Schweiz: Programm "Air2030"

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
opticartini
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von opticartini »

Woher will dieser amerikanische Politiker das überhaupt wissen?

Dass die Angebote gleich behandelt wurden, glaube ich mal, selbst wenn im Vorhinein gewisse Elemente des Militärs durchaus Präferenzen zu erkennen gaben. Die Frage ist eher ob die Bewertungskriterien, auf deren Basis "alle gleich behandelt wurden" der (Schweizer) Realität und Zukunft entsprechen. Dies kann auf jeden Fall in Zweifel gezogen werden, Experten sind keinesfalls allwissend (eher das Gegenteil, Stichwort: Fachidioten).

Dass man die Gesamtkosten für Kauf und Erhaltung auf Jahrzehnte in eine einzelne Zahl gießen kann, die dann auch noch fix sein soll, halte ich für ausgeschlossen. Wenn die Schweizer die Dinger dann aber am Hof stehen haben und die Kosten über den Versprochenen liegen - zahlen das dann die Experten, die offensichtlich versagt haben? Eher nicht

Unabhängig davon habe ich glaube bereits einmal erwähnt, dass hinsichtlich Kosten von F-35 oft Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die A, B, C Varianten sind unterschiedlich komplex und in den USA werden meistens die gesamten Entwicklungskosten herangezogen, um die Frage "wie teuer ist F-35" zu beantworten. Das trifft auf jemanden, der nicht Projekt-Partner ist, sondern einfach nur Käufer ist, nicht zu.
theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

opticartini hat geschrieben: Sa 20. Nov 2021, 15:25Woher will dieser amerikanische Politiker das überhaupt wissen?
Das frage ich mich auch. Diese Behauptung ("[...] there were less expensive offers on the table - both from Boeing and the French manufacturer. And there also a Spanish ... a Spain-Italy-UK-Germany conglomerate.") ist völlig aus der Luft gegriffen. Denn der Preis spielt bei solchen Vergabeverfahren bestenfalls eine gleichberechtigte Rolle zu anderen Faktoren und ist in der Regel nicht ausschlaggebend (außer bei Gleichwertigkeit der Angebote).

Aber Schweizer Medien, die gegen die F-35 Stimmung machen, spielen solche Aussagen natürlich in die Hände.
muck
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von muck »

Albert hat geschrieben: Sa 20. Nov 2021, 11:45 Hier ist gar nichts gewagt. Es geht um das neue Kampfflugzeug der Schweizer Luftwaffe, also das Projekt Air2030 und nicht um ein deutsches Sturmgewehr.
Ich gehe davon aus, dass Du genau weißt, worauf ich hinaus wollte. Wenn die öffentliche Hand Geld ausgibt, kommt es hin und wieder zu allzu optimistischen Kalkulationen, zu Fehleinschätzungen oder gar zu Korruption. Ohnehin ist kaum ein Rüstungsprogramm heutzutage mehr frei von Kostensteigerungen. Es wäre naiv zu glauben, dass der Bern genannte Preis auch wirklich der Preis ist, den der Schweizer Steuerzahler am Ende zahlt. Damit ist die Frage legitim.
Albert hat geschrieben: Sa 20. Nov 2021, 11:45Wer es in Zweifel zieht, hat wohl einfach ein anderes Lieblingsflugzeug oder führt eine Kampagne im Hinblick auf die nächste Kampfjet-Abstimmung in der Schweiz.
Das ist bloße Polemik Deinerseits. Die Wertung der F-35 als günstigstes Angebot ist überraschend, und zwar ebenfalls für Experten, siehe die Diskussion seinerzeit. Soweit mir bekannt ist, hat die Schweizer Regierung noch nicht eingehend erläutert, wieso und in welcher Höhe das Angebot von Lockheed Martin das billigste ist, sie hat lediglich Anhaltspunkte gegeben, die selbst in Fachkreisen (etwa bei Gareth Jennings) Erstaunen auslösten.

Solange diese Anhaltspunkte nicht ausgeführt werden, wem schadet es da, wenn hier Fragen und Überlegungen angestellt werden? Der Ton Deines Kommentars lässt mich vermuten, dass eher Du eine kleine Kampagne führst.
opticartini hat geschrieben: Sa 20. Nov 2021, 15:25 Woher will dieser amerikanische Politiker das überhaupt wissen?
Also, das ist der Punkt in der Berichterstattung, der mir am wenigsten zu denken gibt, und dabei kenne ich mich mit dem Schweizer Beschaffungsrecht nicht einmal aus. Möglich, dass er als Lobbyist falsche oder irreführende Angaben macht, aber dass er die Angebote kennt, glaube ich unbesehen.

Die Bewerber werden die Höhe der Angebote ihrer Mitbewerber mittlerweile kennen, ob Schweizer Recht dies vorsieht oder nicht, und dann kennt sie auch die US-amerikanische Politik. Der Hill ist mit der Rüstungsindustrie eng verzahnt, und ohnehin haben die Parlamentarier beim Export sicherheitsrelevanter Technologien ein weitreichendes Mitspracherecht.

In Anbetracht der Kritik des US-Rechnungshofes an ständigen unvorhergesehenen Verteuerungen des F-35-Programms und gewisser Unsicherheiten wie etwa den erzwungenen Rückzug der Türkei betreffend, nehme ich stark an, dass Lockheed Martin ohne eine Kenntnis der Höhe der gegnerischen Angebote nicht das günstigste Angebot abgeben konnte.

Skaleneffekte bei der Produktion können diesen Vorsprung nicht erklären, auch die Super Hornet und die Typhoon existieren mittlerweile in ausreichender Stückzahl. Und es ist nicht intuitiv, dass eine überlegene Technologie deutlich günstiger in Anschaffung und Unterhalt sein soll. Das wäre eine Meisterleistung, wie sie in der Industriegeschichte selten ist.
Albert
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von Albert »

1. Hier geht es nur um das Programm Air2030 der Schweiz und nicht um Allgemeinplätze. Programm "Air2030" steht auch im Titel des Themas.
2. Die Bewertungskriterien sind für die Schweiz richtig. Das Programm wurde von erfahrenen Schweizern geleitet, einer davon ist nun Chef der Luftwaffe. Die Wettbewerber betrachteten den Bewertungsprozess als nicht verzerrt (unbiased) und fair - vor der Bekanntgabe des Resultats.
3. Die Kosten der einzelnen Flugzeuge werden aus den Offerten abgeleitet. Es mussten jeweils Fixpreise für den Kauf und für 10 Jahre Betrieb (resp. Ersatzteile) abgegeben werden. Das Schweizer Verteidigungsdepartement weist immer darauf hin, dass es sich um eine Kostenberechnung zum Zeitpunkt der Angebote im Februar 2021 handelt. Niemand geht davon aus, dass man heute die Kosten einer Nutzungsdauer von 30 Jahren auf den Franken genau vorhersagen kann. Die Grössenordnung stimmt aber mit den gemachten Erfahrungen überein. Der Betrieb während 30 Jahren ist etwa doppelt so teuer wie der anfängliche Kauf.

Wenn ein Wettbewerber günstiger als Lockheed Martin offeriert hätte, wäre das schon längstens vom Anbieter selbst verkündet worden. Das ist also nicht der Fall.

US Senator Tim Kaine kennt die Offerten nicht, sonst würde er nicht behaupten, dass Lockheed Martin das höchste Angebot abgegeben hatte.
theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

muck hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 09:38Die Wertung der F-35 als günstigstes Angebot ist überraschend, und zwar ebenfalls für Experten, siehe die Diskussion seinerzeit. Soweit mir bekannt ist, hat die Schweizer Regierung noch nicht eingehend erläutert, wieso und in welcher Höhe das Angebot von Lockheed Martin das billigste ist, sie hat lediglich Anhaltspunkte gegeben, die selbst in Fachkreisen (etwa bei Gareth Jennings) Erstaunen auslösten.
Das VBS war bei der Medienkonferenz ziemlich ausführlich, was die Gründe für den Zuschlag an Lockheed Martin betraf. Es gab vier Hauptevaluationskriterien (Nutzen):
  • Wirksamkeit: 55 %
  • Produktesupport: 25 %
  • Kooperation: 10 %
  • Direkter Offset: 25 %
Außerdem wurden die Gesamtkosten (Beschaffungskosten + Betriebskosten über 30 Jahre) gegenübergestellt. Die Beschaffungskosten für 36 F-35A inklusive Ausbildung, Ersatzteilen, etc. wurden mit 5,068 Milliarden Fr (Stand: Angebotsabgabe Februar 2021) angegeben.

Kurzbericht Evaluation Neues Kampfflugzeug
Was den mittels Bewertung der vier Hauptkriterien (Wirksamkeit, Produktesupport, Kooperation, Direkter Offset) ermittelten Gesamtnutzen betrifft, erreicht der F-35A mit deutlichem Abstand die höchste Bewertung. Er weist mit 336 Punkten den höchsten Gesamtnutzen auf, dies mit einem deutlichen Abstand von 95 und mehr Punkten zu den anderen Kandidaten.
Der F-35A erzielt sowohl bei den Beschaffungs- als auch bei den Betriebskosten das beste Resultat. Die Gesamtkosten für die Beschaffung und den Betrieb des F-35A über 30 Jahre betragen knapp 15,5 Milliarden Schweizer Franken, mindestens 2 Milliarden Franken weniger als bei den anderen Kandidaten.
https://www.vbs.admin.ch/content/vbs-in ... 84275.html Es ist durchaus möglich, dass die "Beschaffungskosten" höher angesetzt war, als bei anderen Kandidaten. Aber diese Komponente war eben nicht ausschlaggebend.
Albert
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von Albert »

Es heisst "sowohl bei der Beschaffung als auch im Betrieb das beste Resultat". D.h. das Paket der F-35 wurde zum tiefsten Preis offeriert. Zudem ist auch der Betrieb am günstigsten.

Es ist mir nicht bekannt, welche Differenz zum Kaufpreis des zweithöchsten Angebots besteht. Die Differenz von 2 Milliarden Franken für die Nutzungsdauer von 30 Jahren kommt auch dadurch zustande, dass etwa 20% weniger Flugstunden geflogen werden müssen. Inoffiziell heisst es, die F-35 sei immer noch 500 Millionen Franken billiger, wenn die gleiche Anzahl Stunden geflogen würde.
muck
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von muck »

Albert hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 10:53 1. Hier geht es nur um das Programm Air2030 der Schweiz und nicht um Allgemeinplätze. Programm "Air2030" steht auch im Titel des Themas.
Und dieses Rüstungsprogramm existiert in einem Paralleluniversum, in dem es das einzige seiner Art ist, sodass es sich mit keinem anderen Programm zu messen braucht? Ein Paralleluniversum, in dem alle Beteiligten unfehlbar sind? Faszinierend.
Albert hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 10:532. Die Bewertungskriterien sind für die Schweiz richtig. Das Programm wurde von erfahrenen Schweizern geleitet, einer davon ist nun Chef der Luftwaffe.
Willst Du also im Umkehrschluss jegliches allfälliges Vorkommen von Kostenüberschreitungen, Verzögerungen und Fehlentscheidungen in Rüstungsfragen rundheraus durch die Inkompetenz der Auftraggeberseite erklären?
Albert hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 10:533. Die Kosten der einzelnen Flugzeuge werden aus den Offerten abgeleitet. Es mussten jeweils Fixpreise für den Kauf und für 10 Jahre Betrieb (resp. Ersatzteile) abgegeben werden. Das Schweizer Verteidigungsdepartement weist immer darauf hin, dass es sich um eine Kostenberechnung zum Zeitpunkt der Angebote im Februar 2021 handelt. Niemand geht davon aus, dass man heute die Kosten einer Nutzungsdauer von 30 Jahren auf den Franken genau vorhersagen kann. Die Grössenordnung stimmt aber mit den gemachten Erfahrungen überein. Der Betrieb während 30 Jahren ist etwa doppelt so teuer wie der anfängliche Kauf.
Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, wie diese Rechnung auf Seiten Lockheed Martins zustande kam.
Albert hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 10:53Wenn ein Wettbewerber günstiger als Lockheed Martin offeriert hätte, wäre das schon längstens vom Anbieter selbst verkündet worden. Das ist also nicht der Fall.
Die Frage, die sich stellt, ist nicht, ob Lockheed Martin das günstigste Angebot abgegeben hat, sondern ob das Angebot wirklich das günstigste ist. Du verrückst hier andauernd die Torpfosten.
Albert hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 10:53US Senator Tim Kaine kennt die Offerten nicht, sonst würde er nicht behaupten, dass Lockheed Martin das höchste Angebot abgegeben hatte.
Kaine ist Mitglied der Senatskommittes für die Aufsicht über die Streitkräfte und die US-Außenpolitik, und muss den Verkauf amerikanischer Rüstungsgüter an die Schweiz genehmigen. Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass er die Offerten kennt.
theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

muck hat geschrieben: So 21. Nov 2021, 12:03Kaine ist Mitglied der Senatskommittes für die Aufsicht über die Streitkräfte und die US-Außenpolitik, und muss den Verkauf amerikanischer Rüstungsgüter an die Schweiz genehmigen. Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass er die Offerten kennt.
Senator Kaine kennt ganz sicher die Angebote von Lockheed Martin und Boeing, die bekanntlich als Regierungsgeschäfte über die DSCA an den Bundesrat herangetragen wurden. Wie er aber auf die Idee kommt, dass Eurofighter und Dassault "günstigere" Angebote gelegt hätten, ist mir ein Rätsel.
Zuletzt geändert von theoderich am So 21. Nov 2021, 13:02, insgesamt 1-mal geändert.
Albert
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von Albert »

Das Angebot von Lockheed Martin ist aber günstiger als das von Boeing. Nur Tim Kaine selbst weiss, weshalb er dem zukünftigen US-Botschafter in der Schweiz die Frage zum Kampfjet gestellt und dabei etwas falsches behauptet hat.
Albert
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von Albert »

Ein Informations-Video zum F-35A - vom Schweizer Verteidigungsdepartement.
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