Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

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cliffhanger
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Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von cliffhanger »

Hallo, es wird hier im Forum derzeit fast ausschliesslich über zu modernisierende oder anzuschaffende Ausrüstung und Systeme disskutiert.
Wie sieht es derzeit eigentlich mit der dazugehörenden Munitonsbeständen, angefangen von der 5.56mm bis zur Iris aus?

Ich weiss das wir hier nur Spekulationen anstellen können , aber wie viel Munition ist eigentlich für die eingeführten Waffen und Systeme derzeit vorhanden ? (Wenn ich mir die Mengen an Ari-Muniton ansehe die in der Ukraine täglich verschossen werden wäre bei uns wahrscheindlich schnell Schluß).
Wie lange hält das Öbh damit durch ?
Wie viel sollte man eurer Meinung nach Einlagern ( Die Schweiz z.b. gibt 2023, 200mio. für Zusätzliche Munition zur Erhöhung der Durchhaltefähigkeit aus ) ?
Wo würde man im Fall der Fälle mehr herbekommen ? Wie lange würde das dauern ?
Wie lange dauert es Unternehmen in Österr. auf Krieg umzustellen....
theoderich
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von theoderich »

cliffhanger hat geschrieben: Do 8. Sep 2022, 08:56Wie sieht es derzeit eigentlich mit der dazugehörenden Munitonsbeständen, angefangen von der 5.56mm bis zur Iris aus?

Ich weiss das wir hier nur Spekulationen anstellen können , aber wie viel Munition ist eigentlich für die eingeführten Waffen und Systeme derzeit vorhanden ?
Was die IRIS-T betrifft, erübrigt sich die Spekulation:

Bundesheer beschafft Iris-T
Von der IRIS-T werden vorerst etwa 20 Stück beschafft, eine Aufstockung der Stückzahl ist bei Bedarf jederzeit kurzfristig möglich.
https://www.bundesheer.at/truppendienst ... php?id=432
cliffhanger hat geschrieben: Do 8. Sep 2022, 08:56Wo würde man im Fall der Fälle mehr herbekommen ? Wie lange würde das dauern ?
Es gibt dafür nur eine Rechtsgrundlage - diese betrifft aber nicht die Versorgung des ÖBH:
  • Bundesgesetz betreffend die Sicherung einer ungestörten Produktion und der Versorgung der Bevölkerung und sonstiger Bedarfsträger mit wichtigen Wirtschafts- und Bedarfsgütern (Versorgungssicherungsgesetz – VerssG 1992)

    https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassu ... r=10007194
Für eine "Kriegsproduktion" waren Bestimmungen im Landesverteidigungsplan enthalten.
Bundeskanzleramt (Hrsg.): Landesverteidigungsplan (März 1985), p. 80 hat geschrieben:6.31 Munition

Die Munitionslage ist einer der ausschlaggebenden Faktoren für Einsatzbereitschaft und Effektivität eines Heeres.

Die aus der Vergangenheit vorgegebenen, peripher gelegenen Munitionslager müssen schrittweise abgebaut werden. Der bisher in beachtlichem Umfang erfolgte Ausbau unter- und oberirdischer Lager im Landesinneren wird in Zukunft weiter fortzuführen sein. Darüber hinaus sind weitere Anstrengungen bereits für die Zwischenstufe auf die Errichtung von Munitionslagern zur Versorgung der in Schlüsselzonen eingesetzten Kräfte zu konzentrieren, da mit der Verwirklichung einer Raumverteidigung die Bedeutung einer dezentralisierten Lagerung steigt.
Heute gibt es dafür weder Konzepte, noch legistische Vorkehrungen.

Heranziehbar wäre theoretisch das Leistungsrecht, also allenfalls zur Beschlagnahme von privaten Munitionsvorräten.

Im B-VG findet man auch den Art. 81:
Artikel 81. Durch Bundesgesetz wird geregelt, inwieweit die Länder bei der Ergänzung, Verpflegung und Unterbringung des Heeres und der Beistellung seiner sonstigen Erfordernisse mitwirken.
Das ist ein Relikt aus dem Bundes-Verfassungsgesetz von 1920 und totes Recht, weil das dazugehörige Gesetz nie beschlossen worden ist.

cliffhanger hat geschrieben: Do 8. Sep 2022, 08:56 Wie lange dauert es Unternehmen in Österr. auf Krieg umzustellen....
In Deutschland existiert dafür die RRGV:
In Österreich wäre das, wie oben beschrieben, gar nicht möglich. Man müsste die notwendigen Vorkehrungen wohl unmittelbar bei Ausbruch eines Krieges treffen.
Zuletzt geändert von theoderich am Do 8. Sep 2022, 17:10, insgesamt 2-mal geändert.
cliffhanger
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von cliffhanger »

Ich meine es gibt eh nur 2 Szenarien: Wenn jemand Österreich angreift ist die Nato um uns herum schon längst im Kriegszustand,oder die Nato ist der Angreifer.
In beiden Fällen sind wir Ihr wahrscheindlich was Munitions oder Rohstofflieferungen zur Herstellung dieser betrifft machtlos ausgeliefert. Meine natürlich nicht was den Kauf betrifft, sondern ob wir das Zeug überhaupt ins Land bekommen.
theoderich hat geschrieben: Do 8. Sep 2022, 12:30
Was die IRIS-T betrifft, erübrigt sich die Spekulation:

Bundesheer beschafft Iris-T
Von der IRIS-T werden vorerst etwa 20 Stück beschafft, eine Aufstockung der Stückzahl ist bei Bedarf jederzeit kurzfristig möglich.
Naja "etwa" ist auch dehbar ;-) ..... Kurzfristig ? Kaum zu glauben...
theoderich
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von theoderich »

Verkaufte Munitionslager

Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 2000 (Zu III-124 d.B.)
Das BMLV verringerte von 1993 bis einschließlich 2000 die Zahl der Munitionslager von 27 auf 20. Die verbliebenen Munitionslager waren im Jänner 2001 zu 75 % - unter Berücksichtigung der nicht
mehr benötigten Munition zu 67 % - ausgelastet.

Bei Stilllegung der neun kleinsten Munitionslager, Schließung von drei Heeresmunitionsanstalten und Erhöhung der Produktivität im Lagerbereich ermittelte der RH langfristig Einsparungsmöglichkeiten von rd 180 Arbeitsplätzen und von bis zu 4,07 Mill EUR jährlich.
Stillgelegte Munitionslager

6.1 Das BMLV bemühte sich, infolge der Neustrukturierung des Bundesheeres auch die Struktur der Munitionslager an die neue Heeresstärke anzupassen. Es verringerte von 1993 bis einschließlich 2000 die Zahl der Munitionslager von 27 auf 20. Das Munitionslager (Stollenanlage) Perneck wurde zwar geschlossen, aber nicht verkauft. Seit der Schließung im Mai 1998 fielen bis Ende 2000 für Erhaltung und Sicherung dieser Stollenanlage durchschnittlich 23 400 EUR je Monat an.

6.2 Der RH wertete die zielorientierte Verringerung der Munitionslager positiv. Er empfahl, das Munitionslager Perneck zu verkaufen, um Einsparungen zu erzielen.

6.3 Laut Mitteilung des BMLV werde der Verkauf der Stollenanlage Perneck angestrebt.
Heeresmunitionsanstalten

8.1 Das BMLV verfügte über sieben Heeresmuni tionsanstalten, die zwischen ein und sieben Munitionslager leiteten und verwalteten. Die Zahl der Arbeitsplätze in einer Heeresmunitionsanstalt betrug 46 bis 1 70 ; davon waren für d i e Versorgung und Verwal tung des eigenen Personals 13 bis 35 Arbeitsplätze eingerichtet. Der Anteil des Personals dafür war umso größer, je weniger Bedienstete die Heeresmunitionsanstalt aufwies, und betrug zwischen 17 % und 35 % .

8.2 Der RH empfahl, die Heeresmunitionsanstalten im Zuge der Neustrukturierung der Munitionslager auf eine betriebswirtschaftlieh vertretbare Anzahl zu verringern. Allein bei der Schließung von drei Heeresmunitionsanstalten könnten langfristig 46 Arbei tsplätze und jährlich 1,16 Mill EUR Personalkosten sowie 0, 1 5 Mill EUR Betriebskosten eingespart werden.

8.3 Laut Mitteilung des BMLV werde eine Verringerung der Anzahl der Heeresmunitionsanstalten geprüft werden.
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XX ... ndex.shtml

2004
Oktober 2005 bis Juli 2007
  • Munitionslager Gollarn
  • Munitionslager Gradnitz
  • Heeresmunitionsanstalt Klagenfurt
  • Munitionslager Kaltwasser
Ab 2007
  • Munitionslager Linz-Ebelsberg
Aktive Munitionlager (2020)
Am Fliegerhorst Hinterstoisser und am TÜPl Bruckneudorf existieren auch zwei größere Anlagen, die aber nicht im Sperrgebietsgesetz vermerkt sind.
Zuletzt geändert von theoderich am Sa 10. Sep 2022, 18:31, insgesamt 9-mal geändert.
Acipenser
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von Acipenser »

Da ja Munition auch ein Ablaufdatum hat, also nach einer gewissen Lagerzeit verschossen oder Vernichtet werden muss ist wohl in Friedenszeiten die Ansicht durchgebrochen, dass man eh mit wenig auskommt und so eben auch die Reserven reduziert. In meiner Wehrzeit vor über 30 Jahren war das beim Nachschubler schon ein Thema was aber zu eine Abhängigkeit im Krisenfall führen kann.
Andererseits werden Waffensysteme komplexer und manche Munbunker müssen für die neuen Erfordernisse neu gebaut werden, die Nähe zu Militärflugplätzen zeigt auch die Mögliche Luftverfrachtbarkeit an etwa bei Auslandseinsätzen und für die Bestückung der Luftfahrzeuge selbst.
Das die Munitionsanlagen bei größeren Tüpl erhalten bleiben erscheint klar, auch die Bewachungsmannschaften sind bei Reduzierung der Standorte weniger jedoch zeigt der Ukrainekrieg deutlich wie schnell Munlager Ziel von Angriffen werden können
Eine Anlage mit hoher Sicherheitsstufe, wie eine Stollenanlage, sollte aber bei dem aktuellen Lagebild unbedingt erhalten werden

Die Stückzahl von nur 20 Iris T zeigt schon das Dilemma (weil teuer), denn ein Angriff würde wohl nie von einzelnen Kampfflugzeugen erfolgen die treten im Ernstfall Staffelweise auf! Und kurzfristig beschaffbar? Beschaffungen auch Nachbestellungen sind in Österreich meist nicht unter einen Jahr möglich, das ist die Realität
muck
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von muck »

Zum Vergleich: Laut 'Jane's' verfügte 2016 in Europa allein Polen über Munitionsvorräte für mehr als drei Kampftage, wohlgemerkt nur für die Landstreitkräfte. In der Luft sind nicht mal die USA ausreichend gerüstet, außer mit Freifallbomben. Luft-Luft- bzw. Luft-Boden-Lenkwaffen sind einfach zu teuer, überdies sind die Herstellungskapazitäten regelmäßig stark begrenzt. Ich gehe davon aus, dass auch das ÖBH innert drei Tagen ohne Munition dastehen würde, wenn nicht vorher.
Dr4ven
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von Dr4ven »

Bist du dir da denn so sicher?
In der Libyen Kampagne waren die europ. F16 nach 14 Tagen leer an GBUs, glaubst du dass sie den Fehler noch einmal machen?
Und was alles das unter UN0014 fällt derzeit in einer Art Kriegswirtschaft für alle europ. Armeen und Polizeien produziert wird, passt ohnehin auf kein Blatt Papier.
Nicht umsonst bekommt der geneigte private Waffenbesitzer keine Munition mehr und wenn, zum fast doppelten Preis als noch Ende 2021.

https://www.coffeeordie.com/ukrainian-f ... s-missiles
muck
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von muck »

Dr4ven hat geschrieben: Mo 19. Sep 2022, 14:33Bist du dir da denn so sicher? In der Libyen Kampagne waren die europ. F16 nach 14 Tagen leer an GBUs, glaubst du dass sie den Fehler noch einmal machen?
Aber natürlich. Bis zum 24.02.2022 verharrten fast alle europäischen Armeen – ausgenommen jene Polens, Ungarns und der baltischen Staaten – in der Stagnation oder schrumpften sogar. Aber auch die vermeintliche Zeitenwende stockt schon wieder. Die Deutschen z.B. sehen der Inflation geduldig dabei zu, wie sie ihre €100 Milliarden-Finanzspritze aufzehrt. Bei den Briten sieht es noch übler aus, trotz Boris Johnsons vollmundigen Ankündigungen gehen Marine und Heer weiterhin auf dem Zahnfleisch, weil die gleich mehrfachen Regierungskrisen des Landes seit Jahresbeginn zu einem völligen Stillstand geführt haben.
Dr4ven
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von Dr4ven »

Ich meinte die USA, Europa ist mir da jetzt unwichtig.
Berni88
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von Berni88 »

Ein Bericht über die deutsche Munitionslage - dann kann man sich ausmalen wie es bei uns diesbezüglich ausschauen muss!!!
Deutschland hat "nur" ca. 20.000 Stk Artilleriegranaten - das würde im aktuellen Ukraine-Konflikt für 2-3 Tage reichen, die Russen verschießen ein vielfaches davon - pro Tag wohlgemerkt!

https://table.media/security/analyse/de ... nskammern/
Antworten