Tanner: „Ich rudere nicht zurück, ich marschiere durch“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner über die Zukunft des Heers, die Widerstände im Apparat und ihren „ZiB 2“-Auftritt.
Die Presse: Ihr Stabschef hat diese Woche in einem Hintergrundgespräch einen Plan vorgestellt, der der Abschaffung des Bundesheers, wie wir es kennen, relativ nahe kommt. Wieso haben Sie das nicht selbst gemacht? Und wussten Sie überhaupt davon?
Klaudia Tanner: Ja, wusste ich. Wir haben uns hier von Anfang an Gedanken gemacht, wie wir das Regierungsprogramm umsetzen. Das war jetzt der Start für diesen großen Reformprozess. Wir haben diese Woche begonnen, die Gespräche zu intensivieren – auch mit dem Generalstab. Ich bin nicht Ministerin geworden, damit alles so bleibt, wie es war.
Aber Sie sind letztlich zurückgerudert.
Ich rudere niemals zurück. Ich bin es gewohnt durchzumarschieren.
Wurde beim Hintergrundgespräch etwas Falsches erzählt?
Es finden immer wieder solche Gespräche mit Vertretern des Generalstabs statt. Bei diesem konkreten war ich nicht dabei.
Dort wurde gesagt, dass die Landesverteidigung keine Kernkompetenz des Heers mehr ist.
Absurd. Wir haben das eine zu erledigen, aber wir haben das andere genauso zu tun. Das eine ist die Landesverteidigung, das andere sind Szenarien wie Pandemien oder Cyberangriffe.
Gibt es die finanziellen Mittel dafür? Ihr Vorgänger Thomas Starlinger hat gemeint, 16 Milliarden Euro brauchte es dafür.Wir haben das höchste Verteidigungsbudget, das es jemals gegeben hat. Ich sage aber auch gleich dazu: Dass wir den Investitionsstau, den es über Jahre gegeben hat, mit einem Regelbudget aufholen werden – das wird ein bisserl herausfordernd. Aber selbstverständlich werden wir die bevorstehende Pensionierungswelle dazu nutzen, um Stellen, die nicht mehr so notwendig sind, nicht nachzubesetzen. Denn wir müssen ja auch andere aufbauen – etwa im Cyberbereich.
Werden weitere Kasernenstandorte geschlossen und Waffengattungen aufgegeben?
Mein Amtsverständnis bisher war: Ich fahre raus zu den Truppen, höre zu. Und ich habe immer klar gesagt: Garnisonen werden mit Sicherheit nicht geschlossen . . .
Aber einzelne Kasernen.
Wir haben etwa in Kärnten zwei Kasernen an einem Garnisonsstandort, die seit Jahren dringend renovierungsbedürftig sind. Wir werden mit klugen Überlegungen schauen, dass wir hier eine Lösung finden – vielleicht sogar mit einem Neubau.
Und Waffengattungen?
Im Regierungsprogramm steht, dass eine Reduzierung der schweren Waffengattungen fortzusetzen ist. Das ist mit dem Regierungspartner ausgemacht. Ob mir das gefällt oder nicht. Ich werde dieses Regierungsprogramm auf Punkt und Beistrich umsetzen. Dafür bin ich bekannt. Wir müssen die Prioritäten richtig setzen. Radpanzer brauchen wir – sogar noch mehr.
Und Abfangjäger? Die Eurofighter-Nachfolge steht an.
Bei Eurofighter haben wir die Verantwortung, jedes Rechtsmittel, das möglich ist, zu ergreifen. Das werden wir weiter verfolgen. Zu neuen Flugzeugen: Da haben wir immer gesagt, wir werden Mitte des Jahres die Entscheidung bekannt geben. Vorher brauche ich aber noch einen Termin mit allen Wehrsprechern, bei dem wir uns nochmals intensiv darüber unterhalten werden.
Das heißt, Sie wissen schon, was Sie wollen?
Transparenz und Einbeziehung der Wehrsprecher ist mir wichtig. Und diesem Gespräch will ich nicht vorgreifen.
Gibt es mit Eurofighter derzeit eigentlich Verhandlungen?
Die Gerichtsverfahren laufen, ich wüsste nicht, was ich zum derzeitigen Zeitpunkt zu verhandeln hätte. Da ist die Justiz am Wort.
Da Sie betont haben, Sie seien nicht Ministerin geworden, damit alles so bleibt, wie es war: Wie groß ist denn die Veränderungsresistenz hier im Apparat?
Das ist doch immer so, dass es diejenigen gibt, die möchten, dass alles so bleibt, wie es immer war. Aber die Welt hat sich eben verändert. Nach einem halben Jahr hier weiß ich, was „Verschlankung von Strukturen“, wie es im Regierungsprogramm heißt, bedeutet. Ich sage Ihnen ein Beispiel: Ich war bei den Gebirgsjägern, und ich erfahre vom Kommandanten, dass er bestellte Zelte jahrelang nicht bekommt, weil die Beschaffung so lang dauert – auch hier im Haus. Es gibt Beschaffungsvorgänge, die sechs Jahre dauern. Ganz offen: Da verstehe ich jeden Kommandanten draußen. Und ich sage Ihnen auch: Ich kriege Zuschriften von Kommandanten, die schreiben: Endlich geht's jemand an! Ich will eine Ministerin der Truppe sein.
Wie hat sich denn der Rapport beim Bundespräsidenten diese Woche abgespielt?
Wir haben uns sehr intensiv ausgetauscht, was wir ja immer wieder machen. Es ist gut zu wissen, dass der Bundespräsident nicht nur der Oberbefehlshaber des Bundesheers ist, sondern dass er das Heer auch tatsächlich unterstützt.
Sind Sie in der Coronakrise auch zur Erkenntnis gekommen, dass die Miliz in voller Stärke im Wesentlichen nur auf dem Papier besteht?
Wir haben erstmals die Miliz aufgeboten, und wir werden daraus viel lernen.
Der Schlüssel ist das Üben, das derzeit fast nicht stattfindet. Ändert sich da etwas?
Unbedingt. Das gehört zu den Dingen, die wir gelernt haben: Bei der Teilaufbietung der Miliz war eine dreiwöchige Auffrischung notwendig. Regelmäßige Übungen sind notwendig und werden ein Teil des Milizpakets sein.
Wird es wieder verpflichtende Milizübungen für alle Grundwehrdiener geben oder nur für Freiwillige?
Für die Freiwilligen, da alle zwei Jahre. Wir müssen die Miliz aber auch entsprechend ausstatten. Da werden wir sicher investieren.
Fanden Sie Ihren Auftritt in der „ZiB2“ am Donnerstagabend eigentlich gelungen?
Das hat der Zuseher zu beurteilen – oder meine Leute (lacht).
Sie kommen aus der niederösterreichischen ÖVP. Haben Sie eine Wahrnehmung, was das Alois-Mock-Institut so tut?
Als ich Direktorin des Bauernbunds war, habe ich von diesem Thinktank viele Einladungen für Veranstaltungen erhalten. Ich kann mich an eine erinnern, bei der ich selbst dabei war.
Die tun also auch etwas?
Ja. Meine Wahrnehmung war, dass viele Einladungen gekommen sind.
Quelle:
https://www.diepresse.com/5831479/tanne ... kommentare
26.06.2020 um 17:30 von Oliver Pink und und Martin Fritzl
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