Wolfgang Wagner: „Willkommen beim ,Report‘.
[Zwei F-35A am Rollfeld in Emmen] Aufrüstung: [Hans Peter Doskozil im Interview] Live dazu der frühere Verteidigungsminister Doskozil.
Wirtschaftskrieg: Wie Unternehmen und Beschäftigte getroffen werden.
Omikron und kein Ende: Wieso trotz Infektionsrekorden Maßnahmen enden.
Guten Abend, meine Damen und Herren.
Seit fast drei Wochen läuft der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Tausende Tote sind zu beklagen, Millionen Menschen mussten fliehen. Der Westen hat scharfe Sanktionen gegen Russland verhängt.
[Foto der vier Premierminister an einem Tisch sitzend, vor sich eine Landkarte] Als Zeichen der Solidarität sind heute die Premierminister Polens, Tschechiens und Sloweniens mit dem Zug ins umkämpfte Kiew gefahren. Hier eines der wenigen Bilder, die es von der Reise gibt. Der Besuch hat das Ziel, dem ukrainischen Präsidenten Selenski Unterstützung zuzusichern. Militärisch greift die NATO aber nicht ein, um nicht den Dritten Weltkrieg auszulösen.
Und Österreich? [Foto eines Pandur A1 und einiger Lkw bei einer Übung im Winter] Ist und bleibt neutral, sagt Bundeskanzler Nehammer. Militärisch neutral – nicht ideologisch. Das Bundesheer soll aufgerüstet werden; auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll das Wehrbudget steigen. Ein Wert, der bereits vor Jahren versprochen, aber nie erreicht wurde.
Was er für notwendig hält, besprechen wir gleich mit dem früheren Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Zuvor Alexander Sattmann und Martin Pusch mit einem Lagebericht.“
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[Übung des Jagdkommandos mit OH-58B; Anlandung per Hubschrauber und Erstürmung eines Hauses – Beitrag des ORF „Report“ vom 20. Januar 2015] Wenn das Bundesheer zeigen will, was es kann, dann muss das Jagdkommando ausrücken! Die Spezialeinheit genießt einen Sonderstatus – sowohl bei Ausstattung, als auch bei Fähigkeiten. Die rund 400 Soldaten operieren im In- und Ausland. Etwa bei Anti-Terror-Einsätzen oder Geiselbefreiungen, wie hier bei dieser Übung vor wenigen Jahren.
Zuletzt waren Soldaten des Jagdkommandos auch in der Ukraine im Einsatz. Sie haben geholfen Botschaftspersonal zu schützen und außer Landes zu bringen. Der Krieg rückt näher; die möglichen Bedrohungen nehmen zu.
Robert Brieger (Generalstabschef Österreichisches Bundesheer): „Selbstverständlich ist es ein realistisches Bedrohungspotential. Wir erleben es ja täglich in den Nachrichten. Und selbstverständlich hat die NATO eine Abschreckungswirkung, aber auf der anderen Seite kann man nicht restlos darauf vertrauen, dass nicht Kampfhandlungen auch auf Westeuropa übergreifen.“
[Radpanzer „Pandur“ A1 bei einer Übung am verschneiten TÜPl Hochfilzen] In ganz Europa hat eine hektische Debatte über den teils schlechten Zustand der Armeen begonnen. Auch in Österreich. Wieder einmal.
Die Investitionen in das desolate Bundesheer sollen drastisch angehoben werden – auf 1 % der Wirtschaftsleistung. Geld fehlt überall. Der Krieg in der Ukraine veranschaulicht, wo besonders.
[Ukrainische Soldaten bei der Ausbildung an der Panzerabwehrlenkwaffe SAAB NLAW] Ukrainische Soldaten trainieren den Umgang mit Panzerabwehrraketen. Waffen, die sie von der EU und der NATO geliefert bekommen. Eben jene Systeme, die dringend benötigt werden: Raketen zur Panzer- und Fliegerabwehr. Waffen, über die auch Österreich kaum verfügt.
BRIEGER: „Beides weist einen Modernisierungsbedarf auf. Wir haben also in der Panzerabwehr das System BILL, das am Ende seiner Nutzungsdauer ist, und das System Mistral in der Luftabwehr ist also auch – wenn man den Lebenszyklus betrachtet – ein älteres System.“
Martin Pusch (ORF): „Aber das heißt, all die Waffensysteme, die jetzt in die Ukraine geliefert werden – über die verfügen wir gar nicht.“
BRIEGER: „Das mag großteils richtig sein.“
PUSCH: „Das heißt, da ist ein dringender Aufholbedarf, gerade was Luftabwehr, Panzerabwehr, Drohnenabwehr, etc. betrifft.“
BRIEGER: „Durchaus richtig.“
[General Brieger bei der Ankunft vor der Hofburg; Begrüßung durch AbgzNR Stögmüller] Rund 10 Milliarden Euro fordert das Heer. Im heutigen Verteidigungsausschuss des Nationalrates ein heikles Thema. Kurz nach dem Ausbruch des Krieges bekennen sich alle fünf Parlamentsparteien zu mehr Geld. Dem grünen Regierungspartner geht es nun aber doch etwas zu schnell.
David Stögmüller (Wehrsprecher, Die Grünen): „Wir werden uns das anschauen, wenn es konkret ein Konzept auf den Tisch kommt, wie viel Geld es auch dafür braucht. Ich glaube es wäre sinnlos, in das Bundesheer jetzt Milliarden hineinzuschütten, ohne ein Konzept. Das wird es nicht spielen. Sondern es braucht zuerst ein Konzept und dann werden wir weiter über die Summe diskutieren.“
[Gen iR Günter Höfler in seiner Wohnung] Günter Höfler war Kommandant der österreichischen Streitkräfte und hat auch selbst immer wieder für mehr Geld für das Bundesheer gekämpft. Den jetzigen grünen Ruf nach Konzepten kann er nicht nachvollziehen.
Günter Höfler [ehem. Kommandant der Streitkräfte (2006-2012)]:„Es ist für mich überhaupt letztlich nur eine Ausrede. Es gibt in Österreich jede Menge Bedrohungsanalysen, die international auch sehr anerkannt sind. Es gibt Konzepte, wie man die militärische Landesverteidigung wieder modernisiert und in Schwung bringt. Und wenn jemand behauptet ,Wir brauchen zuerst Konzepte und Analysen und dann reden wir darüber‘, dann weiß er das nicht – was ich aber nicht glaube: Ich glaube vielmehr, das ist eine Ausrede nichts oder fast nichts tun zu müssen.“
[GenMjr Striedinger, BM Tanner, VzK Kogler und BK Schallenberg am Nationalfeiertag beim Abschreiten der Front der Gardemusik am Heldenplatz; Überschrift „Nationalfeiertag 26.10.2021“] Die Grünen im Dilemma: In ihrem Wahlprogramm zur letzten Nationalratswahl versprechen sie, das Heer auf ein absolut notwendiges Maß zu verkleinern. Jetzt müssen sie in der Regierung die bisher wahrscheinlich größte Aufrüstung des Heeres mittragen.
Werner Kogler (Vizekanzler, Die Grünen, Überschrift „ZIB vom 7. 3. 2022“): „Es hat ja überhaupt keinen Sinn, wenn wir hier in Hollodaro-Manier mit dem Hubschrauber drüberfliegen und Geld in ineffiziente Strukturen gießen. Ich will gar nicht behaupten, dass das überall der Fall ist, aber man braucht zwei Dinge:
Erstens: Ein Bedrohungsbild und eine entsprechende Analyse, die das erzeugt. Und dann kann man die Antworten drauf geben.“
BRIEGER: „Vielleicht haben wir einmal Gelegenheit, dem Herrn Vizekanzler unsere Pläne im persönlichen Gespräch vorzustellen und damit eine Akzeptanz zu erwirken.“
[Soldaten der Schweizer Armee bei einer Übung in einer Ortskampfanlage] Auch die neutrale Schweiz will aufrüsten. Allerdings auf einem deutlich höherem Niveau. Die bürgerlichen Parteien wollen das jährliche Verteidigungsbudget [Vier F-35A in Emmen] von fünf auf sieben Milliarden Franken anheben. Auch personell [MTPz Piranha bei einer Übung in einer Ortskampfanlage] wird aufgestockt: Um 20.000 Soldatinnen und Soldaten.
Viola Amherd (Verteidigungsministerin Schweiz; im Interview mit dem SRF): „Es ist jetzt bewusst geworden, dass Sicherheit eben nicht selbstverständlich ist, dass sie auch nicht ohne Investitionen zu haben ist. Dass wir uns schützen müssen – unser eigenes Land; dass wir uns nicht nur auf andere verlassen können. Ich denke hier setzt schon ein Umdenken ein.“
[Peter Hajek in einer Wohnung] Der Krieg hat im Bewusstsein der Menschen vieles verändert: Auch in Österreich. Peter Hajek hat für das Verteidigungsministerium [Folien zur Studie „Bundesministerium für Landesverteidigung. 14.03.2022. Sicherheitsbedürfnis in Ukraine-Krise. Befragung von Österreicher:innen ab 16 Jahren. Dr. Peter Hajek. Mag. Alexandra Siegl, MSc“] die Stimmungslage im Land abgefragt. Das Ergebnis ist eindeutig: Das Bundesheer soll gestärkt werden. Auch finanziell.
Peter Hajek (Meinungsforscher): „Also in der derzeitigen Situation würden die Menschen das natürlich gut finden. Die Frage ist: Was passiert, wenn die Ukraine-Krise möglichst schnell vorbei ist? Dann könnte man sehr leicht wieder in die österreichische Haltung zurückverfallen ,Guat is‘ gangen – nix is‘ g’schehn!‘ und man stellt das wieder hinten an, eine bessere Dotierung. Aber in der derzeitigen Situation sind die Österreicherinnen und Österreicher schon dafür.“
Zunehmend verfestigt ist die Haltung der Österreicher bei Neutralität und NATO.
HAJEK: „Ein NATO-Beitritt wird für einen ganz, ganz großen Teil der Österreicherinnen und Österreicher – wir sprechen da von plus minus 80 Prozent … das wird nicht in Frage kommen. Und da wird sich auch jeder Politiker und jede Politikerin auch nur die Finger verbrennen, die nur diese Richtung das andenken.“
[Nationalratssitzung] Und das ist wohl auch ein Grund, warum Bundeskanzler Karl Nehammer die auch in Österreich aufgekommene Neutralitätsdebatte rasch beendet hat. Das gefällt nicht jedem.
HÖFLER: „Letztlich kann ein … ein neutraler, auf sich gestellter Staat, letztlich – man sieht das am Beispiel auch der Ukraine – kann der sich allein nicht verteidigen, sondern er braucht die Unterstützung der anderen. Und hier ist natürlich zweifellos die NATO die einzige … das einzige Verteidigungsbündnis in Europa, das diesen Schutz garantiert. Ich weiß aber, dass hier die Diskussion in Österreich über die NATO ganz, ganz schwierig ist. Ich glaub‘ das ist … vielleicht geht’s nicht … geht’s momentan nicht, der Zeitpunkt. Aber ich finde, dass die sicherheitspolitische Diskussion über die Zukunft Österreichs man nicht beenden sollte.“
[Leonhard Dobusch im Büro des Momentum-Instituts] Wenig Freude mit den geplanten Milliardeninvestitionen ins Bundesheer hat das Momentum-Institut, ein linker wirtschaftspolitischer Thinktank. Der wissenschaftliche Leiter würde das Geld lieber in Klimaschutz und Armutbekämpfung investiert sehen.
Leonhard Dobusch (Momentum-Institut, Wissenschaftlicher Leiter): „Ich glaube für ein kleines Land wie Österreich, mit begrenzten Ressourcen, das umgeben ist von NATO- und EU-Staaten, stellt sich zuerst die Frage: Wo kann man, als so kleines Land, einen Beitrag zur internationalen Sicherheits- und Friedensarchitektur leisten? Und wenn man hier wirklich Klarheit hat, dann, glaub‘ ich, lohnt es sich, hier vielleicht auch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Ich würde mich aber sehr wundern, wenn das – insbesondere im schweren Gerät, wie Drohnen und Panzer oder Abfangjäger- liegen würde. Dazu ist eben die geopolitische Situation Österreichs eine andere.“
[Piloten beim Verlassen eines Staffelgebäudes der Düsentrainerstaffel in Hörsching; Piloten beim Besteigen des Cockpits einer Saab-105OE; zwei Saab-105OE beim Start] Investitionen in die Luftraumüberwachung vermeidet Österreich ohnedies. Nachfolger für die ausgemusterte Saab-105 gibt es bis heute keine. [BM Darabos beim Besichtigen eines Eurofighter in der Flugeinsatzbox, während seines Besuchs am Fliegerhorst am 3. Juni 2009] Auch der Eurofighter müsste nachgerüstet werden, nachdem der frühere SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos manche vor allem für den Nachtflug notwendigen Systeme abbestellt hat.
BRIEGER: „Es besteht die Notwendigkeit, den Eurofighter auch nachtidentifikationsfähig zu machen. Das heißt, ihn so auszustatten, dass eine entsprechende Zielidentifikation auch bei Dunkelheit möglich ist. Das ist derzeit nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen der Fall – nämlich durch Sichtkontakt.“
PUSCH: „… , aber das andere ist, überhaupt die Einsatzfähigkeit der Eurofighter ist nicht 24 Stunden am Tag im Einsatz.“
BRIEGER: „Das ist richtig.“
PUSCH: „Klingt bei uns trotzdem jetzt nach einer absoluten Notlösung.“
BRIEGER: „Ich würde es als österreichischen Kompromiss bezeichnen.“
[Eurofighter beim Verlassen der Flugeinsatzbox]
Bericht: Martin Pusch, Alexander Sattmann
Mitarbeit: Sophie-Kristin Hausberger, Marion Flatz-Maser
Kamera: Josef Ettlinger, Martin Gerhartl, Michael Svec
Schnitt: Peter Weiss
Sprecher: Alexander Rossi
WAGNER: „In unserem Studio in Eisenstadt begrüß‘ ich jetzt den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Schönen guten Abend.“
Hans Peter Doskozil (Landeshauptmann Burgenland, SPÖ): „Schönen guten Abend.“
WAGNER: „Sie waren Verteidigungsminister in den Jahren 2016 und 17. Erwarten Sie auch einen ,österreichischen Kompromiss‘ oder glauben Sie, werden wirklich zehn Milliarden Euro ins Heer investiert?“
DOSKOZIL: „Ich glaube die Diskussion, dass das Verteidigungsministerium hier mehr finanzielle Mittel braucht, dass Ausstattung etc., Investitionen, dass Personal notwendig ist, das liegt auf der Hand. Das sehen wir aus den letzten Jahren. Das Verteidigungsministerium – und ich muss ganz ehrlich sagen, ich bewundere auch die Soldaten: Die sind sehr leidensfähig und haben in den letzten … letzten Jahren und letzten Jahrzehnten sehr vieles an Strukturreformen, Einsparungen, Versprechungen, nicht gehaltene Versprechungen immer wieder mitgemacht. Aber die Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt, aus meiner Sicht, geht jetzt komplett in die falsche Richtung.
Wir müssen einmal als Politik und als Staat die Frage für uns beantworten: Wie sehen wir die Rolle unserer Neutralität? Ist die Rolle unserer Neutralität eine, die in das europäische … in die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingebettet ist? Oder ist die Rolle der Neutralität eine wie in der Schweiz?
Ich gehe davon aus, dass die Antwort auf diese Frage erstere sein wird.
Und dann muss man auch klar die Frage beantworten: Was erwarten wir dann von einem Österreichischen Bundesheer, die gewisse verfassungsrechtliche Aufgaben zu erfüllen hat?
Und erst dann, wenn diese Aufgabenstellung und diese Fragestellung beantwortet ist - Welche Aufgaben soll zukünftig das Österreichische Bundesheer erfüllen? - dann sollte man über die Ausstattung und über das Budget diskutieren.“
WAGNER: „Also, ich versteh‘ Sie richtig: Sie gehen in die ähnliche Richtung wie Bundeskanzler Nehammer, der ja gesagt hat, nach dieser Versailler Erklärung in der EU: Wir können uns auf die Beistandsverpflichtung in den EU-Verträgen verlassen.
Würde aber dann heißen, dass wir eben nicht so viel investieren müssen oder uns spezialisieren sollen, wie gestern ein Experte im Mittagsjournal gesagt hat. Wie sehen Sie das?“
DOSKOZIL: „Schauen Sie, diese Diskussion um 1 % Verteidigungsbudget ist aus meiner Sicht derzeit vordergründig fadenscheinig. Man braucht sich nur die Liegenschaften anschauen, man braucht nur die Ausstattung der Soldaten anschauen. Da wird höchstwahrscheinlich dieses 1 % an Budget gar nicht reichen, geschweige denn aufzurüsten im Cyberbereich, im Abwehrbereich und in verschiedenen anderen Bereichen.
Das heißt – und es ist Aufgabe der Politik und das ist ganz wesentlich – diese Positionierung muss getroffen werden. Das muss auch für jeden klar sein. Ich bin noch nicht damit einverstanden, dass das klar ist, weil es gibt auch sehr große und sehr wichtige Teile in der ÖVP, die seit 2000 immer irgendwo noch diese NATO-Fantasien hegen. Es wurde jetzt vom Bundeskanzler zwar klargestellt. Aber die Richtung muss einmal klar sein.
Und dann muss man die Aufgaben definieren. Und es ist genauso eine wesentliche Aufgabe des Österreichischen Bundesheeres beispielsweise den Katastrophenschutz in Österreich zu gewährleisten.
Wir sehen es jetzt tagtäglich an der Grenze: Das Österreichische Bundesheer macht einen tollen Grenzeinsatz. Das Österreichische Bundesheer unterstützt im Assistenzeinsatz bei der Corona-Krise. Und wir sehen es, dass es personell an die Grenzen kommt. Wir sehen es auch an den Helmlieferungen in die Ukraine, dass Helme von den Soldaten abgezogen werden. Das sind so plakative Beispiele, die durchaus imposant den Zustand des Österreichischen Bundesheeres erläutern.
Jetzt einfach zu sagen: ,1 % und damit ist alles erledigt.‘ - diese Diskussion ist zu kurz gegriffen, aus meiner Sicht.“
WAGNER: „Dann machen wir’s konkret: Wo würden Sie investieren? Sie waren ja Minister, Sie müssten’s ja genauer wissen.“
DOSKOZIL: „Also ich würde zunächst diese Rolle definieren: Was soll die [sic!] Österreichische Bundesheer in diesem europäischen Korsett der Sicherheits- und Verteidigungspolitik an Aufgaben erfüllen?
Dann ist dringend – aus meiner Sicht – das Gebot der Stunde, in Infrastruktur zu investieren. Ich glaub‘ die Soldaten haben sich auch verdient, dass es ordentliche Kasernen gibt.
Es ist dringend erforderlich, in die Schutzausrüstung, in die Ausrüstung der Soldaten zu investieren. Man muss die Cyberthematik auf den Tisch legen. Derzeit in Österreich ist das Thema Cyberkriminalität, Cyberabwehr, über vier Ministerien verteilt! Da sind Kompetenzfragen zu stellen.
Es ist der Katastrophenschutz ein Assistenzfall des Österreichischen Bundesheeres. Aus meiner Sicht ist die Diskussion überflüssig, ob … oder notwendig, ob das Österreichische Bundesheer originär für Katastrophenschutz zuständig sein soll. Das ist eine wichtige Frage.
Und dann muss man in diesem europäischen Kontext, der Positionierung, auch die Frage stellen – die ist zu beantworten: Wie ist der Verteidigungsfall militärisch zu beurteilen?“
WAGNER: „Noch eine konkrete Frage: Sind Sie für die Wiedereinführung der Milizübungen, also auch für eine Verlängerung des Wehrdienstes?“
DOSKOZIL: „Also das Milizsystem in Österreich ist unbestritten. Das Milizsystem, wie wir’s in der Coronakrise in der Vergangenheit, in der ersten, zweiten Phase, erlebt haben, dass die Miliz ein Monat benötigt, um zu mobilisieren – das zeigt ja auch schon die Handlungsfähigkeit. Wie man zu einer Milizsystematik sich bekennt, dann muss die Milizsystematik effektiv sein. Und eine effektive Milizsystematik würde am Ende des Tages auch bedeuten: 6+2.“
WAGNER: „O.K., das ist in Ihrer Partei mehrheitsfähig?“
DOSKOZIL: „Das wird zu diskutieren sein. Sie fragen mich um meine persönliche Meinung. Ich gehe davon aus, dass, wenn es darum geht, ein funktionierendes System zu haben - auch für den Katastrophenschutz und das darf man niemals vergessen, das ist eine ganz wichtige Aufgabenstellung des Österreichischen Bundesheeres – dann muss man – und das ist man diesen Mitarbeitern, den Soldaten des Österreichischen Bundesheeres, schuldig – auch ihnen die Mittel und die Möglichkeiten und die Systeme geben, die Aufgaben zu erfüllen.“
WAGNER: „Ihre Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schreibt heute in einem Gastkommentar in der ,Wiener Zeitung‘ den Satz:
,Neutrale Staaten stellen für Großmächte keine Bedrohung dar. Das stärkt unsere Sicherheit.‘
Würden Sie das auch so formulieren?“
DOSKOZIL: „Also die Neutralität hat sicherlich einen internationalen gewissen Faktor. Man sieht es an der Rolle Schweiz. Man sieht es auch an der historischen Rolle, die Österreich eingenommen hat.
Ich glaube schon, dass man behaupten kann, dass insbesondere auch Bruno Kreisky eine sehr aktive Rolle in der internationalen Friedensdiplomatie eingenommen hat. Diese Rolle auf europäischer Ebene hat vielleicht bis zu einem gewissen Grad – obwohl natürlich nicht neutral, NATO-Mitglied – in den letzten Jahren, Jahrzehnten, Angela Merkel eingenommen. Angela Merkel ist nicht mehr auf der politischen Bildfläche. Und jetzt entsteht – und ist entstanden – ein gewisses Vakuum. Das wäre eine tolle Aufgabe für Österreich. Das wäre eine tolle Aufgabe und eine wichtige Aufgabe für österreichische Politiker.
Da kann man aber nicht den Schalter umlegen und sagen: ,Wir sind heute die Spitzendiplomaten, wenn es um Friedensprozesse geht, international‘, sondern diesen Status müssen wir uns erarbeiten. Und das ist auch das Gebot der Stunde und auch eine Aufforderung an unsere Politik und Außenpolitik.“