Matthias Rauch
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Klaudia Tanner im Interview: “Die Sicherheitslage hat sich verändert
HEUTE • 18:50 Uhr
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im Gespräch - im Laderaum eines Black Hawks. (F Hartinger)
Verteidigungsministerin über Aufbauplan, Beschaffungen und Notwendigkeit von Sky Shield.
Große Bundesheer-Übungen wie die aktuelle in Vorarlberg sind wichtiger denn je. Das bekräftigt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im VN-Interview. Sie äußert sich darin auch bezüglich einer möglichen dauerhaften Stationierung eines Hubschraubers im Land.
Am Montag fand die Eröffnung des Hubschrauberhangars in der Walgaukaserne statt. Wie beurteilen Sie die Umsetzung? Waren die Kosten im Rahmen?
Klaudia Tanner Sie waren mit 1,8 Millionen Euro im Rahmen. Wir haben 2020 gemeinsam mit dem Landeshauptmann beschlossen, einen Hangar zu errichten, welcher die Notwendigkeiten auch erfüllt. Wir bekommen sehr viel an neuem Gerät, das muss dementsprechend untergebracht werden. Es handelt sich um 550 Quadratmeter, die auch von der Truppe genutzt werden können. Die Planungsarbeiten haben 2021, die Bauarbeiten im März begonnen. Ende September war bereits die Fertigstellung, nun die Eröffnung. Das geschah in sehr rascher Zeit.
Apropos neues Gerät. Die Leonardo AW169M ersetzen die ausgemusterten Alouette-Hubschrauber. Denkbar wäre auch, dass sie das bisherige Lastenpferd der Armee, die Bell 212, ablösen könnten. Wie ist der aktuelle Stand der Beschaffung?
Wir sind, was den Leonardo AW169M angeht, absolut im Plan. Sechs Hubschrauber sind mittlerweile in Österreich gelandet. Die Werft wird sich in St. Aigen im Ennstal befinden, dort werden zwölf stationiert sein in der Endausbaustufe, 24 in Langenlebarn. Wir haben zum momentanen Zeitpunkt auch zehn Piloten und Techniker ausgebildet. Bei all unseren Hubschraubern soll es dann so aussehen, dass wir nur noch zwei Typen haben, weil das wesentlich effizienter und wirtschaftlicher sein wird. Das wird der Black Hawk sein und der AW169M.
Aus dem Land gibt es den Wunsch, dauerhaft einen Hubschrauber in der Kaserne zu wissen. Ist das eine realistische Forderung?
Dringend notwendig ist, dass der Hubschrauber schneller vor Ort ist. Es geht um die frühzeitige Stationierung, wenn die Wetterlage das erforderlich macht. Die Gerätschaften sind früher mehr oder weniger im Freien gestanden. Es dauerte, bis sie einsatzbereit, die Wartungsarbeiten erledigt waren. Das wird nun sehr viel rascher möglich sein. Damit wird sich auch die Dauer, wie lange der Hubschrauber in Vorarlberg stationiert ist, verlängern – aber immer so, wie es die Lage erfordert.
Eine dauerhafte Stationierung ist also kein Thema?
Es kann auch sein, dass es sich dauerhaft ausdehnt. Jetzt ist es notwendig, die Vorarbeiten zu treffen.
Der Hangar ist ein erster Schritt zur Sicherheitsinsel Walgaukaserne. Auch das Militärkommando in Bregenz soll autark werden. Wann ist denn dieser Prozess in Vorarlberg abgeschlossen?
Wir haben, was die Bilgeri-Kaserne angeht, bereits Investitionen vorgenommen. Gemeinsam mit dem Land Vorarlberg wurde ein Proberaum für die Militärmusik geschaffen, da wird bald die Eröffnung sein. Das ist ein schönes Projekt, das zeigt, wie wichtig die zivile und militärische Zusammenarbeit ist. Nach dem Konzept des Generalstabes ist die Walgaukaserne als Sicherheitsinsel vorgesehen. Da sind wir im Zeitrahmen bis 2025.
Gerade war der Auftakt einer großen Übung des Bundesheers in Vorarlberg, auch ein Terrorszenario wird geprobt. Warum jetzt?
Diese Übungen sind dringend notwendig, weil sich die Sicherheitslage verändert hat. Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Vorher gab es die Pandemie, vor drei Jahren fand ein Terroranschlag in Wien statt. Dazu kommen die aktuellen Bilder aus dem Nahen Osten.
Bis 2027 stehen dem Heer 18,1 Milliarden Euro zur Verfügung, 2024 sind es vier Milliarden. Der Investitionsrückstau ist massiv. Was sind die drängendsten Baustellen?
Wir haben einen genauen Aufbauplan. Es gibt ein Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz, das über diese Regierungsperiode hinausgeht. Jahr für Jahr muss bis 2032 das Budget für das Bundesheer steigen. Für die nächsten vier Jahre sind es 18,1 Milliarden Euro. Es gibt drei Bereiche. Der eine betrifft die Soldatin, den Soldaten selbst. Da geht es um die entsprechende neue Uniform, die Bewaffnung, das Kommunikationsmittel. Der zweite Bereich hat mit der Mobilität zu tun. Über den Luftbereich haben wir zum Teil schon gesprochen, also die Hubschrauberflotten, die Nachbeschaffung der Saab 105, Nachrüstung auch der Eurofighter, sofern dies notwendig ist. Ganz wichtig ist auch die Teilnahme an Sky Shield. Der dritte Bereich betrifft die Kasernen an sich. Das passiert alles in Schritten.
Jetzt gibt es immer wieder Forderungen nach einer Rückkehr der verpflichtenden Milizübungen. Was sagen Sie dazu?
Wenn man sich zur Miliz verpflichtet hat, dann muss man auch üben. Das ist vielleicht der eine Punkt, was da aber oft ventiliert wird, ist die Frage der Verlängerung des Grundwehrdienstes von sechs auf acht Monate. Ich sage es ganz offen, die sehe ich nicht, weil ich einfach politisch auch keinen Partner außer der FPÖ dazu finden würde. Und ich auch glaube, dass man mit den Rezepten der Vergangenheit nicht die Probleme der Gegenwart oder der Zukunft lösen kann.
Was haben wir aber gemacht? Wir haben, und die Walgau 2023 ist da ein Beispiel, zahlreiche große Übungen mit einem hohen Milizanteil. Wir haben die Reaktionsmiliz ins Leben gerufen. Das heißt, diejenigen, die sich verpflichten, dann auch binnen kürzester Zeit in den Einsatz zu gehen. Das versehen wir mit den entsprechenden finanziellen Anreizen. Der mit 1. April ins Leben gerufene Freiwillige Grundwehrdienst für Frauen wird auch sehr gut in Anspruch genommen. Jede Beschaffung, die wir tätigen, da ist immer auch der Milizanteil mitgedacht. Das gilt auch für die Mobilität. Wenn wir jetzt 850 neue Lkw beschaffen, dann ist da ein Teil, der selbstverständlich der Miliz zugute kommt.
Der Assistenzeinsatz des Heeres ist immer Thema, wenn es schnell gehen muss. Wir denken an die Evakuierung aus Israel und nun den Schutz jüdischer Einrichtungen. Wie schätzen Sie eigentlich die Sicherheitslage ein?
Wir haben eine erhöhte Terrorwarnstufe. Diese wird durch das Innenministerium festgelegt. Daraufhin hat es eine Assistenzanforderung gegeben und vor allem die Einrichtung des Terrorabwehrzentrums der drei Nachrichtendienste. Diese beobachten rund um die Uhr die Lage und leiten die entsprechenden Maßnahmen ab. Wir haben die Assistenzanforderung erfüllt, aber wer wo und wie lange steht, das ist die Aufgabe der jeweiligen Polizeiinstitution.
Es ist nicht unsere primäre Hauptaufgabe, jemanden zu holen. Das passiert immer gemeinsam in Abstimmung mit dem Außenministerium. Und ein Hoch auf alle Piloten und Techniker, die es nach wie vor immer wieder schaffen, die 60 Jahre alte Hercules in die Lage zu versetzen, die notwendigen Transporte für unsere 16 Auslandsmissionen zu erfüllen.
Sky Shield haben Sie schon kurz angesprochen. Es gibt natürlich die Kritik, das sei unvereinbar mit der Neutralität. Was sagen Sie dazu?
Für mich ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, wie man auf die Idee kommen kann, dass Bludesch, Amstetten oder Zürich nicht geschützt werden sollen. Unsere Kernaufgabe ist, die Österreicher zu schützen. Und das hat mit der Neutralität genau gar nichts zu tun. Um was es geht, ist eine bodengebundene Luftabwehr mit einer Reichweite von bis zu 50 Kilometern. Im November treffen sich die Air Chiefs, dann wird man einen Schritt weiter sein, was eben genau beschafft wird. Es macht natürlich Sinn, dies mit unseren europäischen Partnern, mit der Schweiz gemeinsam zu tun.
Abschließend die klassische Frage, wie zeitgemäß ist die Neutralität?
Neutral heißt niemals, dass wir gleichgültig sind. Das waren wir nicht zum Zeitpunkt des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine. Da haben wir verurteilt und entsprechend unterstützt. Und das sind wir auf keinen Fall bei so furchtbaren Terroranschlägen der Hamas. Man kann nicht neutral gegenüber dem Terror sein. Was in der Vergangenheit vergessen wurde und wir jetzt aufholen ist, dass die Neutralität dementsprechend militärisch ausgestattet ist, wie es auch die Schweiz getan hat.