Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
da_mm
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von da_mm »

Am Montagabend dann hatte die Mi­nisterin ihre Linie gefunden. Der Tagesbefehl hieß: Angriff auf die Industrie, auf die Hersteller des Puma, Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. Abends im Heute-Journal ging Lambrecht in die Of­fensive. „Die Industrie ist in der Pflicht“, sagte sie. Bevor sich der Puma nicht als stabil erweise, werde es keine neuen Be­stellungen geben. „Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen oder ihn eben ab­brechen, wenn es sein muss.“

Am Tag darauf begann der Gegenangriff. Mehrere Vertreter der betroffenen Unternehmen begannen sich in vertrau­lichen Gesprächen zu wehren. Das erste Argument aus der Industrie: Hier werde von Politik und Militär ein „Riesenbuhei“ um Lappalien gemacht. Zwar sei die Untersuchung noch im Gang, aber eines sei jetzt schon klar: Die meisten der angeblich havarierten Pumas hätten nur Bagatellschäden gehabt: Ein Bildschirm sei ausgefallen, weil jemand wohl versehentlich dagegen getreten habe, eine Sicherung sei durchgebrannt, bei einer Raketenhalterung sei eine Schraube lo­cker gewesen. Einmal sei einfach über­sehen worden, dass die Standheizung nur geht, wenn man den Schalter auf „An“ stellt. Nur an zwei Fahrzeugen seien ernstere Probleme aufgetreten: Ein Kabelbrand in der Fahrerkabine und ein Schaden am zentnerschweren Zahnkranz, auf dem sich der Geschützturm dreht – möglicherweise durch einen Unfall, denn von selbst gehe so ein Zahnkranz nicht ka­putt“. Insgesamt, sagte ein Industrie­vertreter, sei man sicher, dass man die meisten der 18 Pumas bis zum 1. Januar reparieren könne – dem Tag, von dem an sie für die NATO-Speerspitze zur Verfügung stehen müssen.

Das Heer holte keine Hilfe

Zweitens weist man in der Industrie darauf hin, dass von den 18 angeblich ausgefallenen Pumas immerhin zehn kurz vor den turnusmäßigen Fristenwartungen standen. Zwei seien gar schon „abgelaufen“ gewesen. Das Verteidigungsminis­terium hat das auf Anfrage weder bestätigt noch dementiert, aber aus Kreisen des betroffenen Bataillons heißt es, die Pumas seien zwischen verschiedenen Kompanien herumgereicht und intensiv genutzt worden. Die Wartung wurde möglicherweise von der Truppe vernachlässigt. Ein Panzergrenadieroffizier auf Twitter nennt sie in druckreifem Kommissjargon „Wanderhuren“.

Das dritte Argument der Wehrwirtschaft: Man hätte schnell helfen können, als die Schäden entstanden, aber das Heer habe keine Hilfe erbeten. Das Vertei­digungsministerium hat bestätigt, dass bei der Übung immer Fachleute der Industrie in der Nähe waren. Mehrere Quellen be­stätigen aber, dass sie nicht an die Schadfahrzeuge herangelassen wurden. „Ich frage: Wieso hat man uns nicht zurate gezogen?“ sagt ein Industrievertreter. „Wieso wurde mit der Meldung ans Mi­nisterium gewartet, bis alle 18 Schützenpanzer ausgefallen waren?“
https://www.faz.net/aktuell/politik/inl ... 56201.html
muck
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von muck »

Das wird ja immer besser.
theoderich
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von theoderich »

„Nichts ausschließen“ – Lambrecht droht Puma-Herstellern mit Ausstieg (23. 12. 2022)
Lambrecht sagte im Interview mit WELT AM SONNTAG: „Angesichts dieser Ausfälle werde ich gar nichts ausschließen. Die Industrie ist jetzt in der Pflicht aufzuzeigen, ob und gegebenenfalls wie dieses Projekt fortgesetzt werden kann“, so Lambrecht. Alle weiteren Zahlungen an die Firmen seien bis auf Weiteres eingestellt.
https://www.welt.de/politik/deutschland ... shared.web
muck
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von muck »

Das klingt nach dem nächsten G36-Fiasko. Wenn die Hersteller glaubhaft darlegen können, dass die diskutierten Ausfälle wirklich auf Bedienungsfehler und eine verfehlte Materialbewirtschaftung zurückzuführen sind, drohen Klagen.
iceman
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von iceman »

Nach NH-90 und Tiger jetzt der Puma. Kann es daran liegen, daß sich die Politik/Militär immer die Eier legende Wollmilchsau wünschen?
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Doppeladler
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von Doppeladler »

Diese ganzen "Rüstungsdebakel" haben einen gemeinsamen Nenner: Kunde ist die Bundeswehr und breitgetreten wird es von deutschen Medien unter der Leitung des Spiegels. In Deutschland wäre auch das Steyr AUG und der Pandur Evolution ein Debakel.
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muck
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von muck »

Nichts für ungut, aber das halte ich für Unsinn. Es gibt ja auch genügend Gegenbeispiele, genannt seien hier etwa nur Boxer und Fennek, und zu dieser Riege hätte der Pandur gewiss auch gehört.

Die deutschen Medien lieben ihre "Rüstungsdebakel", wie es die österreichischen Medien lieben, den Eurofighter Typhoon schlecht zu schreiben; die Mentalität ist ähnlich: Wir sind friedliche Leute, wozu brauchen wir diese Geldverschwendung namens Militär überhaupt? Und dann liefert die Industrie auch noch Schrott? Dass auch die Amerikaner mit dem größten Wehretat der Welt Verzögerungen, Rückschläge und Mehrkosten in Milliardenhöhe hinnehmen müssen – geschenkt.

Die Bundeswehr leidet vor allem an einem Problem: der überbordenden Bürokratie. Man sollte in dieser Debatte nicht vergessen, dass z.B. ein SPz Puma, dessen von der Straßenverkehrsordnung vorgeschriebene Rundumkennleuchte defekt ist, nicht am Straßenverkehr teilnehmen darf, dementsprechend nicht von der Kaserne zum Truppenübungsplatz bewegt werden darf, und folglich als defekt gilt – ohne dass die Einsatzbereitschaft des Fahrzeugs in Wahrheit beeinträchtigt wäre.

Dieser Hemmschuh macht sich im Dienstalltag ebenso bemerkbar wie in der Beschaffungsplanung. Zwar ist es ein Mythos, dass der Puma auch die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen zur Benutzung durch schwangere Frauen erfüllen musste, aber weit weg von der Realität ist es nicht. Das Umweltschutzrecht hat sich z.B. negativ auf die Zuverlässigkeit des Antriebs ausgewirkt – als wenn die Welt unterginge, wenn 350 Panzer mehr Abgase in die Luft blasen als 350 zivile Lastkraftwagen.

Würde man hier die Rechtslage vereinfachen, wäre die Truppe die Hälfte ihrer Sorgen auf einen Schlag los.

Erst sehr viel später in der Hitparade der Probleme folgt ein seit etwa 2000 entstandener Trend zur "eierlegenden Wollmilchsau". Man wollte nicht mehr so viel Geld ausgeben, gleichzeitig sollte das Militär die der NATO gegenüber eingegangenen Verpflichtungen weiter erfüllen; also hat man versucht, möglichst viele Anforderungen in einer Plattform zu erfüllen. Dass Probleme zwangsläufig entstehen müssen, wenn man, bildlich gesprochen, versucht, einen Sportwagen zu bauen, in den auch eine siebenköpfige Familie und der Hund passen, dürfte auf der Hand liegen.

Leider werden es Politiker niemals verstehen, dass solche scheinbar "kosteneffizienten" Lösungen immer Folgekosten in der Zukunft verursachen; aber das kann ihnen ja auch egal sein, sie denken schließlich nur in Vierjahreszyklen.

Beim SPz Puma kommt erschwerend zu alledem hinzu, dass das Fahrzeug in vielerlei Hinsicht tatsächlich der modernste Schützenpanzer auf dem Markt ist, und der Hersteller auf seinem Spielzeug die Hand draufgehalten hat. Und weil das deutsche Parlament die Mehrkosten nicht genehmigen wollte, hat man das geistige Eigentum am Fahrzeug nicht miterworben, sondern sich Supportverträge aufschwatzen lassen, sodass man im Schadensfall von der Industrie abhängig ist.

Das ist die wahre Achillesverse des Fahrzeugs: Rechtslage und Verfahrensweisen.
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Doppeladler
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von Doppeladler »

muck hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 05:05Das ist die wahre Achillesverse des Fahrzeugs: Rechtslage und Verfahrensweisen.
Stimme völlig zu. Und das in Kombination mit der Medienlandschaft. Das ist aber nicht nur ein Phänomen bei Bundeswehr-Beschaffungen, sondern in der gesamten öffentlichen Verwaltung in Deutschland - nur mit viel Zeit, hohem technischen Aufwand und dementsprechend hohen Kosten bekommt man einmal leicht ins Stocken geratene Projekte wieder auf Schiene.
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hakö
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von hakö »

[quote=muck post_id=29988 time=1672200343 user_id=432

Die deutschen Medien lieben ihre "Rüstungsdebakel", wie es die österreichischen Medien lieben, den Eurofighter Typhoon schlecht zu schreiben; die Mentalität ist ähnlich: Wir sind friedliche Leute, wozu brauchen wir diese Geldverschwendung namens Militär überhaupt? Und dann liefert die Industrie auch noch Schrott? Dass auch die Amerikaner mit dem größten Wehretat der Welt Verzögerungen, Rückschläge und Mehrkosten in Milliardenhöhe hinnehmen müssen – geschenkt.
[/quote]
DAS ist auf alle Fälle unbestritten und im Lichte dieser Betrachtungsweise sollten wir das ganze "Debakel§ auch bewerten.
Nix wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Wenn es stimmt, daß Lügen kurze Beine haben, dann haben Politiker Eier aus Bodenhaltung.
theoderich
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Re: Bundeswehr: Schützenpanzer PUMA

Beitrag von theoderich »

Für den Puma-Sammler: Freigabe der Nachrüstung trotz Rechnungshof-Bedenken? (Nachtrag: Heer)

https://augengeradeaus.net/2022/12/fuer ... -bedenken/


Rechnungshof hielt Puma für technisch unreif

https://www.faz.net/aktuell/politik/inl ... 59720.html
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