Haushaltsexperten befürchten Pleite der Bundeswehr (16. April 2023)
https://www.nzz.ch/international/bundes ... ld.1733808
Dieser Absatz ist merkwürdig:
Bei Panzern, Flugzeugen, Schiffen und Booten ist es ähnlich. Die Bundeswehr kann ihr Gerät kaum mehr selbst reparieren. Es ist inzwischen viel zu komplex. Sie braucht dafür die Industrie. Dort hiess es schon vor Jahren, dass künftig nicht der Verkauf einer neuen Waffe das meiste Geld bringe, sondern die langfristige Wartung und Reparatur.
Die Auslagerung der Instandsetzung an die Industrie hat überhaupt nichts mit der "Komplexität" der Waffensysteme zu tun. Dieses Prozedere hat die deutsche Politik vor fast 30 Jahren in ein Gesetz gegossen - ohne die langfristigen Folgen zu bedenken:
01.02.94
Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes
und der Bundeshaushaltsordnung
A. Problem
Verstärkung der Privatisierung von öffentlichen Unternehmen und Aufgaben.
B. Lösung
Ergänzung des § 6 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) um eine Regelung, die die Verwaltung zur Prüfung verpflichtet, ob private Lösungen wirtschaftlicher sind. Ergänzung des § 7 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) um die in der Ergänzung zu § 6 HGrG enthaltene Definition des Interessenbekundungsverfahrens.
[...]
D. Kosten
Mehraufwand durch die Prüfung privater Lösungen wird durch die Entlastung der Verwaltung bei der privaten Durchführung von Maßnahmen und durch Minderausgaben aufgrund der zu erwartenden höheren Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen überkompensiert.
Artikel 1
Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes
§ 6 des Haushaltsgrundsätzegesetzes vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch das Gesetz vom 26. November 1993 (BGBl. I S. 1928) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Diese Grundsätze verpflichten zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können."
2. Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
„In geeigneten Fällen ist privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen können (Interessenbekundungsverfahren). "
Artikel 2
Änderung der Bundeshaushaltsordnung
§ 3 Abs. 2 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353), wird wie folgt gefaßt:
„In geeigneten Fällen ist privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen können (Interessenbekundungsverfahren)."
Mit dem Gesetzentwurf sollen die Initiativen zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Aufgaben deutlich verstärkt werden. Die Privatisierung bietet die Möglichkeit, Aufgaben, die von der öffentlichen Hand wahrgenommen werden, von privaten Unternehmen und freien Berufen rascher und wirtschaftlicher erfüllen zu lassen.
https://dserver.bundestag.de/btd/12/067/1206720.pdf
15. 04. 94
Beschlußempfehlung und Bericht
des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß)
zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der
Bundeshaushaltsordnung
- Drucksache 12/6720 -
https://dserver.bundestag.de/btd/12/072/1207292.pdf
Beschlußempfehlung und Bericht
des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß)
Bemerkung Nummer 36
Materialerhaltungsleistungen der Depotorganisation des Heeres
[...]
3. Der Ausschuß hat verdeutlicht, daß § 7 der Bundeshaushaltsordnung, wonach Aufgaben und Tätigkeiten soweit wie möglich auf die Industrie übertragen werden sollen, zu beachten sei.
https://dserver.bundestag.de/btd/13/109/1310904.pdf
Und der Bundesrechnungshof hat seinen Teil dazu beigetragen:
08. 10. 97
Unterrichtung
durch den Bundesrechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1997
zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes
1995 und 1996)
36 Materialerhaltungsleistungen der Depotorganisation des Heeres
(Kapitel 14 15 verschiedene Titel)
[...]
36.1 Das logistische System des Heeres verfügt neben mobilen Versorgungs- und Instandsetzungstruppenteilen auch über ortsfeste Nachschubeinrichtungen, die Depots, und ortsfeste Instandsetzungseinrichtungen, die Systeminstandsetzungszentren. Die Depots haben die Lagerung, Instandhaltung und Bereitstellung der Vorräte des Heeres sowie die Versorgung der Truppe sicherzustellen. So war konzeptionell im Jahre 1993 festgelegt worden, daß die Depotkapazität sich an der Bevorratung zu orientieren hat. Materialerhaltungsleistungen, die über Instandhaltungsmaßnahmen an den eingelagerten Vorräten und an den Depoteinrichtungen hinausgehen, waren nicht vorgesehen. Sie waren den Systeminstandsetzungszentren und der Industrie vorbehalten.
Diese Aufgabenabgrenzung zwischen den Depots und den Systeminstandsetzungszentren sowie der Industrie war in der Praxis nicht eingehalten worden. In den Depots waren zusätzliche Materialerhaltungskapazitäten aufgebaut und zunehmend ausgeweitet worden. Ursprünglich sollten sie zur Abdeckung zusätzlichen, meist bef risteten Instandsetzungsbedarfs dienen. In der Folge entstanden jedoch in Konkurrenz zu den Systeminstandsetzungszentren umfangreiche Instandsetzungseinrichtungen in den Depots, die durch Vorgaben aus dem Depotinstandsetzungsplan der Bundeswehr sowie durch Einzelweisungen des Heeresamtes und des Materialamtes des Heeres weiterentwickelt wurden und ausgelastet werden mußten. Die zusätzlichen Materialerhaltungsaufgaben wurden auch in den organisatorischen Grundlagen der Depots festgeschrieben. Demgegenüber waren die infrastrukturelle Ausstattung und die Maschinenausstattung der Depots für eine wirtschaftliche Erfüllung der Materialerhaltungsaufgaben wenig geeignet. Sie waren zum großen Teil veraltet.
[...]
Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Materialerhaltung im Heer hat der Bundesrechnungshof empfohlen, die Aufgabenverteilung zwischen den Depots und Instandsetzungszentren eindeutig und überschneidungsfrei zu regeln. Die Depots sollten sich auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren, die Annahme, Einlagerung, Wartung und Auslagerung von Material.
[...]
Falls die derzeit von den Depots wahrgenommenen Instandsetzungsaufgaben auch künftig in einem Umfang anfallen sollten, der auf Dauer über die Aufgabenstellung und Kapazität der „spezialisierten" Instandsetzungszentren hinausgeht, wäre sorgfältig zu prüfen, ob nicht die Aufgaben und Kapazität der Instandsetzungszentren entsprechend auszuweiten sind, wenn nicht ohnehin eine Industrievergabe kostengünstiger ist.
https://dserver.bundestag.de/btd/13/085/1308550.pdf
11. 10. 99
Unterrichtung
durch den Bundesrechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1999
zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1998)
65 Wirtschaftlichkeit der Systeminstandsetzungszentren des Heeres
(Kapitel 14 15)
65.0 Die Instandsetzungsverfahren in den Systeminstandsetzungszentren des Heeres können verbessert werden. Zudem kann ein Teil der Instandsetzungsprogramme im Wettbewerb vergeben werden. Der Bundesrechnungshof begleitet einen dazu eingeleiteten Leistungs- und Kostenvergleich interner und externer Anbieter.
Nach § 7 BHO verpflichten die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch zur Prüfung, inwieweit bisher vom Staat wahrgenommene Aufgaben ausgegliedert, entstaatlicht oder privatisiert werden können. Im Falle der durch die Zentren wahrgenommenen Instandsetzungsaufgaben war daher zu prüfen, welche dieser Aufgaben als sogenannte „Kernaufgaben“ zwingend im militärischen Bereich verbleiben müssen und welche in die Industrie verlagert werden können, vorausgesetzt, sie werden dort kostengünstiger wahrgenommen. Für diese Wirtschaftlichkeitsprüfung bietet sich das in der Bundeswehr eingeführte Verfahren zum Leistungs- und Kostenvergleich interner und externer Anbieter, das sogenannte Market Testing (MT) an. Dabei wird der wirtschaftliche Leistungsanbieter nach einer Ausschreibung im Wettbewerb zwischen gewerblichen Anbietern und Bundeswehrdienststellen ermittelt.
Das Bundesministerium beabsichtigte, die Instandsetzungsprogramme der Zentren auf Verlagerungsmöglichkeiten in die Industrie zu prüfen und in der Folge ggf. die Kapazitäten der Zentren zu verringern. Mitte des Jahres 1998 begann das Bundesministerium in den für die Erprobung ausgewählten Zentren Jülich und St. Wendel mit der Vorbereitung des MT-Verfahrens für vier Instandsetzungsprogramme. Es handelte sich dabei um
- die Bedarfsinstandsetzung von Lastkraftwagen,
- die Nutzungsdauerverlängerung von Haubitzen,
- die Instandsetzung von Gewehren sowie
- das Sandstrahlen im Vorfeld von Instandsetzungen.
Das Bundesministerium bat den Bundesrechnungshof, das MT-Verfahren kritisch zu begleiten.
https://dserver.bundestag.de/btd/14/016/1401667.pdf