte große Maschinenbaufabrik von Woltschansk zurückerobert. (
Quelle) Das Fabrikgelände liegt erhöht und besteht aus vielen erhöhten Gebäuden, weswegen es seit Beginn der russischen Offensive als Schlüssel zur Kontrolle der gesamten Stadt angesehen wird.
Zum russischen Vorstoß auf Pokrowsk:
Der Frontverlauf stagniert, seit zwei größere russische Angriffe am 12. und 19. September mit Verlusten von 44 gepanzerten Fahrzeugen abgewiesen werden konnten. (
Quelle)
Analyse der Gesamtlage von 'Soldat + Technik':
Im Sektor
Kursk konnten sowohl die russische als auch die ukrainische Armee Geländegewinne an den Flanken erzielen. Der russische Gegenstoß wurde gebremst. Im Sektor
Pokrowsk haben die Ukrainer Verstärkungen zum Einsatz gebracht, den russischen Vorstoß
gestoppt und sogar kleinere Geländegewinne verzeichnet. Im Sektor
Wuhledar haben die Russen die Initiative errungen, dies dürfte aber verschmerzbar sein, solange Pokrowsk gehalten werde. (
Quelle)
Zur aktualisierten russischen Nukleardoktrin:
Neu sind nur zwei Punkte, erstens: Greift ein nicht-nuklear bewaffneter Staat "mit Beteiligung oder Unterstützung eines nuklear bewaffneten Staates" Russland an, werde dies als gemeinsamer Angriff auf Russland gewertet. Zweitens: Russland werde den Einsatz von Nuklearwaffen "in Betracht ziehen", sobald Informationen vorliegen, dass Luftfahrzeuge oder Flugkörper "in massiver Zahl" auf russisches Territorium vorgedrungen seien. (
Quelle) Pressestimmen: Die 'Welt' fürchtet ein erhöhtes Risiko, vor allem für Staaten wie die USA und Frankreich. (
Quelle) Die 'FAZ' hingegen sieht keine Veränderung der Sachlage, weil die Doktrin nur verschriftlicht habe, was Wladimir Putin bereits seit zweieinhalb Jahren sage. (
Quelle)
Nach dem Wortlaut der Doktrin würde Russland schon beim nächsten größeren ukrainischen Drohnenangriff den Einsatz von Nuklearwaffen "in Betracht ziehen", immerhin griffe dann ein nicht-nuklear bewaffneter Staat (Ukraine) mit Unterstützung eines nuklear bewaffneten Staates (USA, Frankreich, Großbritannien) Russland an. Es ist klar, dass das nicht passieren wird, deswegen neige ich dazu, der Sichtweise der 'FAZ' zuzustimmen. Putin will nicht mit seinen Palästen in Rauch aufgehen, nur weil die Ukrainer wieder ein paar Munitionsdepots und Raffinerien zerstören konnten. Eine Deutungshilfe für das Wörtchen "massiv" könnte übrigens folgenden Leaks aus dem Frühjahr entnommen werden:
Russische Kriterien für den Einsatz von taktischen Nuklearwaffen:
- Verlust von 20% der nuklear bewaffneten Unterseeboote
- Verlust von 30% der mit Marschflugkörpern bewaffneten Unterseeboote
- Verlust von 3 oder mehr Kreuzern
- Verlust von 3 oder mehr Fliegerhorsten
(
Quelle)
Zur aktualisierten russischen Nukleardoktrin, part deux:
Die Regierungen Chinas, Brasiliens, Mexikos, der Türkei, Südafrikas, Algeriens, Boliviens, Kolumbiens, Ägyptens, Kasachstans, Kenias und Sambias haben in einem Kommuniqué zum Ukraine-Krieg, das am Freitag bei den Vereinten Nationen hinterlegt wurde, dazu aufgefordert, alle Drohungen mit dem Einsatz von Nuklear- und Massenvernichtungswaffen zu unterlassen. Zivile Infrastruktureinrichtungen, insbesondere für die Stromversorgung und die Nuklearindustrie, dürften nicht angegriffen werden. Die Zivilbevölkerung müsse besser geschützt werden. Beide Seiten sollten an den Verhandlungstisch zurückkehren. (
Quelle) Pressestimmen: 'AFP' sieht eine "kaum verhohlene Kritik am Säbelrasseln von Präsident Wladimir Putin". (
Quelle)
Das Kommuniqué spricht nur an manchen Stellen "both parties" an, die meiste Zeit spricht das Schreiben unbestimmt von Handlungen, die sich freilich nur der russischen Kriegsführung zuordnen lassen – zumal in der Frage der Nuklearwaffen. Es ist anzunehmen, dass Putin hier signalisiert wird, dass er sich in den BRICS und insbesondere in Peking keine Freunde macht. Bemerkenswert ist auch, dass das Schreiben ausdrücklich die Position des "Global South" einnimmt, also der Position des Kremls entgegentritt, man kämpfe für den "Global South".
Zur geostrategischen Lage:
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris und danach mit dem vormaligen Präsidenten Donald Trump getroffen. Letzterer hatte ihm zuvor vorgeworfen, einem nicht näher bezeichneten "Deal" im Wege zu stehen. Bei den Gesprächen, die Trump nachher als konstruktiv darstellte, sei es um die fortwährende Unterstützung der Ukraine gegangen. Harris sagte diese explizit zu. (
Quelle)
Zur geostrategischen Lage, part deux:
Die
ungarische Regierung ist im eigenen Land in Kritik geraten, nachdem Balázs Orbán, Direktor der Kanzlei von Ministerpräsident Viktor Orbán, in einem Podcast die Ukraine für ihren "unverantwortlichen" Widerstand gegen die russische Invasion kritisierte und behauptete, dass Ungarn keinen Widerstand geleistet haben würde. Zwar sagte Orbán auch, die Ukraine könne natürlich selbst entscheiden, doch habe Ungarn aus den Ereignissen des Jahres 1956 andere Lehren gezogen. [Im Artikel ist der Podcast verlinkt, Orbán sagt sogar, dass man gelernt habe, dass teure ungarische Leben es nicht wert seien, für nichts geopfert zu werden.] Hätte Selenskyj Orbán um Rat gefragt, so dessen Namensvetter weiter, man hätte ihm geraten, den Kampf einzustellen. Oppositionspolitiker aller Lager fordern nun personelle Konsequenzen. Die Äußerungen seien eine Beleidigung der Opfer des Aufstands und zeigten, dass der Ministerpräsident sein Land russischen Interessen opfern werde. (
Quelle)
Diese Äußerungen werden Ungarn in der EU und v.a. der NATO weiter isolieren. Wenn die Ungarn sich nicht einmal selbst verteidigen würden, so immerhin ein leitender Beamter des Landes, wie könnte dann irgendein anderes Land im Krisenfall auf ihren Beistand vertrauen?
Kriegsverbrechen:
Im ukrainischen Sumy wurde ein Krankenhaus mit einem so genannten "Double Tap" angegriffen. Während der Rettungsarbeiten fiel die zweite Bombe und verursachte die meisten Opfer. Bisher sind 10 Tote und 22 Verletzte bestätigt. (
Quelle)
Kriegsverbrechen, part deux:
Südlich von Charkiw wurde Leonid Lobojko (
Quelle), vorsitzender Richter für Strafsachen am Obersten Gerichtshof der Ukraine, bei einem russischen Drohenangriff auf seinen Privatwagen getötet. Drei weitere Insassen wurden verletzt. Lobojko hielt sich privat in der Gegend auf, um Sachspenden zu verteilen. (
Quelle) Da es keinen offensichtlichen militärischen Grund gibt, fernab der Front einen Mitsubishi Lancer anzugreifen, ist von einer gezielten Tötung des Richters auszugehen. Ich habe ein bisschen gegraben; Lobojko war politisch unauffällig.