Verteidigungsministerin Tanner (ÖVP): Österreich muss verteidigungsfähig werden
Julia Schmuck: "Und wie stellt sich Österreich auf? Ob sich Österreich beteiligen würde an Friedenstruppen lässt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner von der ÖVP im ausführlichen Interview offen. Ausgebaut werden soll jedenfalls die österreichische Luftverteidigung. Im neuen Regierungsprogramm sind vier Milliarden Euro zusätzlich für Luftabwehrraketen vorgesehen. Auch die Nachbeschaffung der älter werdenden Eurofighter wird eingeleitet. Gespart wird beim Aufbau des Bundesheeres nicht, erklärt die Verteidigungsministerin. Peter Daser hat mit Klaudia Tanner gesprochen."
Peter Daser: "Frau Ministerin, die Sicherheitslage in Europa ändert sich gerade. Europa kann sich nicht mehr auf die USA als Schutzmacht verlassen. Was heißt denn das für Österreich, militärisch?"
Klaudia Tanner: "Für uns heißt es, dass wir verteidigungsfähig werden müssen, damit unseren Aufbauplan 2032+ auch umsetzen müssen. Das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz bietet uns ja die Grundlage auch dafür - nicht zuletzt budgetär auch die Grundlage dafür."
DASER: "Eine der großen Anschaffungen, die hinzugekommen sind, im Regierungsprogramm, sind Luftabwehrraketen auch für größere Reichweiten. Wann wird denn das entschieden?"
TANNER: "Das ist richtig, dass wir uns gerade im Bereich der Luftraumüberwachung hinentwickeln müssen zu einer Luftverteidigung auch. Und im Aufbauplan sind die kurzen und die mittleren Reichweiten - wenn wir dann von 100 Kilometern sprechen sind wir bei den längeren Reichweiten, die in etwa der budgetär 4 Milliarden Euro ausmachen werden. Und ich denke, dass wir plangemäß dann das, nachdem wir die kurzen und die mittleren Reichweiten beschafft haben, durchführen werden. Also ich denke 2028."
DASER: "2028 müsste man dann eine Entscheidung treffen, welches System man kauft. Da gibt es zum Beispiel die amerikanische PATRIOT oder israelische ARROW 3-Raketen. Es gibt auch europäische Systeme.
Diese geänderte Sicherheitslage - wird sich die darauf auswirken, in welchem Land man solche Raketen kauft?"
TANNER: "In all diese Entscheidungen wird das natürlich mit einfließen müssen. Da bin ich überzeugt davon, dass das unsere Planungsverantwortlichen, insbesondere Generalleutnant Hofbauer, auch so am Plan hat."
DASER: "Und wie schaut's bei den Nachfolgeflugzeugen für die Eurofighter aus? Wo wird man die eher kaufen: In Europa oder in Amerika?"
TANNER: "Das System wird nur mehr bis 2035 technisch laufen und daher beginnen die Vorarbeiten jetzt. Auch für diesen Bereich gilt, dass selbstverständlich sehr genau dieser Prozess aufgesetzt werden wird. Und man all diese Entscheidungen dann auch mitberücksichtigen muss, die dann zu einer Systementscheidung am Ende des Tages führen."
DASER: "Viele Länder in Europa haben amerikanische Flugzeuge gekauft, F-35-Jets. Man ist aber dann auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte, gebunden auch an den Hersteller. Wäre das machbar, dass das Bundesheer auch Flugzeuge in Amerika kauft oder ist es sicherer, die in Europa zu kaufen?"
TANNER: "Das muss dann zu diesem Zeitpunkt in jedem Fall mit in die Entscheidung einfließen. Generell haben wir aber schon gesehen, innerhalb von Europa, dass es durchaus Sinn macht, auch in dem Fall, unabhängig zu sein und autonom agieren zu können. Jetzt müssen wir mal den Vorhabensbericht erstellen für die Nachbeschaffung der Eurofighter und zum gegebenen Zeitpunkt wird man entscheiden, welches System damit dann auch welche Anzahl an Kampfflugzeugen die richtige Entscheidung ist."
DASER: "Eine Entscheidung ist schon gefallen, nämlich es werden zwölf Flugzeuge, die sogenannten Advanced Jet Trainer, bei Leonardo in Italien gekauft. Wann wird denn da eigentlich ein Vertrag unterschrieben?"
TANNER: "Wir sind hier plangemäß unterwegs. Wir haben die Entscheidung über das System getroffen und die Unterschrift wird zeitnah erfolgen. Wichtig ist, dass wir damit auch die Ausbildung unserer Piloten wieder zurück nach Österreich holen können. Und ich denke das ist eine richtige Entscheidung, die, wie gesagt, auch im Aufbauplan enthalten ist."
DASER: "Es gibt möglicherweise irgendwann einen Waffenstillstand in der Ukraine. Die Frage ist: Wie wird der gesichert? Könnte sich ... würde sich Österreich an einer Friedenstruppe beteiligen?"
TANNER: "Wir hoffen alle auf diesen Frieden, aber auch einen gerechten und nachhaltigen Frieden, der mit der Ukraine und mit Europa auch erzielt werden muss. Und wenn dann dieser Friede da ist, dann wird's die Frage geben: ,Welches Mandat wird das sein?'
Das beurteilt man dann, wenn es so weit ist. Jetzt müssen einmal alle Bemühungen eben auf den Frieden gerichtet sein."
DASER: "Das heißt: Man kann's im Moment eigentlich nicht sagen, ob Österreich einer Friedenstruppe in der Ukraine - sollte die jemals stattfinden - teilnehmen würde oder nicht."
TANNER: "Leider nein. Weil es weder Frieden gibt und auch noch kein Mandat gibt."
DASER: "Noch mal zurück zum Geld: Die Regierung hat beschlossen, dass alle Ministerien sparen müssen. Auf der anderne Seite braucht das Bundesheer mehr Geräte, mehr Waffen, es wird mehr Geld ausgegeben. Wie passt denn das zusammen?"
TANNER: "Das war eigentlich über alle Parteigrenzen hinweg ist im Parlament das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz beschlossen worden, um auch Planbarkeit zu haben. Das heißt: Über die Legislaturperiode hinaus ist budgetär mal der Wiederaufbau und der Aufbauplan 2032+ auch gesichert.
Konkrete Einsparungen in einzelnen Verwaltungsbereichen wird man dann sehen, wenn's eben zu einer Beschlussfassung des Budgets kommt."
DASER: "Also die Sparmaßnahmen können dann schon auch das Verteidigungsministerium betreffen."
TANNER: "Sie können keinesfalls den ,Aufbauplan 2032' und die ,Mission vorwärts' betreffen; so viel steht einmal in jedem Fall fest. Weil das festgehalten ist. Und nebenbei nicht nur von den Regierungsparteien so gesehen wird, sondern durch den Beschluss des Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetzes auch von den Oppositionsparteien so gesehen wird."
DASER: "Also: Wenn gespart wird, dann im Verwaltungsbereich, aber nicht bei den Neuanschaffungen."
TANNER: "Das haben wir bis dato schon so gesehen und ich denke und ich gehe davon aus, dass das auch hinkünftig so sein wird. Es hat jeder erkannt, dass es notwendig ist, dass wir verteidigungsfähig werden und eine moderne ... ein modernes Bundesheer werden."
Regierung will Stärkung der Miliz: Wer kämpft im Ernstfall für Österreich?
Lange war die Frage rein hypothetisch, angesichts der unsicheren Weltlage gewinnt sie aber immer mehr an realer Bedeutung: Wer würde Österreich im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen? „Die EU“, lautet die gängige Antwort bei Meinungsumfragen, doch Österreich wird gerade als neutrales Land auch selbst etwas zu seiner Verteidigung beitragen müssen.
Die rund 15.000 Berufssoldaten des Bundesheeres werden zur Abwehr eines Angriffs nicht ausreichen, weshalb sich schon mehrere Regierungen die Wiederbelebung der Milizarmee zum Ziel gesetzt haben – ohne echten Erfolg. Auch im Koalitionspakt der neuen Regierung findet sich daher ein eigenes Kapitel „Stärkung der Miliz“.
Miliz bedeutet, dass alle ehemaligen Grundwehrdiener regelmäßig üben, damit sie ihre militärischen Fähigkeiten behalten und im Ernstfall zur Verteidigung des Landes herangezogen werden können. Zu den Hochzeiten der Miliz in den 70er- und 80er-Jahren sollte so eine Armee von bis zu 300.000 Mann aufgestellt werden. Aktuell wird eine Zahl von 55.000 Mann angestrebt, sie existiert aber nur auf dem Papier. Der Präsident der Milizverbände, der Salzburger Oberstleutnant Bernd Huber, nennt dafür einen einfachen Grund: Es finden viel zu wenige Truppenübungen statt.
Mit der 2006 vorgenommenen Verkürzung des Wehrdienstes von acht auf sechs Monate fiel die bis dahin bestehende Verpflichtung zu zwei Monaten Truppenübungen weg. Der Großteil der Grundwehrdiener übt daher nie wieder, vergisst somit das militärisch Gelernte und wäre im Ernstfall nicht ohne Weiteres für die Landesverteidigung einsetzbar. Die Versuche, mit der Zahlung von Prämien eine nennenswerte Zahl von ehemaligen Grundwehrdienern zu freiwilligen Übungen zu animieren, sind laut Milizpräsident Huber gescheitert. Die Personalnot in den verbliebenen Milizeinheiten sei eklatant. Im Grunde diene die Miliz, die laut Bundesverfassung eigentlich das Fundament der Landesverteidigung bilden sollte, nur noch dem Löcherstopfen im Bundesheer.
Die Dreierkoalition will nun eine Arbeitsgruppe von Experten einsetzen, um – wie es im Koalitionspakt heißt – eine verstärkte Übungstätigkeit sicherzustellen und damit die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres „wiederherzustellen“. Huber hofft sehr, dass auch die Milizverbände zu der Arbeitsgruppe eingeladen werden, um dort ihre zentrale Forderung einzubringen: die Wiedereinführung der verpflichtenden Truppenübungen. „Das kann das alte Modell sechs Monate Grundwehrdienst plus zwei Monate Übungen oder auch ein Modell fünf plus eins sein“, sagt Huber. In den gescheiterten Koalitionsverhandlungen von FPÖ und ÖVP sei das auch debattiert worden, aber am Widerstand der ÖVP gescheitert.
Auch im aktuellen Koalitionspakt ist nur von Anreizen, aber von keiner Verpflichtung zu Truppenübungen die Rede. Denn die ÖVP fürchtet, dass die Milizsoldaten, wenn sie bei Übungen sind, der Wirtschaft als Arbeitskräfte fehlen. – Ein vorgeschobenes Argument, findet Huber. Im Vergleich zu den Krankenstandstagen würden die Übungstage der Miliz nicht einmal ein Prozent der Fehlzeiten ausmachen. Auch über die Übungszeiten der freiwilligen Feuerwehr rege sich niemand auf. Als hauptsächlichen Bremser in der ÖVP, was die Truppenübungen betrifft, ortet Huber den Milizbeauftragten des Bundesheeres, den Raiffeisen-Manager Erwin Hameseder. „Das ist ein trojanisches Pferd“, klagt Huber. „Wenn Verteidigungsministerin Klaudia Tanner wirklich etwas für die Miliz tun will, sollte sie als Erstes einen anderen Milizbeauftragten ernennen.“
Michael Schaffer, Ehrenpräsident der Milizverbände, nennt Hameseder gar einen „Verräter“. Denn Hameseder habe in den Koalitionsverhandlungen persönlich die Wiedereinführung verpflichtender Truppenübungen beeinsprucht. Selbst hohe Berufsmilitärs, die der Miliz immer skeptisch gegenübergestanden seien, hätten nun erkannt, dass dem Bundesheer ohne Miliz das Personal ausgehe, sagt Schaffer. Schließlich müssten die milliardenteuren Waffensysteme, die jetzt angeschafft werden, auch von jemandem bedient werden. Und die Wirtschaft müsse größtes Interesse an einem mannstarken Heer haben, denn wer schütze sonst ihre Betriebe?, fragt Schaffer.
Bisher war davon ausgegangen worden, dass alle Ressorts gleichmäßig ihren Sachaufwand (ohne Mietzahlungen) um 15 Prozent kürzen müssen. Davon soll im Rahmen der Budgetverhandlungen der einzelnen Ressorts mit dem Finanzministerium nun jedoch abgegangen werden. Garantiert wurde vom Kanzler und von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nur, dass nicht bei der Sicherheit gespart werde, weder bei der inneren noch bei der äußeren.
Zudem müsse man noch die Gespräche auf EU-Ebene abwarten, ob Verteidigungsmaßnahmen überhaupt relevant bezüglich der Maastricht-Kriterien würden.
Zuvor hatte eine Studie des SPÖ-nahen Momentum-Instituts für Unruhe gesorgt. Demnach hätte das Verteidigungsressort bei einem einheitlichen Sparziel von 15 Prozent des Sachaufwands das Verteidigungsministerium mit 166 Millionen Euro den größten Teil stemmen müssen. 14,9 Prozent des geplanten Sparbetrags käme aus dem Ministerium von Klaudia Tanner (ÖVP).
Sicherheit in Gefahr? Sparkurs bei Polizei und Heer sorgt für Aufregung
Die bevorstehenden Einsparungen in allen Ministerien sorgen bei der Polizei und dem Bundesheer jetzt schon für Alarmstimmung.
Die Regierung hat sich vorgenommen, dass alle Ministerien 15 Prozent beim Sachaufwand einsparen müssen. In Summe sollen 1,1 Milliarden Euro eingespart werden. Das ist Teil des Sparpakets, mit dem das Defizit unter der von der EU vorgegebenen Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP gedrückt und damit ein EU-Defizitverfahren vermieden werden soll. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut hat ausgerechnet, dass demnach das Verteidigungsministerium mit 166 Millionen Euro 14,9 Prozent des angestrebten Sparbeitrags stemmen müsste.
Stocker verspricht: „Sparen nicht bei der Sicherheit“
Stocker und die Chefs der Sicherheitsministerin, Klaudia Tanner und Gerhard Karner bekräftigten, dass nicht bei der Sicherheit gespart werde. „Mit dem Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz haben wir eine gesetzliche Grundlage für die budgetäre Stärkung unseres Bundesheeres geschaffen. Zudem sind die Fortsetzung und Umsetzung des Aufbauplanes 2032+ sowie das budgetäre Ziel, das Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren auf zwei Prozent anzuheben, im Regierungsprogramm festgehalten – das ist für mich entscheidend“, so Tanner gegenüber der „Krone“.
Die aktuell veröffentlichten Zahlen des Instituts können nicht seriös bestätigt werden, da das Budget für dieses Jahr noch nicht finalisiert wurde. „Eine endgültige und belastbare Aussage zu den Zahlen kann erst getroffen werden, sobald die Budgetverhandlungen abgeschlossen und die Sparmaßnahmen konkret festgelegt sind“, so die Ministerin.
Auch Marterbauer bekennt sich zum Heer
Auch rote Finanzminister Markus Marterbauer bekräftigte auf Nachfrage der „Krone“, dass der Aufbauplan des Bundesheeres nicht infrage gestellt sei. Sowohl Sky Shield als auch die Eurofighter-Nochfolge seien Teil des Regierungsabkommens. Dafür werde das Geld bereitgestellt werden. Am Vortag hatte er am Rande des EU-Rats Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) in Brüssel gemeint, dass es bei der Verteidigung kein „Koste es was es wolle“ geben werde.
Man kann beim Bundesheer sehr wohl sparen, müsste man halt mal mit Sinn und Verstand angehen (anstatt einfach neue Beschaffungen zu canceln etc.)
Man könnte sich fragen ob wir wirklich so viel Militärmusikkapellen brauchen oder der Klassiker ob wir wirklich 9 Militärkommanden brauchen oder ob es 3 auch tun würden.
2, 3 kleine Kasernen in einer Stadt haben auch Einsparungspotential (halt langfristig wenn eine gescheite große gebaut werden muss) oder ob wir die 4-5 Bekleidungsmagazinangestellten in jeder Kaserne auch brauchen oder ob die evtl. in ein anderes Ressort versetzt werden können (ganz ehrlich, abgesehen bei einem ET, was arbeiten die den ganzen Tag? )