Die Armee leistet Aufbauhilfe für den neuen Rüstungsbetrieb des Bundes
Es musste schnell gehen: 2016 boxte das Verteidigungsdepartement (VBS) die Beschaffung einer neuen Grosskaliberwaffe durch das Parlament. Jetzt, vier Jahre später, wird vermeldet: «Die Schweizer Armee hat den Mörser 16 auf dem Waffenplatz Bière getestet. Die Kriterien für eine Truppentauglichkeit wurden erfüllt.» Der Nachweis für den Einsatz in der Armee sei erbracht. Die Übergabe an die Truppe erfolge ab 2024 – mit fast drei Jahren Verspätung auf den ursprünglichen Plan.
Dazwischen gab es lange Gesichter, viel Hektik und schliesslich eine positive Wende: Aus einem drohenden Beschaffungsdebakel entwickelte der Kunde, also die Spezialisten der Armee und Armasuisse, zusammen mit der Industrie ein modernes Waffensystem für die Schweiz, das möglicherweise auch ins Ausland exportiert werden kann. Dies ist vor allem für die Ruag, die das Geschütz liefert, eine gute Nachricht: Nach der Aufspaltung des Rüstungskonzerns des Bundes erhält der Teil MRO (Maintenance, Repair, Operations) Schweiz, der künftige Technologiepartner der Armee, zusätzliches Know-how.
Der 12-Zentimeter-Mörser auf der Basis eines Piranha IV von Mowag wurde deshalb in einem abgekürzten Verfahren ins Rüstungsprogramm 2016 gehievt. Das Geschütz, ein Projekt der Ruag aus den 1990er Jahren, wurde «papiertechnisch» evaluiert und befand sich noch in Entwicklung. Dafür musste das VBS wesentliche Schritte des ordentlichen Beschaffungsprozesses überspringen – darunter auch die «Truppentauglichkeit», ohne die kein Serienvertrag für 32 Einheiten abgeschlossen werden kann. In der Armeebotschaft 16 wurde eine Risikoanalyse für dieses Vorgehen vorgenommen. Diese war allerdings zu optimistisch.
Denn bald stellte sich heraus, dass die «Cobra», so der Name des Ruag-Geschützes, keineswegs «ausgereift» war, wie der Schweizer Rüstungskonzern in seinem Geschäftsbericht 2015 versprochen hatte. «Der technische Reifegrad war damals nicht ausreichend vorhanden», stellt Armasuisse fest. So gab es noch technische Mängel. Auch die zentrale Vernetzung zwischen dem Feuerleitrechner und dem integrierten Feuerführungssystem Intaff funktionierte nicht einwandfrei.
Ausserdem sei die Ruag auch personell nicht hinreichend aufgestellt gewesen, ein solches Projekt in Angriff zu nehmen. Die Erfahrung im früheren Kerngeschäft habe schlicht gefehlt, stellt ein Vertreter des Armeestabs jetzt fest. Die Mitarbeitenden, die sich mit schweren Waffen ausgekannt hatten, waren pensioniert. Nach dem Kalten Krieg hatten konventionelle Rüstungsgeschäfte keine Priorität mehr.
Integriertes Projektteam bringt die Wende
Das Projekt geriet zeitlich mehr und mehr in Rücklage. Die Hersteller Ruag und Mowag stritten sich um Konventionalstrafen. Das Budget der Industrie musste um 50 Millionen aufgestockt werden. Vor gut einem Jahr berichteten schliesslich die Tamedia-Zeitungen erstmals über beträchtliche Verspätungen. Die Phase der Überprüfung der «Truppentauglichkeit» wurde nun diesen Frühling nach drei Jahren abgeschlossen.
Statt eine bestehende Waffe einfach zu untersuchen und allfällige Nachbesserungen einzufordern, waren die Spezialisten der Armee und Armasuisse an der eigentlichen Weiterentwicklung des Mörsers 16 beteiligt. Armasuisse sagt: «Das ist jetzt eine andere Waffe als noch vor einem Jahr. Die Industrie hat damit dank dem Kunden ein modernes Kampfsystem im Angebot.»
In den letzten Monaten haben Armasuisse und die Armee mit dem Mörser geschossen, aber auch alle Aspekte der Taktik, der Logistik und der Technik beleuchtet, darunter den Schutz vor Cyberattacken. «Wir reden also von Kompetenzaufbau für alle Beteiligten, nicht nur von Kompetenzerhalt», fasst Armasuisse zusammen. Beschaffungsbehörde und Armee haben vorwiegend «Brain-Work» geleistet.
Ausbildung in der RS ab 2025
Dies bedeutet letztlich eine Stärkung des Werkplatzes Schweiz im Bereich Landsysteme. Es profitieren die schweizerisch-amerikanische Mowag in Kreuzlingen, aber insbesondere die Ruag MRO Schweiz, die aus dem heutigen Ruag-Konzern hervorgeht und gewissermassen die «Lebenswegbegleiterin» der Waffensysteme der Schweizer Armee werden soll – von der Beschaffung über den Unterhalt bis zur Verschrottung. Der Bundesbetrieb strebt aber auch Drittgeschäfte an.
Ruag MRO Schweiz zeigt sich auf Anfrage überzeugt, dass die «Cobra» aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit weltweit zu den besten Systemen gehöre. Alle Seiten hätten profitiert: Dies sorge vor allem dafür, «dass wehrtechnisches Wissen und Können auch in ausserordentlichen Lagen in der Schweiz verfügbar ist», schreibt MRO.
Armasuisse ist überzeugt, dass aus einer misslichen Situation das Beste herausgeholt werden konnte – ja, der Mörser 16 unterdessen eine Erfolgsgeschichte darstelle: Das System biete einen überdurchschnittlichen Schutz für die Mannschaft, sei fast so genau wie ein Festungsminenwerfer – und auch miliztauglich. Unterdessen sind Armasuisse und Armee «begeistert» vom Mörser 16. Der erste Rekrutenjahrgang soll 2025 ausgebildet werden.
https://www.nzz.ch/schweiz/armee-leiste ... ld.1553381