Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
theoderich
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von theoderich »

Alarich hat geschrieben: Fr 7. Mai 2021, 21:00Nur das test Schießen mit Boxer hat begonnen
Das ist zwei Jahre her und war eine firmeninterne Erprobung unter Rückgriff auf bundeswehreigene Infrastruktur, aber ohne Beteiligung des BAAInBw oder anderer Dienststellen der Bundeswehr. Der Artikel von Jane's, der über dieses Testschießen berichtet, erwähnt zwar den "Bedarf" des deutschen Heeres für ein solches System - seither ist es um dieses Vorhaben aber still geworden:

KMW's Remote Controlled Howitzer 155 moves ahead (23. Mai 2019)
Firing trials with the RCH 155 were carried out at the German WTD 41 proving ground with the AGM traversed front, left, and right without the use of stabilisers, according to KMW.

Trials demonstrated that it can come into action, carry out an eight-round fire mission, and then redeploy in less than 90 seconds. In addition, it can carry out multi-round simultaneous impact (MRSI) fire missions.

The German Army has a requirement for a wheeled 155 mm self-propelled (SP) artillery system that is expected to be met by the RCH 155. When deployed this would supplement, not replace, the legacy KMW PzH 2000 155 mm/52 calibre SPH.

KMW will complete an additional RCH 155 in about 18-24 months, which will have improvements including a lower profile by about 30 cm to enable the compete RCH 155 to be transported by rail.

A remote weapon station (RWS) armed with a .50 calibre machine gun will be fitted on the left side of the roof, and this could be used as a sight for use in the direct-fire role. When not required, this RWS would be folded forwards to reduce the overall height of the system.
https://www.janes.com/defence-news/news ... oves-ahead
muck
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von muck »

@theoderich

Das neue RCH155-Modul wurde am 15. April diesen Jahres erfolgreich getestet.



In der "Zu Gleich" 02/2020 lässt die Artillerieschule ihre Präferenz für die Boxer-Lösung erkennen. Die Weiterentwicklung des Moduls, das jetzt gedrungener ist, erfolgte anscheinend auf Input aus Idar-Oberstein hin. Man verlangt eine Haubitze, die nicht abgestützt werden muss, bevor sie den Feuerkampf aufnehmen kann. Das neue Modul besitzt diese Fähigkeit.

Die Schussfolge ist zwar geringer als z.B. die der PzH 2000, weil das Riesenfahrzeug immer noch ordentlich in Schwingungen versetzt wird. Trotzdem ist diese Lösung den abzustützenden, weniger gut geschützten Selbstfahrlafetten vorzuziehen. Sollte am Ende doch ein System wie Caesar eingeführt werden, so allein aus Budgetgründen.

@alarich

Ich habe das Gefühl, wir reden komplett aneinander vorbei.
theoderich
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von theoderich »

Ministerin: Konkrete Vorschläge zur Zukunft der Bundeswehr – keine Radikalreform

https://www.bmvg.de/de/aktuelles/eckpun ... hr-5073340
muck
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von muck »

Vielleicht die entscheidendste Verbesserung ist (via Businessinsider) die Abgabe des Nutzungsmanagements durch das BAAINBw – das deutsche Gegenstück zum ARWT – an die Teilstreitkräfte. Insbesondere das Heer hat diese Forderung seit Jahren erhoben.
muck
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von muck »

Heute ist das Eckpunktepapier veröffentlicht worden. Im Kern:
  • der Zentrale Sanitätsdienst und die Streitkräftebasis werden aufgelöst
  • der Cyber- und Informationsraum wird zur Teilstreitkraft aufgewertet [und bekommt wohl eine eigene Uniform]
  • Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber- und Informationsraum werden als Dimensionskommandos Land, Luft- und Weltraum, See, Informationsraum neu aufgestellt
  • der Inspekteur des Sanitätsdienstes wird zum Generalarzt der Bundeswehr mit einem eigenen, kleinen Unterbau und zuständig für die "weiße" Gesundheitsversorgung der Truppe und querschnittliche Aufgaben wie bspw. medizinische Standards [das Dokument geht auf die "olivgrüne" Sanität nicht direkt ein, doch widerspricht auch nicht früheren Zeitungsberichten, dass die sechs Regimenter des Sanitätsdienstes ans Heer gehen]
  • die Domäne Land erhält außerdem die ABC-Abwehrtruppe, die Feldjägertruppe (Militärpolizei) und das Kommando für Zivil-militärische Zusammenarbeit
  • von der Streitkräftebasis bleiben allenfalls das (für oberhalb der Divisionsebene angesiedelte Aufgaben zuständige) Logistikkommando und das Streitkräfteamt (zuständig für querschnittliche Aufgaben wie Militärmusik) übrig; deren zukünftige Unterstellung wird geprüft; denkbar ist eine Zusammenlegung der verbliebenen querschnittlichen Aufgaben in einem Bundeswehramt
  • die Kommandostruktur wird verschlankt; in Zukunft führt das Einsatzführungskommando alle Truppen im Ausland und ein Territorialkommando alle Truppen innerhalb Deutschlands
  • das BAAIN gibt die Verantwortung für Nutzung und Lebenszyklus-Management an "Systemhäuser" in den Domänen ab, sodass diese in Zukunft wieder selbst für die Betreuung ihres Materials zuständig sind
  • alle Domänen bündeln ihre Kommandobehörden und Ämter für Doktrin, Übung und Weiterentwicklung jeweils in einem "Warfare Centre", z.B. Land Warfare Centre
  • alle Stäbe werden verschlankt, wobei so viele Dienstposten wie möglich in die Truppe zurückgehen sollen
  • die Bundeswehr wird nicht verkleinert; es wird am planerischen Umfang 203.000 Soldaten festgehalten
  • der Bereitschaftsgrad soll beträchtlich erhöht werden, bis hin zu einer Sieben-Tage-Bereitschaft für einen Einsatzverband
  • u.v.m.
Alarich
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von Alarich »

Saftiger Bericht gegen Bw
https://www.focus.de/politik/ausland/de ... 92778.html

Poltische Auswirkung bin ich mal gespannt
muck
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von muck »

Auswirkungen? Auswirkungen wird er keine haben. Das GIDS-Papier sagt Kennern der Materie nichts Neues: die Bundeswehr benötigt dringend wieder eine bodengebundene Flugabwehr. Die ignorante Masse der Bevölkerung hingegen wird sich lediglich denken: "Warum sollte Aserbaidschan Deutschland angreifen?"

Die Linken werden nur ihre moralinsauren und weltfremden Talking Points wiederkäuen, während die Rechten sich ganz auf das Geschlecht der Bundesministerin einschießen und sich ansonsten bloß aus Nationalstolz an der Schlagzeile reiben, nicht aus einem tieferen sicherheitspolitischen Verständnis heraus.

Das Papier hat indes auch Schwächen. Es ersetzt die armenischen Streitkräfte 1:1 durch deutsche und zieht daraus mitunter falsche Schlüsse. So wird bspw. ignoriert, dass v.a. die Artsakh Defence Army Feindberührung hatte, eine auf dem Stand von 1970 ausgerüstete Bürgermiliz.

Auf taktische Defizite der Armenier wird nicht eingegangen, so etwa die Abstützung auf eine statische Artillerie, selbst bei den wenigen verfügbaren Selbstfahrlafetten. Eine deutsche Batterie PzH 2000 könnte einem Gegenschlag, auch einem solchen aus der Luft, viel leichter entgehen.

Ignoriert wird auch, dass Deutschland, jedenfalls verglichen mit Armenien, über eine hochpotente Luftwaffe verfügt, die zumindest UAV ab der Gewichtsklasse von 150kg sehr wohl aus dem Himmel fegen könnte. Und auf solche Drohnen stützten sich die Aserbaidschaner nun einmal zur Aufklärung und Feuerleitung.

Interessant ist auch, dass das GIDS teils auf einen idealtypischen Drohnenkrieg abstellt, der in der dargestellten Form in Bergkarabach gar nicht stattgefunden hat. Die gewaltigen Defizite der Bundeswehr im Bereich Kleindrohnen sind hinreichend bekannt. Das Restliche liest sich, ehrlich gesagt, ein bisschen wie Sponsored Content der Rüstungsindustrie.
theoderich
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von theoderich »

Der Vollständigkeit halber:

„Das ist alles keine Science-Fiction mehr“ – Oberstleutnant Michael Karl über moderne Kriegsführung und neue Technologien
Herr Oberstleutnant, Sie haben kürzlich eine #GIDSdebate zu Bergkarabach gehalten und arbeiten zurzeit mit ihren Kollegen an weiteren Papieren zu den Schlussfolgerungen aus dem Krieg für die Politik, aber auch für die Bundeswehr. Was sind Ihre wesentlichen Erkenntnisse?

Um es mal ganz drastisch auszudrücken: Wenn die Bundeswehr in diesem konkreten Konflikt gegen Aserbaidschan hätte kämpfen müssen, hätte sie kaum eine Chance gehabt. Bei Waffensystemen, die genutzt wurden wie Kampfdrohnen und Kamikazedrohnen, hätten wir uns nicht ausreichend wehren können. Allein schon die fehlende Heeresflugabwehr wäre uns zum Verhängnis geworden. Natürlich sind Luftaufklärung und Luftabwehr Sache der Luftwaffe, aber wir brauchen Expertise im Wirkungsraum zwischen Luftwaffe und Heer – gerade in der Drohnenabwehr. Um in einem modernen Kriegsszenario bestehen zu können, benötigen wir selber auch neue Technologien und vor allen Dingen Technologien, die auf dem neuesten Stand sind und damit im Gefecht, lassen Sie es mich mal salopp sagen, „wettbewerbsfähig“ sind. Deutschland verfügt über diese modernen Technologien. Der Wehrtechnische Report vom April 2020 führt diverse taktische Luftverteidigungssysteme auf, die in der Industrie schon verfügbar wären. Schall-, Stör- oder SkyNet-Systeme zur Drohnenabwehr beispielsweise gibt es schon – sie werden auch zum Teil zivil an Flughäfen genutzt. Wir müssen sie nun aber auch als Bundeswehr zügig beschaffen und einsetzen können, denn die zukünftige Technik entwickelt sich rasend schnell.
https://gids-hamburg.de/das-ist-alles-k ... hnologien/

muck hat geschrieben: So 13. Jun 2021, 23:24Ignoriert wird auch, dass Deutschland, jedenfalls verglichen mit Armenien, über eine hochpotente Luftwaffe verfügt, die zumindest UAV ab der Gewichtsklasse von 150kg sehr wohl aus dem Himmel fegen könnte. Und auf solche Drohnen stützten sich die Aserbaidschaner nun einmal zur Aufklärung und Feuerleitung.
Außerdem wird völlig außer Acht gelassen, dass noch heuer fünf Drohnenabwehrsysteme ASUL zulaufen sollen (Hersteller: ESG, Hensoldt, Rohde & Schwarz):

Bild
https://esg.de/de/blog/a/2078/esg-liefe ... agerschutz

Zusätzlich wurden 2019 zehn Systeme zur "qualifizierten Fliegerabwehr" (qFlA) geordert - GTK "Boxer" mit Führungssystem Airbus Fortion® IBMS, Radarsystemen Hensoldt SPEXER 2000 3D und gekoppelten Waffenstationen Kongsberg PROTECTOR:
  • Contract to deliver Counter Unmanned Aerial System (C-UAS) to Germany worth 250 MNOK
    For Germany’s PROTECTOR RWS C-UAS project, KONGSBERG has cooperated closely with Hensoldt and is integrating the Hensoldt Spexer 3rd generation radar for UAS detection and tracking. The solution utilizes a 40 mm Automatic Grenade launcher with airburst ammunition, - but the PROTECTOR RWS has a variety of weapon integrations up to 30 mm and air defence missiles that can be employed against UAS.
    https://www.kongsberg.com/es/newsandmed ... -250-mnok/
  • HENSOLDT delivers radar for Bundeswehr counter-UAV system

    Bild
    Initially 10 systems are under contract. Radar deliveries will start at the end of this year to meet the requirements of NATO VJTF (= Very High Readiness Joint Task Force) 2023.
    https://www.hensoldt.net/news/hensoldt- ... av-system/
Damit wird das Heer demnächst über eine Anfangsfähigkeit zur Abwehr von Kleindrohnen verfügen (über die insgesamt 80 u.a. in Mali eingesetzten tragbaren Systeme H.P. Marketing & Consulting Wüst HP-47 hinaus).

Wenn ich dagegen Österreich betrachte: Bei uns gibt es, außer ein paar HP-47 und zwei Drohnenortungssystemen Aaronia AARTOS-DDS beim ELDRO-Et (Erprobungselement Elektronische Kampfführung zur Drohnenabwehr), überhaupt keine Gerätschaften zur Bekämpfung von UAS.

Mit der künftigen Struktur der Bundeswehr hat das freilich alles überhaupt nichts zu tun.
Zuletzt geändert von theoderich am Di 15. Jun 2021, 13:34, insgesamt 2-mal geändert.
muck
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von muck »

Freilich, wobei das natürlich bloß eine Anfangsbefähigung darstellt, und dann noch eine vergleichsweise statische. Gegen die israelischen UCAS hätten auch die C-UAS-Boxer keine Chance. Allenfalls würde die Sensorik die Überlebensfähigkeit der geschützten Truppen vergrößern, man hätte eine gewisse Vorwarnzeit.

Trotzdem … der einzige wirklich neue Punkt, den das GIDS eingebracht hat, sind Schlussfolgerungen für die Gliederung des Heeres, wo man befürwortet, das Heer in Battlegroups aufzusplittern. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich zu bezweifeln. Was ist, wenn auf die Drohnen-Angriffswelle eine konventionell aufgestellte Invasionsarmee folgt?

Diese Demibrigaden, die dem GIDS vorschweben, sind zwar für Drohnen schwerer auszuschalten, weil sie mobiler sein können und keiner großen Stäbe bedürfen. Aber im Gefecht der verbundenen Waffen (Operation verbundener Kräfte in der Bundeswehr) wären sie nicht durchhaltefähig.
Alarich
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Re: Holpriger Weg für den Wiederaufbau der Bundeswehr

Beitrag von Alarich »

Israel hat schon Drohnen die ins Ziel Stürzen können , das wird wohl die Zukunft sein
Vor allem die sind klein die können Pick Up Transportiert werden aufgebaut und gestartet werden
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