Krieg in der Ukraine

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zur militärischen Lage der Ukraine: Nach Angaben von Präsident Selenskyj hat die ukrainische Armee eine operative Reserve von vierzehn Brigaden gebildet. Russische Z-Blogger bestätigen dies in ihren Beobachtungen. Sukonkin identifiziert (Quelle) die vorgehaltenen Verbände als die Panzergrenadierbrigaden 150 bis 154; die Jägerbrigaden 155 bis 159, die Panzerbrigade 3, sowie eine ganze Reihe von eigenständigen Schützenbataillonen. Im Laufe dieses Jahres sollen diese und andere Kräfte zur Verstärkung des 11. Armeekorps und der Aufstellung zweier weiterer Korps herangezogen werden.

Falls diese Verbände auf ihre Sollstärke gebracht wurden – was angesichts ihres Reservestatus und der recht stabilen Gesamtlage zu erwarten ist –, hätten die Ukrainer eine Reserve von bis zu 70.000 ausgeruhten Soldaten. Nicht genug, um das Blatt zu wenden, aber mehr als genug, um jedes Loch in der Front zu stopfen. Zum Vergleich: Um einen vorbereiteten Verteidiger zu überwinden, ist doktrinär ein Kräfteansatz im Verhältnis von mindestens 3:1 nötig. Führt der Verteidiger ein ausblutendes Verzögerungsgefecht, kann der erforderliche Kräfteansatz leicht auf über 7:1 anwachsen.

Russland müsste für eine erfolgreiche Großoffensive also 210.000 Soldaten zusammenziehen, was grob den kämpfenden Anteilen der Besatzungsarmee entspricht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen dürfte eine Großoffensive daher schlicht unmöglich sein. Solange keine russische Mobilmachung erfolgt und/oder die NATO ihr Engagement nicht substantiell vergrößert, sind demnach erst mal keine wesentlichen Veränderungen des Frontverlaufs zu erwarten.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zur geostrategischen Lage:

Argentinien wird der Anti-Putin-Koalition beitreten und plant, die Ukraine mit Waffen zu versorgen. (Quelle)

Zu russischen Verlusten:

Mediazona hat ihre Erhebungen auf eine neue Grundlage gestellt. Wurden bisher nur namentlich identifizierbare russische Kriegstote (z.B. aus Todesanzeigen oder Nennung durch Angehörige in den sozialen Medien) gezählt, so werden nun auch Erbfälle einbezogen. Die Journalisten konnten diese Methode verifizieren, als die Namen der bei der Schlacht um Bachmut gefallenen Wagner-Söldner an die Presse durchgestochen wurden. Ihre Schätzung hatte 16.000 Gefallene ergeben, tatsächlich waren 17.000 Mann umgekommen. Man ist sicher, dass die neue Methode ein akkurates Bild liefert.

Demnach hätten die Russen mindestens 120.000 Gefallene zu beklagen (Fehlertoleranz 106.000–140.000). In dieser Zahl sind die Toten der "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk nicht enthalten. Bemerkenswert ist auch die Dynamik des Geschehens. Im letzten Quartal 2023 zählte Meduza täglich rund 120 Gefallene, im ersten Halbjahr 2024 waren es bereits 250 pro Tag. (Quelle) Man wird davon ausgehen müssen, dass auf jeden Gefallenen ~2,5 so viele Verwundete, Gefangene und Vermisste kommen. Die demographische Krise Russlands wird sich durch diesen Krieg erheblich verschärfen.
Lazarus
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Lazarus »

muck hat geschrieben: Mi 10. Jul 2024, 06:16 Zur geostrategischen Lage:

Argentinien wird der Anti-Putin-Koalition beitreten und plant, die Ukraine mit Waffen zu versorgen. (Quelle)

Zu russischen Verlusten:

Mediazona hat ihre Erhebungen auf eine neue Grundlage gestellt. Wurden bisher nur namentlich identifizierbare russische Kriegstote (z.B. aus Todesanzeigen oder Nennung durch Angehörige in den sozialen Medien) gezählt, so werden nun auch Erbfälle einbezogen. Die Journalisten konnten diese Methode verifizieren, als die Namen der bei der Schlacht um Bachmut gefallenen Wagner-Söldner an die Presse durchgestochen wurden. Ihre Schätzung hatte 16.000 Gefallene ergeben, tatsächlich waren 17.000 Mann umgekommen. Man ist sicher, dass die neue Methode ein akkurates Bild liefert.

Demnach hätten die Russen mindestens 120.000 Gefallene zu beklagen (Fehlertoleranz 106.000–140.000). In dieser Zahl sind die Toten der "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk nicht enthalten. Bemerkenswert ist auch die Dynamik des Geschehens. Im letzten Quartal 2023 zählte Meduza täglich rund 120 Gefallene, im ersten Halbjahr 2024 waren es bereits 250 pro Tag. (Quelle) Man wird davon ausgehen müssen, dass auf jeden Gefallenen ~2,5 so viele Verwundete, Gefangene und Vermisste kommen. Die demographische Krise Russlands wird sich durch diesen Krieg erheblich verschärfen.
Hört sich realistisch an.
Gibt es zum Vergleich auch Zahlen zur Ukraine, die nicht von offizieller Stelle kommen?
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

@Lazarus

Die Ukraine gibt nur in unregelmäßigen Abständen Informationen heraus. Die letzten mir bekannten Zahlen stammen aus dem März und wurden mit 31.000 Gefallenen beziffert. Obwohl anhand der nachgewiesenen Materialverluste klar ist, dass die ukrainischen Personalverluste deutlich niedriger sein müssen als die russischen, war diese Zahl zweifellos zu niedrig angesetzt.

Ich will hier Kiew gar nicht der Lüge bezichtigen; die ukrainische Gesellschaft ist freier und kritischer als die russische, und die Regierung kann gar nicht riskieren, dass Journalisten grob abweichende Zahlen beweisen oder Soldatenfamilien sich in den sozialen Medien zusammentun und die Angaben angreifbar machen.

Vermutlich agierte Kiew jedoch unter der Prämisse der "plausible deniability", machte also auf irreführende Weise eine faktisch richtige Aussage. Die Zahl 31.000 könnte sich auf ausschließlich an der Front gefallene Soldaten bezogen haben, d.h. ohne Angehörige von Nationalgarde, Grenzschutz und Geheimdienst, die ebenfalls in großer Zahl an Kampfhandlungen teilnehmen.

Nimmt man die bestätigten Materialverluste als Maßstab, was durchaus zulässig ist, dürften die ukrainischen Verluste auch beim Personal etwa ein Drittel der russischen betragen. Wobei das Verhältnis zwischen Toten und Verwundeten auf ukrainischer Seite wohl deutlich günstiger ausfällt als auf der russischen Seite. Über die Unzulänglichkeiten und auch geographischen Probleme der russischen Rettungskette ist ja genug geschrieben worden.

Man wird davon ausgehen dürfen, dass die russischen Gesamtverluste 420.000 Soldaten betragen, die ukrainischen 150.000.
Lazarus
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Lazarus »

@ muck:
Klar, beide Seiten stellen die jeweils anderen Verluste größer und die eigenen kleiner dar als sie sind, wir sind im information war.

Daher wäre es zur Vergleichbarkeit besser, wenn es ein Zählsystem gibt und dieses auf beiden Seiten angewendet wird.

Bei den Materialverlusten wird dies von ORYX so gemacht. Auch wenn die Methodik nicht die absolute Wahrheit wiedergibt, so ist doch eine Vergleichbarkeit gegeben.

Übrigens, da Russland seit dem Spätherbst die Initiative übernommen hat und von der Defensive in die Offensive gewechselt ist, sind auch die Verluste wieder angestiegen.

Vor allem durch den Gleitbombeneinsatz werden aber auch die Verluste der Ukraine in der Verteidigung deutlich zugenommen haben. Ausgebaute Stellungen bieten nicht mehr den Schutz wie 2022/23.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Ich bin mittlerweile von Oryx zu Perpetua gewechselt. Dessen OSINT-Team zählt die Verluste tageweise und macht auch das ausgewertete Bild- und Videomaterial öffentlich. So kann man sich in Zweifelsfällen eine eigene Meinung bilden.

Die bildlich bestätigten Materialverluste der Ukrainer sind nach meinem Eindruck ohne große Veränderung.
theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

Das rumänische Verteidigungsministerium hat am 6. Juli zwei F-16 aufsteigen lassen, nachdem russische Drohnen detektiert worden waren, die nahe der rumänischen Grenze auf ukrainisches Territorium zusteuerten. Anschließend wurde eine Suche nach abgestürzten Objekten im Gebiet zwischen Vulturu, Mahmudia und Maliuc durchgeführt, die aber ergebnislos geblieben ist:

https://www.facebook.com/mapn.ro/posts/ ... nLoxFtjmql






Und die Niederlande haben weitere 300 Mio. EUR zur Beschaffung der Munition für ukrainische F-16 bereitgestellt:

€ 300 miljoen extra om voor Oekraïne bestemde F-16’s te bewapenen (10. Juli 2024)

https://www.defensie.nl/actueel/nieuws/ ... -bewapenen


Zuletzt geändert von theoderich am Sa 13. Jul 2024, 18:22, insgesamt 4-mal geändert.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zur geostrategischen Lage: Die USA werden zur Abschreckung Russlands konventionelle Mittelstreckenwaffen (Tomahawk-Marschflugkörper) in Deutschland stationieren. Dies war durch den INF-Vertrag ausgeschlossen gewesen, der jedoch nach Verstößen durch die russische Seite von den USA gekündigt wurde. Ebenfalls stationiert werden sollen SM-6-Flugabwehrsysteme und perspektivisch Hyperschallwaffen. (Quelle)
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

CNN: Russisches Attentat auf Rheinmetall-Chef vereitelt

Die USA und Deutschland sollen nach einem heutigen Bericht des Fernsehsenders CNN russische Pläne vereitelt haben, auf den Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, ein Attentat zu verüben. Dem Bericht zufolge standen die Pläne im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an Ukraine.

red, ORF.at/Agenturen
https://orf.at/#/stories/3363243/


Exclusive: US and Germany foiled Russian plot to assassinate CEO of arms manufacturer sending weapons to Ukraine

https://edition.cnn.com/2024/07/11/poli ... index.html

muck hat geschrieben: Do 11. Jul 2024, 01:30der jedoch nach Verstößen durch die russische Seite von den USA gekündigt wurde.
Konkrete Beweise für diese angeblichen "Verstöße" haben die USA aber nie vorgelegt. Nur wechselnde Vorwürfe, zunächst zu einer "Yars M"/RS-26 "Rubezh", die letztendlich von Russland nie in Dienst gestellt worden ist, und schließlich hat man im Dezember 2017 plötzlich einen Marschflugkörper namens 7M29 aus dem Hut gezaubert.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

theoderich hat geschrieben: Do 11. Jul 2024, 18:00 Nur wechselnde Vorwürfe, zunächst zu einer "Yars M"/RS-26 "Rubezh", die letztendlich von Russland nie in Dienst gestellt worden ist,
Bereits die Fertigstellung eines solchen Systems, selbst als Prototyp, verstieß gegen den INF-Vertrag.
theoderich hat geschrieben: Do 11. Jul 2024, 18:00und schließlich hat man im Dezember 2017 plötzlich einen Marschflugkörper namens 7M29 aus dem Hut gezaubert.
Ich schätze, das war ein Tippfehler und gemeint ist (9)M729; dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Iskander-Marschflugkörpers. "Aus dem Hut gezaubert" wurde da beileibe nichts, das System wurde ja von Russland offiziell vorgestellt. Zahlreiche Staaten, auch Frankreich und Deutschland, bezweifeln jedoch, dass die Reichweite des Flugkörpers nicht ebenfalls gesteigert wurde und damit den Vertrag verletzt.

Es ist ja nun auch wirklich nicht abwegig, Verstöße zu vermuten, angesichts der Tatsache, dass die russische Regierung schon in den Nullerjahren ihren Ausstieg rhetorisch vorbereitete, da der Vertrag russischen Interessen schadete.
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