Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
theoderich
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von theoderich »

Acht 25-Mio-Euro-Vorlagen für den Haushaltsausschuss
Auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages für den 28. Juni stehen acht 25-Mio-Euro-Vorlagen.
Die Aufklärungsfahrzeugen Fennek sollen außerdem neue Beobachtungs- und Aufklärungsausstattungen III (BAA III) erhalten und im Rahmen des Projekts „F123 Sicherstellen der Einsatzverfügbarkeit“ soll das Segment Elektronischer Kampf aufgenommen werden.
https://esut.de/2024/06/meldungen/50887 ... ausschuss/
muck
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von muck »

Woyzeck hat geschrieben: Di 4. Jun 2024, 11:30 Sehr richtig - die Frage ist halt auch, warum man 2024 überhaupt noch groß in neue Aufklärungsfahrzeuge investiert, wenn man die gleiche Aufklärungsleistung schneller, billiger und mit geringerer Personalgefährdung per Drohnen erledigen kann.
Spähaufklärung vor Ort wird, denke ich, noch auf absehbare Zeit nicht durch Drohnen ersetzt, sondern nur ergänzt werden. Die zum Ersatz nötige Flexibilität ist einfach noch nicht gegeben.

Das unbemannte Luft- oder Landfahrzeug kann in einen Raum eindringen und dort sensorisch aufklären, aber mehr auch nicht.

Umso größer die Eindringtiefe ist, desto wahrscheinlicher wird die Drohne auch entdeckt, weil ihre elektromagnetische Signatur größer ist als die eines bemannten Systems (das zur Not alle Geräte ausknipsen und auch ohne jedes elektronische Hilfsmittel Informationen sammeln kann).

Komplett autonome Systeme machen zwar weniger auf sich aufmerksam als ferngelenkte Drohnen, haben aber auch den Nachteil, dass sie auf Veränderungen nicht gut reagieren können. Wenn z.B. der Mission Master sich festfährt, fährt er sich eben fest und bleibt stehen, bis ihn der Feind findet. Bei einem bemannten Spähpanzer greift die Besatzung zur Schaufel.

Und was die Drohne (ob zu Land oder in der Luft) auch nicht kann, das sind die Aufgaben, die Aufklärer sonst noch übernehmen. Anders als z.B. die Panzeraufklärer* alter Schule kann sie eine erkannte Schwachstelle des Feindes nicht taktisch ausnutzen. Sie kann nicht in den rückwärtigen Raum des Feindes eindringen und dort Sabotageaktionen durchführen. Sie kann nicht ihre Tarnung aufgeben und Gesprächsaufklärung durchführen. Und, und, und.

*) Deswegen will das deutsche Heer auch unbedingt wieder einen Spähpanzer als Ersatz für den Fennek. Der hatte sich zwar in Afghanistan als recht erfolgreich erwiesen, aber als viel zu leicht bewaffnet.
Timor
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von Timor »

"aber als viel zu leicht bewaffnet" - warum hat man dann beim Bundesheer keinen Bedarf an stärker bewaffneten Fahrzeugen?
theoderich
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von theoderich »

In der Vergangenheit waren schon einmal Aufklärungsfahrzeuge mit Maschinenkanone angedacht: Zunächst das GAF in den frühen 1980er-Jahren und einige Jahre später (um 1999), basierend auf einer ab 1992 von der Abteilung Rüstungsplanung durchgeführten Machbarkeitsstudie für Aufklärungssensorik, kurzzeitig eine Variante des "Pandur" als "Aufklärungspanzer" mit Maschinenkanone.
muck
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von muck »

Timor hat geschrieben: Di 25. Jun 2024, 10:59 "aber als viel zu leicht bewaffnet" - warum hat man dann beim Bundesheer keinen Bedarf an stärker bewaffneten Fahrzeugen?
Letztlich ist es auch eine Frage der Doktrin. Wenn ich sicher bin, dass ich nur in Österreich – also entweder im Gebirge oder im dicht besiedeltem Hügelland – kämpfen werde, wo Verstärkungskräfte jeweils immer nur höchstens ein paar dutzend Kilometer entfernt stehen, brauche ich ein ganz anderes Fahrzeug, als wenn ich mich ohne Verbindung zur eigenen Etappe auf den Kampf gegen russische Panzerregimenter im Suwalki Gap vorbereite.

Letztlich entsprang auch der SpW Fennek der Annahme, dass in Westeuropa nicht mehr mit großen Landkriegen zu rechnen sei, und Aufklärer künftig vor allem im besiedelten Raum gegen asymmetrische Gegner vorgehen würden. Als zu schwach erwies sich die Bewaffnung des Fahrzeugs, weil sich ein Spähtrupp mit nur zwei Fahrzeugen und sechs Mann Besatzung mitunter schon mal einer vielfachen Übermacht gegenübersah. Das Fahrzeug wurde auf eine Weise eingesetzt, für die es nicht gemacht war.
Woyzeck
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von Woyzeck »

muck hat geschrieben: Di 25. Jun 2024, 06:53
Woyzeck hat geschrieben: Di 4. Jun 2024, 11:30 Sehr richtig - die Frage ist halt auch, warum man 2024 überhaupt noch groß in neue Aufklärungsfahrzeuge investiert, wenn man die gleiche Aufklärungsleistung schneller, billiger und mit geringerer Personalgefährdung per Drohnen erledigen kann.
Spähaufklärung vor Ort wird, denke ich, noch auf absehbare Zeit nicht durch Drohnen ersetzt, sondern nur ergänzt werden. Die zum Ersatz nötige Flexibilität ist einfach noch nicht gegeben.

...
Ich kann die Argumentation zwar nachvollziehen, halte dem aber die Situation in der Ukraine entgegen, wo sich durch den massiven und beispiellosen Einsatz von Drohnen das transparente Gefechtsfeld eingestellt hat. Und zwar alles mehr oder minder in Echtzeit. Das kann kein Spähpanzer leisten - weder personell, noch sensorisch.
muck
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von muck »

@Woyzeck

Nur so viel: Der Impuls zur Wiederaufstellung deutscher Panzeraufklärer-Einheiten kam aus der Ausbildungskooperation mit der Ukraine und beruht auf direkten Fronterfahrungen. Es gibt sogar Überlegungen, die Aufklärungstruppe wie anno dazumal wieder mit eigenen Kampfpanzern auszustatten (bis 2001 war diese mit dem Leopard 2 ausgestattet). Eine solche "Kavallerie" gibt es heute nur noch in den USA, wenn mich nicht alles täuscht, sie scheint aber durchaus situationsangemessen.

Es gilt jedenfalls in Deutschland als ausgemacht, dass Spähwagen wie Fennek (und Husar) zwar ihren Platz haben, aber für Szenare wie in der Ukraine um wesentlich potentere Waffensysteme zu ergänzen sind. Der französische Jaguar gilt dabei als Richtmaß. Der einzige Streit, der derzeit an der Heeresaufklärungsschule Munster noch geführt wird, besteht darin, ob die Fahrzeuge der Aufklärungstruppe künftig schwimmfähig sein sollten oder nicht.
theoderich
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Re: Bundeswehr: Projekt "Spähfahrzeug Next Generation"

Beitrag von theoderich »

Investitionen: Beschaffungen für knapp 600 Millionen Euro bewilligt
Neueste Aufklärungstechnik für den Spähwagen und das JFST Fennek

Der Spähwagen und das Joint Fire Support Team Fennek erhalten Beobachtungs- und Aufklärungsausstattungen (BAA), die auf dem neuesten Stand der Technik sind. Die BAA besteht aus einem ausfahrbaren Mast, auf den ein dreh- und neigbarer Sensorkopf montiert ist. Die wesentliche Neuerung der BAA ist die Integration eines Lasertarget-Designators, der lasergelenkte Munition ins Ziel leiten kann. Mit der Modernisierung der BAA wird sichergestellt, dass die gesamte Fennek Flotte zukünftig über einen einheitlichen Stand der Aufklärungstechnik verfügt. Mit Beschluss des Haushaltsausschusses wurden die für die Beschaffung erforderlichen knapp 86 Millionen Euro freigegeben. Die Finanzierung erfolgt auch hier über das Sondervermögen Bundeswehr und den Verteidigungsetat. Zwischen 2027 und 2029 sollen die neuen Beobachtungs- und Aufklärungsausstattungen inklusive Umlaufreserve geliefert und in die Fahrzeuge integriert werden.
https://www.bmvg.de/de/aktuelles/bescha ... gt-5807952
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