Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung
Verfasst: Mi 30. Mär 2022, 16:09
Forum für Österreichs Militärgeschichte
https://www.doppeladler.com/da/forum/
https://orf.at/stories/3256829/Tanner: Ja zu „nachgerüsteten“ Eurofightern
Nach dem gescheiterten Versuch, die Eurofighter an Indonesien zu verkaufen, und diversen Drohungen gegen den Jethersteller Airbus hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) angesichts der neuen Bedrohungslage nun ein Bekenntnis zum Eurofighter abgelegt. Die österreichischen Abfangjäger „müssen selbstverständlich nachgerüstet“ werden, sagte Tanner heute gegenüber Puls 24.
Dass sie am Beginn ihrer Amtszeit dem Airbus-Konzern mit dem Satz „Airbus wird mich noch kennenlernen“ gedroht hatte, hält Tanner dennoch für richtig. Das sei „notwendig“ gewesen, weil es schließlich um Steuergeld gegangen sei. Als Ministerin trage sie Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler. Die Beschaffung der Flieger sei bekanntlich intransparent gewesen und beschäftige die Gerichte.
Im Verteidigungsministerium gibt es bereits Pläne für die Nachrüstung der Abfangjäger, deren Ausstattung 2007 vom damaligen Minister Norbert Darabos (SPÖ) dezimiert wurde und die keine Nachtsicht- bzw. Identifizierungsfähigkeit, keinen elektronischen Selbstschutz und keine Hauptbewaffnung mehr haben. Die Nachtidentifizierungsfähigkeit und der elektronische Selbstschutz wurden von Darabos für die Ersparnis von 250 Mio. Euro abbestellt.
Ausbildungskosten von 90.000 Euro pro Stunde
Die Mittelstreckenlenkwaffen wurden von Darabos’ Vorgänger Günther Platter (ÖVP) storniert, damit der Preis unter der Zwei-Milliarden-Grenze blieb.
Die Militärführung wünscht sich zudem einige Eurofighter-Zweisitzer, um sich die teuren Trainingsstunden in Deutschland zu ersparen. Die Phase 5 der Pilotenausbildung erfolgt derzeit auf Doppelsitzern in Deutschland. Dafür verlangt die deutsche Bundeswehr nach Angaben von Insidern bis zu 90.000 Euro pro Stunde.
https://www.krone.at/2670015Das Bundesheer ist allerdings nicht bei allem tauglich. Der immer gut vorbereiteten Corinna Milborn ist bei diesem Thema ein folgenschwerer Recherchefehler unterlaufen. Die TV-Journalistin hat im Fernsehen behauptet, dass die Eurofighter in der Nacht nicht fliegen können. Das war Tanners großer Moment, Milborn saß in der Falle. „Da muss ich Sie korrigieren“, sagte die Ministerin mit einem Grinsen, und sie grinst ja eher mit den Augen. „Die Eurofighter können in der Nacht schon fliegen, sie können nicht detektieren.“ Heißt: Sie fliegen von A nach B, wie ein Passagier- oder Transportflugzeug, erkennen aber andere, vielleicht feindliche Flugzeuge, nicht - selbst dann nicht, wenn sie sich direkt neben ihnen befinden. Die sündhaft teuren Flieger sind in einer Gefechtssituation also so effektiv wie Schlafwandler. Luftverteidigung mit Öffnungszeiten. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.
https://www.vol.at/schweizer-jaeger-ueb ... gt/7355361Vorarlberger Nachrichten hat geschrieben:Schweizer Jäger über Vorarlberg angeregt
Gerade in der NZZ denkt man laut über eine solidarische Neutralität nach und Schweizer Luftraumüberwachung im Tirol-Korridor.
ZÜRICH, WIEN Die Schweiz gilt als Vorbild und Bollwerk der Neutralität. Aufhorchen lässt aber gerade das konservative Leitmedium der Deutschschweiz, die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Deren Sicherheitsredakteur Georg Häsler fordert in einem Kommentar eine zum Vökerrecht solidarische Neutralität, über das Mittragen der Sanktionen hinaus. So könnte die kampfstarke Schweizer Luftwaffe den Tirol-Korridor als europäische Nord-Süd-Achse sichern, damit sich die NATO auf die Ostflanke konzentrieren kann. Denn Österreich könne es nicht.
Eine Randmeinung
Lea Schaad von der ETH Zürich forscht im Bereich der staatlichen Zusammenarbeit und war Teil des CSS für Sicherheitsstudien. Der Kommentar der NZZ vertrete eine Randmeinung innerhalb der Schweiz, ist sie überzeugt. Zwar bewirbt sich die Schweiz um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat, betone hier aber gerade den nicht-militärischen Charakter dieses Gremiums und der Vereinbarkeit mit der Neutralität.
Die Debatte wurde mit dem Ukrainekrieg aber neu entfacht, gerade mit Blick auf die übernommenen Sanktionen gegen Russland. Hätte die Schweiz als einziges europäisches Land keine Sanktionen verhängt, wäre das eher ein Zeichen der Solidarität mit Russland gewesen, betont die Forscherin. Die Diskussion um Schweizer Sanktionen zeigt auch, dass grooße Teile der Bevölkerung es ablehnen, die Schweizer Neutralität als Ausrede zu benutzen, um wirtschaftliche Ziele nicht zu gefährden. Daran ändere auch der identitätsstiftende Charakter der Neutralität nichts.
Nacheile ja, Luftraumüberwachung nein
Der Vorschlag hätte vor allem innenpolitisch Vorteile. Schließlich will die Schweiz den USA hochmoderne Stealth-Kampfjets abkaufen, es macht daher Sinn, den USA entgegenzukommen. Aber bisher ist nur die luftpolizeiliche Nacheile, sprich Begleitung von Flugzeugen, erlaubt. Nicht von der Hand zu weisen ist aber die Einschätzung der Kampfstärke der österreichischen Luftwaffe: Um den Anschaffungspreis zu drücken, wurde auf für den Luftkampf wichtige Elemente verzichtet. Der österreichische Eurofighter ist mehr Polizeiauto als Kampfpanzer, mehr empfand man nicht als notwendig. Das Österreichische Bundesheer ist in einem so schlechten Zustand, dass es gar nicht mehr richtig funktioniert, urteilte außerdem die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd.
Nacheile
Nacheile bezeichnet die Durchsetzung hoheitlichen Rechts durch Verfolgung eines Flüchtenden über die Grenze des Gebietes hinaus. Paradebeispiel: Die Polizei muss die Verfolgung eines Strafverdächtigen nicht an der Staatsgrenze beenden. Dafür benötigt es entsprechende Abkommen zwischen den Staaten.
Ein entsprechendes Abkommen für den Luftraum gibt es zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich seit 2019. Der Vertrag erlaubt nur die Verfolgung und Begleitung von Flugzeugen, bis die jeweils heimische Luftwaffe übernehmen kann. Der Waffeneinsatz ist untersagt. Österreich hat bislang nur mit der Schweiz das entsprechende Abkommen. Man sei aber auch mit anderen Nachbarländern in entsprechenden Verhandlungen, bestätigt das Bundesverteidigungsministerium.
Der robuste, also militärische Einsatz Schweizer Kampfjets über dem ebenfalls neutralen westösterreichischen Luftraum stößt jedoch auf eigene Probleme. "Das ist nicht möglich, dem widerspricht unsere Verfassung und Neutralitätsgesetze", betont der Sicherheitssprecher der SPÖ, Reinhold Einwallner. Wichtiger wäre ihm eine Diskussion, wie Österreich wieder zu einer auf der Neutralität fußenden Außenpolitik finden kann. "Wir wurden einmal vom Ausland für unsere Vermittlerrolle geschätzt", erinnert Einwallner.
Ebenfalls aus Vorarlberg stammt der Wehrsprecher der FPÖ, Reinhard Bösch. Jeder souveräne Staat müsse über die Mittel verfügen, sich selbst verteidigen zu können. "Das ist erstrebenswert, das macht auch unabhängig", betont der Brigadier a. D. Immerhin habe die Regierung angekündigt, den Eurofighter nachzurücsten um die Mankos zu stopfen. Der Idee Häslers kann er wenig abgewinnen, nicht zuletzt mit dem Blick auf die Neutralität: "Mit Blick auf die Entwicklungen Österreichs und der EU in den vergangenen 30 Jahren glaube ich, dass die Neutralität weiterhin ein taugliches sicherheits- und außenpolitisches Instrument ist."
Schweden und Finnland stellen Neutralität in Frage
Gleichzeitig ist Österreich Mitglied der EU und deren Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und kooperiert mit der NATO in der Partnerschaft für den Frieden. Von der vielbeschworenen Neutralität blieb die Bündnisfreiheit, so wie auch bei Irland, Schweden und Finnland. Doch gerade Schweden erklärt dies erst diesen Monat für hinfällig. Man werde der EU im Falle eines Angriffes militärisch beistehen.
Das nordische Königreich nahm erst kürzlich an einem gemeinsamen Manöver der NATO teil, 2013 wie auch das ebenfalls bündnisfreie Finnland. Beide Länder fühlen sich von Russland bedroht, sowohl ihre Hoheitsgewässer als auch ihr Luftraum werde immer wieder von Russland bzw. fremden U-Booten verletzt.
innsbronx hat geschrieben: ↑Sa 2. Apr 2022, 16:12 In der NZZ fordert Georg Häsler angeblich, dass die Schweiz auch die aktive Luftraumüberwachung über Vorarlberg und Tirol sicherstellen solle. Ich schreibe angeblich, weil ich den Kommentar nicht zur Gänze lesen kann (paywall). Vielleicht hat jemand Zugriff darauf. Grundsätzlich wäre es m. E. sinnvoll.
https://www.nzz.ch/meinung/sicherheitsp ... duced=true
Ich wüsste zu gerne, woher Herr Häsler die Idee des "Tirol-Korridors" hat? Diesen hat er schon in einem Artikel vom Juli 2021 erwähnt - aber in einem völlig anderen Zusammenhang und ohne nähere Erläuterung:Neue Zürcher Zeitung hat geschrieben:Leitartikel
Die Schweiz muss die bewaffnete Neutralität neu denken
Von Georg Häsler, Bern
Die Schweiz muss einen militärischen Beitrag zur Sicherheit Europas leisten. Den Nato-Beitritt braucht es dazu nicht, aber eine beherzte Neuauslegung der schweizerischen Neutralität.
Es ist nicht schön, über den Krieg zu sprechen. Aber manchmal ist es gut, sich auch mit der hässlichsten Form des menschlichen Wesens auseinanderzusetzen, in aller Konsequenz. Der Krieg in der Ukraine zwingt die Schweiz und ihre Nachbarländer dazu, das Gute dem Schönen vorzuziehen, die Ethik der Ästhetik im Diskurs voranzustellen. Die offensichtliche Rückkehr der rohen Gewalt als Mittel der Machtpolitik stellt die demokratischen Gesellschaften vor ähnlich epochale Herausforderungen wie der Klimawandel mit seinen Folgen. Politparolen können weder entfesselte Autokraten noch den Gletscherschwund in den Alpen stoppen. Gefragt ist ein kluger Wettbewerb der Ideen für einen gemeinsamen Schweizer Standpunkt.
Polemik gegen die Friedensfahnen, die als Relikte einer unbeschwerten Zeit in den städtischen Wohnquartieren hängen, ist fehl am Platz. Die Realitätsverweigerung der SP und der Grünen allerdings auch. Jetzt noch über eine Volksinitiative die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zu bekämpfen, wirkt seltsam. Statt Dauerwahlkampf zu betreiben, müssten die Parteien einen sicherheitspolitischen Kompromiss erstreiten.
Verkümmerte Kernaufgabe
Unsicherheit über die eigene Position ist keine Schwäche, auch nicht deren Revision. Denn der Krieg drängte sich für die meisten über Nacht in den tiefen Frieden der Schweizer Wirklichkeit. Die Push-Nachrichten, die den russischen Angriff auf die Ukraine meldeten, erreichten am frühen Morgen des 24. Februar 2022 eine ungläubige Bevölkerung. Noch vor dem ersten Kaffee wurde auch die Schweiz mehrheitlich unvorbereitet von den Geistern der Vergangenheit überfallen. Plötzlich ist Sicherheitspolitik in der Schweiz wieder ein Top-Thema. Die Diskussion dreht sich allerdings bereits jetzt im Kreis. Es fehlt schlicht das Vokabular, um über den Krieg zu reden. Die Sprache der Think-Tanks ist zu verkopft, der Sicherheitspolitische Bericht 2021 des Bundesrats flüchtet sich in eine euphemistische Begriffswelt. Das Wort Krieg kommt gerade einmal explizit vor. Immerhin wird erwähnt, dass Russland ein Potenzial aufgebaut habe, einen konventionellen Krieg zu führen.
Es fehlt aber der Mut, den hässlichen Kern anzusprechen: dass der Krieg auch die Schweiz treffen könnte - dass sie nicht einfach abseitsstehen kann, wenn ein Aggressor das internationale Recht verletzt. Diese sicherheitspolitische Sprachlosigkeit ist eine direkte Folge der kollektiven Fehlüberlegung, der Fall der Mauer 1989 bedeute das Ende der Geschichte. So wurde die erste Aufgabe des Staates, der Schutz von Land und Leuten, nach dem Ende des Kalten Krieges zu einem Nebenschauplatz des Politbetriebs. Gegen den Trend der meisten europäischen Länder hielt das Volk zwar in einer Abstimmung 2013 mit großer Mehrheit an der Wehrpflicht für Männer fest, die konkreten Ausgaben für die Armee sanken aber bis vor kurzem jedes Jahr.
Die Finanzen, nicht mögliche Bedrohungen setzten den Rahmen der Schweizer Sicherheitspolitik. Ganze Waffensysteme wurden ersatzlos außer Dienst gestellt, essenzielle Fähigkeiten wie der Erdkampf der Luftwaffe sang- und klanglos aufgegeben. Nur dank dem Traditions-, aber auch Verantwortungsbewusstsein einzelner bürgerlicher Sicherheitspolitiker konnte der harte Kern der Armee, mit drei mechanisierten Brigaden mit Kampfpanzern und Artillerie, erhalten werden. Konservative Romantiker und Armeeabschaffer blockierten die Schweizer Sicherheitspolitik über Jahrzehnte. Eine Ausrichtung auf Auslandseinsätze wie in Österreich und in Deutschland scheiterte an der Skepsis von rechts und links. Die Schweiz sollte nicht am Hindukusch verteidigt werden. Das dauernd drohende Patt im Parlament begrenzte auch den Spielraum des Verteidigungsdepartements (VBS) faktisch auf null.
Die Absenz einer echten Auseinandersetzung hat immerhin einen positiven Nebeneffekt: Die Schweiz verfügt im Gegensatz zu Deutschland und Österreich noch immer über ein funktionierendes militärisches Gesamtsystem. Trotz allen Mängeln etwa bei den Führungssystemen ist die Schweizer Armee bis heute in der Lage, das "Gefecht der verbundenen Waffen" im Maßstab 1:1 zu üben. Diese Ausgangslage verschafft der Schweiz einen gewissen Vorsprung bei der Anpassung ihrer Sicherheitspolitik an den Krieg in Europa und die Renaissance der Machtpolitik. Mehr Geld für die Armee allein reicht nicht als sicherheitspolitisches Konzept.
Die Schweiz braucht einen neuen sicherheitspolitischen Standpunkt, wie 1914, als das Land vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht worden war: "Wie auf den übrigen Gebieten, so hat auch in unserem Gemüts- und Geistesleben die Plötzlichkeit des Kriegsausbruchs gleich einer Bombe eingeschlagen", sagte der Schweizer Schriftsteller Carl Spitteler in seiner Rede über den Schweizer Standpunkt vor der Neuen Helvetischen Gesellschaft in Zürich. Doch anders als 1914 droht heute nicht die Spaltung entlang der Kriegsparteien. Es sind nicht die Nachbarländer, die Krieg führen. Die Erneuerung einer rigiden Neutralität ist nicht geboten, wie Spitteler damals eindringlich forderte. Die Zeitenwende, die der russische Krieg gegen die Ukraine bedeutet, erfordert vielmehr eine beherzte Neuausrichtung der neutralen Position der Schweiz.
Gefährlichstes Szenario
In einem NZZ-Beitrag von Anfang März schlug Alt-Bundesrat Kaspar Villiger die Formel vor, die Schweiz solle neutral bleiben, solange es um unwahrscheinliche, aber mögliche Konflikte unter europäischen Demokratien gehe. Bei einem Angriff auf das demokratische Europa solle sie sich aber solidarisch zeigen. Mit der dezidierten Übernahme der Sanktionen gegen Russland hat die Schweiz einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Die vertiefte Auseinandersetzung mit der bewaffneten Neutralität bedeutet auch ein Denken in Szenarien, wie sich die Lage in den nächsten Jahrzehnten weiterentwickeln könnte. Die gegenwärtige Geschlossenheit der freien Welt ist nicht in Stein gemeisselt. Allein die Energieversorgung Westeuropas sorgt für erhebliches Konfliktpotenzial unter den betroffenen Staaten. Dazu kommen die Krisenherde im östlichen Mittelmeer.
Eine Konkurrenz oder gar ein Konflikt unter den Nachbarländern mag dystopisch klingen. Ein solches Szenario wäre aber weiterhin die gefährlichste Lageentwicklung aus Sicht der Schweiz. Die bewaffnete Neutralität bleibt dafür die strategische Rückfallebene, sollte aber die Solidarität der Schweiz mit der Nato nicht ausschließen. Es stellt sich die Frage, ob sie als globale Wirtschaftsmacht nicht sogar dazu verpflichtet ist, einen aktiven, militärischen Beitrag zur Sicherheit Europas zu leisten. Ein Blick auf die gegenwärtige Lage zeigt: Die europäischen Armeen sind dabei, praktisch alle ihre Kräfte an die Ostflanke zu verlegen. Zusätzlich zu den Kampfbataillonen im Baltikum und in Polen sollen vier neue Verbände der Enhanced Forward Presence (erweiterte Präsenz vorne) für Ungarn, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien geschaffen werden. Die Hauptlast der westlichen Abwehrmaßnahmen tragen aber weiterhin die USA - am Boden und in der Luft.
Im Alpenraum ist die Schweizer Armee schon in diesem begrenzten Krieg die einzige militärische Kraft, die übrigbleibt. Ein mögliches Angebot der Schweiz könnte deshalb sein, den Schutz des sogenannten Tirol-Korridors zu übernehmen. Weil die österreichische Luftwaffe praktisch keinen Widerstand leisten kann, gilt die Achse von Wien über Innsbruck bis zur Schweizer Grenze als Schwachstelle des westeuropäischen Luftraums. Dafür muss die Schweiz nicht der Nato beitreten. Aber sie könnte mit der Idee einer erneuerten Neutralität zur Entlastung der militärischen Nachbarn - plus der stark beanspruchten USA - beitragen.
Die technologische Partnerschaft über die Beschaffung des F-35 erhielte damit eine zusätzliche Bedeutung. Der US-Kampfjet der fünften Generation entfaltet im Verbund seine grösste Wirkung, nicht zuletzt als Sensor möglicher Gefahren. Das System sieht alles: am Boden, in der Luft und als fliegender Datenstaubsauger auch im elektromagnetischen Raum.
Es ist deshalb Zeit, auch das Neutralitätsrecht anzupassen - oder mindestens zur Diskussion zu stellen. Die rein territoriale Denkweise der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist längst überholt. Schon der Luftkrieg hält sich nicht an Grenzen, nicht zu reden von Hackern im Cyberspace. Zudem sollte der Gedanke der Solidarität unter den Uno-Staaten bei eklatanten Verletzungen des Völkerrechts festgeschrieben werden. Eine solche Initative könnte die Schweiz einbringen, falls sie im Juni für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählt wird. Eine dynamische Neutralität im Dienst des Völkerrechts würde den neutralen Staaten eine neue Bedeutung verleihen: Sie wären nicht mehr neutralisierte Zuschauer, sondern Anwälte einer regelbasierten Weltordnung und gegen das krude Recht des Stärkeren.
Über den Krieg zu reden, heisst also auch, neue Wege zu finden, um einen besseren, gerechteren Frieden zu erreichen. Denn Spitteler hatte recht: "Die jammernden Schluchzer tönen in allen Sprachen gleich, da gibt es keinen Unterschied der Sprache." Keine Nato-Bündnisverpflichtung, aber ein aktiver Einsatz mit der bewaffneten Neutralität für das Völkerrecht: Das wäre ein Ansatz für einen neuen Schweizer Standpunkt des 21. Jahrhunderts.
HÄSLER SANSANO Georg: Französische Polemik nach Schweizer Kampfjet-Entscheid hat geschrieben:Für Frankreich bildet die Schweizer Luftwaffe einen Riegel gegen den schwach geschützten Luftraum über Österreich. Den "Tirol-Korridor" sehen französische Offiziere als Schlupfloch für gegnerische Kampfflugzeuge, falls die Spannungen an einem der Schauplätze im Osten eskalieren sollten.
So ähnlich wie die Neutralität ist die "Vermittlerrolle" auch so ein österreichischer Mythos, der von manchen im Inland völlig überschätzt wird. Die ursprüngliche Idee der "Vermittlerrolle" bestand darin, dass Österreich - als Nachfolger der Habsburgermonarchie - zwischen der germanischen, slawischen und lateinischen Kultur "vermittelt" (also eine friedliche Co-Existenz sicherstellt).Wichtiger wäre ihm eine Diskussion, wie Österreich wieder zu einer auf der Neutralität fußenden Außenpolitik finden kann. "Wir wurden einmal vom Ausland für unsere Vermittlerrolle geschätzt", erinnert Einwallner.
Ob es mit der Schweiz diesbezüglich mehr als das "Nacheile-Übereinkommen" geben wird wage ich zu bezweifeln. Außerdem wäre das auch mit enormen Kosten verbunden, denn andere Staaten werden das sicher nicht gratis machen bloß weil Österreich als einer der reichsten Staaten weltweit jahrelang unfähig/unwillig war in eine entsprechend effektive LRÜ zu investieren.