Vom Radargerät des Bundesheers, das jetzt bis in die Ukraine sieht, und dem Abgesang auf die Abschaffung der Eurofighter.
Ohne viel Aufsehen zu erregen hat das Bundesheer vor einigen Monaten östlich von Wien eine der leistungsfähigsten Sensoranlagen der Republik aufgestellt. Das Gerät mit dem sperrigen Namen RAT-31 DL/M des italienischen Herstellers Selex ist ein modernes Langstreckenradar und steht am Truppenübungsplatz Bruckneudorf. Es liefert 24/7-Livedaten aus dem Luftraum über Ungarn, der Slowakei und den Grenzgebieten von Polen, Rumänien – und der Ukraine.
Im Norden blockiert die Hohe Tatra zwar die Sicht auf niedere Flughöhen. Aber der für die militärische Lufthoheit entscheidende hohe Luftraum ist einsehbar. Und zu sehen gibt es einiges; auf einschlägigen Plattformen werden die militärischen Bewegungen im Luftraum um Österreich, speziell im Osten, aufmerksam verfolgt.
Klar, vom Schneeberg aus würde man noch weiter und besser nach Osten sehen. Aber der Anspruch Wiens auf den Wasserschutz hat den dortigen Ausbau des Luftraumüberwachungssystems "Goldhaube" schon in den 1960er-Jahren zunichte gemacht.
Will man sich über Bewegungen am Boden informieren, steht dem Bundesheer immerhin etwas Budget zur Verfügung, um von internationalen Anbietern aktuelle Satellitenfotos von Regionen zu kaufen, die im Fokus österreichischer Interessen liegen. Und über Experten, die solche Bilder professionell und rasch auswerten, verfügt unser Militär jedenfalls.
Die Fähigkeiten sind da
Die Staatsspitze kann also bei der Informationsbeschaffung auch auf eigene Fähigkeiten zurückgreifen und muss nicht auf Basis etwa vom Hörensagen durch Dritte ihre Entscheidung treffen.
Weniger gut sieht es weiter im Bereich der aktiven Luftraumüberwachung aus. Es erinnert ein wenig an alte Draken-Zeiten: Von den zwei Staffeln ausgebildeter Draken-Piloten waren schon während des Slowenien-Krieges 1991 keine zwei Hand voll mehr über. Der hohe mediale Druck hatte das Schlüsselpersonal vertrieben. Und just der damalige steirische Landeshauptmann Josef Krainer jun., der sich zuvor bitter beklagt hatte, dass sein Land die ganze Last der Draken-Stationierung tragen müsse, forderte in Wien energisch, endlich die Draken aufsteigen zu lassen, als jugoslawische Militärflugzeuge über Österreich auftauchten. So rasch kann die Wende vom Saulus zum Paulus gehen. Waffentechnisch den jugoslawischen MiGs unterlegen und die Personaldecke bis zum Zerreißen ausgedünnt, musste damals die Saab 105 dem Draken aushelfen. Mehr als Symbolik war der Luftraumüberwachung dabei nicht abzufordern.
Kaum war die Krise vorbei, begann die Politik sich um die allzu offenbaren Schwächen zu kümmern. Das Bundesheer bekam Tiefflugerfassungs-Radargeräte und Boden-Luft-Raketen. Nicht viel, aber doch ausreichend, dass jemand, der im Tiefflug in österreichisches Staatsgebiet vordringen möchte, sich das wohl zweimal überlegt. Die Draken, 1985 in Schweden gebraucht beschafft, waren auch nie ihrer Verkabelung für Luft-Luft-Raketen entledigt worden. Damals war das eigentlich ein Verstoß gegen das "Spezialwaffenverbot" im Staatsvertrag. Aber wozu gibt es Staatsgeheimnisse? Die Draken bekamen also rasch Sidewinder-Luft-Luft-Raketen, später auch Selbstschutzsysteme aus Gebrauchtbeständen Dänemarks. Das Spezialwaffenverbot hatte die Republik aus eigenen Stücken schon 1990 für obsolet erklärt. Niemand hat deswegen protestiert.
Bis heute eine Schande
Heute steht der Eurofighter Typhoon ähnlich da wir der Draken vor 30 Jahren. Die Stückzahl zu gering, um mehr als Symbolik zu leisten; die Personalsituation angespannt, im Bereich der Ausbildung sogar unverantwortbar überspannt. Selbst am Boden nicht genug Personal, um auch nur theoretisch eine 24/7-Verfügbarkeit abbilden zu können.
Von den Leistungen her ist der Typhoon eigentlich perfekt für seinen Job. Es mangelt aber an dre verbauten Technik. Diese ursprünglich bestellten und gesetzlich budgetierten Fähigkeiten hat ein Minister, dessen Namen ich nicht erwähnen will (möge er in Vergessenheit geraten), in einer Einzelentscheidung eigenmächtig abbestellt. Und es gereicht der damaligen Großen Koalition und dem Parlament zur Schande, dass die unter Einbindung diversester Gremien und Ministerien und unter großen Mühen getroffene und gesetzlich bestätigte Grundentscheidung letztlich nicht umgesetzt wurde. Es ist bis heute ein Skandal, dass ein Minister einem per Gesetz beschlossenen Auftrag eigenmächtig nicht nachkam und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen wurde.
Allen Verkaufsgerüchten zum Trotz sind aber inzwischen Tendenzen erkennbar, dem gescholtenen Eurofighter doch Fähigkeiten zukommen zu lassen, die er von Beginn an hätte haben sollen. Erst kürzlich etwa wurde Software eingespielt, die nötig war, um internationalen Luftfahrtanforderungen nachzukommen und den Weiterbetrieb zu ermöglichen.
Ein wirklich tolles Upgrade
Das Paket ist dabei so hochwertig ausgefallen, dass selbst Nato-Staaten ein Auge darauf werfen, was Österreich mit seinen alten Tranche-1-Eurofightern da macht, und sich wohl Nachahmer finden werden. Zudem wurde eine Wunschliste an die Luftwaffe eines Landes übergeben, das den Tranche-1-Betrieb schon kräftig reduziert hat. Deren Inhalt sind Geräte, Ersatz- und Umlaufteile, die einen Weiterbetrieb und höhere Verfügbarkeit für viele Jahre ermöglichen. Auch der Simulator in Zeltweg soll Updates erhalten, die nur Sinn ergeben, wenn man vorhat, die Fähigkeiten unserer Typhoons endlich zu verbessern. Indonesien wird sie uns übrigens wohl nicht abkaufen, steht mittlerweile fest.
Für eine zeitliche Ausdehnung der Verfügbarkeit - in die Nacht und Richtung rund um die Uhr - ist aber auch das zu wenig. Hier wäre eine deutliche Besserstellung bei Personal und Material erforderlich. Die Schweiz hat diesen Beschluss längst gefasst und arbeitet in Richtung Wiederaufnahme des 24/7/365 LRÜ-Betriebs, wie er zu Zeiten des Kalten Krieges durchgeführt worden ist. Bis zu sechs Milliarden Franken (ca. 5,8 Mrd. Euro) lässt man sich dort die Beschaffung neuer Flugzeuge kosten.
Es braucht moderne Trainer
Für Österreich sind solche Summen Illusion. Aber auch mit weniger Geld ließe sich eine kräftige Verbesserung schaffen. Die Saab 105 nicht zu ersetzen, war in Bezug auf die Ausbildung der Piloten und Sicherheit des Flugbetriebes keine gute Entscheidung. Hier fehlt eine tragende Säule, und das kann langfristig nicht gut gehen. Ein Jet-Trainer, der per Computer das Vorhandensein von Waffensystemen simuliert und auf diese Art eine kostengünstige Ausbildung ermöglicht, ist heute Stand der Technik.
Im Hinblick auf die geringe Zahl an Eurofightern wäre aber einem Ausbildungsjet, der auch etwas "Handfestes" kann (obwohl er nicht so schnell ist wie der Eurofighter) gewiss der Vorzug zu geben. Mit einer Menge ähnlich jener der Eurofighter und Stationierung in Linz-Hörsching käme man endlich jenem Konzept nahe, das von Beginn an für die Draken-Nachfolge ersonnen, aber nur bruchstückhaft umgesetzt wurde.
Martin Rosenkranz (*1968 in Wien) ist Fachmann für Luftfahrt-, Militär- und Technologiethemen. Er war Chefredakteur des Luftfahrtportals www.airpower.at und begleitet u.a. seit vielen Jahren die Beschaffung, den Betrieb und die Nebeneffekte der Eurofighter Typhoon.
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