Türkis-Grüne Bilanz: Was vom Besten aus beiden Welten in Erinnerung bleibt
Klaudia Tanner: Landesverteidigung
Sie war die erste Frau an der Spitze dieses Ressorts. Doch es wäre verfehlt, die Amtszeit der heute 54-Jährigen auf dieses Faktum zu reduzieren. Unter Tanner wurde das Verteidigungsbudget in einer nie da gewesenen Art und Weise erhöht. Die Armee hat Panzer und Hubschrauber beschafft, man kümmert sich mit einem Personalpaket darum, als Arbeitgeber attraktiv zu sein.
Aufrüstung
Die Aufrüstung ist natürlich vor allem den internationalen Entwicklungen geschuldet. Doch man muss Tanner zugutehalten, dass sie sich Thema und Ministerium zu eigen gemacht hat, sprich: Sie machte sich mit der Materie vertraut und lässt selbst bei Milliarden-Projekten wie dem Sky Shield keinen Zweifel offen, wo Österreich steht. Als Wermutstropfen bleibt: Bei der Miliz besteht in vielem weiter Handlungsbedarf.
SOMMERGESPRÄCH „Die Angst vor Atomwaffen ist berechtigt“
Heinz Gärtner aus Friesach ist Experte für Sicherheitspolitik. Im Interview spricht er über Atombomben, österreichische Neutralität und seine Arbeit als Politikwissenschaftler.
Diese Angst ist mit ein Grund, warum Schweden und Finnland mit der militärischen Neutralität gebrochen haben und nun Teil der NATO sind.
Das war, glaube ich, keine gute Entscheidung. Sowohl die damalige Sowjetunion, als auch Russland, haben gut mit Schweden und Finnland als neutrale Pufferstaaten gelebt. Es gab keine direkte Bedrohung. Aber durch den Beitritt steuern wir jetzt, wenn es zu keiner Lösung des Ukrainekrieges kommt, auf einen neuen Kalten Krieg zu. Der Eiserne Vorhang wird sich von der Arktis bis ins Schwarze Meer ziehen. Eine permanente Teilung der Ukraine ist die Gefahr.
Wie kann man diesen neuen Kalten Krieg noch verhindern?
Österreich ist 1955 mit der Neutralität gut aus dieser Situation herausgekommen. Das sehe ich auch als Lösung für die Ukraine. Sie sollten nicht der NATO beitreten, damit die russischen Truppen abziehen.
Österreich hätte sich also als Vorbild für die Ukraine profilieren können?
Genau. Ich habe schon in einem Artikel im März 2014 darauf hingewiesen, dass sich die Ukraine das österreichische Modell anschauen könnte. Die Situationen waren ja ziemlich ähnlich. Die Besatzungstruppen sind durch die Neutralität abgezogen und Österreich hat festgehalten, niemals einem militärischen Bündnis beizutreten. Ich finde, Österreich hat seine Möglichkeiten als neutraler Staat im Ukraine-Krieg nicht wahrgenommen.
Was meinen Sie damit?
Wir hätten viel mehr Möglichkeiten, bei internationalen Konflikten einzutreten. 1956 galt Österreich als Modell für ein vereintes Deutschland. Unter Kreisky organisierten die neutralen Länder Europas die wichtige KSZE Konferenz, man hat sich für Abrüstungsverträge eingesetzt - diese Abkommen sind jetzt alle tot. Österreich hat dieses Image des Vermittlers und Ideengebers verloren. Die Rolle der Vermittlung bot im Mittleren Osten stattdessen Katar an. Auch in der Ukraine haben sie das gemacht. Man kann als neutrales Land Konferenzen organisieren, vermitteln, Konzepte vorschlagen und vieles mehr.
Österreich könnte die Neutralitätskarte also besser ausspielen?
Genau, aber es mangelt offensichtlich an Ideen. Der einzige Erfolg aus den letzten Jahren war es, die Verhandlungen für das Nuklearabkommen mit dem Iran nach Wien zu bringen.