Re: Airbus Helicopters Tiger
Verfasst: Mo 18. Nov 2019, 21:05
Schriftliche Fragen
mit den in der Woche vom 14. Oktober 2019 eingegangenen Antworten der Bundesregierung
Rechnungshof rügt Raketenkauf der Bundeswehr für 420 Mio. Euro (17. September 2019)
mit den in der Woche vom 14. Oktober 2019 eingegangenen Antworten der Bundesregierung
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/142/1914216.pdf82. Abgeordneter Dr. Marcus Faber (FDP)
Warum hat die Bundesregierung bei der Beschaffung der PARS 3 LR Raketen im Wert von 418,8 Millionen Euro die Serienfertigung beauftragt, ohne vorher eine Einsatzprüfung durchzuführen und wie will die Bundesregierung, vor dem Hintergrund, dass sämtliche PARS-3-Rake-ten wegen erheblicher Mängel vernichtet werden müssen und die bisher genutzten Raketen ab 2027 nicht mehr produziert werden, die Einsatzbereitschaft des Kampfhubschraubers TIGER sicherstellen (www.capital.de/wirtschaft-politik/rechn ... 0-mio-euro)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Silberhornvom 17. Oktober 2019
Der im Jahr 2006 mit der Billigung des Deutschen Bundestages geschlossene Vertrag zur Serienreifmachung und Serienfertigung sah vor, nach der Serienreifmachung als Nachweis der Leistungsfähigkeit ein Abnahmeschießen mit den Flugkörpern des Pilotloses durchzuführen und im Falle einer Abnahme anschließend die Serienfertigung auszulösen.
Nachdem dieser vertraglich vereinbarte Nachweis im Jahr 2012 erbracht war, löste die Bundeswehr im Jahr 2013 vertragsgemäß die Serienfertigung aus.
Für die wesentlich umfangreichere Einsatzprüfung wurden Lenkflugkör-per aus dieser Serienfertigung benötigt. Sie fand daher erst im Anschluss statt.
Eine Vernichtung der Lenkflugkörper ist aus Sicht der Bundesregierung nicht erforderlich. Eine sichere Verwendung ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gegeben, sofern in dem jeweiligen Einsatzszenario ein reiner Fire-and-Forget-Lenkflugkörper eingesetzt werden kann.
Der Erhalt der Einsatzbereitschaft des Kampfhubschraubers Tiger ist Gegenstand derzeit laufender Untersuchungen.
Rechnungshof rügt Raketenkauf der Bundeswehr für 420 Mio. Euro (17. September 2019)
Wie aus einem vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofs hervor geht, leiden die neuen Panzerabwehrabwehrraketen für den Kampfhubschrauber Tiger unter erheblichen Mängeln. Die Präzisionsraketen namens PARS 3 LR, von denen die Truppe im Jahr 2006 insgesamt 680 Stück für 418,8 Mio. Euro bestellt hat, seien „technisch veraltet“ und „wenig treffsicher“, heißt es in dem Prüfbericht vom April, der Capital vorliegt. Daher empfehlen die Prüfer, die neuen Lenkflugkörper zu „verwerten“ – also zu verschrotten.
https://www.capital.de/wirtschaft-polit ... 0-mio-euroDer aktuelle Bericht der Prüfbehörde kritisiert nun in scharfer Form, dass das Verteidigungsministerium bei dem Projekt über Jahre sämtliche Warnungen ignorierte – auch aus der Truppe selbst. Dem Bericht zufolge verzichtete die Bundeswehr sogar auf eine eigentlich in ihren Rüstungsprozessen vorgesehene Einsatzprüfung, bevor sie die Herstellerfirmen MBDA und Diehl 2013 mit der Serienfertigung beauftragte. Stattdessen habe sie sich mit wenig aussagekräftigen Leistungsnachweisen der Industrie begnügt. Dieses Vorgehen sei „in hohem Maße kritikwürdig“, rügen die Prüfer.
Verzögerungen und Qualitätsmängel
Dabei war das Projekt auch auf Seiten der Industrie schon früh mit gravierenden Problemen behaftet. So musste etwa auch die für 2014 geplante Einsatzprüfung der Raketen mehrfach verschoben werden – unter anderem wegen „massiver Qualitätsmängel beim Anlauf der Serienfertigung“, aber auch, weil dafür keine Hubschrauber zur Verfügung standen, wie es im Rechnungshofbericht heißt. Demnach lieferten die PARS-3-Hersteller MBDA und Diehl die ersten Lenkflugkörper aus der Serienfertigung erst Ende 2015 aus – mehr als fünf Jahre später als geplant. Eine außerordentliche Vertragskündigung sei nach Ansicht der Bundeswehr allerdings nicht möglich gewesen – auch weil sie versäumt habe, den Auftragnehmern eine angemessene Nachfrist mit Ablehnungsandrohung zu setzen, schreibt der Rechnungshof in seinem aktuellen Bericht. Insgesamt seien Alternativen wie ein Projektabbruch „nicht konsequent“ verfolgt worden.
Tatsächlich fand die Einsatzprüfung der Lenkwaffen erst im Jahr 2018 statt. Zu diesem Zeitpunkt war laut Rechnungshof bereits mehr als die Hälfte der 680 bestellten Raketen ausgeliefert. Bei dem Test mit mehreren Einsatzszenarien, der auf Wunsch des Heeres in einer Klimazone mit hohen Temperaturen und damit im oberen Einsatzbereich des Lenkflugkörpers erfolgte – und deshalb auf der White Sands Missile Range in New Mexico durchgeführt wurde – habe es eine „hohe Anzahl an Fehlschüssen“ gegeben, schreiben die Prüfer unter Berufung auf die bundeswehrinterne Dokumentation der Testschüsse. Viele Raketen hätten „nach dem Abschuss ihr zugewiesenes Ziel verloren und ein neues Ziel gewählt“. Dadurch würden die eigenen Truppen sowie verbündete Kräfte und Zivilisten im Zielgebiet gefährdet. Insgesamt lag die Trefferquote der PARS-3-Raketen in White Sands bei lediglich 16 Prozent. In den zwölf getesteten Einsatzszenarien hat der Flugkörper nur in einem einzigen die Anforderungen bestanden.
Auf Anfrage verwies das Verteidigungsministerium auf das derzeit noch laufende Widerspruchsverfahren, das bei Prüfberichten des Bundesrechnungshofes üblich ist. Man habe im Juli eine vertrauliche Stellungnahme zu dem Berichtsentwurf abgegeben, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Auf dieser Basis werde der Rechnungshof nun seinen finalen Bericht erstellen. Zu den Inhalten der Stellungnahme könne man sich daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Experten gehen davon aus, dass das Ministerium die Schlussfolgerungen der Prüfer in wichtigen Punkten nicht teilt.
Mit der Zukunft des PARS-3-Systems, dessen Beschaffung vor 13 Jahren der damalige Minister Franz Josef Jung entschieden hat, muss sich nun die neue Ressortchefin Annegret Kramp-Karrenbauer auseinander setzen. Eigentlich war seit Jahren geplant, dass die Lenkwaffen als neue Hauptbewaffnung für den Kampfhubschrauber Tiger eingesetzt werden. Doch laut Rechnungshofbericht belegte die Einsatzprüfung 2018 auch Probleme beim Gesamtsystem aus Hubschrauber und Raketen, etwa durch eine zu geringe Auflösung des Visiers und eine zu langsame Auslösung der Raketenschüsse.
Auch die von den Herstellern MBDA und Diehl bis heute als Alleinstellungsmerkmal angepriesene Option des Systems, mehrere Raketen gleichzeitig abzufeuern, sei bei dem Test „nicht möglich“ gewesen. Wegen der „erheblichen technischen Defizite“ der PARS-3-Rakete sowie der Waffenanlage des Hubschraubers hält der Rechnungshof ein Festhalten an dem System und weitere Erprobungen für „nicht zielführend“. Es seien „keine signifikant höheren Trefferwahrscheinlichkeiten zu erwarten“, heißt es.
Damit wirft der Rechnungshof auch die grundsätzliche Frage nach der künftigen Verwendung des Kampfhubschraubers Tiger auf. Der Tiger sei „ohne Hauptbewaffnung nur bedingt einsatzfähig“, warnen sie. Der bislang genutzte jahrzehntealte Flugkörper vom Typ Hot sei nur noch bis 2027 verfügbar. Damit sei eine Fähigkeitslücke bei der Bundeswehr bei der Bekämpfung von Zielen am Boden „absehbar“. Die Prüfer fordern das Verteidigungsministerium auf, Schritte zu unternehmen, um die geplante Verwendung des Hubschraubers auch ohne die PARS-3-Lenkraketen sicherzustellen – etwa durch den Neukauf verfügbarer Lösungen. Dabei solle es sich einem „unabhängigen Controlling von bisher nicht am Projekt Beteiligten“ unterziehen.