@öbh
Vielleicht hatte ich mich missverständlich ausgedrückt, doch scheinst Du auch @innsbronx falsch verstanden zu haben. Niemand stellt in Abrede, dass Österreich das Recht hat, seinen Luftraum zu überwachen und vor Eindringlingen zu schützen, und dass eine aktive Luftraumüberwachung wichtig und erforderlich ist.
Doch passt die teils martialische Rhetorik der Neutralitätsvorkämpfer weder mit der außenpolitischen noch innenpolitischen Realität zusammen, von den technischen Möglichkeiten gar nicht zu reden.
Dass Österreich von seinen Nachbarn Schutz erwartet, habe ich mir nicht ausgedacht; Kanzler Nehammer hat dies recht eindeutig so herausgestellt, und v.a. NEOS und Grüne scheinen seiner Meinung zu sein.
Trotz dieser Festlegung scheut man sich, den Blick auf die einzige Macht zu richten, die fähig und willens sein könnte, Österreichs Hoheitsgebiet gegen seinen Willen zu verletzen – und das ist nun einmal Russland.
Stattdessen tauchen in der Hitparade der Begründungen auf den vordersten Plätzen Luftraumverletzungen durch just die Staaten auf, deren Schutz man sich erhofft, und deren Außenpolitik man de facto bereits unterstützt. Wenn die österreichische Neutralität mehr als nur Folklore sein soll, wird man erkennen müssen, dass man z.B. in Moskau allenfalls situationsbezogen noch als neutral wahrgenommen wird.
Überdies fehlt mir eine Antwort auf die Frage, welche Konsequenzen denn aus dieser Einschätzung zu ziehen wären, was eine hypothetische Luftraumverletzung durch die "heimlichen" Verbündeten anlangt. Österreich wird, um auf das obige Beispiel zurückzugreifen, eine anfliegende NATO-Luftflotte weder gewaltsam aufhalten wollen noch können. Dieses Argument wirkt also in jeder Hinsicht konstruiert.
Freilich gilt auch im internationalen Recht ultra posse nemo obligatur; auch die positivistischen Interpreten der Haager Konvention (deren Angreifbarkeit bereits hervorgehoben wurde) werden nicht behaupten, dass ein Staat alle theoretisch erforderlichen Mittel zur Wahrung seiner Neutralität vorhalten muss. Viele kleinere oder ärmere Staaten wären dazu gar nicht in der Lage, zumal als Anrainer großer Nachbarn.
Kurz: Ein neutraler Staat, der keine Luftstreitkräfte unterhält, müsste sie nicht eigens aufstellen, um seinem Status zu genügen. Ebendies wurde ja zuletzt in der innerösterreichischen Debatte öfters hervorgekehrt: Dass Österreich keine aktive Luftraumüberwachung "können muss", um neutral zu bleiben.
Vertritt man aber die Gegenauffassung – und die scheint immer noch in Wien der (wenn auch ungeliebte) Konsens zu sein –, dass eine aktive Luftraumüberwachung stattfinden
muss, müsste man ehrlicherweise fragen, ob nicht daraus auch ein "Wie" folgt. Denn ohne ein zweckdienliches "Wie" wird das "Ob" hinfällig.
Also: Wer diese Argumentation verfolgt, und das tun selbst die Sparfüchse und Pazifisten im Nationalrat, müsste eigentlich einer massiven Aufrüstung das Wort reden. Wenn Österreich diese Aufrüstung nicht stemmen kann oder will, wäre es nur konsequent, der NATO beizutreten.
(Nebenbei: Meine Frage, was wohl geschähe, falls die NATO im UNO-Auftrag in Österreichs Nachbarschaft intervenieren würde, sollte die Argumentation der Volksanwaltschaft entlarven. Denn natürlich würden auch dann Stimmen laut, bei dem militärischen "Abenteuer" nicht mitzumachen, und sich diese Option – das "Nicht-mitmachen-Müssen" – zu erhalten, scheint mir für Wien der Hauptzweck der Neutralität zu sein.)
Desantnik hat geschrieben: ↑Mi 6. Apr 2022, 20:12
Für mich persönlich wirkt Saab durch solche Aktionen als Unternehmen zunehmend unseriös. Bei allen größeren Auswahlverfahren außer in Brasilien ist der Gripen aussortiert worden (Österreich, Schweiz, Slowakei, Kroatien, Bulgarien, Finland, Kanada) was nicht gerade für das Flugzeug spricht.
Der Fairness halber sei gesagt: Saab hatte aus industrie- und außenpolitischen Gründen schlechte Karten.
In der Schweiz hatte man den ersten Auswahlentscheid gewonnen, für die Neuauflage des Verfahrens wurde man aus Verfahrensgründen nicht zugelassen. In der Österreich-Ausschreibung wurde Saab auch nicht gerade deklassiert. Allein die Niederlage in der finnischen Ausschreibung kommt überraschend.
Dass in den NATO-Staaten Deiner Liste nicht-schwedische bzw. amerikanische Muster das Rennen machen würden, war dagegen zu erwarten. Natürlich impliziert die Aufnahme ins Bündnis die Erwartung einer Vorzugsbehandlung der alliierten Industrie, der Interoperabilität wegen ist sie sogar sinnvoll.
Und in Kanada war der Sieg der F-35 aufgrund der Teilnahme des Landes am JSF-Programm vorgezeichnet.
Der Gripen (insbesondere die neueste Inkarnation) ist definitiv ein preiswerter Hochleistungsjäger. Aus dem Abschneiden in internationalen Ausschreibungen lässt sich die Qualität des Flugzeugs nur bedingt ablesen, da verwässern industriepolitische Faktoren und diplomatische Einflussnahmen das Ergebnis allzu sehr.
Desantnik hat geschrieben: ↑Mi 6. Apr 2022, 20:12Und dann versucht man hierzulande noch immer wieder Aufmerksamkeit zu erlangen in dem man irgendwelche tollen "Angebote" öffentlichkeitswirksam an den Boulevard übermittelt ohne dass es seitens der Regierung irgendein RFP gegeben hatte.
Wundert Dich das wirklich?
Das BMLV hat dieses Verhalten ja geradezu ermuntert. Und dass die 'Kronenzeitung' praktisch das Hausblatt der ÖVP ist (und obendrein einen rechtspopulistisch angehauchten Kurs der Kritik an Europa, den Eliten und "Big Money" fährt, in Airbus also ein lohnendes Ziel findet), ist sogar mir als Ausländer klar.