Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
muck
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von muck »

Es wundert mich, dass die Entwicklung einer Anti-UAS-Rakete noch forciert wird, obwohl eigentlich die halbe Welt ihr Heil gegen Drohnen in DEW-Systemen sieht, die viele Vorteile gegenüber konventionellen Waffen bieten und eigentlich auch allmählich mal einsatzbereit sein müssten.
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Doppeladler
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von Doppeladler »

Außerdem hat die Enforcer keine höhere Reichweite als die 30 mm ???
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muck
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von muck »

Doppeladler hat geschrieben: Do 13. Jul 2023, 13:58 Außerdem hat die Enforcer keine höhere Reichweite als die 30 mm ???
Nun, je nach Anzahl mitgeführter LFK würde eine zusätzliche Raketenbewaffnung die Reaktionszeit sowie die Überlebensfähigkeit des Systems gegen Sättigungsangriffe verbessern. Der FlakPz könnte sich z.B. mit der Kanone gegen ein Erdziel wehren und gleichzeitig anfliegende Loitering Munitions mit Raketen bekämpfen. Trotzdem erstaunt mich dieser Weg. Da fragt man sich doch, ob der Hersteller mit den Laser-Effektoren in irgendeine Sackgasse geraten ist.
da_mm
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von da_mm »

muck hat geschrieben: Mi 12. Jul 2023, 22:44 Es wundert mich, dass die Entwicklung einer Anti-UAS-Rakete noch forciert wird, obwohl eigentlich die halbe Welt ihr Heil gegen Drohnen in DEW-Systemen sieht, die viele Vorteile gegenüber konventionellen Waffen bieten und eigentlich auch allmählich mal einsatzbereit sein müssten.
Einen HEL-Effektor hat Rheinmetall für den Skyranger-30-Turm schon präsentiert - aber Flugkörper bleiben eine notwendige Bewaffnung gegen den Einsatz von Drohnenschwärmen, wie ihn z.B. China erprobt. Einzelne Drohnen kann ein Laser oder ein Mikrowellenimpuls bekämpfen, aber aufgrund von Wirkungsdauer und begrenztem Wirkungsbereich können nicht mehrere Ziel zeitgleich oder in kurzer Abfolge bekämpft werden.

Die US-Streitkräfte setzen deswegen beim Stryker M-SHORAD auch auf das Coyote Anti-UAS, während Rheinmetall in Kooperation mit Denel erst die Integration des LFK Cheetah anbot, ehe man auf den LFK Skyknight vom selbigen Entwicklerteam (nach Abgang der Ingenieure von Denel zu bei Halcon Systems) nun aus den VAE.
Doppeladler hat geschrieben: Do 13. Jul 2023, 13:58 Außerdem hat die Enforcer keine höhere Reichweite als die 30 mm ???
Enforcer nicht, SADM schon. Laut Soldat und Technik - als Quelle wird der Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung von MBDA Deutschland, Guido Brendler, genannt - hat die SADM einen anderen, leistungsgesteigerten Raketenmotor und eine höhere Reichweite:
„Im Vergleich zum ursprünglichen Enforcer-Flugkörper ist die SADM reichweitengesteigert und mit einem speziellen Suchkopf gegen Ziele in der Luft versehen. Ausgehend von der vorhandenen Technologiebasis des Enforcer erreichen wir somit schnell und kosteneffizient den Lösungsraum für die operationellen Herausforderungen eines solchen Zielspektrums“, führte Brendler aus." - https://soldat-und-technik.de/2023/02/b ... -beginnen/
theoderich
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von theoderich »

A Further Insight. Interview with Brigadier General Jürgen Schmidt, Head of the Combat Directorate (K)
ESD: Protection against airborne threats is a pressing issue. Where are we with the VSHORAD/SHORAD (NNbS) air defence projects?

Schmidt: In regard to SHORAD/VSHORAD, we are currently processing the bid of the ARGE NNbS (Rheinmetall Electronics GmbH, Hensoldt Sensors GmbH and Diehl Defence GmbH & Co. KG) for developing the air defence system for close- and short-range protection (LVS NNbS) sub-project (TP) 1 (initial capability) by the BAAINBw. The contract is scheduled for the second half of 2023. The complete weapon system is to be available in 2028, after successful qualification.

At the moment, the MoD is taking a decision on how to divide up the components of VSHORAD/SHORAD. It has been agreed between the Army and the Air Force that the SHORAD components will be assigned to the Air Force. The VSHORAD systems are to be operated by the Army in future. With the initial qualification, two squadrons for short-range protection (anti-aircraft missile squadrons “FlaRakStff”) and two batteries for short-range protection (anti-aircraft missile battery “FlaRakBttr”) will be delivered.

In addition, from 2024 onwards, there will be a mobile solution to address the capability gap in Counter - Unmanned Aircraft Systems (C-UAS). BAAINBw is currently preparing the proposed solutions. The C-UAS effector vehicles to be developed will be integrated into the FlaRakBttr and are to enter service from 2028 at the latest.

[...]

Qualified Air Defence (qFlgAbw): In the capability gap and functional requirement (FFF) LVS SHORAD/VSHORAD, sub-project 1b (TP1b) was additionally included in the supplementary commissioning of 29.09.2017, which is to address qualified air defence capabilities. The system for qFlgAbw to be procured in TP1b is not part of the LVS SHORAD/VSHORAD, but is assigned to the respective army units as an organic component.

Due to ongoing global resource shortages and supply chain disruptions, it has not yet been possible to deliver the weapon station for integration into the Boxer mission module. Additional challenges regarding the finalisation of the construction status of the weapon stations have led to delays and consequently to a postponement of the delivery of the weapon stations including the radars by Kongsberg. We will immediately begin integrating the functionality into the Boxer vehicles provided by KMW as soon as the components are delivered. The qualification of the weapon station will take place during the verification of the overall system with the first series-production vehicle.

As a result, the authorisation for use (GeNu) and roll-out to the troops will be postponed until 2024.
https://euro-sd.com/wp-content/uploads/ ... AAINBw.pdf
theoderich
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von theoderich »

Das Heer erhält drei neue Boxer-Varianten für NNbS
Wie die ARGE NNbS, ein 2021 entstandener Zusammenschluss der Unternehmen Rheinmetall Electronics, Diehl Defence und Hensoldt Sensors, bei einer Presseinformation am 24. August mitgeteilt hat, liegt ein endverhandelter Vertrag für die Entwicklung des LVS NNbS vor. Nach parlamentarischer Billigung könnte der Vertrag noch in diesem Jahr unterschrieben werden.

Im Teilprojekt 1 des NNbS soll eine Erstbefähigung Land erreicht werden. Im Rahmen des Entwicklungsvertrags sollen 2026/2027 Entwicklungsmuster für Boxer mit Missionsmodulen für die Funktion als Flugabwehrraketenpanzer (FlaRakPz) bzw. Feuerleitpanzer (FltPz) geliefert werden. Hinzu kommen Verbesserungen der Mittelbereichs-Waffensystems (IRIS-T SLM) und des Mittelbereichsradars (TRML-4D).

Parallel dazu werden im Zeitraum 2024 bis 2027 als „Sofortbeschaffungen“ Luftverteidigungssysteme IRIS-T SLM mit sechs Feuereinheiten und 19 Flugabwehrkanonenpanzer Skyranger 30 zulaufen. Während die IRIS-T SLM bereits bestellt sind, ist für die Bestellung der Skyranger 30 noch die parlamentarische Billigung erforderlich, die noch in diesem Jahr erfolgen soll.
Skyranger 30

Im Skyranger 30 hat Rheinmetall die 30-mm-Oerlikon-Revolverkanone und eine Lenkwaffe zu einem System zusammengeführt, das Ziele im Entfernungsband von Null bis zu mehreren Kilometern bekämpfen kann. Mit ihrer hohen Kadenz und Präzision übertrifft die Oerlikon-Kanone die Wirkung der zwei Kanonen im FlakPz Gepard. Die eigene Sensorik, u.a. mit AESA-Radar und dem passiven Infrarot-Sensor FIRST, kann Ziele rundum (360 Grad) entdecken und verfolgen. Das Waffensystem ist in einem unbemannten Turm mit weniger als vier Tonnen Gewicht integriert.

Es ist geplant, 2025 ein Truppenversuchsmuster zu liefern. Nach Feststellung der Eignung sollen bis Mitte 2027 16 Skyranger 30 für die Truppe und je ein Exemplar für die Ausbildung sowie als Referenzexemplar für den Rüstungsbereich zulaufen.
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Boxer Flugabwehrraketenpanzer

Für die Bekämpfung von Bedrohungen aus der Luft im Entfernungsband bis oberhalb zehn Kilometern sollen die FlaRakPz-Boxer einen Werfer für mindestens vier IRIS-T-Flugkörper erhalten. Ob mehr Flugkörper integriert werden können, soll sich im Laufe der Entwicklung ergeben. Das Zielspektrum deckt Starr- und Drehflügler und Marschflugkörper ab. Neben dem Fahrer und dem Kommandanten ist ein weiterer Bediener im Fahrzeug untergebracht. Der FlaRakPz kann mit eingebauter Sensorik eine eigene Luftlage erstellen und eigenständig Ziele bekämpfen. Er ist aber für die Netzanbindung ausgelegt und an externe Luftlagen angebunden werden. Zur Selbstverteidigung verfügt das Fahrzeug über eine im Turm integrierte 40-mm-Granmatmaschinenwaffe.
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Boxer Feuerleitpanzer

Die Koordination der Flugabwehrsysteme einer Einheit erfolgt aus dem FltPz-Boxer. Kommandant und ein Bediener finden das gleiche Arbeitsplatzsetup vor wie im FlaRakPz vor. Die Aufgaben können sowohl während der Fahrt als auch in einem stationären Gefechtsstand durchgeführt werden. Eine fernsteuerbare Waffenstation wahlweise mit schwerem Maschinegewehr oder Granatmaschinenwaffe dient der Selbstverteidigung.
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Sensorik

Zu den wesentlichen Systemelemente der Sensorik gehört nach Angabe der ARGE NNbS der Primärsensor des FlaRakPz, die sechs nichtrotierenden Phased Array Antennen (AESA) des Spexer Radars. Durch die Anordnung der Antennen auf dem Fahrzeug ist die Rundum-Luftraumaufklärung auch während der Fahrt möglich. Das Radarsystem kann gleichzeitig Überwachungs- und Zielverfolgungsaufgaben wahrnehmen. Für die Zielidentifikation wird der IFF-Abfrager MSSR200 eingesetzt.

Ergänzend wird für die Zielverfolgung eine Elektro-optischer Sensor genutzt, der über je einen Tag- und Nachtkanal sowie eine Laserentfernungsmesser verfügt.

Für den Selbstschutz steht das Sensorsystem MUSS (Multifunktionales Selbstschutzsystem) zur Verfügung. In dem System sind ein Raketen- und ein Laserwarner integriert.
https://esut.de/2023/08/meldungen/44056 ... fuer-nnbs/

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https://www.rheinmetall.com/de/microsites/nnbs
theoderich
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von theoderich »

theoderich hat geschrieben: Fr 3. Jun 2022, 23:55
theoderich hat geschrieben: Do 23. Jun 2022, 20:11
theoderich
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von theoderich »

Beschaffungschaos bei der Bundeswehr
Anti-Drohnen-System wird fünfmal teurer als geplant

https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 6964cbc95c


Anti-Drohnen-System offenbar fünfmal teurer als geplant
Das 2020 vom Verteidigungsministerium aufgesetzte Projekt zur Abwehr von Drohnen und Raketen im sogenannten Nah- und Nächstbereich könnte fünfmal teurer als geplant werden. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Spiegel“.

Urspünglich rechnete das Wehrressort demnach mit Kosten in Höhe von 240,6 Millionen Euro für das sogenannte „Entwicklungsvorhaben Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz in einem Truppenverband gegen Ziele aus der Luft“. Inzwischen aber soll die von der Industrie geforderte Summe bei rund 1,3 Milliarden Euro liegen.

Die Zahlen gehen aus einer Vorlage des Bundesfinanzministeriums für den Haushaltsausschuss des Bundestags hervor, die dem „Spiegel“ vorliegt. Der Ausschuss soll darüber am Mittwoch beraten; er muss sämtlichen Rüstungsbeschaffungen zustimmen, deren Wert 25 Millionen Euro übersteigt.
Die massive Kostensteigerung des Projekts zur Drohnen- und Raketenabwehr alarmiert dem Bericht zufolge auch den Bundesrechnungshof (BRH). „Der verhandelte Preis für die Entwicklungsleistungen übersteigt die im Vorfeld geschätzten Ausgaben um das Fünffache“, kritisiert der BRH in einem internen Papier, aus dem der „Spiegel“ zitiert.

Die obersten Finanzkontrolleure sind demnach misstrauisch. „Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass der angebotene Preis angemessen ist“, schreiben sie. Dem zuständigen Beschaffungsamt sei es nicht gelungen, „Kostensteigerungen in dieser Höhe plausibel zu erklären“.

Die Behörde richtet eine klare Forderung an das Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): „Das Bundesministerium der Verteidigung sollte auf jeden Fall ein Preisprüfungsersuchen an die zuständige Preisüberwachungsstelle richten.“ Ihre Vermutung: „Der Bundesrechnungshof schließt nicht aus, dass der Anbieter hohe Risikozuschläge in sein Angebot eingepreist hat.“
https://www.welt.de/politik/deutschland ... plant.html


Zuletzt geändert von theoderich am Mo 1. Jan 2024, 00:20, insgesamt 2-mal geändert.
muck
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Re: Deutschland: "Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz"

Beitrag von muck »

Eigentlich ist die Überschrift "Beschaffungschaos" unfair, sie verkennt die Problematik. Denn woran liegt es, dass öffentliche Aufträge kaum jemals budgetgerecht abgeschlossen werden, und zwar in so ziemlich allen Ländern der Welt? Es liegt vor allem an der Politik selbst (unbeschadet der Tatsache, dass gerade Rüstungs- und Bauunternehmen zurzeit tüchtig zulangen).

Denn die Politik kalkuliert fortwährend mit einem ungenügenden Budget, sei es aufgrund von Ressourcenkonflikten (z.B. wegen Austerität) oder aus politischen Gründen ("kostenlose Kita-Plätze statt Raketen"). Der Markt kann jedoch die geforderte Leistung zum politisch festgelegten Preislimit oft gar nicht anbieten, jedenfalls nicht der politisch opportune heimische Markt.

Also rechnet man sich das Projekt auf Teufel komm raus schön, leitet es in die Wege und entdeckt irgendwann, huch und ojemine!, unvorhersehbare Probleme und Hindernisse. Im Vertrauen darauf, dass bis dahin schon zu viel Geld geflossen ist, als dass das Parlament noch den Stecker zu ziehen wagt. Stichwort: eskalierendes Commitment.
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