Medienberichte 2022

Landesverteidigung, Einsätze & Übungen, Sicherheitspolitik, Organisation, ...
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »

Zuletzt geändert von theoderich am Fr 18. Nov 2022, 17:50, insgesamt 1-mal geändert.
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »

Nato-Luftabwehrsystem: "Österreichs Beteiligung ist von Interesse"

https://www.derstandard.at/story/200014 ... -interesse
  • Ein bisschen mehr für die Verteidigung wird Österreich schon stemmen müssen (Kommentar)
    Aber angesichts der nur rund 500 Kilometer vom Osten Österreichs entfernten Ukraine kann man sich auch hierzulande fragen: Könnte eine fehlgesteuerte russische Mittelstreckenrakete auf Österreich niederdonnern? Wenig wahrscheinlich, aber nicht hundertprozentig ausgeschlossen. Und so würde es durchaus Sinn machen, sich unter den geplanten Raketenschirm („European Sky Shield“) der NATO zu stellen. Österreich plant für die kommenden Jahre erstmals ein eigenes, raketengestütztes Luftabwehrsystem.

    Warum also nicht sich gleich in einen größeren, um ein Vielfaches wirksameren Abwehrschild eingliedern, der den Schutz noch erheblich verbessern würde? Vorausgesetzt natürlich, der „Europäische Himmelsschild“ der NATO kollidiert nicht mit Österreichs Neutralität.

    Und nein, unsere Neutralität muss noch immer nicht über Bord geworfen werden, auch wenn die Bedrohungslage schlimmer wird. Und wenn man natürlich eingestehen muss, dass Österreichs bester Schutz von allen uns umgebenden NATO-Staaten kommt. Aber sich mehr in die gemeinsame europäische Verteidigung einzubringen, so weit es Österreich nur möglich ist, wird unverzichtbar sein.

    Ein Vorbild dafür gibt es ja: die Schweiz, die es schafft, sich verteidigungsfähig auszurüsten, zum Teil bei der NATO mitspielt und dennoch ihre Neutralität hoch hält. Aber mehr für seine eigene und Europas Verteidigung wird Österreich schon stemmen müssen.
    https://kurier.at/meinung/ein-bisschen- ... /402221532
Zuletzt geändert von theoderich am Mi 16. Nov 2022, 20:57, insgesamt 1-mal geändert.
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »

SPÖ: Neutralität muss bei "Sky Shield" gewahrt bleiben
Die SPÖ hat verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich einer Beteiligung Österreichs an der geplanten europäischen Raketenabwehr ("Sky Shield"). "Ich erwarte eine umfassende Analyse des Verfassungsdienstes, ob eine Beteiligung an der "Sky Shield"-Initiative auch mit der Neutralität konformgeht", teilte SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer am Mittwoch in einer Aussendung mit. Ohne klare Bewertung dürfe Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) "jedenfalls nicht handeln".
"Luftraumverteidigung ist unsere Aufgabe"

Laimer bewertete die Überlegungen für eine Teilnahme an der Initiative grundsätzlich als sinnvoll. "Wenn es einen gesamteuropäischen Raketenschutzschild gibt, wird Österreich wohl oder übel darunterfallen. Eine Teilnahme an der Initiative wäre – solange sie neutralitätspolitisch abgesichert ist – eine gute Idee. Durchschummeln wollen wir uns nicht", sagte er. Zugleich betonte er, dass "Sky Shield" nicht als Vorwand dienen sollte, die Selbstverteidigungsfähigkeit Österreichs nicht auszubauen. "Die Luftraumverteidigung ist unsere Aufgabe, wir haben uns auch selbst darum zu kümmern."
https://www.wienerzeitung.at/nachrichte ... eiben.html


Europäischer Schutzschild – mit österreichischer Beteiligung?
Wie gut ist der österreichische Luftraum gesichert? Eher unzureichend, so die Einschätzung von Experten. Mit den Eurofightern gibt es moderne, aber unzureichend ausgerüstete Überschallflugzeuge zur Abwehr von Kampfflugzeugen. Abwehrsysteme gegen Raketen oder Drohnen fehlen aber weitgehend. Es gibt zwar ein Flieger-Abwehrbataillon, das ist aber nur in der Lage, ein Objekt, also zum Beispiel einen Flughafen, punktuell zu schützen. Die Luftabwehr ist einer der Schwerpunkte bei der jetzt geplanten Aufrüstung des Bundesheers. Richtungsweisend könnte da die Initiative von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner werden, die Österreich am geplanten europäischen Luftabwehrsystem Sky Shield beteiligen will.
Zur Diskussion steht der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Systeme: Iris-T SLM ist ein mobiles System, das Schutz in einem Umkreis von 40 Kilometern bietet. Patriot deckt einen größeren Raum ab und kann auch Sprengköpfe von Mittelstreckenraketen bekämpfen. Und schließlich Arrow-3, ein von Israel entwickeltes System, das Mittel- und Langstreckenraketen auch in größerer Entfernung bekämpfen kann. Welche Systeme angeschafft werden und ob sie miteinander kompatibel sind, ist aber noch unklar.

Die Initiatoren

Der Krieg in der Ukraine hat Bewusstsein für die Notwendigkeit einer besseren Luftabwehr geschaffen. Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gehört zu den Initiatorinnen, weitere beteiligte Staaten sind Großbritannien, die Slowakei, Norwegen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien und Slowenien. Lauter Nato-Staaten also mit Ausnahme Finnlands, das aber schon einen Antrag auf Aufnahme in die Nato gestellt hat. Lambrecht hat Österreich eingeladen, sich an Sky Shield zu beteiligen. Vor Weihnachten wird es auch noch ein Treffen von Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dem Thema geben.

Österreichs Beitrag

Was wäre Österreichs Beitrag bei einem derartigen System? Die Frage lässt sich derzeit kaum beantworten, vor allem deshalb, weil die Initiative erst vor einem Monat gestartet wurde und noch nicht klar ist, wie Sky Shield konkret aussehen wird und welche Waffensysteme tatsächlich angeschafft werden. Mit einiger Sicherheit kann man aber sagen: Es wäre keine Kostenersparnis für Österreich, sondern eher eine Verbesserung der Schutzwirkung bei gleichem Aufwand. Nach derzeitigen Planungen will das Bundesheer ein Raketenabwehrsystem anschaffen und dafür zwei Milliarden Euro ausgeben – mehr als einst für die Eurofighter. Doch auch dieses System würde keinen flächendeckenden Schutz bieten, sondern wiederum nur punktuellen Schutz. „Das ist eine Kosten-Nutzen-Frage“, so ein Sprecher des Bundesheers. Auch Sky Shield würde keinen flächendeckenden Schutz bieten, sondern sich auf kritische Infrastruktur und Ballungsräume konzentrieren.

Die Neutralität

Kann sich Österreich überhaupt an einem System beteiligen, das von Nato-Staaten betrieben wird? Das scheint auf den ersten Blick schwierig, weil Militärbündnisse aufgrund der Neutralität ausgeschlossen sind. Unmöglich ist es aber nicht, beispielsweise wenn sich die Zusammenarbeit auf den Datenaustausch konzentriert – Österreich also rechtzeitig von Bedrohungen erfährt, für die Abwehr aber selbst zuständig ist.
https://www.diepresse.com/6216376/europ ... eteiligung
muck
Beiträge: 1260
Registriert: Do 9. Jul 2020, 05:10

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von muck »

Auf die Gefahr hin, den Neunmalklugen zu geben … Es ahnte mir doch schon:
Unmöglich ist es aber nicht, beispielsweise wenn sich die Zusammenarbeit auf den Datenaustausch konzentriert – Österreich also rechtzeitig von Bedrohungen erfährt, für die Abwehr aber selbst zuständig ist.
Selbst bei einem flächenmäßig eher kleinen Land wie Österreich ist die Frage nicht ohne Bedeutung, ob das für die Abwehr "selbst zuständig" seiende Österreich Raketen abwehren darf, die von Effektoren in Österreich erreicht werden können, aber z.B. auf Italien oder Süddeutschland zielen.
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »

muck hat geschrieben: Mi 16. Nov 2022, 23:13Selbst bei einem flächenmäßig eher kleinen Land wie Österreich ist die Frage nicht ohne Bedeutung, ob das für die Abwehr "selbst zuständig" seiende Österreich Raketen abwehren darf, die von Effektoren in Österreich erreicht werden können, aber z.B. auf Italien oder Süddeutschland zielen.
Sofern die Raketen dabei den österreichischen Luftraum passieren - ja. Dazu gibt es auch eine Rechtsgrundlage - den § 26 (2) Z3 MBG (Obwohl diese mit dem WRÄG 2019 eingeführte Befugnis eigentlich auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Drohnenabwehr abzielte.):
(2) Die mit Aufgaben der militärischen Luftraumüberwachung betrauten militärischen Organe, insbesondere jene der militärischen Luftfahrtverbände sowie der Einrichtungen des technischen Luftraumbeobachtungs- und Luftfahrzeugleitsystems, dürfen

[...]

3. eine Luftraumbenützung im Fall einer gegenwärtigen Verletzung der Lufthoheit beenden, sofern dies zur Wahrung der Lufthoheit oder der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres unerlässlich und verhältnismäßig (§ 4) ist.
https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/i/20 ... OR40218320

Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt
Artikel 1

Lufthoheit


Die Vertragsstaaten anerkennen, daß jeder Staat im Luftraum über seinem Hoheitsgebiet volle und ausschließliche Souveränität besitzt.

Artikel 2

Hoheitsgebiet


Für die Zwecke dieses Abkommens gelten als Hoheitsgebiet eines Staates die Landgebiete und angrenzenden Hoheitsgewässer, die unter der Souveränität, der Suzeränität, dem Protektorat oder der Mandatsverwaltung dieses Staates stehen.
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassu ... r=10011263
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »

Opposition zerpflückt Krisensicherheitsgesetz

https://orf.at/stories/3294179/
innsbronx
Beiträge: 360
Registriert: Mo 4. Jun 2018, 18:04

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von innsbronx »

muck hat geschrieben: Mi 16. Nov 2022, 04:19 Wir erinnern uns: Im Frühjahr äußerte sich Kanzler Nehammer dahingehend, die Irland-Klausel in Art. 42 Abs. 7 EUV bedeute, dass Österreich den Beistand seiner Nachbarn erwarten könne, ohne selbst zu Beistand verpflichtet zu sein. Daher würde ich mir ohne ein vorheriges Bekenntnis zu einer fairen und verlässlichen Lastenteilung Österreich nicht als Partner ins Boot holen.
Da stimme ich zu. Ich würde Österreich auch nicht an Bord holen. Das ist ein unverlässlicher Kantonist in dieser Hinsicht. Leider wird in Österreich auch die Bevölkerung getäuscht. Man behauptet, dass die österreichische Interpretation der Beistandsklausel tatsächlich von den anderen Mitgliedsländern geteilt würde. Das wird sie aber nicht, sondern ist eine reine These einiger österreichischer Juristen, die sich in der Praxis nie bewähren musste. Dabei ist eine einseitige Beistandsverpflichtung noch weniger realistisch als warme Eislutscher.

Ich bin mir sicher, dass man auch die Teilnahme an diesem Schutzschild wieder von einigen der üblichen österreichischen medienaffinen Juristen nach dem Vorbild der Irland-Klausel legitimieren wird: "Wenn wir dabei sind, dann müssen uns die anderen schützen, aber wir können jederzeit ein Opt-Out wählen".

Also folglich würde ich den Trittbrettfahrer Österreich da nicht mitmachen lassen, das wäre einfach nur eine Schwächung des Systems.
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »

Zehner-Kaserne in Ried
40 Millionen Euro für Modernisierung gesichert
Zudem wies er auf die lang erwartete Modernisierung der Zehner-Kaserne in Ried hin. „Im kommenden Frühjahr wird diese endlich in Angriff genommen. Im ersten Schritt sind sieben Millionen Euro vorgesehen und in Summe stehen dafür 40 Millionen Euro zur Verfügung.“
https://www.meinbezirk.at/ried/c-lokale ... t_a5715706
theoderich
Beiträge: 20027
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von theoderich »




Gefährlich orientierungslos
Zwischenfall in Polen als Warnschuss für unentschlossene Sicherheitspolitik
Für ein paar Stunden sah es in der Nacht auf Mittwoch so aus, als sei in Europa ein weiterer militärischer Ernstfall eingetreten. In Polen. Er hätte indirekt und direkt nicht nur die Nato, sondern auch alle Staaten der Europäischen Union betroffen – auch das neutrale Österreich.

Am Abend hatten militärische Aufklärungsdienste der USA das Hauptquartier der Allianz wie auch die zentralen EU-Institutionen in Brüssel aufgeschreckt. In einem ostpolnischen Dorf, knapp an der Grenze zur Ukraine, hatte es eine Explosion nach einem Raketeneinschlag gegeben. Zwei Menschen starben.

Potenzieller Nato-Angriff

Da die russische Armee tagsüber dutzende Raketen auf ukrainische Infrastruktur abgefeuert hatte, lag der Verdacht nahe, dass Moskau für den Beschuss des Bauernhofes verantwortlich sein könnte. Erstmals wäre ein EU- oder Nato-Staat von einem anderen Land militärisch angegriffen worden.

Keine Kleinigkeit. Eine solche Attacke hätte bedeutet, dass in der Nato gemäß Artikel fünf des Nordatlantikvertrages wie auch in der EU gemäß Artikel 42 der EU-Verträge die Notwendigkeit einer militärischen Beistandspflicht aller Mitgliedstaaten real im Raum gestanden wäre. Wird ein Land angegriffen, wird es als Angriff auf alle verstanden. Das ist Kern einer Verteidigungsgemeinschaft.

Auch neutrale Länder, die naturgemäß nicht der Nato angehören, können sich davon nicht so einfach absentieren. Auch sie schulden angegriffenen EU-Partnern "alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung".

Ernstfall abgewendet

Das Prinzip Solidarität statt Neutralität, zu dem sich Österreich bereits beim EU-Beitritt 1995 ausdrücklich bekannt hatte, träte ein. Einen Automatismus gibt es zwar nicht. Die Bundesregierung in Wien müsste erst noch einen Beschluss fassen, bei dem sie ein Hintertürl hätte. Sie könnte durch die "irische Klausel" erklären, dass sie sich militärisch nicht für Polen engagiere, weil das der Neutralitätspolitik widerspreche.

Was aber wirklich gälte und zu tun wäre, wie die EU-Partner das sähen – diesen ernsthaften Realitycheck gab es bis zum Raketeneinschlag in Przewodów am Dienstag nicht.
Die Erleichterung in den Regierungszentralen war spürbar. Aber ein großes Thema lässt sich seit diesem Vorfall nun definitiv nicht mehr vom Tisch wischen, lässt sich nicht mehr verdrängen: Kann ein EU-Land im Ernstfall neutral sein?

Mehr Verantwortung in der Zeitenwende

Dabei sollte spätestens nach dem Angriff auf die Ukraine im Februar klar gewesen sein, dass es auch in Europa immer noch zu zwischenstaatlichen Kriegen kommen kann. In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik dürfte in den nächsten Jahren wohl kein Stein auf dem anderen bleiben: in der EU wie in der Nato.

Die "Zeitenwende", von der Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar gesprochen hat, findet nun real statt. Bisher wurde nur viel darüber diskutiert, dass Europäer als zweite Säule in der Nato neben den dominierenden USA viel mehr Verantwortung übernehmen, Geld ausgeben, aufrüsten müssen. Und: Obwohl die EU seit zwanzig Jahren versucht, eine eigene Militärpolitik aufzubauen, scheint klar, dass es sie vorerst kaum ohne Nato geben kann, nur innerhalb der Allianz.

Kleine große Schritte

Bald werden 23 von 27 EU-Staaten Nato-Mitglieder sein. Nur die kleinen Staaten Irland, Malta, Zypern und Österreich sind nicht dabei. Langsam wird klar, dass man ins Handeln wird kommen müssen. Oder wurden erste Schritte vielleicht gar schon gesetzt?

Franz Eder, Politikwissenschafter von der Uni Innsbruck, sagt, es sei durchaus typisch, dass die langfristig großen Entwicklungen nicht immer mit einem großen "Bang" beginnen. Manchmal gehe es um eine Politik "der kleinen Schritte". Der Weg hin zu einem gemeinschaftlich geschützten europäischen Luftraum durch die European-Sky-Shield-Initiative könnte so ein kleiner großer Schritt sein. Deutschland will die Führung übernehmen. Österreich liebäugelt mit einer Teilnahme.

Zu teuer, zu aufwändig, zu komplex

Für Eder wie auch für den Sicherheitsexperten Walter Feichtinger vom Center für Strategische Analysen ist ein Beitritt Österreichs mittel- bis langfristig alternativlos. Zu hoch die Kosten, der Aufwand und zu komplex auch die Aufgabe für Österreich, dies in adäquater Form allein zu meistern. Sollte sich Österreich hier dem Integrationsschritt verwahren, bleibe "nur mehr das Prinzip Hoffnung", sagt Feichtinger. Darauf zu hoffen, dass nichts geschieht, sei aber "unverantwortlich kommenden Generationen gegenüber."

Eine Rückkehr zur alten, relativ friedlichen Koexistenz mit Russland wie nach der Wende 1989 beziehungsweise 1991 dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird es erst einmal nicht geben. Da sind sich Regierende und Experten einig.

"Heilige Kuh" Neutralität

Für Österreich, wo breite Debatten zur Militärpolitik seit Jahrzehnten mit dem Hinweis auf die "heilige Kuh" Neutralität bereits im Keim erstickt wurden, wirft das Fragen nach der Zukunftsfähigkeit auf. Wie will sich das Land, das mitten auf dem Kontinent liegt, viele Nachbarländer und viele Konfliktzonen rundum hat, positionieren? Welche langfristige Strategie gibt es?

Die schonungslose Antwort hat Eder parat: "Österreich weiß nicht, wohin es möchte, welche Mittel es braucht. Es gibt keine Grand Strategy, aber wir investieren einmal. Und wenn es einmal zusätzliche Mittel für die Landesverteidigung gibt, weiß man nicht, wohin damit, außer in die Erhaltung des Systems."

Ablehnung einer Diskussion

Im Mai wandten sich 50 Personen des öffentlichen Lebens in einem offenen Brief an den Bundespräsidenten, die Bundesregierung, Nationalrat und die Bevölkerung Österreichs mit der Bitte um "eine ernsthafte, gesamtstaatliche Diskussion über die sicherheits- und verteidigungspolitische Zukunft Österreichs und die Verabschiedung einer neuen Sicherheitsdoktrin". Unter ihnen waren der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, oder der ehemalige österreichische Botschafter in Moskau Emil Brix. Der Appell verhallte im Nichts.

Vom STANDARD darauf angesprochen, ob er die im Brief geforderte Expertengruppe einsetzen werde, sah sich Alexander Van der Bellen dafür nicht zuständig. Einen Nato-Beitritt lehnte er mit dem Verweis, man solle "nicht immer so bellizistisch denken", kategorisch ab.

Kein Nato-Beitritt

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte die Neutralitätsdebatte nach den Beitrittsanfragen Schwedens und Finnlands infolge des Ukraine-Kriegs für beendet, bevor sie überhaupt richtig gestartet wurde: "Österreich war neutral, ist neutral und bleibt neutral", sagte Nehammer im Mai. Für Österreich stelle sich diese Frage so nicht, da es eine andere Geschichte als Schweden und Finnland habe.

An deren baldigem Nato-Beitritt zweifelte Nehammer noch im April im Gespräch mit dem STANDARD, gab später aber auch zu, sich hier getäuscht zu haben. Man solle in einer sich so schnell wandelnden Zeit vorsichtig sein mit definitiven Aussagen, hieß es im Juli.

Am bedingungslosen Festhalten der in vielen Bereichen bereits weit ausgehöhlten Neutralität änderte dies dennoch nichts.

Fehlende Experten

Dabei fehlt laut Einschätzung von Eder und Feichtinger und weiteren Experten diese Debatte. Es brauche einerseits eine ehrliche Prüfung, ob das Neutralitätsgesetz unter den neuen Rahmenbedingungen noch zielführend für unsere Sicherheitsarchitektur ist, sagt Feichtinger. Also ob sie quasi auch das hält, was die Politiker sich von ihr versprechen.

Andererseits müsste man einmal ernsthaft herausfinden, was die österreichische Bevölkerung will. Will man wirklich einen nationalen Alleingang des kleinen Österreich in vielen sicherheitspolitischen Fragen, oder ist man da und dort doch bereit, die Neutralität zu opfern, um mit der EU oder gar der Nato gemeinsame Sache zu machen? Das müsste die Meinungsforschung breit und über einen längeren Zeitraum erst in Erfahrung bringen, meint Eder. Es gäbe verschiedene Optionen, wie sich das Sicherheitskonzept wandeln könnte, sagt der Politikwissenschafter – abseits vom "Weiterwursteln" oder der Hoffnung, dass die EU-Armee oder eine europäische Verteidigungsunion irgendwann, irgendwie doch einmal kommt.

Ernstgemeinte Friedenspolitik

Da wäre etwa das Schweizer Modell, ein Verstecken hinter einer neutralitätspolitischen Außenpolitik, die im Zweifel in wirtschaftlichen Fragen auch bei totalitären Staaten nicht vor Geschäften zurückschreckt. Die Schweiz ist aber nicht EU-Mitglied. Österreich könnte auch eine ernstgemeinte Friedenspolitik verfolgen, die von großzügigen Ausgaben für die internationale Entwicklungshilfe geprägt ist, in scharfer Opposition zu internationalen Rüstungsverträgen und Waffenlieferungen auftritt.

Freilich gäbe es aber auch die Option, zu einer engagierten und real wehrfähigen Demokratie wie etwa Finnland zu avancieren – wo man am Ende aber auch dazu bereit ist, bestimmte Werte militärisch zu verteidigen. Ein Nato-Beitritt wäre dafür ein logischer Schritt.

Historische Umwälzungen

Es gebe kein Richtig oder Falsch bei diesen Optionen. Es sind auch nicht die einzigen, sagt Eder. Jeder Staat entscheide letztlich selbst, was er für die beste Strategie halte. "Aber bei uns wird ja nicht einmal darüber geredet", kritisiert er. Die Weltpolitik wird aber auch Österreich zum Handeln zwingen. Vermutlich wird Österreich wie auch andere europäische Kleinstaaten zur Spezialisierung auf bestimmte Themenbereiche gezwungen, in denen man besonders viel Expertise teilen und weitergeben kann, sei es bei der ABC-Abwehr, der Logistik, nuklearer Abrüstung oder sonst wo.

Der anstehende sicherheitspolitische Umbruch, der Europa bevorsteht, erinnert an dramatische Weichenstellungen der 1980er-Jahre und daran, was in der EG passiert ist: Die Gemeinschaft steckte in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die zwölf EG-Staaten rund um den deutsch-französischen "Motor" starteten daher 1985 das Großprojekt offener Binnenmarkt. Es gab die Idee einer Währungsunion, der offenen Schengengrenzen. Als dann der Eiserne Vorhang fiel, wurde Europa komplett umgekrempelt, später nach Osteuropa erweitert.

Allein zu Haus oder solidarisch?

Nur die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die blieb ein Stiefkind, blieb jahrelang stecken. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine könnte sie nun aus ihrem Tiefschlaf wachküssen.

Ein Vorbote: Das EU- und Nato-Land Dänemark, das bisher ganz auf die Nato setzte, änderte seine Strategie, weil sich die Umstände änderten. Es beendete sein EU-vertraglich garantiertes Ausscheren in EU-Verteidigungsfragen. Im Sommer sprachen sich bei einem Referendum zwei Drittel der Bürger dafür aus.

Und sogar die Schweiz debattierte zuletzt heftig über die Neutralität. Auch wenn der Zwischenfall in Polen gut ausgegangen ist, hat der kurze Schrecken aufgezeigt: Wenn es hart auf hart geht, könnte Österreich sich nicht einfach neutral herumdrücken, müsste Farbe bekennen. Das Land wird die Debatte führen müssen, was es tut, sollte tatsächlich einmal eine feindselige Rakete auf EU-Boden einschlagen: Allein zu Haus oder solidarisch? (Thomas Mayer, Fabian Sommavilla, 19.11.2022)
https://www.derstandard.at/story/200014 ... itspolitik
  • Ist die Neutralität noch angemessen? (Kommentar)
    PRO: Ein lebendiger Mythos

    von Conrad Seidl

    Kaum etwas definiert das Selbstverständnis der Republik Österreich so deutlich wie die Neutralität. Kein Vergleich mit den Lipizzanern, lebendiges Inventar der wenig republikanischen Hofreitschule! Kein Vergleich mit den Mozartkugeln! In Erinnerung ist noch, wie Kanzler Wolfgang Schüssel vor zwei Jahrzehnten diesen Vergleich gewagt hat – und dafür schroffe Ablehnung erfuhr. Es war ein Angriff auf Österreichs Identität.

    Die Neutralität ist ein mythenumrankter Fixpunkt des republikanischen Bewusstseins: Gern wird erzählt, dass der Zweiten Republik von der russischen Besatzungsmacht 1955 die Neutralität als Preis für deren Abzug aufgedrängt worden sei. Das ist nur ein Teil der Wahrheit – in Wirklichkeit taucht sie ein Jahrzehnt vorher in einem Memorandum von Heinrich Raab, dem Bruder des Staatsvertragskanzlers Julius Raab, auf.

    Ein Mythos ist auch, dass uns die Neutralität ewigen Frieden bringe – den verdanken Nationen kluger Außenpolitik und adäquater militärischer Stärke. Der Nutzen der Neutralität liegt in ihrem staatstragenden Mythos: Gerade das Bundesheer hat daran kräftig mitgewirkt, um halbwegs ausgerüstet zu werden. Politiker aller Couleur haben mit unterschiedlichen Akzenten den Faden weitergewoben – mit flexibler Handhabung funktioniert die Neutralität sehr gut. So bleibt der nationale Mythos lebendig – und Österreich frei von Bündnissen und militärischen Stützpunkten fremder Nationen. (Conrad Seidl, 19.11.2022)
    NEUTRAL: Es ist, was es ist

    von Katharina Mittelstaedt

    Österreich ist ein durch und durch neutrales Land. Um das zu verstehen, muss man die rechtshistorische Definition der "Neutralität" nicht kennen – es reicht ein Gefühl für die Volksseele. Hätte die eine Stimme, würde sie raunzen: "Is ma wurscht." Und ist es nicht wurscht, wird’s schon irgendwer richten.

    Dementsprechend ist es wenig verwunderlich, dass die Neutralität in Österreich immerwährende Popularität genießt: In einer STANDARD-Umfrage vom Mai erklärten 71 Prozent der Befragten, dass das Land neutral bleiben soll. Und es ist auch wahrlich kein unsympathischer staatlicher Wesenszug, wenn allen zugehört, abgewogen und danach vermittelt wird.

    Es gibt allerdings auch gute Argumente gegen die heimische Neutralität. Allein könnte das heimische Heer das Land nicht verteidigen. Längst nimmt Österreich ohnehin an Auslandseinsätzen teil und kooperiert mit der Nato. Aktuell denkt die Regierung sogar über eine Beteiligung am europäischen Luftabwehrsystem Sky Shield nach. Ob sich das mit der Neutralität vereinbaren ließe? Wenn Österreich möchte, werden Wege gefunden, sagen Militärexperten. Die Neutralität sei oft nicht mehr als eine Frage der Auslegung. Also: Eh wurscht?

    Fest steht, dass Diskussionen über die heimische Neutralität müßig sind. Solange sich in der Bevölkerung nicht überraschend die Stimmung dreht, wird sich die Politik hüten, etwas zu ändern. Es ist, was es ist, sagen gelernte Österreicher. (Katharina Mittelstaedt, 19.11.2022)
    KONTRA: Schluss mit der Feigheit

    von Michael Völker

    Die Neutralität wurde uns von den Russen vorgegeben. Das spricht nicht gegen die Neutralität, wird aber gerne vergessen. Österreich tut so, als ob das eine aktive, bewusste Entscheidung gewesen wäre, was nicht stimmt. Mittlerweile haben wir uns gemütlich in der Neutralität eingerichtet und sie liebgewonnen. Das ist sehr typisch Österreich: wegducken, raushalten, durchtauchen. Sich nicht deklarieren, nirgendwo anstreifen. Dem Konflikt aus dem Weg gehen. Die Neutralität, so wie wir sie anwenden, ist in erster Linie eines: feig.

    Österreich versucht mit einer Tarnkappe durch die weltpolitischen Unwegsamkeiten zu steuern. Aber gerade der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, dass Österreich nicht neutral ist, nicht neutral sein kann und es hoffentlich auch nicht sein will. Wir stehen an der Seite der Ukraine und beziehen klar gegen den Aggressor Position. Das ist nicht neutral, das ist eine anständige und aufrechte Position.

    Österreich verlässt sich auf die Staaten, die es umgeben. Irgendwer wird uns schon beschützen. Das ist unredlich. Österreich soll sich deklarieren, sich einbringen und aktiv an einem Bündnis teilnehmen. Das muss nicht zwangsläufig die Nato unter amerikanischer Dominanz sein. Das wäre im Idealfall ein europäisches Bündnis, das auf eine gemeinsame Verteidigung, ein gemeinsames Heer, eine gemeinsame Strategie setzt. Das gibt es noch nicht, aber Österreich könnte alles tun und seinen Beitrag leisten, um dort hinzukommen – und dabei das unpassend gewordene Deckmäntelchen der Neutralität abstreifen. (Michael Völker, 19.11.2022)
    https://www.derstandard.at/story/200014 ... angemessen
chuckw
Beiträge: 569
Registriert: Mo 30. Apr 2018, 12:38

Re: Medienberichte 2022

Beitrag von chuckw »

NACH GROSSBRAND IM MÄRZ
Diesem Feind sagte das Bundesheer nun den Kampf an

https://www.krone.at/2860536
Alles läßt sich durch Standhaftigkeit und feste Entschlossenheit erreichen. (Prinz Eugen v. Savoyen)
Gesperrt