Re: Medienberichte 2023
Verfasst: Do 11. Mai 2023, 17:59
Tanner blockiert österreichische Entminungshilfe in der Ukraine
https://www.diepresse.com/6286852/tanne ... er-ukraineAnfang Februar, als Österreichs Staatsoberhaupt, Alexander Van der Bellen, zu Besuch war, äußerte Wolodymyr Selenskij die Bitte zum ersten Mal öffentlich. Und Ende März bekräftigte der ukrainische Präsident in seiner Videoansprache vor dem Nationalrat seinen Appell an Österreich, bei der Räumung von Minen zu helfen. „Wir bitten um Unterstützung, um Leben zu retten“, erklärte er. Nachgekommen ist die Bundesregierung dem dringenden Wunsch bisher nicht.
Aus der Roßauer Kaserne kommt ein klares Njet. Hilfe bei der Entminung kommt für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner erst nach dem Krieg infrage. „Wir werden keine Involvierung österreichischer Soldaten, wenn auch nur indirekt, in Kriegshandlungen riskieren. Sobald Waffenstillstand und Frieden absehbar sind, werden wir allerdings die Ersten sein, die der Bevölkerung zur Seite stehen und dabei helfen, das Land Ukraine wieder sicherer zu machen“, erklärt sie gegenüber der „Presse“.
Auch wenn die Entminung als rein humanitärer Einsatz angelegt wäre, gebe es keine Garantie, nicht doch in den Kriegsverlauf hineingezogen zu werden, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Denn geräumte Wege könnten dann für einen Angriff genutzt werden. Für einen neutralen Staat wie Österreich widerspreche eine solche Intervention dem Bundesverfassungsgesetz und sei deshalb „undenkbar“.
Der Völkerrechtler Ralph Janik sieht das anders. Durch den EU-Ratsbeschluss, die Ukraine zu unterstützen, seien Hilfeleistungen bei der Entminung verfassungsrechtlich gedeckt, sagt er zur „Presse“. Es wäre demnach sogar möglich, ukrainische Militärangehörige an Leopard-Panzern auszubilden. Einzig der politische Wille fehle.
Außenamt für mehr Engagement
Die Bundesregierung marschiert nicht im Gleichschritt. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) wäre mehr Engagement bei Entminungshilfe in der Ukraine durch Österreich vorstellbar. „Das ist keine Neutralitätsfrage, weil es um eine humanitäre Aufgabe geht“, teilt er der „Presse“ mit. Die 100.000 Euro, die Österreich zu einem humanitären Entminungsprogramm der OSZE beisteuere, seien ein symbolischer Beitrag. Es gebe noch viel zu tun. Im ÖVP-geführten Außenamt ist hinter vorgehaltener Hand Ähnliches zu hören. Die Diskussion endet allerdings dort, wo die Kapazitäten liegen: in Tanners Reich.
Insgesamt hat die Republik bisher bilaterale finanzielle Hilfe im Umfang von 129 Millionen Euro für die Ukraine geleistet. Dazu kommen noch einmal 153 Millionen Euro aus Wien, die im Rahmen der EU fließen. Doch an die Eumam (European Union Military Assistance Mission) streift Österreich nicht an. Im Juni 2022 hatte die EU beschlossen, der Ukraine bei der Ausübung des Selbstverteidigungsrechts gegen die russischen Aggressoren auch militärisch unter die Armee zu greifen. Vier Monate später richtete die Union die Militärmission Eumam ein, um ukrainische Streitkräfte auszubilden. Jeder EU-Staat soll dabei gemäß seinen Fähigkeiten einmelden, was er beitragen kann. 24 Mitgliedsländer haben bisher Trainingsmodule angeboten. Sogar das neutrale Irland machte mit. Es versprach Kurse für ukrainische Minenräumer.
Das hätten sich die EU-Partner von Österreich erhofft, zudem vielleicht noch Hilfe bei der Sanitäterausbildung. Doch bisher hält sich die Republik von Eumam so weit wie möglich fern. „Österreich wird sich nicht bei Ausbildungen im Rahmen der Eumam beteiligen“, heißt es aus Tanners Büro. Die Ministerin hat ihre politische Entscheidung getroffen. Bei Neutralitätsdehnübungen macht sie nicht mit. Die ÖVP-Politikerin spürt den Atem der FPÖ im Nacken.
Kiew will die Geräte aus Österreich
Die Führung in Kiew ist vertraut mit den Einschränkungen, die der neutrale Status mit sich bringt. Sie erwartet keine Waffenlieferungen aus Österreich und auch keinen Bundesheereinsatz zur Minenräumung in der Nähe der Front. Doch Sprengfallen lauern nicht nur im Kampfgebiet, sondern auch in zivilen Gegenden, aus denen sich die russischen Truppen längst zurückgezogen haben – im Wald, am Straßenrand und vor allem auf Feldern. 174.000 Quadratkilometer, ein Areal doppelt so groß wie Österreich, sind ukrainischen Angaben zufolge mit Minen und Explosivkörpern aller Art verseucht. Das Bundesheer hat bei Einsätzen in Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo reichlich Erfahrung bei der Minenräumung gesammelt. Es verfügt über Expertenteams und ferngesteuerte gepanzerte Räumgeräte. Könnten sie nicht zumindest fernab der Front zum Einsatz kommen?
Interessiert wäre die Ukraine, wie „Die Presse“ erfuhr, vor allem an den österreichischen Geräten. Die Bundesheersoldaten müssen nicht unbedingt mitkommen.
- Österreich könnte der Ukraine wohl mehr helfen, es will nur nicht (Leitartikel)
https://www.diepresse.com/6286855/oeste ... -nur-nicht