Rätsel um Abwesenheit
Oberster Militär fehlt bei Nationalfeiertag
https://www.krone.at/3572660
Neutralitätsbekenntnis auf dem Heldenplatz
https://orf.at/stories/3373952/
Neue Stärke in Tarngrün: Wo die Heeresmilliarden jetzt hinfließen
Es fällt der Verputz
Dass die schwere Panzersperre direkt vor dem Einfamilienhaus steht, liegt daran, dass sie sich auf dem Gelände der Wiener Maria-Theresien-Kaserne befindet, wo die Garde stationiert ist. Es ist die größte Kaserne Wiens und eine der größten des Landes. Und sie liegt mitten im städtischen Wohngebiet. Zwischen dem kleinen Einfamilienhaus und dem stilisierten Grenzposten steht nur ein etwas baufälliger Zaun mit Stacheldraht.
Und baufällig, das sind die meisten Teile der Maria-Theresien-Kaserne, deren Grundstein in den späten 1930er-Jahren gelegt wurde. In der Baumallee auf dem Kasernengelände fallen die Blätter, vom Hauptgebäude daneben fällt der Verputz.
Drinnen sieht es an vielen Stellen nicht viel besser aus. Risse in Wänden, Schimmel in Waschräumen. Im Proberaum der ebenfalls hier stationierten Militärmusik wird der bröckelnde Holzboden bisweilen zur Stolperfalle. "Auch die Unterkünfte sind schon lange nicht mehr zeitgemäß", sagt Hauptmann Lichtenegger, der als "Informationsoffizier" auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Garde zuständig ist. "Sie dienen noch ihrem Zweck, aber sie müssen langsam auf heutigen Standard gebracht werden."
Reger Zulauf
In die Gebäude der Kaserne in Wien-Hietzing sowie in zugehöriges Gerät und Ausstattung wird in nächster Zeit einiges vom vielen frischen Geld fließen, das das Bundesheer in den kommenden Jahren erhält. Mehr als 16 Milliarden Euro schwer ist der "Aufbauplan 2032", den die heimische Politik nach Putins Angriff auf die Ukraine eilig zur Aufpäppelung der maroden Armee beschloss. Rund 150 Millionen fließen in die Maria-Theresien-Kaserne insgesamt.
Gut 200 Offiziere und Unteroffiziere, weitere rund 200 Chargen und bis zu 1600 Rekruten jährlich umfasst das Gardebataillon, das auf die einstige kaiserliche Leibgarde zurückgeht. Im heutigen Bundesheer ist es als eigener Truppenkörper organisiert. Und obwohl man die Gardesoldaten vor allem mit roten Baretts und weißen Handschuhen beim Repräsentieren auf dem Heldenplatz kennt: Das Bataillon ist auch eine infanteristische Kampftruppe.
Schwere Gefährte
Das zeigt sich auch an der vorhandenen Ausrüstung – und jener, die in den kommenden Jahren noch dazukommen wird. So verfügt die Garde etwa über "Dingos", gepanzerte Patrouillenfahrzeuge mit Gefechtsstation, die sechs Soldaten transportieren können. 12,4 Tonnen Leergewicht hat eines der brandneuen Fahrzeuge. Zwei davon sind bereits bei der Garde angekommen, insgesamt 50 sollen es werden.
Die schweren Gefährte sind gegen Infanteriebeschuss gepanzert, verfügen über Minen- und sogar ABC-Schutz für das Fahrzeuginnere: Im Fall einer Kontamination durch biologische oder chemische Kampfstoffe können die Insassen in der Kabine durch eine Filteranlage im Inneren geschützt werden.
Zu wenig Personal
Auch sonst erhält die Garde gerade vieles der neuen Ausstattung, die Teil des milliardenschweren Aufbauplans ist. Da sind etwa die neuen Uniformen aus verbessertem Material, die neuen Kampfstiefel und Nachtsichtgeräte sowie das modifizierte Sturmgewehr 77 A1 Mod. "Das bekommen die Grundwehrdiener zu Beginn ihrer Ausbildung aber noch nicht", sagt Informationsoffizier Lichtenegger. Zumindest nicht, bis das gesamte Bataillon mit den neuen Gewehren ausgestattet ist. Denn die Rekruten seien im Umgang mit der Waffe oft noch unbeholfen. Der eher filigrane Laser gehe da schnell kaputt.
Und dann ist da das neue Kommunikationssystem TCN (Tactical Communication Network), das den analogen Funk im Einsatz schrittweise um ein modernes digitales Kommunikationssystem für die Planungs- und Entscheidungsprozesse im Hintergrund ergänzen soll. Geschützt werden soll es mit modernen Sicherheitsschlüsseln.
Zur Sicherheit beim Bundesheer gehört neben moderner Ausrüstung auch der richtige Umgang mit der Waffe. Ein Schlaglicht darauf warf zuletzt der Vorfall in der Türk-Kaserne in Kärnten, wo ein Grundwehrdiener einen anderen Rekruten anschoss und dieser verstarb. Inzwischen wird allerdings nicht mehr von einem Unfall ausgegangen: Über den Grundwehrdiener wurde U-Haft wegen Mordverdachts verhängt.
Rekrutierungsoffensive
In zahlreichen Bereichen, denen in den nächsten Jahren viel neue Ausstattung zuläuft, plagt das Heer jednefalls ein Problem: Es gibt zu wenig Personal. Wie in vielen anderen Sektoren auch kommt es in der Armee aktuell zu einer überproportional hohen Zahl an Pensionierungen geburtenstarker Jahrgänge. Die frei werdenden Stellen können aber nicht mit ausreichend jungen Soldatinnen und Soldaten nachbesetzt werden.
Der Personalmangel habe auch mit "der Abrüstung im Lauf der vergangenen Jahrzehnte" zu tun, sagt Hauptmann Lichtenegger. Einst habe es zu wenig Gerät gegeben – und damit immer weniger junge Menschen, die sich eine Laufbahn bei den Streitkräften vorstellen konnten. Jetzt gebe es viel neues Gerät – aber noch zu wenige Heeresmitarbeiter für den sprunghaft ansteigenden Bedarf. Das Verteidigungsressort reagierte darauf mit einer Rekrutierungsoffensive. Und in der Truppe lebt die vorsichtige Hoffnung auf, dass die modernisierte Ausstattung wieder mehr junge Menschen zu einer militärischen Laufbahn motiviert.
In der Maria-Theresien-Kaserne arbeitet man einstweilen auch an der Autarkie der militärischen Einrichtung. Die Kaserne ist eine von zwölf in Österreich, die zu einer autarken "Sicherheitsinsel" ausgebaut werden soll. Dazu gehört eine eigenständige Versorgung mit Energie, Treibstoff und Verpflegung für die Soldatinnen und Soldaten. Rund zwei Wochen soll sich die Truppe damit selbst versorgen können – etwa in Krisensituationen wie bei einem Blackout.
Abwehr von Kampfstoffen
Auf Notfälle anderer Art bereitet man sich rund 20 Kilometer weiter nördlich vor: In der Soldheim-Dabsch-Kaserne im niederösterreichischen Korneuburg ist die ABC-Abwehr stationiert, wo sich gerade Vizeleutnant Andreas Hämmerle eine Atemschutzmaske überstreift.
Der erfahrene Soldat trägt zusätzlich noch eine dicke Stoffjacke, Gummihandschuhe und hohe Stiefel. ABC, das steht für atomare, biologische und chemische Kampfmittel. Und genau vor diesen Gefahren soll der Anzug, den Hämmerle trägt, die Soldaten schützen.
Die Abwehrtruppe profitiert ebenfalls vom Aufbauplan, eine genaue Zahl konnte das Heer nicht nennen.Zu den Investitionen zählen auch die neuen Schutzanzüge. "Früher hatten wir Plastikoveralls, die nur rund 90 Minuten lang Schutz vor Kampfstoffen und Chemikalien boten. Die neuen Anzüge halten nun sechs Stunden lang", erklärt Hämmerle, der mit der Schutzmaske nur noch schwer zu verstehen ist.
Chemische Nervenkampfstoffe wie VX oder Sarin sind schon in kleinen Mengen tödlich – das Heer braucht adäquate Kleidung und ausgebildetes Personal mit dem nötigen Know-how. Deshalb kommt der ABC-Abwehr eine besondere Rolle zu, denn im Fall eines Angriffs mit chemischen Waffen muss jeder einzelne Soldat, auch jene, die nicht Teil der ABC-Truppe sind, geschützt werden.
https://www.derstandard.at/story/300000 ... tarngr252n
"Schlimmste Auswirkungen"
Wie die globale Klimakrise unser Bundesheer bedroht
https://www.heute.at/s/wie-die-globale- ... -120068976
General Striedinger: "Der Wehrdienst sollte verlängert werden"
KURIER: Zum Nationalfeiertag gibt es wieder eine große Heeresschau auf dem Heldenplatz in Wien. Das Publikumsinteresse ist groß, das Heer hat an Attraktivität gewonnen. Das war nicht immer so. Es wurde einmal sogar überlegt, diese jährliche Schau gänzlich zu streichen. Was hat sich geändert?
Rudolf Striedinger: Ich beobachte auch, dass das Interesse der Bevölkerung größer geworden ist. Wahrscheinlich deswegen, weil die internationalen Krisen häufiger werden und vor allem näher an Österreich heranrücken. Der Ukrainekrieg ist ja ein Schockerlebnis für ganz Europa. Auch die Auseinandersetzung im Nahen Osten ist nicht allzu weit weg. Dadurch hat die Bevölkerung offensichtlich ein höheres Schutzbedürfnis. Wir sehen auch, dass das Bundesheer im Vertrauensindex stark gestiegen ist.
Die Grundsatzdiskussionen über Sinn und Unsinn des Bundesheeres gehören schon lange der Vergangenheit an. War nicht auch die Corona-Pandemie ein Katalysator, weil da das Heer vielfach einspringen musste. Vom Aufrechterhalten der Logistik bei der Post bis zum Führen eines Pflegeheims.
Das war schon ein Treiber dafür, dass wir im Vertrauensindex gestiegen sind. Wir mussten da tatsächlich Dinge machen, die man von uns nicht erwartet. Wir haben gezeigt, dass wir im Bereich der Logistik, der Planung und des Krisenmanagements gut sind. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass wir bei Katastrophen etwas zusammenbringen. Das hat sich zuletzt auch wieder bei der Flutkatastrophe in Niederösterreich gezeigt.
Es hat auch die Diskussionen gegeben, nur noch den Katastrophenschutz in den Vordergrund zu stellen. Mit dem Argument, dass ein österreichisches Bundesheer nicht viel ausrichten kann, wenn ein Krieg zu uns überschwappt.
Diesen Punkt muss man ganz anders sehen. Es ist international üblich, dass wir uns im Bereich der Militärs nicht mehr solitär bewegen. Die internationale Kooperation und Zusammenarbeit wachsen von Tag zu Tag. Es gibt zum Beispiel multinationale Einsätze am Balkan, wo viele Staaten zusammenwirken. Und es ist ganz klar, dass ein Staat allein militärische Aufgabenstellungen nicht mehr lösen kann. So gesehen ist es unsere Zielsetzung, dass wir in Europa erstens ein verlässlicher Partner, zweitens eine Zone sind, die mitten in Europa liegt, aber trotzdem gut geschützt ist. Damit können sich Nachbarländer darauf verlassen, dass Österreich nicht für irgendwelche ausländischen militärischen Maßnahmen genützt werden kann.
Das ist notwendig, obwohl wir ein neutraler Staat sind?
Wir haben auch als neutraler Staat unsere Verteidigung selbst aufzustellen, weil sich die anderen darauf verlassen. Sie können davon ausgehen, dass mit genauem Blick darauf geschaut wird, was auch in Österreich im Bereich der Verteidigungspolitik und des Aufbaus des Bundesheeres gemacht wird, weil wir nicht ein militärisches Vakuum mitten in Europa sein dürfen.
Der Aufbau des Heeres geht voran. Noch nie wurde in der Zweiten Republik von einer Regierung so viel Geld für die Landesverteidigung beschlossen wie unter der türkis-grünen Noch-Regierung. Was wurde damit schon umgesetzt?
Ich bin durchaus stolz darauf, dass unsere Steigerung des Verteidigungsbudgets zumindest prozentuell wesentlich höher ist als in anderen europäischen Ländern. Auch im Vergleich zu der Schweiz. Allerdings muss man immer dazu sagen, dass das von einem relativ niedrigen Niveau weg war. Aber die Zielsetzung, bis 2028 die 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts an Verteidigungsbudget zu erreichen, wie es das Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz vorgibt, ist ein klares Votum der Politik. Dieser Betrag soll dann noch zumindest bis zum Jahr 2032 fortgesetzt werden. Die Planungen im Bereich der Ausstattung, der Infrastruktur, des Personalrahmens und der Aufrüstung des Militärs sind genau darauf ausgelegt.
Aufrüstung weiter auf Schiene
Wir wissen noch immer nicht genau, wie die künftige Regierung aussehen wird. Es wird aber auf jeden Fall einen Sparzwang geben. Besteht nicht die Gefahr, dass wieder beim Heer Mittel gestrichen werden?
Mit einer Parlamentsmehrheit lässt sich immer alles bewegen, die konkreten Finanzierungsgesetze sowieso. Es ist aber so, dass wir im Bewusstsein, dass wir für das Heer eine klare Aufwärtsbewegung brauchen, bereits eine Reihe von Verträgen geschlossen haben, um gewisse Rüstungsgüter auch beschaffen zu können. Und es passiert normalerweise nicht, dass durch die Republik geschlossene Verträge nicht entsprechend eingehalten werden. Wir sind uns auch ziemlich sicher, dass wir angesichts der Bedrohungslage das, was wir brauchen, auch bekommen werden.
Aber das knappe Bundesbudget?
Dazu habe ich einen wirklich guten Vorschlag gehört. In der EU gibt es Tendenzen, die Anstrengungen für die Verteidigung aus der 3-Prozent-Maastrichtklausel für das Budgetdefizit zu nehmen, weil auch andere Länder die Problemstellung haben, auf der einen Seite sparen, auf der anderen Seite aber viel Geld für das Militär ausgeben müssen. Es wird uns nicht erspart bleiben, alles zu tun, dass Europa halbwegs selbstständig seinen eigenen Kontinent verteidigen kann.
Gerade in Krisenzeiten taucht immer wieder die Frage auf, wie wir es mit der NATO halten. Da gibt es jene, die wegen der Neutralität gar keine Berührungspunkte mit diesem Militärbündnis wollen. Allerdings arbeitet das Heer bereits auf einigen Ebenen, etwa bei Partnership vor Peace, mit der NATO zusammen. Wo sind da für Österreich eigentlich die roten Linien, wenn es um die NATO geht?
Das Neutralitätsgesetz ist da ziemlich klar. Ausgeschlossen sind Stützpunkte fremder Staaten auf österreichischem Staatsgebiet oder die Mitgliedschaft bei der NATO. Aber wir haben mit dem EU-Beitritt sehr weitreichende Kooperations- und Unterstützungsregelungen auf der Ebene der Europäischen Union.
Und wenn der Europäische Rat einen Beschluss fasst, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten an einer militärischen Aktion beteiligen, was bedeutet das dann?
Das heißt, wir sind dann in diesem konkreten Fall nicht mehr neutral. Diese Regel ist insofern ganz wichtig, weil wir ja auf der einen Seite mitten in Europa liegen und viele Transversalen durch Österreich gehen. Wir können auf diese Weise einen wertvollen Beitrag für die notwendige militärische Mobilität sicherstellen, etwa in einer Auseinandersetzung mit Russland beispielsweise für die NATO. Auf der anderen Seite sind wir aber nach wie vor ein neutrales Land, sorgen für unsere eigene Verteidigung, kooperieren aber, wo immer möglich, mit anderen EU-Staaten. Wir sind diesbezüglich voll anerkannt.
Sie haben den Fall erwähnt, dass ein Auftrag des EU-Rats die Neutralität praktisch zurückdrängt. Gilt das auch für einen kriegerischen Einsatz?
Selbstverständlich. Der EU-Vertrag sieht eine Unterstützung vor. Es gibt eine Beistandspflicht innerhalb der Europäischen Union. Und es ist damit nicht ausgeschlossen, dass, wenn ein europäischer Staat, der gleichzeitig EU- und NATO-Land ist, angegriffen wird, dass im Rahmen der EU eine Unterstützung angefordert wird, nicht nur im Rahmen der NATO.
Und das könnte man auch bei uns einfordern?
Ja, selbstverständlich.
Das Heer wird derzeit militärisch aufgerüstet. Aber haben wir für das alles überhaupt genug Soldaten?
Die Personalfrage ist interessanterweise nicht nur in Österreich eine Herausforderung, sondern in ganz Europa. Wir spüren derzeit einen Aufwind, nicht nur materiell, sondern auch personell. Bezogen auf die Berufssoldaten ist die Personalentwicklung durchaus positiv. Nachschärfen müssen wir im Bereich der Miliz, weil das Bundesheer im Verteidigungsfall nur dann funktionieren kann, wenn es mobil gemacht werden kann. Die Bereitstellung von ausreichend Personal für die Miliz muss, wenn es nach mir geht, in der nächsten Legislaturperiode in einer Art und Weise geregelt werden, dass wir in Zukunft verlässlich und verbindlich gut ausgebildete Milizsoldaten haben.
Wie soll das bewerkstelligt werden?
Da gibt es gute Modelle, dann kann man auch in die Vergangenheit schauen, wie es früher einmal war. Jedenfalls ist damit eine Verlängerung des Wehrdienstes und damit automatisch auch die Verlängerung des Zivildienstes verbunden. Das muss man deutlich dazusagen.
Acht statt sechs Monate Grundwehrdienst
Wie soll die Verlängerung aussehen? Acht Monate statt derzeit bloß sechs Monate Grundwehrdienst?
Wir sind mit den acht Monaten gut gefahren. Als sechs plus zwei Monate. Damit würde auch der Zivildienst verlängert, was die Zivildienstorganisationen ganz gerne sehen würden.
Nichts darüber hinaus? Es gab ja einmal auch die neun Monate.
Mehr ist aus meiner Sicht immer gut. Aber wir würden schon sehr viel gewinnen, wenn wir auf die vorhin genannte Art und Weise weiterarbeiten könnten.
https://kurier.at/politik/inland/genera ... /402967459