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LOIDOLT Jörg:
Leopard 2 verbessern statt verschrotten, in: Truppendienst, H 1 (2024), p. 4-11
Eine tiefgreifende Konfigurationsanpassung in Richtung "Leopard" 2A5, A6 oder gar A7 wurde bisher nicht vollzogen. Damit stand nach einer 30-jährigen Verwendung die Entscheidung an, wie mit der "Leopard"-Flotte weiter vorzugehen ist. 2019 begannen bereits die Vertragsverhandlungen mit der Firma Krauss-Maffei Wegmann (KMW). Aufgrund der Mitgliedschaft in der "Leopard"-Benutzergruppe war das Bundesheer bei diesen Verhandlungen gut im Bilde, welche technischen Schritte möglich und welche für eine Obsoleszenzbereinigung unbedingt notwendig wären.
Aufgrund der sich rasant verschlechternden Sicherheitslage in Osteuropa und der daraus folgenden Neuausrichtung des Bundesheeres kam es noch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine zu einer Vertragsunterzeichnung. Alle 58 in Österreich noch in der Nutzung stehenden Wannen sind davon betroffen. Diese werden alle nutzungsverlängert. Das garantiert den Betrieb über das Jahr 2030 hinaus. Dabei werden viele Komponenten getauscht, eine Kampfwertsteigerung auf den Stand A6 oder A7 war allerdings nicht Verhandlungsgegenstand. Trotzdem verbessern die über 1 100 vereinbarten Änderungen das Fahrzeug in vielen Bereichen erheblich. Durch den positiven Budgetpfad ergab sich die Möglichkeit, weitere sinnvolle Punkte zu verhandeln und diese einfließen zu lassen. Hierbei stehen die technischen Voraussetzungen für das neu einzuführende, heresweite Führungsinformationssystem (international: Battle Management System, kurz BMS) im Mittelpunkt.
Nach der Ankunft der Panzer in München wird zuerst der Turm von der Wanne getrennt. Der Turm geht anschließend nach Kassel und wird dort weiterbearbeitet. Sowohl beim Turm als auch bei der Wanne werden alle Bauteile, Kabel und Einbauten entfernt. Die Grundkonstruktion wird einer Rissprüfung unterzogen. Danach erfolgen Schweißarbeiten. Dabei werden Knotenbleche eingebracht, um die Schwächen in der Struktur zu beheben. Bei diesen Arbeiten werden die metalltechnischen Voraussetzungen für weitere mögliche Änderungen eingebracht. An der Wannenfront werden die Halterungen für die Eisgreifer entfernt, da hier das neue Fahrersichtsystem "Spectus" verbaut wird. Das ermöglicht dem Fahrer eine weitgehend uneingeschränkte Sicht zu jeder Tages- und Nachtzeit nach vorne und hinten.
Alle Laufwerkkomponenten werden überprüft und bei Bedarf instandgesetzt. Im Bereich der Batterien werden Ultracaps eingebracht, die den Spitzenstrom bei elektrischem Betrieb des Turmes kontrollieren und in die Batterien rückführen. Der Fahrerraum wird runderneuert und mit dem Fahrerbedien- und Informationssystem (FBI) ausgestattet. Dieses ersetzt die bisherigen Anzeigen und die Manometer durch ein digitales Anzeigefeld und einen Monitor für das kombinierte Infrarot-/Wärmebildgerät "Spectus" sowohl für dessen Front- und Rückfahrkamera. Weiters schafft es die Voraussetzungen für die Einbringung des Battle Management Systems (BMS) auf dem Fahrerplatz. Hier werden, wie überall, alle Kabelbäume überarbeitet.
Digitaler Turm
Die Änderungen im Turm sind umfangreich. Die ZLHV (Zentrallogistische Hauptverteilung) , der Sicherungs- und Schaltkasten des "Leopard", wird komplett überarbeitet, um alle neuen Komponenten und Fähigkeiten elektronisch und digital abzusichern. Der Turmantrieb wird von hydraulisch auf elektrisch umgestellt und die Feuerleitanlage erneuert. Dies umfasst einen neuen Feuerleitrechner mit angepassten ballistischen Daten für alle aktuell verfügbaren Munitionsarten - mit der Option auf zukünftige. Zum Verschießen dieser Munition ist die Verbesserung der Rohrbremse (vom Typ K600 auf den Typ K900) notwendig. Da die neuen Munitionsarten teilweise erheblich schwerer sind, ist auch eine Verstärkung bzw. Erneuerung der Munitionshalterungen im Turm und an der Wanne erforderlich.
Die Panzerkanone (PzK) bleibt vorerst die bewährte PzK L44. Hier bietet der Hersteller Rheinmetall ein auf die neuen Munitionsarten optimiertes Rohr - die PzK L44A1 - an. Es laufen noch Prüfungen, ob dies für den österreichischen Kampfpanzer sinnvoll ist. Der Tausch dieses Rohres ist aber nachträglich auch im HLogZ Wels möglich. Daher besteht hier kein Zeitdruck.
Auf dem Ladeschützenplatz ändert sich das Ladeschützenbediengerät. Die Ballistik der neuen Munition wird im Feuerleitsystem eingebracht und die Bedienfreundlichkeit erhöht. Es wird die Voraussetzung für einen BMS-Arbeitsplatz (Battle Management System) geschaffen. Der Ladeschütze ist im Zuge der Beschaffung von gefechtstechnischen Drohnen auch als deren Pilot vorgesehen.
Für den Richtschützen ändert sich einiges. In die Sichteinrichtung des Richtschützen wird zusätzlich ein "Attica"-Gerät (Wärmebildgerät) verbaut. Dies führt zu einer erheblichen Verbesserung der Nachtkampffähigkeit. Mit dem "Attica" wird der Richtschütze vermehrt auf dem Bildschirm beobachten und das Okular nur mehr zur Bestätigung bei einer Schussabgabe verwenden. Die Strichplatten in den Optiken werden den neuen Munitionsarten angepasst und der Laserentfernungsmesser durch die Umstellung auf Erst-Letzt-Echo-Messung erheblich genauer. Das Richtschützenbediengerät wird ebenfalls digitalisert und das Kraft-Richten (per hand) wird durch ein elektrisches Notschwenken ersetzt.
Der Panzerkommandant bekommt einen umfassend erneuerten Arbeitsplatz. Das Periskop (PERI) erhält ebenfalls ein "Attica" und erhält die Bezeichnung PERI R17A3 (vorher PERI R17A1). Dieses befähigt den Kommandanten zum sebstständigen Nachtkampf ohne Rückgriff auf das EMES der Richtschützen (Die Optik des Richtschützen). Da das PERI auf demselben Platz bleibt, muss der Winkelspiegelkranz dem breiteren PERI R17A3 angepasst werden. Folglich wird die Anordnung der Bildschirme vom Einbau im "Leopard" 2A6/A7 abweichen. Die genaue Konfiguration befindet sich in der Feinabstimmung, da das Battle Management System miteingeplant werden muss. Alle bisherigen Bedienelemente sowie die Bildgebung der Sichteinrichtungen werden auf einem Monitor mit Tasten zusammengefasst.
Die beschriebenen baulichen Veränderungen sind die wichtigsten von insgesamt 1 100 Neuerungen. Viele der aufgezählten Arbeiten bedingen weitere Schritte im Vor- oder Nachlauf. Erhebliche weitere Neuerungen erfolgen, nachdem der Turm umgerüstet sowie frisch lackiert und nach München zurückgebracht worden ist. Dort wird er wieder mit der ursprünglichen, aber nun verbesserten und ebenfalls neu lackierten Wanne "verheiratet". Dieser Integrationsprozess beinhaltet zahlreiche Tests in der Werkstatt, auf dem Prüfstand und auf dem Werksgelände. Planmäßig dauert der Prozess 30 Monate pro Fahrzeug. Das mag lange klingen, ist aber angesichts der tiefgreifenden Instandsetzung und Erneuerung - mitsamt den vielen zusätzlichen Arbeitsschritten - zügig und mit Sicherheit schneller und kostengünstiger als eine Neubeschaffung.
Was passiert aber in den 30 Monaten in der Garnison Wels, der Heimat der österreichischen "Leoparden"? Im direkten Instandsetzungsablauf wird bis zur Rückkehr des ersten "Leopard"-Panzers, die für Februar 2026 geplant ist, das Zubehör auf Brauchbarkeit überprüft, ergänzt und die Logistikstruktur angepasst. Mit der Rückkehr des ersten Panzers wird die vorbereitete Struktur befüllt, werden die Stammdaten angepasst und die Brandunterdrückungsanlage wird überprüft und bei Bedarf erneuert, weil die mit dem Löschmittel Halon befüllten Behälter zehn Jahre halten und erst vor der Rückübergabe an die Truppe neu befüllt werden. Die Fahrzeugbegleitpapiere werden ebenfalls gemäß den neuen Stammdaten geändert und in der Folge an den Nutzer - das PzB14 - übergeben.
https://www.bundeswehr.de/de/ausruestun ... /leopard-2
https://www.atm-computer.de/kompetenzen ... engeraete/
p. 8 hat geschrieben:Weitere Entwicklungslinien
Neben der Beschaffung werden auch alle anderen Entwicklungslinien bearbeitet. Eine weitere budgetrelevante Linie ist die Infrastruktur. Hier wurde bereits in den vergangenen Jahren der Bedarf erhoben und vorgelegt. Mit der Vertragsunterzeichnung ergab sich die Zeitlinie für den Bau der ersten neuen Panzerhalle, die im Februar 2026 fertiggestellt werden muss. Von diesem Endpunkt ausgehend wurden in der Rückwärtsplanung die Zeitanker verifiziert, um in das laufende Bauprogramm aufgenommen zu werden. In Zusammenarbeit mit dem HLogZ Wels, dem PzB14 und dem territorial zuständigen Militärkommando OÖ ist es gelungen, den Bedarf der Garnison auf das Ziel 2032+ auszurichten.
Zu den notwendigen neuen Hallen für die bestehenden Kompanien des PzB14 wurden eine vierte Panzerkompanie, eine Panzerpionierkompanie und der erweiterte Bedarf der Nachschub- und Transportkompanie planerisch berücksichtigt. Das Simulationszentrum wird um eine Halle vergrößert, die die verbesserten Ausbildungsmittel und zusätzliche Simulatoren, wie für die elektrisch fernsteuerbare Waffenstation (EFWS), beherbergen wird.
Im Zuge der Beschaffungen ÖBH 2032+ werden viele Versorgungsgüter einzulagern sein. Dazu wird ein Hochregallager in Wels errichtet. Dieser Bau steht zwar nicht unmittelbar mit der Nutzungsverlängerung in Verbindung, muss aber in der Gesamtkonzeption der Garnison berücksichtigt werden. Für diese umfangreichen Bauaktivitäten, die eine Erhöhung der Autarkie beinhalten, ist bereits ein Planungsbüro beauftragt.