Peter Fritz: „Die österreichische Bundesregierung hat gestern verkündet, das sich Österreich an der ,Sky Shield‘-Initiative beteiligen will. [SCHALLENBERG nickt] Also eine Initiative, die von NATO-Staaten ausgeht und im Kern eine NATO-Initiative ist. Man will also anfliegende ,feindliche Objekte‘ sag‘ ich einmal, Drohnen, Raketen, die es sein könnte, in den Griff bekommen, erkennen können – und dann auch abschießen können.
Was ist das eigentlich anderes, als ein Neutralitätsbruch? Man sagt: Wir lassen keine Stützpunkte fremder Staaten zu, wir lassen keine Stationierung fremder Truppen zu – ABER wir beteiligen uns jetzt voll und ganz an einer gemeinsamen NATO-Initiative.“
Alexander Schallenberg: „Also, das seh‘ ich völlig anders. Und das ist glaub‘ ich eine Missinterpretation dessen, was ,Sky Shield‘ sein soll! Es ist in Wirklichkeit die Kooperation, die Zusammenarbeit von einer Reihe von Staaten. Die Initiative ging ja von Deutschland aus.
Und ich stehe hier voll hinter der Verteidigungsministerin Tanner, die sehr frühzeitig gesagt hat: ,Ja, Österreich will sich daran beteiligen‘. Das ist genau das, was wir auf europäischer Ebene besprechen: Pooling and Sharing! Das heißt nicht ,Neutralitätsbruch‘. Mitnichten! Weil es wird nicht außerhalb Österreichs eine Entscheidung getroffen. Man muss die Neutralität genau als das betrachten. Wir sagen: Keine Militärallianz, keine fremden Stützpunkte auf europäischem Boden. Und in letzter Konsequenz, dass wir selber immer das letzte Wort haben müssen, was Österreich, Österreichisches Bundesheer, österreichische Sicherheit betrifft. Und das ist in diesem Fall zu hundert Prozent gewährt.
Ich find‘ es ja immer wieder erstaunlich, dass von der Opposition, von der FPÖ dann, alle paar Wochen geschrien wird: ,Die Abschaffung der Neutralität.‘ Das ist mitnichten so! Es hätte … ich würde mich wü… würde mir wünschen, dass auch die Opposition hin und wieder wieder einen realistischen Blick auf die Neutralität macht.“
Alexandra Föderl-Schmidt (DerStandard): „ABER dieses Bündnis hat tatsächlich viel mit der NATO zu tun. Deutschland – Sie haben’s erwähnt – [SCHALLENBERG nickt] hat die Initiative dazu gesetzt. Mittlerweile sind sechzehn NATO-Staaten dabei – und Schweden, was ja auch bekanntlich bald beitritt und beitreten möchte.
Wenn man jetzt auf die Website des deutschen Verteidigungsministeriums schaut, dann ist zu lesen: ,Mit dieser Initiative‘ – und ich zitiere - ,wird der europäische Pfeiler in der NATO gestärkt. Es ist beabsichtigt, die Fähigkeiten in die vom NATO-Oberbefehlshaber für Europa geführte Luftverteidigung des NATO-Gebiets einzubinden‘.
Das heißt: NATO … eine NATO-Initiative unter der … dem Oberbefehlshaber der NATO für Europa. Das geht aus diesen Sätzen hervor.“
SCHALLENBERG: „Also ganz offen: Es ist keine ,NATO-Initiative‘. Z.B. Frankreich, ein nicht unwesentlicher Staat in der NATO in Europa, ist nicht daran beteiligt. Und sieht das sogar skeptisch.
Es ist eine Zusammenarbeit von Staaten. Sie haben zum Beispiel auch Schweden erwähnt – Schweden ist immer noch nicht in der NATO. Also, das ist eine Zusammenarbeit, wo wir das machen, nämlich ,Pooling und Sharing‘.
Und wenn Sie sagen, ein wesentliches Wort ist der europäische Pfeiler. Wir haben uns ganz klar auch dazu bekannt, dass wir die Souveränität und Autonomie Europas auch stärken wollen. Auch durchaus im Verteidigungsbereich. Und das ist genau so ein Bereich. Wir machen nichts anderes, als dass wir zusammenarbeiten. Und dass wir kooperieren. Dass wir unsere Möglichkeiten hier einbringen und gleichzeitig die Sicherheit haben, dass Partner, wenn sie in ihrem Luftraum was wahrnehmen, uns mit diesem Wissen beteilen. Wir sind in der Mitte dieses Zen … dieses Kontinents! Und wir haben’s ja erlebt, wenn Drohnen durch halb Europa fahren und irgendwo abstürzen. Wir haben selber technische Möglichkeiten. Das schützt uns besser, wenn wir auch den Informationsfluss von anderen kriegen. Das ist mitnichten sozusagen, dass wir uns jetzt hier einem Militärbündnis anschließen. Das ist eine schlichte Zusammenarbeit.
Und ich kann Ihnen etwas versichern: Diese österreichische Bundesregierung – und der Bundeskanzler hat das auch immer wieder ganz klar gemacht – und auch das wird dann uns zum Vorwurf gemacht! Das ist ja spannend, das ist die andere Seite. [FRITZL: „Darauf kommen wir gleich.“]
Wir stehen bei der … zur Neutralität. Wir achten das Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität. Und dabei bleiben wir!
Und ich find‘ es immer spannend, dass – was immer wir beschrei … entscheiden – dass die einen da sagen: ,Jetzt wird die Neutralität abgeschafft!‘. Und die anderen sagen: ,Viel zu wenig! Warum ist Österreich immer noch neutral?‘
Das ist so in einer Demokratie, das halten wir aus. Wir fahren in … unseren Kurs. Und der entspricht der österreichischen Neutralität, entspricht dem, was die Menschen wollen.“
FÖDERL-SCHMIDT: „Aber noch mal: Es sind bisher nur NATO-Staaten, die da mitmachen [SCHALLENBERG: „Nein.“] und … [SCHALLENBERG: „Weil Österreich dabei ist!“ (lacht)] Klar, aber das ist der einzige Nicht-NATO-Staat – um das geht’s ja genau! Über das red‘ ma ja. Jetzt noch mal, ich zitiere jetzt noch mal: ,Mit dieser Initiative wird der europäische Pfeiler in der NATO gestärkt‘, heißt es da.
Und Sie selbst haben in einem Interview mit dem Deutschlandfunk mal gesagt: ,Wir wollen uns selbst keiner Verteidigungs- oder militärischen Allianz anschließen‘. [SCHALLENBERG nickt] Das ist [SCHALLENBERG schüttelt den Kopf] doch eine [SCHALLENBERG: „Nein.“] Verteidigungsallianz. Auch wenn’s kein [SCHALLENBERG: „Nein.“] Bündnis, kein formales [SCHALLENBERG: „Nein.“], ist.“
SCHALLENBERG: „Es ist es einfach nicht. Es gibt auch keine Beistandsklausel. Es gibt keinen Automatismus. Es ist einfach das, dass man Information teilt, dass man sagt: Wir … wir haben sozusagen ein Wohnhaus, wo jeder seine Wohnungen hat, und wir sagen: Gut, wir tun uns zusammen und schauen, wenn da durch die Eingangstür des Hauses was kommt, dass wir unsere Informationen teilen und vielleicht auch die Möglichkeit hier einander zu helfen.
Das ist nichts anderes! Es gibt keinen Beistand, es gibt keinen Automatismus. Jetzt würd‘ ich auch nicht eine Formulierung auch von der deutschen Homepage sozusagen minutiös hier einer Interpretation unterziehen. Uns geht’s darum: Es ist ein europäisches Projekt, dass Staaten das machen, von dem wir immer reden – auf Englisch gibt’s diesen Begriff ,Pooling und Sharing‘. Das ist es.
Es ist nicht mehr. Und es hat mitnichten etwas mit der Neutralität zu tun.“
FÖDERL-SCHMIDT: „Also diese Zitate kommen vom deutschen Bundesverteidigungsministerium. Also … [SCHALLENBERG: „Ja.“] demjenigen, der [SCHALLENBERG: „Ich sehe: ,Europäischer Pfeiler‘.“] das gestartet hat, diese Initiative. Aber was kann jetzt [SCHALLENBERG: „Noch einmal: Wir wollen …“] Österreich - wenn man sozusagen jetzt beim Konkreten bleiben. Was kann Österreich ,Pooling und Sharing‘ machen? Ich mein‘, man will in diesem Bereich setzt man sehr stark auf IRIS-T SLM - also das deutsche System, was es schon gibt. Dann auf das ,Patriot‘-System – amerikanische Abwehrwaffen. Und man will ,Arrow 3‘ aus Israel jetzt ankaufen. Heißt das, dass jetzt Österreich eben auch sich an dem Ankauf dieser Systeme beteiligt?“
SCHALLENBERG: „Also, wir haben eine sehr gute eigentlich Ausstattung, was Luftraumüberwachung betrifft, in Österreich. Und können teilweise weit über die Landesgrenzen hinaus – was logisch ist! – weit über die österreichischen Landesgrenzen hinaus Bewegungen wahrnehmen. Das ist für mich einmal das Hauptziel: Dass wir hier sozusagen [FÖDERL-SCHMIDT: „Also die Radaranlagen.“] diese … Ja! Das ist ein wesentlicher Teil von jeder Luftraumüberwachung und -verteidigung! Das ist einmal der erste Schritt!“
FRITZ: „Und die stellen wir jetzt einfach so der NATO zur Verfügung? [SCHALLENBERG: „Nein!“] Machen wir das eigentlich jetzt schon? Oder ist das dann was neues?“
SCHALLENBERG: „Also, ganz offen: Wenn Sie sagen, es geht um: ,Was wir hier beschafft?‘, ,Welche Beschaffungsvorgänge?‘, bin ich die falsche Person! Ich bin nicht der Landesverteidigungsminister – ich bin der Außenminister. Aber ich sage nur: Ich halte das – und ich find’s wieder spannend, dass diese Diskussion jetzt so geführt wird: Da haben wir … fahren wir offensichtlich den richtigen Weg.
Hier wäre gefragt, ob ich schon beiträte, andere sagen, wir machen noch viel zu wenig. Was wir hier nur machen ist, dass wir einen Informationsaustausch machen! Das machen wir in anderen Bereichen ja auch. Wir sind ja bei EU-Missionen dabei! Wir tauschen uns selbstverständlich, gottseidank über sicherheits- und militärische Aspekte mit den Partnern aus! Wir sind ja auch Partnership for Peace-Mitglied in der NATO. Was … wie andere auch!
Und das ist nicht Mitgliedschaft, das ist nicht Teilnahme an einer militärischen Allianz, sondern, dass man vernünftigst dort Informationen teilt, auch Informationen entsprechend erhält und sagt: ,Wir können kooperieren‘. Mehr ist es nicht!
Und ich glaub‘ das nützt uns. Das nützt unserer Sicherheit. Und ich finde es spannend, dass man mich fragt: ,Was heißt das jetzt konkret? Welche Waffensysteme?‘
Ganz offen: In der NATO ist es keine NATO-Politik. Frankreich nimmt nicht teil. Ich habe gehört, das wäre beim Besuch von Macron in Berlin ein großes Thema gewesen. [FÖDERL-SCHMIDT: „Der jetzt abgesagt ist.“] Das er jetzt wegen den Krawallen absagen musste. Da sieht man ja daran, dass das alles noch im Entstehen ist. Ich glaube es nur richtig, dass wir im Sinne der österreichischen Sicherheit nicht sofort ,Nein‘ bellen und einfach nicht teilnehmen, sondern sagen: ,Wo ist es vernünftig möglich? Wo ist es im Sinne unserer Neutralität möglich?‘ Und dass wir da dann auch teilnehmen. Halt‘ ich für völlig vernünftig und für den richtigen Weg dieser Regierung!“
FÖDERL-SCHMIDT: „Aber ich hab‘ noch immer nicht ganz verstanden, woran und womit teilnehmen? Also Informationsaustausch, Radarsysteme. [SCHALLENBERG: „Ich würde Sie bitten!“] Aber es sollen keine Radarsysteme beschafft werden.“
SCHALLENBERG: „Also, Beschaffungsvorgänge des Bundesheeres liegen nun einmal nicht bei mir. Da bitt‘ [FÖDERL-SCHMIDT: „Aber Sie werden wohl eingebunden sein!“] ich Sie, die Verteidigungsministerin . Wenn es dann so weit ist. Aber nicht wirklich. Ich bin Außenminister! Also dann bitt‘ ich Sie, die Verteidigungsministerin zu fragen.“
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